- Covid-19-Pandemie – eine Bestätigung für den Bedarf einer hochstehenden Altersmedizin
Beim Verfassen dieses Editorials scheint die Covid-19-Pandemie in der Nordwestschweiz erst am Anrollen zu sein. Im Tessin sind die Grenzen der medizinischen Versorgungsmöglichkeiten schon bald erreicht. Nicht nur die Schweiz, die ganze Welt steht im Bann dieses neuen Virus, der insbesondere für ältere vulnerable Menschen eine grosse Bedrohung ist.
Angesichts der sich verknappenden medizinischen Ressourcen braucht es insbesondere für die (gottlob) kleinste, aber schwerst erkrankte und auf Intensivbehandlung angewiesene Gruppe von Covid-Patienten klare und gerechte Entscheidungsgrundlagen, die den Zugang zu Intensivstationen regeln. Die SAMW stützt sich dabei auf ethische Grundprinzipien, die in der Altersmedizin, wie wohl in keiner anderen medizinischen Disziplin auch in nicht-Pandemie Zeiten alltagspräsent sind.
Das Antizipieren schwieriger medizinischer Entscheidungen kann ohne bestehenden Zeitdruck mittels Patientenverfügung oder eines «Advanced Care Planning (ACP)» in einer später auftretenden akuten Notsituation vieles (wenn auch nicht alles!) entspannen. Wichtig ist, dass ältere Patienten beim Verfassen solcher Dokumente von altersmedizinisch geschulten Ärzten unterstützt werden.
Dies macht insofern Sinn, als dass so der Patientenwille hinsichtlich Reanimation und Umfang intensivmedizinischer Massnahmen bei allfälligen Komplikationen gestützt auf die medizinische Realität, d.h. im Wissen einer allenfalls deutlich schlechteren Lebensprognose bei vorliegender erhöhter Vulnerabilität (bestehende funktionelle Einschränkungen, chronische Multimorbidität) definiert wird. Diese Vulnerabilität kann mittels validierten geriatrischen Mess- und Assessmentmethoden objektiv erfasst und mit einer fundierten Prognose bei medizinischen Komplikationen verbunden werden. Aus altersmedizinischer Sicht ist es entscheidend, dass ein Patient von seiner eigenen Vulnerabilität und der damit verbundenen medizinischen Prognose Kenntnis hat. Die Diskussion einer im Pandemie-Kontext verwehrten Intensivstationsaufnahme kann sich damit weitgehend erübrigen. Beim Verfassen von Patientenverfügung und ACP muss der Patient auch volle Aufklärung zu den Prinzipien und Möglichkeiten einer umfassenden Palliative Care erhalten.
Das erfolgreiche Kommunizieren zu diesen schwierigen medizinischen Inhalten ist anspruchsvoll und zeitaufwändig. Deshalb lohnt es sich, dies rechtzeitig und wenn möglich ohne zu grossen Zeitdruck anzugehen. Der folgende Beitrag der Kollegen Blum und Schlögl aus Zürich zeigt auch, dass dies mit etwas Übung und der Kenntnis von ein paar einfachen Grundregeln gar nicht so schwierig ist.
Ich wünsche gute Lektüre!
Prof. Dr. med. Reto W. Kressig, Basel
Ärztlicher Direktor & Klinischer Professor für Geriatrie
Universitäre Altersmedizin FELIX PLATTER & Universität Basel
Burgfelderstrasse 101
4002 Basel
RetoW.Kressig@felixplatter.ch