Fortbildung

Eine alltägliche Herausforderung

Pilz, Juckreiz und Dyspareunie

Genitaler Pruritus und Dyspareunie sind im gynäkologischen Alltag ebenso häufige wie auch komplexe Symptome. Die Beschwerden und Krankheitsbilder weisen eine grosse Überschneidung auf, was mitunter die Diagnosestellung extrem erschweren und eine adäquate Therapieeinleitung verzögern kann. Diese Arbeit soll eine Übersicht über die Differentialdiagnosen geben und legt den Fokus auf die infektiologische Genese.



Le prurit génital et la dyspareunie sont des symptômes à la fois courants et complexes dans la vie gynécologique quotidienne. Les symptômes et les tableaux cliniques se chevauchent largement, ce qui peut parfois rendre le diagnostic extrêmement difficile et retarder le début d’une thérapie adéquate. Cet article vise à donner un aperçu des diagnostics différentiels et se concentre sur la genèse infectieuse.

Pruritus genitalis als Leitsymptom

Vulvärer oder vaginaler Pruritus ist ein häufiges Leitsymptom in der Gynäkologie, in der Kinder- und Jugendgynäkologie ist es mit über 60% sogar das häufigste Beschwerdebild (1). Die Liste der möglichen Ursachen ist lang und bei weitem nicht immer ist eine Pilzinfektion dafür verantwortlich. Weniger als 50% der Frauen mit vulvärem oder vaginalem Pruritus leiden tatsächlich unter einer vulvovaginalen Candidiasis. Liegt eine solche vor, ist der Pruritus jedoch das Kardinalsymptom, das in 90% der Fälle mit der vulvovaginalen Candidiasis einhergeht (2). Bei genitalem Pruritus sind differentialdiagnostisch Allergien, Hautirritation (Pflege-, Hygieneprodukte etc.), Infektionen der Vulva und/oder Vagina, internistische Erkrankungen (z.B. Diabetes mellitus, Rheumatoide Arthritis, Systemischer Lupus erythematodes), genitale Atrophie (Östrogenmangel), Neoplasien, nicht-infektiöse, chronische Hauterkrankungen (z.B. Lichen sclerosus) oder eine psychische Genese in Betracht zu ziehen (3). Eine Übersicht über die Differentialdiagnosen gibt Tabelle 1. Die Therapie richtet sich in der Regel nach der Grunderkrankung oder kann, falls keine spezifische Ursache gefunden werden kann, vorübergehend rein symptomatisch sein (z.B. lokale Kortikosteroide, pH-neutrale Waschlotion, Fettcrème).

Dyspareunie

Von Dyspareunie, also dem schmerzhaften Geschlechtsverkehr, sind ca. 8-22% aller Frauen betroffen (4). Unterschieden werden sollte zwischen der oberflächlichen (häufig introitusnahe, beim Eindringen) und der tiefen Dyspareunie. Die häufigsten Ursachen der Dyspareunie bei Frauen unter 50 Jahren sind vulväre Dermatosen, Endometriose, provoziertes vulväres Schmerzsyndrom, myofasziales Pelvic pain-Syndrom und interstitielle Zystitis/Painful bladder-Syndrom. Bei Frauen über 50 Jahren ist die urogenitale Atrophie die häufigste Ursache (5), (6). Eine Übersicht über die wichtigsten Differentialdiagnosen gibt Tabelle 2.
Eine rein psychische Einstufung der Dyspareunie sollte vermieden werden, da häufig verschiedene Komponenten vorliegen. Typischerweise treten vor, nach oder während des Geschlechtsverkehrs plötzlich brennende oder stechende Schmerzen auf. Die Intensität kann variieren und ist vor allem bei Adhäsionen und Endometriose von der gewählten Sexualposition abhängig (7).
Eine ausführliche Anamnese und die gynäkologische Untersuchung bilden die Basis der Diagnostik. Sicher muss eine entzündliche, infektiöse oder neoplastische Genese ausgeschlossen werden. (6).
Therapie: Da es sich um ein Symptom handelt, richtet sich die Therapie nach der Grunderkrankung. Die symptomatische Therapie beinhaltet die Anwendung von Gleitmitteln bei vaginaler Trockenheit wie auch die Anwendung von Lokalanästhetika bei Vulvaerkrankungen. Grosses Augenmerk sollte auch auf die Patientenedukation und –aufklärung gelegt werden.

Kolpitis und Vulvovaginitis

Als Vaginitis oder Kolpitis bezeichnet man eine Entzündung der Scheide. Häufig wird diese durch eine Entzündung des äusseren Genitale begleitet, in diesem Fall spricht man von der Vulvovaginitis. Die Entzündung kann durch Infektionen, Inflammation oder Veränderungen der physiologischen Vaginalflora verursacht sein (3). Eine Vulvovaginitis kann asymptomatisch sein, macht sich aber in den meisten Fällen durch Symptome wie ausgeprägten vulvovaginalen Juckreiz oder Brennen, Rötung der Vaginalwände bzw. des äusseren Genitale sowie vaginalen, teilweise übelriechenden Ausfluss bemerkbar. Ferner können Dysurie oder Dyspareunie auftreten (8).
Am häufigsten sind infektiöse Ursachen. Die drei häufigsten infektiösen Ursachen, bakterielle Vaginose, Candida-Vulvovaginitis und die Trichomoniasis machen zusammen ca. 90% der Infektionen aus (9) (Tab. 3). Zu den nicht-infektiösen Ursachen der Vaginitis gehören vaginale Atrophie, Fremdkörper (verbliebener Tampon oder Kondom), Allergene und Reizstoffe sowie weitere seltenere Entitäten wie systemische Erkrankungen.

Physiologische Vaginalflora

Die Normalflora der Vagina wird von Laktobazillen (Döderlein-Bakterien), gramnegativen Stäbchen, gebildet. Durch Östrogenwirkung wird Glykogen in die Plattenepithelzellen der Vagina eingelagert. Glykogen aus abgeschilferten Epithelzellen wird von den Laktobazillen zu Laktat verstoffwechselt, dieses ist für das saure Milieu der Vagina verantwortlich (8), (9). Dadurch wird die normale Vaginalflora erhalten und das Wachstum von pathogenen Keimen unterdrückt (3). Der Fluor vaginalis entsteht im Wesentlichen durch Transsudation. Der physiologische Fluor vaginalis hat einen pH von 4.0-4.5, ist weisslich, dünnflüssig, säuerlich, nicht übelriechend und symptomlos. Die normale Menge beträgt < 5ml/24h.

Candida-Vulvovaginitis

Die vulvovaginale Candidiasis ist die häufigste Ursache von vulvovaginalem Pruritus und Ausfluss und nach der bakteriellen Vaginose die zweithäufigste Ursache einer Kolpitis. Die genaue Prävalenz ist jedoch schwierig zu eruieren, da Candidaspezies bei ca. 20% aller Frauen im Genitaltrakt ohne klinische Infektionszeichen vorkommen (Kolonisation), weswegen der alleinige Nachweis von Candida zur Diagnosestellung nicht ausreicht (2). In einer aktuellen US-amerikanischen Studie gaben 77.5% der Frauen an, mindestens einmal im Leben eine vulvovaginale Candidiasis gehabt zu haben, wovon wiederum 34.6% an rezidivierender vulvovaginaler Candidiasis litten (≥4 Episoden pro Jahr) (10). Die Prävalenz der vulvovaginalen Candidiasis ist bei Frauen im reproduktiven Alter am höchsten. Jenseits der Menopause ist das Auftreten einer vulvovaginalen Candidiasis ungewöhnlich, ausser bei Frauen unter Östrogentherapie. Ebenso ungewöhnlich ist sie bei präpubertalen Mädchen, bei welchen sie gelegentlich überdiagnostiziert wird (11).
Im Gegensatz zur bakteriellen Vaginose ist bei der vulvovaginalen Candidiasis die Anzahl der vaginalen Lactobazillen nicht vermindert. Candidaspezies sind fakultativ pathogen. Ungefähr 80% der Infektionen sind durch Candida albicans verursacht, die restlichen vor allem durch Candida glabrata oder tropicalis (2). Die klinisch manifeste Pilzinfektion mit Candida entwickelt sich nur, wenn zusätzlich zur ausreichenden Keimzahl eine Disposition bzw. Risikofaktoren bestehen (2). Zu den Risikofaktoren gehören Diabetes mellitus (vor allem bei schlechter Blutzuckerkontrolle), Gebrauch von Antibiotika, erhöhte Östrogenspiegel (orale Kontrazeptiva, Schwangerschaft, Östrogentherapie) sowie Immunsuppression (11).
Das dominierende Symptom ist der Pruritus. Aber auch ein Brennen, eine vaginale Rötung und ein ausgeprägtes Wundheitsgefühl werden häufig beschrieben. Die kleinen Labien können ödematös geschwollen sein. Zudem können Dysurie und Dyspareunie vorkommen (11). Der Ausfluss ist typischerweise weiss, dick, bröckelig und häufig an den Vaginalwänden klebend (2). Bisweilen kann er aber ganz fehlen. Der vaginale pH ist typischerweise normal, damit kann die Candidiasis von der bakteriellen Vaginose- und von der Trichomonaden- Kolpitis abgegrenzt werden. Die Intensität der Symptome kann stark variieren, so scheinen milde bis minimale Symptome bei Infektionen mit Candida glabrata oder parapsilosis (vor allem bei katheterassoziierten Infektionen) vorzukommen (11) (2). Die Diagnosestellung erfolgt durch Untersuchung des äusseren Genitale, von Vagina und Cervix. Die Cervix zeigt in der Regel einen Normalbefund. Zusätzlich sollte eine mikroskopische Diagnostik mittels Nativpräparat erfolgen. Lichtmikroskopisch zeigen sich typische, verzweigte Hyphenfäden. Diese entstehen bei günstigem Wirtsmilieu aus ellipsoiden Candidasporen. Deren Vorkommen entspricht bei fehlender Symptomatik eventuell nur einer Kolonisation, wohingegen Hyphenfäden oft mit einer symptomatischen Erkrankung korrelieren (2).
Bei klassischen Symptomen sowie mikroskopischem Nachweis von Candida ist eine Kultur nicht zwingend erforderlich. Sie sollte aber durchgeführt werden, wenn bei entsprechenden Symptomen und normalem pH mikroskopisch kein Nachweis erfolgen konnte oder bei persistierenden oder rezidivierenden Symptomen (11). Der Nachweis mittels PCR zeigt zwar eine hohe Spezifität und Sensitivität, wird aber bislang in der Routinediagnostik kaum eingesetzt.
Da keines der Symptome pathognomonisch für die vulvovaginale Candidiasis ist, sollte bei entsprechender klinischer Verdachtsdiagnose der Nachweis mittels Nativmikroskopie, Gramfärbung oder Kultur angestrebt werden, um eine Überdiagnose und in der Folge Übertherapie zu vermeiden. Da Selbstdiagnosen häufig falsch gestellt werden, sollten diese nur mit Zurückhaltung erfolgen und von einer Selbsttherapie mit rezeptfreien Medikamenten eher abgeraten werden. In einer amerikanischen Studie war nur die Minderheit von gut 500 Frauen ohne medizinische Ausbildung in der Lage, eine korrekte Diagnose zu stellen (11% der Frauen ohne und 35% der Frauen mit vorausgegangener vulvovaginaler Candidiasis) (11).
Therapie: Es stehen etliche Medikamente in unterschiedlicher Darreichungsform zur Verfügung. Bei unkompliziertem Infekt ist die lokale Therapie mit Clotrimazol oder Econazol empfohlen (Crème 7-10 Tage und Vaginalsuppositorien 3-6 Tage). Bei kompliziertem Infekt sollte zusätzlich eine systemische Therapie mit einer Einmaldosis Fluconazol 150mg 1x oder Itraconazol 200mg 2x gegeben werden. Bei chronisch rezidivierenden Infekten gibt es repetitive Therapieschemata.
Die Wirksamkeit einer probiotischen Therapie z.B. mit Gynoflor-Vaginaltabletten zur Restaurierung der Vaginalflora ist wissenschaftlich nicht bewiesen.
Eine Behandlung des asymptomatischen Sexualpartners scheint für die Patientin keinen Vorteil zu bringen.

Bei diesem Artikel handelt es sich um eine übersetzung des in «la gazette médicale» 01-20 erschienen Originalartikels.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Jeannette Baldinger

Frauenklinik
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen

jeannette.baldinger@kssg.ch

Prof. Dr. med. René Hornung

Frauenklinik
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

  • Der genitale Pruritus ist ein weitverbreitetes Symptom, jedoch haben weniger als 50% der Frauen mit diesem Symptom wirklich eine vulvovaginale Candidiasis.
  • Die vulvovaginale Candidiasis geht in den allermeisten Fällen mit Juckreiz einher. Weitere mögliche Symptome sind Rötung, Ödem oder Schmerz, wohingegen bei der bakteriellen Vaginose Entzündungszeichen zumeist fehlen.
  • Die Dyspareunie kann mannigfaltige Ursachen haben. Eine ausführliche Anamnese und vorsichtige aber genaue gynäkologische Untersuchung sind unerlässlich. Eine organische Ursache muss gezielt gesucht, bzw. ausgeschlossen werden.

Messages à retenir

  • Le prurit génital est un symptôme courant, mais moins de 50% des femmes présentant ce symptôme ont en fait une candidose vulvovaginale.
  • Dans la plupart des cas, la candidose vulvovaginale s’accompagne de démangeaisons. Les autres symptômes possibles sont la rougeur, l’œdème ou la douleur, alors que dans la vaginose bactérienne, les signes d’inflammation sont généralement absents.
  • La dyspareunie peut avoir des causes multiples. Une anamnèse détaillée et un examen gynécologique soigneux mais précis sont essentiels. Une cause organique doit être spécifiquement recherchée ou exclue.

1. Goerke, K., Steller, J. und Valet, A. Klinikleitfaden Gynäkologie Geburtshilfe. 10. Auflage. München : Urban & Fischer Verlag, 2018.
2. Mylonas, I., Friese, K. und Lauper, U. EGONEplus. Infektiologische Krankheitsbilder. 22. April 2013.
3. Sobel, Jack D. UpToDate: Approach to women with symptoms of vaginitis. 27. Aug. 2018.
4. Latthe, P., Latthe, M., Say, L., Gülmezoglu, M. and Khan, S. WHO systematic review of prevalence of chronic pelvic pain: a neglected reproductive health morbidity. BMC Public Health. 2006.
5. Barbieri, Robert L. UpToDate: Differential diagnosis of sexual pain in women. 03. Oct. 2017.
6. Kingsberg, Sheryl und Kellogg Spadt, Susan. UpToDate: Approach to the woman with sexual pain. 04. Apr 2019.
7. Netter, Frank H. Gynäkologie. Stuttgart : Thieme, 2006.
8. Frobenius, W. and Bogdan, C. Diagnostic Value of Vaginal Discharge, Wet Mount and Vaginal pH – An Update on the Basics of Gynecologic Infectiology. Geburtshilfe und Frauenheilkunde. 2015.
9. Mylonas, I., Friese, K. und Montavon, C. EGONEplus. Allgemeine Infektiologie. 22. April 2013.
10. Yano, Junko und Sobek, Jack D. Current patient perspectives of vulvovaginal candidiasis: incidence, symptomes, management and posttreatment outcomes. BMC Women’s Health. 2019.
11. Sobel, Jack D. UpToDate: Candida vulvovaginitis: Clinical manifestations and diagnosis. 16. Nov. 2018. Candida vulvovaginitis: Clinical manifestations and diagnosis.
12. [Online] https://www.msdmanuals.com/de/profi/gynäkologie-und-geburtshilfe/symptome-gynäkologischer-erkrankungen/vaginaler-juckreiz-und-ausfluss#v1061219_de.
13. Sobel, Jack D. UpToDate: Bacterial vaginosis: Clinical manifestations and diagnosis. 11. Feb. 2019.
14. [Online] http://imdlab.ch/wp-content/uploads/2016/03/Trichomonas-vaginalis.pdf.
15. Petersen, Eiko E. Farbatlas der Vulvaerkrankungen. Freiburg/Br. : Kaymogyn GmbH, 2007.