- ABI und kardiovaskuläres Risiko
Der Knöchel-Brachial-Index (ABI), auch Knöchel-Arm-Index oder systolischer Druckindex genannt, ermöglicht die Diagnose einer obliterativen arteriellen Erkrankung der unteren Gliedmassen (PAVK) und ist ein starker Marker für kardiovaskuläre Erkrankungen. Die klinische Relevanz dieses Indexes legt dem behandelnden Arzt nahe, insbesondere ältere Patienten mit besonderer Aufmerksamkeit zu beobachten, die aufgrund der eingeschränkten Mobilität oft wenige Symptome, aber ein hohes Komplikationsrisiko aufweisen. Es besteht ein reales Risiko von grösseren kardiovaskulären Ereignissen (Major Adverse Cardiovascular Events, MACE) sowie von grösseren Ereignissen in den unteren Extremitäten (Major Adverse Limb Events, MALE). In diesem Beitrag werden die Bedeutung und Interpretation der ABI-Messung vorgestellt.
Der ABI ist das Verhältnis des höchsten systolischen Drucks, der mittels kontinuierlichem Doppler auf der Ebene des Fusses und des hinteren Schienbeins gemessen wird, zum höchsten systolischen Blutdruck auf Höhe des Oberarms. Es ist unerlässlich, den Oberarmdruck bilateral zu messen, da eine signifikante Asymmetrie auf eine Subclavia-Stenose hinweisen kann, auch wenn diese asymptomatisch ist. Der ABI-Wert wäre falsch, wenn der niedrigste Druck verwendet wird.
Studien haben gezeigt, dass die ABI-Messung prinzipiell reproduzierbar ist (1). Wie bei jeder operatorabhängigen Untersuchung ist jedoch die Erfahrung ein entscheidender Faktor für eine zuverlässige und genaue Messung, insbesondere bei Patienten mit einer signifikanten obliterativen Erkrankung. Unerfahrenes Personal wird über einige wenige Tests hinaus ausgebildet werden müssen, auch nach anfänglicher Betreuung durch einen Spezialisten (2).
ABI und PAVK-Diagnose
Tabelle 1 zeigt die klinischen Korrelate zum ABI. Ein ABI ≤ 0,90 wird als PAVK-Diagnose interpretiert. Studien haben eine ausgezeichnete Sensitivität und Spezifität im Vergleich zur Angiographie mit stenotischen Läsionen gezeigt (3). Ein ABI gilt als normal zwischen 0,90 und 1,40 (4). Höhere Werte weisen auf eine arterielle Steifigkeit hin, da der Kompressionsdruck am Knöchel höher ist als der tatsächliche Druck im Gefäss. Die Mediakalzinose, die vor allem bei Diabetes und Nierenerkrankungen im Endstadium auftritt, ist eine der Ursachen. Sie verursacht an sich keine intraluminale Stenose, kann aber mit einer atheromatösen obliterativen Erkrankung assoziiert sein.
Ein ABI in der Norm schliesst eine PAVK jedoch nicht formell aus. Ein früher Beginn der arteriellen Rigidität kann den distalen Druck teilweise überschätzen. Die Berücksichtigung der Morphologie der Dopplerkurven bei der Bestimmung des ABI würde eine genauere Interpretation ermöglichen, würde jedoch zusätzlich zum gemessenen systolischen Blutdruckwert die Analyse von Spektralkurven für die Berechnung der ABI erfordern. Bei Diabetes und/oder chronischer Niereninsuffizienz ist daher bei der Interpretation einer ABI in der Norm Vorsicht geboten. Unter diesen Bedingungen ist die Messung des Zehen-Arm-Index (toe/brachial index, TBI) wertvoll. Dies liegt daran, dass digitale Arterien selten von Verkalkungen betroffen sind (3), und der gemessene Druckwert dem tatsächlichen Druck im Gefäss entspricht. Ein TBI von ≤ 0,70 gilt als pathologisch. Eine kürzlich durchgeführte Studie hat gezeigt, dass von den 3760 eingeschlossenen Patienten 20,5% einen normalen ABI aber einen verminderten TBI hatten (5). Nur ein Teil dieser Patienten hatte Diabetes oder gar ein chronisches Nierenversagen, wobei eine Vaskulitis auch eine Ursache dieser Konstellation sein könnte.
ABI: Marker für ein systemisches kardiovaskuläres Risiko
In den letzten Jahren hat sich nicht nur das Management der PAVK deutlich weiterentwickelt, sondern auch die Erkenntnis, dass die PAVK ein Hinweis für multiplen Gefässbefall darstellen kann. Die atheromatöse Pathologie ist in der Tat systemischer Natur und nicht nur spezifisch für die unteren Gliedmassen.
Ohne ins Detail zu gehen, sollte daran erinnert werden, dass im Falle der PAVK 25-70% der Patienten eine assoziierte koronare Herzkrankheit haben, bis zu 20% eine Karotisstenose von mehr als 70%, nicht zu vergessen die Läsionen, die in anderen Gefässgebieten, insbesondere im Mesenterial- und Nierenbereich, auftreten können (4).
Ein ABI ≤ 0,90 zeigt einen PAVK und ist daher mit einer Erhöhung des kardiovaskulären Risikos verbunden, sowohl in Bezug auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität als auch auf die Gesamtmortalität (6). Es ist auch interessant, dass die Informationen, die der ABI liefert, in Bezug auf die Bestimmung des kardiovaskulären Risikos, über die üblicherweise zu dessen Bestimmung verwendeten Scores hinaus signifikant sind, wie z.B. der Framingham-Risiko-Score (3). Ein verminderter ABI ermöglicht daher nicht nur die Diagnose einer PAVK, sondern stellt auch einen starken Marker für das kardiovaskuläre Risiko dar, so dass der Patient in eine Hochrisikokategorie eingestuft wird (3, 6 - 9).
Der Zusammenhang zwischen ABI > 1,40 und einem erhöhten kardiovaskulären Risiko ist anerkannt (3, 6, 8). Es sollte daran erinnert werden, dass unter den Pathologien, die mit hohen ABI-Werten assoziiert sind, Diabetes und Nierenversagen im Endstadium an sich schon kardiovaskuläre Risikofaktoren sind. Ein ABI > 1,40 ist meist mit zerebrovaskulären Komplikationen assoziiert (3, 10).
Der asymptomatische Patient ist auch gefährdet
Es wäre ein Fehler zu glauben, dass asymptomatische Patienten nicht von einem erhöhten kardiovaskulären Risiko betroffen seien. Das Konzept, dass die Mehrheit der Patienten mit einer PAVK asymptomatisch ist, muss differenziert werden. Es wird geschätzt, dass etwa 30% dieser Patienten eine so genannte «maskierte» PAVK haben. Es handelt sich um Patienten mit einer Pathologie (orthopädisch, rheumatologisch, neurologisch usw.), die Anstrengungen einschränkt und die Manifestation einer arteriellen Claudicatio verhindert. Andere Patienten haben eine Neuropathie, z.B. Diabetiker, die das Schmerzempfinden bei Anstrengung, aber auch in Ruhe unterdrückt. Es handelt sich daher um besonders fragile Patienten mit einem erheblichen Risiko, von einer asymptomatischen zu einer fortgeschrittenen und schweren PAVK zu gelangen.
Selbst bei asymptomatischen Probanden ist ein pathologischer ABI mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden (7, 10, 11). Die Messung des ABI sollte daher im Prinzip nicht nur symptomatischen Patienten, sondern auch anderen Patientengruppen angeboten werden, wie in den jüngsten Leitlinien empfohlen wird (Tabelle 2) (4).
Kritische Ischämie: nicht zu unterschätzender Zustand
Die kritische Ischämie ist ein Zustand mit einem hohen Komplikationsrisiko. Es handelt sich um eine Ischämie im Ruhezustand, die in der Regel in Form von Schmerzen im Vorfussbereich symptomatisch ist. Die Patienten können nachts durch Schmerzen geweckt werden. Eine Verbesserung oder sogar Rückbildung der Symptomatik kann auftreten, wenn der Patient vom Liegen zum Sitzen oder Stehen übergeht, was auf eine Perfusionsreserve hinweist. Hinsichtlich der hämodynamischen Parameter wird sie durch einen ABI < 0,40, einen Knöcheldruck < 50 mmHg, einen Digitaldruck < 30 mmHg und eine transkutane Sauerstoffdruckmessung < 30 mmHg bestätigt (4). Im Falle einer Symptomatik in Ruhe sollte ein Revaskularisierungsmanagement in Betracht gezogen werden. Es gibt jedoch Patienten, insbesondere geriatrische Patienten, die asymptomatisch bleiben, auch unter Belastung (weniger angesichts der begrenzten Mobilität). Eine präventive Revaskularisierung wird nicht empfohlen, ausser in Fällen eines drohenden Verschlusses eines früheren interventionellen Eingriffs (z.B. Verschluss eines Bypasses, der den Patienten in ein symptomatisches Stadium bringen würde). Diese asymptomatischen Patienten erfordern jedoch eine strikte klinische Nachsorge und sofortige Behandlung, beispielsweise im Falle einer auch nur geringfügigen Verletzung oder einer beginnenden Infektion. Diese Erkrankungen sind in der Tat risikoreich und progressiv, einschliesslich Amputationen. Der anfänglich asymptomatische Zustand sollte bei diesen Patienten als besonders fragil angesehen werden.
Was die systemischen Gefässkomplikationen betrifft, so sind bei einer kritischen Ischämie der unteren Extremitäten das Fortschreiten zum Myokardinfarkt, der kardiovaskuläre Tod und der Schlaganfall doppelt so häufig wie in den weniger schweren Stadien der PAVK (12).
Schlussfolgerungen
Die ABI-Messung ermöglicht die Diagnose einer PAVK und ist ein Marker für das kardiovaskuläre Risiko. Effektiv ist die Assoziation zwischen PAVK und vaskulärer Beeinträchtigung in anderen Stromgebieten nicht ungewöhnlich. Ein pathologischer ABI stellt den Patienten sofort in eine hohe kardiovaskuläre Risikokategorie. PAVK ist ein Zustand, der zu systemischen (Major Adverse Cardiovascular Events, MACE) und/oder lokalen (Major Adverse Cardiovascular Events, MACE) Komplikationen führen kann, wie z.B. kritische Ischämie, Amputationen oder zurIndikation für eine Revaskularisierung.
Insbesondere für fragile Patienten, wie z.B. ältere Menschen, muss eine angemessene Nachsorge gewährleistet werden. Auch wenn sie aufgrund von Komorbiditäten und/oder der intrinsischen Natur ihres Alters asymptomatisch sein mögen, wäre es falsch, das negative Potenzial einer vaskulären Komplikation auf ihre Lebensqualität zu unterschätzen.
Bei diesem Artikel handelt es sich um einen übersetzten Zweitabdruck aus gazette medicale_01-20
Centre Hospitalier Universitaire Vaudois
Service d’ Angiologie
Ch. de Mont-Paisible 18
1011 Lausanne
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lucia.mazzolai@chuv.ch
Die Autoren haben keine Interessenskonflikte in Bezug auf diesen Artikel erklärt.
- Ein ABI ≤ 0,90 ermöglicht die Diagnose von PAVK und ist ein Marker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko.
- Patienten mit asymptomatischer PAVK haben auch ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko.
- PAVK ist ein Zustand, der zu schweren systemischen und/oder lokalen Komplikationen führen kann.
- Asymptomatische ältere Menschen, insbesondere solche mit eingeschränkter Mobilität, erfordern eine strenge Nachsorge und eine rasche Behandlung im Falle von Komplikationen, auch in den frühen Stadien.
- Die kritische Ischämie ist ein Zustand mit einem hohen Komplikationsrisiko.
1. Casey, S., et al., The reliability of the ankle brachial index: a systematic review. J Foot Ankle Res, 2019. 12: p. 39.
2. Monti, M., et al., Genauigkeit der stationären Messung des Knöchel-Brachial-Indexes bei Patienten durch Medizinstudenten. Vasa, 2016. 45(1): p. 43-8.
3 Aboyans, V., et al., Messung und Interpretation des Knöchel-Brachial-Index: eine wissenschaftliche Stellungnahme der American Heart Association. Auflage, 2012. 126(24): p. 2890-909.
4 Aboyans, V., et al., Editor’s Choice – 2017 ESC Guidelines on the Diagnosis and Treatment of Peripheral Arterial Diseases, in Zusammenarbeit mit der European Society for Vascular Surgery (ESVS). Eur J Vasc Endovasc Surg, 2018. 55(3): p. 305-368.
5. Hoyer, C., et al., Risikofaktoren und hämodynamische Variablen bei Patienten mit niedrigem Zehen-Brachial-Index, aber normalem Knöchel-Brachial-Index. Atherosklerose, 2019. 289: p. 21-26.
6 Resnick, H.E., et al., Relationship of high and low ankle brachial index to all-cause and cardiovascular disease mortality: the Strong Heart Study. Auflage, 2004. 109(6): p. 733-9.
7. Diehm, C., et al., Mortalität und vaskuläre Morbidität bei älteren Erwachsenen mit asymptomatischer versus symptomatischer peripherer Arterienerkrankung. Auflage, 2009. 120(21): p. 2053-61.
8. O’Hare, A.M., et al., Mortalität und kardiovaskuläres Risiko über das gesamte Knöchel-Arm-Index-Spektrum: Ergebnisse aus der Cardiovascular Health Study. Auflage, 2006. 113(3): p. 388-93.
9 Sasaki, M., et al., Low ankle brachial index prognostiziert schlechte Ergebnisse, einschliesslich der Revaskularisierung der Zielläsion während der langfristigen Nachsorge nach der medikamentenbeschichteten Stentimplantation bei koronarer Herzkrankheit. J. Cardiol, 2019.
10. Criqui, M.H., et al., The ankle-brachial index and incident cardiovascular events in the MESA (Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis). J Am Coll Cardiol, 2010. 56(18): p. 1506-12.
11 Alves-Cabratosa, L., et al., Role of Low Ankle-Brachial Index in Cardiovascular and Mortality Risk Compared with Major Risk Conditions. J Clin Med, 2019. 8(6).
12 Norgren, L., et al., Ergebnisse von Patienten mit kritischer Gliedmassenschämie in der EUCLID-Studie. Eur J Vasc Endovasc Surg, 2018. 55(1): p. 109-117.
der informierte @rzt
- Vol. 10
- Ausgabe 3
- März 2020