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Kongressbericht MediDays Zürich - Eine gesunde Sehne reisst nicht

Behandlungsstrategien bei Verletzungen der Rotatorenmanschette

Verletzungen der Rotatorenmanschette betreffen vor allem
ältere Menschen. Bei der Wahl der Therapie sollten immer individuelle Faktoren berücksichtigt werden. Bei der Ent­­scheidungsfindung spielen Reparabilität, das vorherrschende Symptom und die Erwartungshaltung der Patienten eine Rolle.



Die Rotatorenmanschette wird von vier Muskeln gebildet: M. supraspinatus, M. infraspinatus, M. teres minor und M. subscapularis. Die Reisfestigkeit der Sehnen nimmt mit dem Alter ab, so dass das Risiko für eine Ruptur der Rotatorenmanschette mit dem Alter deutlich zunimmt. «Eine gesunde Sehne reisst nicht» so Privatdozent Karl Wieser von der Universitätsklinik Balgrist in Zürich.
Typisch für die Ruptur ist der Schmerz, der spontan nachts oder bei Belastung auftreten kann. Dazu kommt der Funktions- bzw. Kraftverlust. Ist die Sehne des M. supraspinatus rupturiert, so ist die Abduktion gestört. Ist der M. subscapularis betroffen, so ist die Innenrotation, beim M. infraspinatus oder M. teres die Aussenrotation gestört. Die Verdachtsdiagnose wird mit dem MRI gesichert, was nicht nur eine Aussage zur Risslokalisation, der Rissausdehnung und der Muskeldegeneration, sondern auch zur Reparabilität erlaubt.

Zuerst Reparabilität prüfen

Für die Therapie der Ruptur der Rotatorenmanschette gilt der Satz von Hippokrates: «Wenn Knochen, Knorpel oder Sehne abgehauen sind, ersetzt sich das Stück nicht wieder, noch wächst es wieder zusammen». Die Therapie orientiert sich an der Möglichkeit der Reparabilität und dem Anspruchsprofil des Patienten. Die Indikation für ein bestimmtes Verfahren sollte immer nach individuellen Gesichtspunkten – Reparabilität, Leidensdruck, Anspruchsprofil – gestellt werden. «Irreparabel ist der Riss dann, wenn eine fettige Degeneration und Muskelatrophie vorliegen», so Wieser. Besteht ein hohes Anspruchsprofil und sind die Hauptbeschwerden ein Aussenrotations- oder ein Elevationslag, so sollte ein Latissimus dorsi-Transfer erfolgen. Sind die Hauptbeschwerden ein Innenrotationslag, so sollte ein Pectoralis maior- oder ein anteriorer Latissi­mus dorsi-Transfer diskutiert werden. Bei Irreparabilität und einem tiefen Anspruchsprofil empfiehlt sich dann, wenn der Funktionsverlust im Vordergrund steht, eine inverse Schulterprothese oder ein Sehnentransfer. Leidet der Patient vor allem unter denn Schmerzen, so sollten Kortikosteroid Infiltrationen oder ein arthroskopisches Debridement durchgeführt werden.

Rekonstruktion, wenn möglich

Bei einer reparablen Ruptur sollte bei einem hohen Anspruchsprofil oder immer dann, wenn der Funktionsverlust im Vordergrund steht, eine Rekonstruktion der Sehne angestrebt werden. Sind Schmerzen das führende Symptom, so kommen auch hier Kortikosteroid Infiltrationen oder ein arthroskopisches Debridement in Betracht. Bei einem tiefen Anspruchsprofil oder einer Partialruptur sollte man auf eine Intervention verzichten. Die konservative Therapie umfasst: NSAR, Kortikosteroid Infiltrationen und Physiotherapie. In entsprechenden Studien konnte gezeigt werden, dass bei richtiger Indikationsstellung die operativen Verfahren dem konservativen Management überlegen sind.

Quelle: MediDays 2020, 2.9.2020, PD Dr. Karl Wieser, PD Dr. Samy Bouaicha

Dr. med.Peter Stiefelhagen

der informierte @rzt

  • Vol. 10
  • Ausgabe 11
  • November 2020