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Hochrisikopatienten

Hat Rivaroxaban nach Revaskularisation bei PAVK einen Stellenwert?

Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK), bei denen eine Revaskularisierung der unteren Extremitäten durchgeführt wurde, haben ein hohes Risiko für klinisch bedeutsame unerwünschte Ereignisse in den Extremitäten und im Herz-Kreislauf-System. Inwieweit ein Zusatz von DOACs zur Standardtherapie mit Acetylsalicylsäure diese Komplikationen reduzieren kann und um welchen Preis (Blutungen), ist unklar.



In der von Bayer and Janssen Pharmaceuticals finanzierten Doppelblindstudie VOYAGER PAD wurden Patienten mit PAVK, bei denen eine Revaskularisation durchgeführt worden war, randomisiert zu Rivaroxaban (2.5 mg zweimal täglich) plus Aspirin (RA) oder Placebo plus Aspirin (A). Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus akuter Ischämie der Extremitäten, Amputation aufgrund vaskulärer Ursachen, Myokardinfarkt, ischämischer Schlaganfall oder Tod aufgrund kardiovaskulärer Ursachen. Das primäre Sicherheitsergebnis war eine grössere Blutung, definiert gemäss der Klassifikation für Thrombolyse bei Myokardinfarkt (TIMI); eine grössere Blutung gemäss der Definition der International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) war ein sekundäres Sicherheitsergebnis.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 6564 Patienten randomisiert; 3286 wurden der Rivaroxaban-Gruppe und 3278 der Placebo-Gruppe zugeordnet. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt trat bei 508 Patienten in der RA-Gruppe und bei 584 Patienten in der A-Gruppe auf; die Kaplan-Meier-Schätzungen der Inzidenz nach 3 Jahren lagen bei 17.3% bzw. 19.9% (HR 0.85, 95%-Konfidenzintervall 0.76 – 0.96; p = 0.009). Signifikante Blutungen gemäss der TIMI-Definition traten bei 62 Patienten in der RA-Gruppe und bei 44 Patienten in der A-Gruppe auf (2.65% und 1.87%; HR 1.43; 95%-KI, 0.97 – 2.10; p = 0.07). Blutungen gemäss ISTH-Definition traten bei 140 Patienten in der RA-Gruppe auf, im Vergleich zu 100 Patienten in der A-Gruppe (5.94% und 4.06%; HR 1.42; 95%-KI, 1.10 bis 1.84; p = 0.007).
Die Autoren kommen zum Schluss, dass bei Patienten mit PAVK nach Revaskularisation unter Rivaroxaban in einer Dosis von 2,5 mg zweimal täglich plus Aspirin ein Endpunkt in Form von akuter Extremitätenischämie, Amputation aufgrund vaskulärer Ursachen, Myokardinfarkt, ischämischem Schlaganfall oder Tod aufgrund kardiovaskulärer Ursachen um relativ 15% und absolut 2.6% seltener beobachtet werden muss als unter Aspirin allein. Hingegen konnte erwartungsgemäss eine etwas höhere Inzidenz von klinisch relevanten Blutungen beobachtet werden, wobei der Unterschied zwischen den Gruppen, je nach Definition von «Blutung» knapp nicht signifikant resp. signifikant war. Zur Beurteilung der klinischen Bedeutung dieser Blutungen ist wichtig, dass die Anzahl intrakranialer und letaler Blutungen mit 17 unter RA und 19 unter A identisch war. Die VOYAGER PAD-Studie liefert zusammen mit der früheren KOMPASS-Studie wichtige Hinweise für ein neues Behandlungsparadigma für Patienten mit PAVK.

Quelle: Rivaroxaban in Peripheral Artery Disease after Revascularization. Bonaca MP, Bauersachs RM, et al. N Engl J Med 2020;382:1994-2004.

Dr. med. Hans-Kaspar Schulthess

Facharzt FMF Innere Medizin und Gastroenterologie
Neuhausstrasse 18
8044 Zürich

Schulthess_hk@swissonline.ch

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  • Vol. 10
  • Ausgabe 6
  • Juni 2020