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Ein Update

Osteoporose 2019

Am 22. Kongress für praktische Gynäkologie und Geburtshilfe 2019 widmete sich Dr. med. Andreas Roherer, Chur, dem Thema Osteoporose. Der folgende Bericht basiert auf dem Handout von Dr. Rohrer.



Die Krankheit ist durch eine tiefe Knochenmasse charakterisiert und zeigt eine Störung der Mikroarchitektur des Knochengewebes. Dies führt zu einer Reduktion der Knochenstärke und dadurch zu einer Erhöhung des Frakturrisikos, wie Dr. med. Andreas Rohrer, Chur, erklärte. Weltweit sind etwa 200 Mio. Frauen von Osteoporose betroffen. Im Alter von 60 betrifft dies 1/10 der Frauen, mit 70 1/5 und mit 80 2/5. Alle 3 Sekunden tritt weltweit eine osteoporotische Fraktur auf und alle 22 Sekunden eine Wirbelkörperfraktur. In der Schweiz werden bei 50-Jährigen rund 20% der Männer und 50% der Frauen in den Folgejahren mindestens 1 osteoporotische Fraktur erleiden. In der Schweiz treten pro Jahr über 75 000 Osteoporosebedingte Frakturen auf und dies verursacht Kosten von über 2 Milliarden Franken.

Diagnose der Osteoporose

Die Standardmethode zur Diagnose der Osteoporose ist neben dem klassischen Röntgen die Knochendichtemessung mittels DXA-Scan an LWS und Hüfte. Das Ergebnis der DXA-Messung wird als T-Score, oder auch Osteoporose-Wert, bezeichnet und in Gramm pro Quadratzentimeter (g/cm2) angegeben. Der T-Score gibt an, wie stark die gemessene Knochendichte von der Knochendichte junger, gesunder Erwachsener abweicht. Ein T-Wert von < -1.0 SD gilt als Osteopenie und ein T-Wert von < -2.5 SD als Osteoporose. Mit jeder Abnahme um eine SD nimmt das relative Risiko für Frakturen um den Faktor 2 zu. Eine zusätzliche Information liefert der Trabecular Bone Score (TBS) und dies kann zur Differenzierung der Therapie beitragen.
Wirbelkörperfrakturen erhöhen das Risiko für Folgefrakturen. Frauen mit einer Wirbelkörperfraktur haben ein 5fach erhöhtes Frakturrisiko für neue Wirbelkörperfrakturen und ein 2fach erhöhtes Frakturrisiko für Schenkelhalsfrakturen. Zur Erfassung der Osteoporose ist es von grosser Bedeutung, vorangegangene Frakturen (Anamnese!) zu diagnostizieren und die entsprechenden Abklärungen (Röntgen, DXA-Scan etc.) sowie die Therapie in die Wege zu leiten.
Jede Wirbelkörperfraktur führt zu einer Abnahme der Mobilität und zu einer Verminderung der Lebensqualität: Abnahme der Grösse, Kyphose, akute und chronische Rückenschmerzen, Abnahme der Mobilität im Alltag, Gehilfe etc. Insbesondere schmerzhafte Wirbelkörperfrakturen können mittels Vertebro- und Kyphoplastie chirurgisch behandelt werden.
Merkpunkte zu Wirbelkörperfrakturen: häufigste osteoporotische Frakturen; erhöhte Mortalität nach Wirbelkörperfrakturen; erhöhte Morbidität auch nach klinisch stummem Verlauf der Frakturen; Zunahme für folgende Wirbelkörperfrakturen um den Faktor 5 und übrige Frakturen um den Faktor 2-4.

Therapeutische Möglichkeiten

Die Bisphosphonate zeigen ausgenommen für Ibandronat einen Empfehlungsgrad A bezüglich der Risikoreduktion von Wirbel-
körperfrakturen, peripheren Frakturen und proximalen Femurfrakturen. Bei Ibandronat besteht ein Empfehlungsgrad B für periphere Frakturen. Das Risiko für atypische Femurfrakturen liegt bei 6-30/10 000 und jenes für Osteonekrosen des Kiefers bei 1/100 000. Eine Hypokaliämie stellt eine Kontraindikation für eine Bisphosphonat-Therapie dar. Eine Kausalität bezüglich neuaufgetretenem Vorhofflimmern konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Eine Therapie mit Ibandronat peroral oder i.v. bei Männern sollte via vorgängige Kostengutsprache bei der Krankenkasse abgeklärt werden.
Die Behandlung mit Denosumab 60 mg (Prolia) alle 6 Monate zeigt eine anhaltende Wirksamkeit über 10 Jahre; Osteonekrosen des Kiefers und atypische Femurschaftfrakturen sind selten. Die Möglichkeit der totalen Reversibilität der Wirksamkeit nach Stopp der Denosumab-Therapie mit rascher Zunahme eines Knochenmineralverlustes und dem Risiko für Wirbelkörperfrakturen muss beachtet werden. Klare wissenschaftliche Daten für eine Anschlusstherapie nach Stopp von Denosumab (Prolia) zur Verhinderung des sogenannten ReboundPhänomens fehlen. Der allgemeine Konsensus geht aber dahin, dass nach Abschluss der Prolia-Therapie im Minimum für 12 Monate eine Bisphosphonat-Therapie durchgeführt wird.
Im Prinzip muss vom Therapieabbruch einer Denosumab-Therapie abgeraten werden. Die Sicherstellung einer adäquaten Calciumzufuhr von 1000 mg täglich primär via Nahrungsmittel ist wichtig. In den meisten Fällen ist eine Substitution von Vitamin D3 800-1 000 E täglich empfehlenswert.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

Quelle: 22. Kongress für praktische Gynäkologie und Geburtshilfe, Näfels 7. – 8. November 2019.

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  • Vol. 10
  • Ausgabe 3
  • Juni 2020