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Neue Indikation für Aspirin am Horizont?

Aspirin senkt Mortalität an HCC bei chronischer Hepatitis

Das hepatozelluläre Karzinom ist immer noch mit einer hohen Mortalität behaftet. Experimentelle Daten legen nahe, dass Aspirin die Progression von Lebererkrankung und Hepatokarzinogenese durch diverse Mechanismen einschliesslich Prävention der Thrombozytendegranulation, Modulation von bioaktiven Lipiden und Hemmung der proinflammatorischen COX-2-Enzyme reduzieren kann, klinisch relevante Daten dazu lagen bisher nur wenige vor.



Deshalb wurden mit Hilfe des schwedischen Registers alle Erwachsenen identifiziert, bei denen zwischen 2005 und 2015 eine chronische Hepatitis B oder Hepatitis C diagnostiziert wurde und die bisher keine Aspirin eingenommen hatten (n=50 275). Von diesen konnten 14 205 Patienten identifiziert werden, welche sekundär begonnen haben, mindestens 90 mg/d Aspirin einzunehmen. Mit Hilfe einer Cox-Regressionsmodellierung wurde das Risiko eines HCC und die leberbezogene Mortalität unter Berücksichtigung konkurrierender Ereignisse abgeschätzt, wobei die Ausgangscharakteristika zwischen den Gruppen statistisch ausgeglichen wurde.
Ergebnisse: Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 7,9 Jahren betrug die geschätzte kumulative Inzidenz des Leberzellkarzinoms 4,0% bei Aspirin-Anwendern und 8,3% bei Nicht-Verwendern von Aspirin (-4,3 Prozentpunkte; 95% KI -5,0 bis -3,6; angepasste Hazard Ratio, 0,69; 95 % KI, 0,62 bis 0,76). Diese umgekehrte Assoziation schien von der Dauer abhängig zu sein; im Vergleich zur kurzfristigen Anwendung (3 Monate bis <1 Jahr) betrugen die angepassten Hazard Ratios 0,90 (95% CI, 0,76 bis 1,06) bei 1 bis weniger als 3 Jahren Anwendung, 0,66 (95% CI, 0,56 bis 0,78) bei 3 bis weniger als 5 Jahren Anwendung und 0,57 (95% KI, 0,42 bis 0,70) bei 5 oder mehr Jahren Anwendung. Die zehnjährige leberbezogene Mortalität betrug 11,0% bei Aspirin-Anwendern und 17,9% bei Nicht-Nutzern (-6,9 Prozentpunkte; 95% KI, -8,1 bis -5,7; bereinigte Hazard Ratio, 0,73; 95% KI, 0,67 bis 0,81). Das 10-Jahres-Risiko für gastrointestinale Blutungen unterschied sich jedoch nicht signifikant zwischen Anwendern und Nicht-Nutzern von Aspirin (7,8% bzw. 6,9%; Differenz 0,9 Prozentpunkte; 95% KI, -0,6 bis 2,4).
Die Autoren kommen zum Schluss, dass in ihrer landesweiten Studie an Patienten mit chronischer Virushepatitis in Schweden die Einnahme von niedrig dosiertem Aspirin mit einem signifikant niedrigeren Risiko für ein Leberzellkarzinom und einer geringeren leberbedingten Mortalität verbunden war, als die Nicht-Einnahme von Aspirin, ohne ein signifikant höheres Risiko für Magen-Darm-Blutungen.

Kommentar

Wenn sich auch heute alle medizinischen Fachpersonen bemühen, Fälle von Hepatitis C vollständig zu erfassen und damit einen Beitrag an die Elimination dieser Krankheit zu leisten, sind wir von diesem Ziel immer noch weit entfernt. Dazu kommt, dass rein rechnerisch auch bei optimaler Behandlung aller Hepatitis-C-Patienten der Peak an HCC in der Schweiz noch nicht erreicht ist. Unter diesem Aspekt, der eindrücklichen Reduktion der Inzidenz von HCC (-31%) resp. leberbezogenen Mortalität (-27%) und insbesondere aufgrund des Befundes, dass es bei dieser Risikogruppe (Stichwort Oesophagus-Varizen) nicht zu einer Zunahme an Blutungen gekommen ist, scheint der Einsatz von Aspirin bei Patienten mit chronischer Hepatitis eine valable Option zu sein. Resultate davon könnten sogar im Rahmen einer Studie von Hausärzten in grösseren Netzwerken überprüft werden.

Dr. med. Hans Kaspar Schulthess

Quelle: Simon TG et al. Association of Aspirin with Hepatocellular Carcinoma and Liver-Related Mortality. N Engl J Med 2020;382:1018-1028

der informierte @rzt

  • Vol. 10
  • Ausgabe 6
  • Juni 2020