- Systemische Vaskulitiden – Diagnostik und neue Therapieansätze mit Biologika
Systemische Vaskulitiden gehören zu den seltenen Erkrankungen. Bei unklarem Beschwerdebild (Fever of unknown origin, Gewichtsverlust und erhöhten Entzündungsparametern) kann eine frühzeitige Diagnostik mittels PET-CT eine Verzögerung der Therapie vermeiden. Neue Biologika bieten vielversprechende Therapieansätze und senken die Steroidmorbidität.
Les vascularites systémiques font partie des maladies rares. Si les symptômes ne sont pas clairs (fièvre d’origine inconnue, perte de poids et augmentation des paramètres inflammatoires), un diagnostic précoce par TEP-TDM peut éviter de retarder le traitement. Les nouveaux produits biologiques offrent des approches thérapeutiques prometteuses et réduisent la morbidité liée aux stéroïdes
Nicht-infektiöse systemische Vaskulitiden-Einteilung und Diagnostik
Vaskulitiden entsprechen einer Entzündung der Gefässwand und können infektiös oder nicht-infektiös bedingt sein. In diesem Artikel beziehen wir uns auf die systemischen nicht-infektiösen Vaskulitiden. Die Einteilung nach Gefässgrösse (klein, mittel, gross) erfolgt gemäss prädominantem Auftreten der Entzündung, kann jedoch übergreifend sein. Die 2012 revidierte Chapel Hill Consensus Klassifikation definiert die Nomenklatur der Vaskulitiden (1). Neben systemischen Vaskulitiden gibt es verschiedene organlimitierte Formen (z.B. Haut, Auge, Niere), auf welche wir hier nicht eingehen.
In der Diagnostik kann ein Organbefall mit entsprechender Dysfunktion wegweisend sein, oft stehen aber unspezifische Allgemeinsymptome wie Fieber, Nachtschweiss, Malaise und Gewichtsverlust im Vordergrund. Dies macht meistens eine ausgedehnte Diagnostik mit Infektsuche erforderlich. Die initiale Labordiagnostik beinhaltet ein Differenzialblutbild, Entzündungsmarker (CRP, BSR), Nierenfunktionsparameter inklusive glomerulärer Filtrationsrate. Zusätzlich muss mittels Bestimmung der Proteinurie und Mikrohämaturie eine Nierenbeteiligung gesucht werden. Anti-neutrophile cytoplasmatische Antikörper (ANCA) sind Autoantikörper gegen Proteine/Enzyme in den zytoplasmatischen Granula von Monozyten und Neutrophilen. Mittels indirekter Immunfluoreszenz und ELISA kann der Nachweis eines ANCA Subtyps richtungsweisend sein für eine Kleingefässvaskulitis (2).
Bei der Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener Granulomatose) kommt es typischerweise zu einer Beteiligung der Atemwege, Lunge und/oder Niere. Die eosinophile granulomatöse Polyangiitis (Churg-Strauss Syndrom) ist neben einer bronchopulmonalen Manifestation mit einer Eosinophilie assoziiert. Die mikroskopische Polyangiitis manifestiert sich meist mit einer rasch progredienten Glomerulonephritis und alveolärer Hämorrhagie.
Eine sehr seltene und schwierig zu diagnostizierende Vaskulitis der mittelgrossen Gefässe ist die Polyarteritis nodosa, welche sowohl fulminant mit multiplen gleichzeitigen Organbeteiligungen, oftmals aber auch schleichend mit einer langen Prodromalphase verlaufen kann.
Zu den Grossgefässvaskulitiden gehören die Riesenzellarteriitis und die Takayasu Arteriitis. Die klinische Trias der Riesenzellarteriitis beinhaltet Kopfschmerz, Kieferclaudicatio (Kauschmerz) und Diplopie mit Erhöhung der systemischen Entzündungszeichen. Jede Form von Augenbeteiligung ist ein Alarmzeichen und bedarf beim leisesten Verdacht auf eine Grossgefässvaskulitis einer sofortigen intensiven Therapie da eine rasche und irreversible Erblindung droht. Die Temporalarterienbiopsie ist weiterhin der Goldstandard in der Diagnostik. Bei der Takayasu Arteriitis, welche sich typischerweise im Alter <50 Jahre manifestiert, kommt es mehrheitlich zu unspezifischen Beschwerden wie Fieber, Malaise und Gewichtsverlust. Durch Dissektion oder Okklusion der betroffenen Gefässe kann es schliesslich aber auch zu territorialen Ischämien und Infarkten kommen (3).
Die Bildgebung dient zur Dokumentation der Verteilung und Ausmass der Gefässentzündung als auch des Organbefalls. Hierfür kann Magnetresonanztomographie oder 18F-FDG Positronen Emissions CT erfolgen. Das 18F-FDG PET-CT gewann zusätzlich an Bedeutung nachdem gezeigt werden konnte, dass es bei Fever of Unknown Origin (FUO) oder Inflammation of Unknown Origin (IUO) zu einer raschen Diagnosestellung beiträgt. Insbesondere bei über 50 jährigen Patienten mit erhöhtem CRP (> 30mg/ml) und ohne Fieber, also einer Population mit markanter Vortestwahrscheinlichkeit einer Grossgefässvaskulitis (4, 5).
Bisherige Therapieregimes bei Vaskulitiden
Das bisherige Therapieregime beinhaltete Kortikosteroide und zytotoxische Medikamente (6). Glukokortikosteroide sind durch ihre zahlreichen Nebenwirkungen (Osteoporose, Hypertonie, Diabetes, Gewichtszunahme, erhöhte Infektanfälligkeit, gastrointestinale Blutungen, Katarakt und Glaukom) nicht für eine Langzeittherapie geeignet.
Zytotoxische Arzneimittel wie Methotrexat, ein Folsäureanalogon und Antimetabolit wurden begleitend zu den Steroiden eingesetzt. Reversible Nebenwirkungen von Methotrexat sind Pneumonitis, Lebertoxizität und Myelosuppression.
Als Alternative bei Krankheitsprogression und generalisiertem Befall kamen alkalysierende Medikamente wie Cyclophosphamid zum Einsatz. Nach Erreichen einer Remission erfolgte eine Umstellung auf immunsuppressive Antimetaboliten wie Azathioprine, Cyclosporine oder Mycophenolat Mofetil. Damit wurde versucht die Toxizität von Cyclophosphamid, welche insbesondere das Risiko für Urothelkarzinome als auch Infertilität erhöht, zu minimieren.
Durch Plasmapherese kann die Konzentration von Autoantikörpern und Immunkomplexen im Plasma und Gewebe reduziert werden. Ein klinischer Benefit der Plasmapherese ist nur für wenige, besonders schwerwiegende Vaskulitisverläufe belegt, insbesondere für ANCA-assoziierte Vaskulitiden mit schwerem Nierenbefall und für schwere Formen von Hepatitis B assoziierter Polyarteriitis nodosa (7).
Der Trend zu Biologika
Neue Therapieoptionen – und mittlerweile oft State of the Art – bestehen mit Biologika.
Rituximab (Mabthera)
Rituximab ist ein chimärer (murin/human) monoklonaler Antikörper gegen auf B Zellen exprimiertes CD20 Antigen. Nach dessen Bindung wird eine Zelllyse ausgelöst. Rituximab ist kontraindiziert bei aktiver Hepatitis B. Die Indikation in Kombination mit Glukokortikoiden besteht primär für ANCA-assoziierte Vaskulitiden (6,8).
Tocilizumab (Actemra)
Tocilizumab ist ein humanisierter anti-Interleukin-6 (IL-6) Rezeptor Antikörper und blockiert dessen Signaltransduktion durch Bindung an den transmembranen und solublen IL-6 Rezeptor. IL-6 wird bei lokalen Gewebeschaden, Infektion, oder in Folge eines nicht-infektiösen inflammatorischen Stimulus von vornehmlich Makrophagen, dendritischen Zellen jedoch auch anderen Zelltypen produziert (9). Die pleiotrope Funktion von IL-6 beinhaltet einerseits die Aufregulation von Akut-Phasen-Proteinen (CRP, Serum Amyloid A, Fibrinogen, Haptoglobin) in der Leber, und Aufregulierung von Hepcidin mit in Folge Hypoferritinämie und Anämie bei chronischer Inflammation (10). Tocilizumab ist zugelassen für die Therapie der Riesenzellarteriitis. Sie führte hier zur drastischen Reduktion der Steroidmorbidität. Tocilizumab wird im off-label use ebenfalls erfolgreich für die Behandlung der Takayasu Arteriitis, Polymyalgia rheumatica und weiteren autoimmunen Krankheiten eingesetzt, insbesondere bei Patienten, welche nicht tolerierbar hohe Glukokortikosteroiddosierungen für die Krankheitskontrolle brauchen (11–13).
Mepolizumab (Nucala)
Mepolizumab ist ein monoklonaler anti-IL-5 Antikörper. Das Zytokin IL-5 ist für die Rekrutierung, Differenzierung und Aktivierung von eosinophilen Granulozyten verantwortlich. Durch die selektive Hemmung der Eosinophilen ist die Anwendung aktuell für die Therapie des eosinophilen Asthmas zugelassen. Bei den Vaskulitiden zeigte der Einsatz von IL-5 Blockern bei therapierefraktärer ANCA-negativer eosinophiler Granulomatose mit Polyangiitis eine signifikante Reduktion der Steroiddosis (14). Der Einsatz von Benralizumab (Fasenra) einem IL-5 Rezeptor Antikörper wird aktuell evaluiert.
Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-ɑ) Blocker
Infliximab ist ein chimärer (murin/human) monoklonaler Antikörper welcher mit hoher Affinität an den löslichen als auch transmembranös gebundenen Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-ɑ) bindet. TNF-ɑ wird dadurch neutralisiert und die Aktivierung von proinflammatorischen Zytokinen IL-6 und IL-10, Endothel und Leukozyten gehemmt. Die Wirksamkeit von Infliximab oder anderen TNF-Blockern wurde bei fast allen Vaskulitiden in klinischen Studien getestet mit meist enttäuschenden Resultaten. Die Therapie ist deshalb auf wenige sehr spezielle Indikationen limitiert (z.B. Morbus Behçet). Erwähnenswert ist, dass TNF-Blocker im Verlauf der Therapie autoimmune Erkrankungen wie Vaskulitis und Lupus hervorrufen können (15).
Eine mögliche allergische Reaktion bei den ersten Applikationen (insbesondere bei nicht vollständig humanisierten Antikörpern) sowie erhöhte Infektanfälligkeit besteht unter allen neuen Biologika. Unter längerer Therapie ist für die meisten Biologika die Möglichkeit der Produktion von neutralisierenden Antikörpern berichtet worden. Der off-label use stützt sich bis jetzt lediglich auf kleine Studien und Fallberichte. Die Effektivität bleibt offen und muss im Einzelfall vorsichtig gegen mögliche Risiken abgewogen werden.
Dr. med. Ayla Yalamanoglu, Dr. med. Irina Léa Dubach
PD Dr. med. Florence Vallelian, Prof. Dr. med. Dominik Schaer
Entzündungssprechstunde
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin, Universitätsspital, 8091 Zürich
dominik.schaer@usz.ch
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Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.
- Die Diagnostik mittels PET CT kann bei systemischen Vaskulitiden bei unspezifischer Symptomatik sowie persistierend erhöhten Entzündungszeichen eine frühzeitige Diagnosestellung einer Grossgefässvaskulitis vorantreiben und längerfristige Organkomplikationen vermeiden.
- Der frühzeitige Einsatz von Biologika stellt einen Durchbruch in der Therapie der Vaskulitiden dar mit rascher Reduktion der Steroidmorbidität. Sie bietet eine hoffnungsvolle Alternative bei Therapieversagen der Glukokortikosteroide und älteren immunsuppressiven Therapien.
- Die Entzündungswerte, insbesondere beim Einsatz von Tocilizumab, können auch bei einem relevanten Infekt normwertig ausfallen. Eine Infektsuche sollte bei entsprechender Klinik erfolgen, um eine gefährliche Infektion auszuschliessen.
Messages à retenir
- Dans le cas d’une vascularite systémique avec des symptômes non spécifiques et des signes d’inflammation constamment accrus, les diagnostics utilisant le PET CT peuvent favoriser un diagnostic précoce de la vascularite des gros vaisseaux et éviter les complications à long terme sur les organes.
- L’utilisation précoce de produits biologiques représente une percée dans le traitement de la vascularite avec une réduction rapide de la morbidité liée aux stéroïdes. Elle offre une alternative prometteuse en cas d’échec des glucocorticoïdes et des anciennes thérapies immunosuppressives.
- Les valeurs d’inflammation, en particulier lorsque le tocilizumab est utilisé, peuvent être normales même dans le cas d’une infection pertinente. Une recherche d’infection doit être effectuée dans une clinique appropriée afin d’exclure une infection dangereuse.
1. Jennette JC, Falk RJ, Bacon PA, Basu N, Cid MC, Ferrario F, et al. 2012 Revised International Chapel Hill Consensus Conference Nomenclature of Vasculitides. Arthritis & Rheumatism. 2013. pp. 1–11. doi:10.1002/art.37715
2. Miller A, Chan M, Wiik A, Misbah SA, Luqmani RA. An approach to the diagnosis and management of systemic vasculitis. Clin Exp Immunol. 2010;160: 143–160.
3. Águeda AF, Monti S, Luqmani RA, Buttgereit F, Cid M, Dasgupta B, et al. Management of Takayasu arteritis: a systematic literature review informing the 2018 update of the EULAR recommendation for the management of large vessel vasculitis. RMD Open. 2019;5: e001020.
4. Meller J, Sahlmann C-O, Scheel AK. 18F-FDG PET and PET/CT in fever of unknown origin. J Nucl Med. 2007;48: 35–45.
5. Schönau V, Vogel K, Englbrecht M, Wacker J, Schmidt D, Manger B, et al. The value of 18F-FDG-PET/CT in identifying the cause of fever of unknown origin (FUO) and inflammation of unknown origin (IUO): data from a prospective study. Ann Rheum Dis. 2018;77: 70–77.
6. Fellner C. Biologics Will Pump Up the Vasculitis Market. P T. 2016;41: 258–260.
7. Jayne D. Evidence-based treatment of systemic vasculitis. Rheumatology . 2000;39: 585–595.
8. Niles J. Rituximab in induction therapy for anti-neutrophil cytoplasmic antibody (ANCA) vasculitis. Clin Exp Immunol. 2011;164 Suppl 1: 27–30.
9. Akira S, Taga T, Kishimoto T. Interleukin-6 in Biology and Medicine. In: Dixon FJ, editor. Advances in Immunology. Academic Press; 1993. pp. 1–78.
10. Tanaka T, Narazaki M, Kishimoto T. IL-6 in inflammation, immunity, and disease. Cold Spring Harb Perspect Biol. 2014;6: a016295.
11. Michaud M, Lidove O, Bienvenu B, Chiche L, Urbanski G, TOCIMAI Investigators Group. Effectiveness and tolerance of off-label use of tocilizumab in autoimmune diseases: A Multicenter Study. Joint Bone Spine. 2019. doi:10.1016/j.jbspin.2019.08.002
12. Paroli M. Clinical use of biologics in vasculitis syndromes. Biologics. 2012;6: 371–378.
13. Schirmer M, Muratore F, Salvarani C. Tocilizumab for the treatment of giant cell arteritis. Expert Rev Clin Immunol. 2018;14: 339–349.
14. Steinfeld J, Bradford ES, Brown J, Mallett S, Yancey SW, Akuthota P, et al. Evaluation of clinical benefit from treatment with mepolizumab for patients with eosinophilic granulomatosis with polyangiitis. J Allergy Clin Immunol. 2019;143: 2170–2177.
15. Sokumbi O, Wetter DA, Makol A, Warrington KJ. Vasculitis associated with tumor necrosis factor-α inhibitors. Mayo Clin Proc. 2012;87: 739–745.
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- Vol. 9
- Ausgabe 2
- April 2020