Fortbildung

Entsprechen oft einem Wunsch der Patientinnen

Topische Phytopharmaka in der Gynäkologie

Gerade in der Gynäkologie besitzt die Phytotherapie einen hohen Stellenwert, fragen Patientinnen doch oftmals gezielt nach «natürlichen» Alternativen oder Ergänzungen ihrer Behandlung, z.B. bei Wechseljahresbeschwerden oder PMS. Auch topisch angewandt haben Arzneipflanzen mit ihren Vielstoffgemischen in der Gynäkologie Einiges zu bieten und lassen sich bei diversen Beschwerden vielseitig, effizient und direkt am Wirkort einsetzen.



La phytothérapie est particulièrement importante en gynécologie, car les patientes demandent souvent des alternatives ou des compléments « naturels  » à leur traitement, par exemple dans le cas de plaintes relatives à la ménopause ou au syndrome prémenstruel. Même en application topique, les plantes médicinales avec leurs mélanges de substances multiples ont beaucoup à offrir en gynécologie et peuvent être utilisées pour diverses affections de manière polyvalente, efficace et directe sur le site d’action.

Bei hormonell bedingten trockenen und atrophen Schleimhäuten kommen fette Pflanzenöle mit Phytosterolen, die die Schleimhäute hydratisieren und regenerieren, zum Einsatz, allenfalls in Kombination mit hormonausgleichenden, regenerierenden und wundheilenden ätherischen Ölen.

Hormonähnliche Inhaltsstoffe: Granatapfelkern- und Sanddornfruchtfleischöl

Granatapfelkernöl (Punica granatum) (Abb. 1) enthält diverse Phytoöstrogen-Komponenten wie z.B. Coumestrol oder Estron (1, 2), sowie andere hormonähnlich wirkende Stoffe wie Phytosterole, Flavonoide und β-Sitosterol, und hat daher eine hormonausgleichende Wirkung (2, 3). Ferner weist das Öl einen hohen Gehalt an Punicinsäure auf, welche durch ihre inhibierende Wirkung auf die Lipoxygenase und die Cyclooxygenase (COX) entzündungshemmend wirkt (2). Das Öl kann formuliert in Ovula, in halbfesten Zubereitungen oder in Ölmischungen als tägliche Pflege benutzt werden, beispielsweise in Kombination mit Nachtkerzen- oder Johannisöl, sowie eventuell mit regenerierenden oder hormonell ausgleichenden ätherischen Ölen wie Rosengeranie (Pelargonium grav.), Sandelholz (Santalum album), Muskatellersalbei (Salvia sclarea) oder Rose (Rosa damascena) (1).
Sanddornfruchtfleischöl (Hippophae rhamnoides) eignet sich aufgrund seines hohen Gehaltes an Palmitoleinsäure, die auch Bestandteil unseres hauteigenen Fettes ist, besonders für die Behandlung von diversen (Schleim-)Hautkrankheiten. Ebenfalls in hoher Konzentration vorhanden sind Tocopherol und Carotinoide, welche eine zellregenerierende Wirkung aufweisen, sowie das hormonähnliche β-Sitosterol (2). Gerade bei Erosionen, Läsionen und Rissen im Genitalbereich, welche unter anderem auf einen Mangel an B-Carotin und Tocopherol zurückzuführen sind, eignet sich Sanddornfruchtfleischöl als Inhaltsstoff in einer geeigneten Zubereitung (2). Zu beachten ist die starke orange Färbung des Öls.
Andere hormonausgleichende Pflanzenöle sind beispielsweise Lein-, Nachtkerzen- oder Borretschsamenöl, auch sie können lokal pur oder in Rezepturen angewendet werden, oder zur systemischen Therapie trockener (Schleim-)Haut innerlich eingenommen werden.
Eine von vielen GynäkologInnen verschriebene Rezeptur für trockene und juckende Schleimhäute mit Infektionstendenz ist die Vaginalcreme nach Rina Nissim (4) (Rezeptur 1).

Sonderfall Lichen sclerosus

Essentiell ist bei diesem Beschwerdebild die intensive Pflege (5), idealerweise mit obengenannten zellregenerierenden fetten Pflanzenölen in einer Ölmischung oder halbfesten Zubereitung. Bei Rötungen und Reizungen kann der Creme beruhigendes und reizmilderndes Lavendelöl (6) beigegeben werden, je nach Verträglichkeit 1-2%ig. Versuchsweise kann ätherisches Rosmarinöl (Rosmarinus officinalis ct cineol) 5-10%ig in einer rückfettenden Grundlage zur Durchblutungsförderung eingesetzt werden (5), am besten wird die Creme jeweils morgens angewendet. Bei Verletzungen durch Kratzen oder akuten entzündlichen Zuständen kommen Waschungen mit verdünnter Calendula- oder Kamillentinktur infrage, oder auch Sitzbäder mit entzündungshemmenden Arzneipflanzen (s. unten).

Bei Entzündungen Gerbstoffdrogen und entzündungshemmende Arzneipflanzen

Gerbstoffdrogen wie Eichenrinde (Quercus cort.), Hamamelis (Hamamelidis cort./fol.) oder Taubnesselblüten (Lamii albi flos) weisen adstringierende, entzündungshemmende und juckreizstillende Eigenschaften auf und eignen sich für nässende, entzündliche oder mit Sekretion verbundene Zustände (z.B. Fluor albus) (7). Taubnessel wirkt dabei aufgrund der Iridoïde über eine Hemmung der Zyklooxygenase zusätzlich entzündungshemmend (7). Die Pflanzen kommen als Waschungen oder Sitzbäder zur Anwendung. Dazu kombiniert werden kann die entzündungshemmende und keimhemmende Kamille (Matricariae flos) oder Schafgarbe (Millefolii flos) (8) (Rezeptur 2). Bei starker Entzündung kann dem Sitzbad zur Wirkungsverstärkung 10-30 ml Kamillenextrakt oder Ringelblumentinktur beigegeben werden. Des Weiteren können im Handel erhältliche Hamamelis-Hämorrhoidalzäpfchen auch vaginal eingeführt werden (z.B. Hametum®) (6); auch Eichenrindenovula in diversen Konzentrationen können magistral hergestellt werden.
Achtung: Eichenrindenauszug ist kräftig gefärbt; es empfiehlt sich, die Badewanne sofort nach Gebrauch zu reinigen (7).

Infektionen im Intimbereich: Ätherische Öle und ihr antimikrobielles Potential

Ätherische Öle wirken je nach Zusammensetzung stark antibakteriell, antiviral und antimykotisch und werden bei diversen Infektionen der Haut sowie in der Wundbehandlung eingesetzt (9). Sie eignen sich gut zur kausalen Behandlung von Mykosen und anderen Infekten im Vaginalbereich.
Bei immer wiederkehrenden Infekten kann mittels eines Vaginalabstriches in einem spezialisierten Labor ein Aromatogramm erstellt und nach den Resultaten eine personalisierte Rezeptur formuliert werden (10).

Teebaumöl & Co bei Vaginalmykosen und bakteriellen Infekten

Viele ätherische Öle zeigen schon in niedrigen Konzentrationen eine fungizide Wirkung (10). Das gut untersuchte Teebaumöl (Melaleuca alternif.) ist aufgrund seiner ausgeprägt fungiziden Wirkung eines der wichtigsten Öl bei (Schleim-)Hautmykosen und kommt insbesondere auch bei chronischen Candidainfektionen zum Einsatz (11). Ihm eigen ist die stark austrocknende Wirkung, eine pflegende Grundlage ist daher wichtig (Rezeptur 3). Monoterpenolhaltige Öle wie Lavendel (Lavandula off.), Thymian Linalool (Thymus vulg. ct linalool), Rosengeranie (Pelargonium grav.) sowie Palmarosa (Cymbopogon martinii) eignen sich ebenfalls gut für (Candida-)Mykosen und sind daneben auch überaus hautpflegend. Palmarosa zeigt auch entzündungshemmende sowie analgetische Wirkungen (11). Für chronisch rezidivierende Pilzinfektionen haben sich Ovula mit dem stark wirksamen Thymian thymol (Thymus vulg. ct thymol) bewährt, die Dosierung pro Ovulum à 3g beträgt maximal 40mg (4). Des Weiteren sei noch Lemongrass (Cymbopogon flex.) erwähnt, das eine gute Wirksamkeit bei diversen Pilzerregern zeigt (10, 11).

Alle genannten Öle weisen neben der fungiziden auch eine breite antibakterielle Wirkung auf und können bei bakteriellen Infekten eingesetzt werden (11).
Allergien auf ätherische Öle sind häufig auf nicht richtig gelagerte Öle und die damit verbundene Bildung von Peroxyden zurückzuführen, welche ihrerseits Auslöser für Dermatitiden oder allergischen Reaktionen sein können (7). Diese Proble-matik ist insbesondere für das vielbenutzte Teebaumöl bekannt, eine gute Ätherisch-Öl-Qualität ist essentiell (9, 11).

Cineolreiche Öle bei viralen Infekten

Bei Genitalherpes (HSV-2) sowie HPV-Infekten können adjuvant antiviral wirkende ätherische Öle eingesetzt werden. Neben Teebaum (Melaleuca alternif.) eignen sich auch Niaouli (Melaleuca viridifl.) sowie Cajeput (Melaleuca leucadend.) (11). Auch Ravintsara (Cinnamomum camph. ct cineol), Eukalyptus (Eucalytus globulus/smithii) und Rosmarin (Rosmarinus off.
ct cineol) wirken antiviral, dies v.a. über ihren hohen Cineolgehalt. Cineol wirkt überdies lokal anästhesierend und analgetisch (10, 11). Dazu kombiniert werden können Lavendel (Lavandula off.), Sandelholz (Santalum album), Rosengeranie (Pelargonium grav.), welche entzündungshemmend, schleimhautregenerierend und epithelisierend wirken, Sandelholz zusätzlich antiviral (5, 11).
Eichenrindenbäder können die Wirkung unterstützen (5). Fertigpräparate mit antiviraler Wirkung enthalten wässrigen Melissenextrakt oder Grünteeextrakt (Camellia sinensis) und können insbesondere bei Condylomen eingesetzt werden (5).

Magistralrezepturen mit ätherischen Ölen

In der Regel werden Ovula zu 100-200mg an ätherischen Ölen dosiert. Dabei empfiehlt es sich, mindestens 2 bis 3 verschiedene Öle zu kombinieren, da ätherische Öle in Mischungen durch Synergiebildung effizienter sind als Einzelöle (11). Bewährt haben sich Vaginalovula à 3g, da so genügend Ovulagrundmasse vorhanden ist, um die betroffenen Schleimhäute ausreichend zu benetzen und den Wirkstoff optimal zu verteilen. Je nach Lokalisation kommen auch Cremes zum Einsatz, in einer Konzentration von 2-5% maximal.
Gerade im sensiblen Vaginalbereich muss ausserdem der Grundlage Beachtung geschenkt werden. Es gilt das Therapieprinzip: Feucht auf feucht – Fett auf trocken. Ein Austausch mit dem herstellenden Apotheker kann sinnvoll sein, damit die jeweils optimale galenische Grundlage für die betreffende Indikation gefunden werden kann.

Zweitabdruck aus «der informierte arzt» 05_2020

Karoline Fotinos-Graf

eidg. dipl. Pharm., FPH Phytotherapie
Schweizerische Medizinische Gesellschaft für Phytotherapie SMGP
Diesbachstrasse 11
3012 Bern

k.fotinos@smgp.ch

Die Autorin hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Diverse ausgewählte Arzneipflanzen mit breitem Wirkungsspektrum (hormonähnlich und -ausgleichend, antiphlogistisch, analgetisch, antipruriginös, antiinfektiös, adstringierend, wundheilungsfördernd) stehen für die topische Behandlung von leichten bis mittelschweren Beschwerden des Vulvovaginalbereichs zur Verfügung, als alleinige Therapie oder adjuvant zu einer bestehenden Therapie
  • Von Bedeutung ist insbesondere das grosse antimikrobielle Potential von ätherischen Ölen, was gerade in Zeiten erhöhter Antibiotika- und anderen Resistenzen von grossem Wert sein kann
  • Es stehen ebenfalls diverse antiviral wirkende Phytotherapeutika für die (adjuvante) Behandlung von Genitalherpes oder Condylomen zur Verfügung
  • Dem Arzt, der Ärztin stehen neben einigen pflanzlichen Fertigpräparaten zahlreiche Arzneipflanzen und ätherische Öle in der ALT (Arzneimittelliste mit Tarif) zur Verschreibung einer Magistralrezeptur zur Verfügung, welche über die Grundversicherung vergütet werd

Messages à retenir

  • Diverses plantes médicinales sélectionnées, à large spectre d’ action (similaires aux hormones et les équilibrant, antiphlogistiques, analgésiques, antiprurigineuses, anti-infectieuses, astringentes, favorisant la cicatrisation) sont disponibles pour le traitement topique des problèmes légers à modérés de la zone vulvo-vaginale, en tant que monothérapie ou adjuvant à une thérapie existante.
  • Le grand potentiel antimicrobien des huiles essentielles est particulièrement important, ce qui peut être d’ une grande valeur, surtout en temps de résistance accrue aux antibiotiques et d’ autres résistances.
  • Il existe également divers agents phytothérapeutiques antiviraux pour le traitement (adjuvant) de l ’herpès génital ou des condylomes.
  • En plus de certaines préparations à base de plantes prêtes à l’ utilisation, le médecin a accès à de nombreuses plantes médicinales et huiles essentielles figurant sur la liste LMT (Liste des médicaments avec tarif) pour la prescription des formules magistrales, qui sont remboursées par l’assurance de base.

1. Von Braunschweig, R. Pflanzenöle. Wiggensbach : Stadelmann Verlag, 2018.
2. Krist, S., Buchbauer, G. und Klausberger, C. Lexikon der pflanzlichen Fette und Öle. Wien : Springer, 2008.
3. Fischer, H. Punica granatum. Zeitschrift für Komplementärmedizin 08(02). 2016, S. 52-53.
4. Fischer, H. Sanfte Hilfe bei Scheideninfekten. Naturarzt. 20. Februar 2008, S. 18-20.
5. Fischer, H. Juckreiz und Schmerzen im äusseren Intimbereich. Naturarzt. 17. April 2014, S. 11-13.
6. Widmer, R. Einsatz von Phytotherapeutika bei Vulvovaginalbeschwerden. Schweiz Z Ganzheitsmed (29). 18. Januar 2017, S. 22-24.
7. Schilcher, Heinz, et al. Leitfaden Phytotherapie. München : Elsevier GmbH, 2016.
8. Bäumler, Siegfried. Heilpflanzenpraxis heute: Rezepturen und Anwendung. München : Elsevier Urban & Fischer, 2013. Bd. 2.
9. Fotinos-Graf, Karoline. Ätherische Öle in der Wundheilung und Entwicklung von geeigneten Rezepturen. www.smgp.ch. [Online] 5. November 2014. [Zitat vom: 31. Januar 2020.] http://www.smgp.ch/smgp/homeindex/faehigkeitsprogf/zertifikatsarbeiten/Fotinos-GrafKaroline.pdf.
10. Steflitsch, W., Wolz, D. und Buchbauer, G. Aromatherapie in Wissenschaft und Praxis. Wiggensbach : Stadelmann Verlag, 2013.
11. Wabner, Dietrich und Beier, Christiane. Aromatherapie. München : Elsevier GmbH, 2009.

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  • Vol. 10
  • Ausgabe 4
  • August 2020