- Hoch über dem Ybrig auf einer Schuppe reitend – Roggenstock


Wuchtig überragt der Roggenstock Oberiberg im Süden. Aber irgendwie steht er etwas verloren in der Landschaft, wie Gross- und Chli-Schijen an der Ibergeregg, die Rotenflue sowie der Gross und Klein Mythen weiter im Westen auch. Sie stellen sogenannte Klippen dar, die bei der alpinen Gebirgsbildung von den penninischen Decken abgebrochen sind. Letztere wurden von Süden über die helvetischen Decken hinweg verfrachtet, als wären sie Falten einer Decke gewesen, die man auf dem Tisch zusammengeschoben hatte. Die Klippen glitten passiv gegen Norden ab und kamen dabei teilweise auf jüngerem Material zum Stehen, das, wie beispielsweise der Flysch, ebenfalls von den sich überschiebenden Decken abgefahren war. Dabei wurde die Molasse des nördlichen Alpenvorlandes durch die eindringenden helvetischen Decken gestaucht und teilweise als Schuppen übereinandergelegt und an die flach liegen gebliebenen Molasse-Schichten gepresst. Diese nach Norden ausstreichenden Nagelfluh-Bänke bilden heute die Rigi, während die Rigi-Hochflue mit ihren gegen Süden einfallenden Kalkplatten noch zu den helvetischen Decken gehört. Dieses gewaltige Szenario ist zwar in seinem Ablauf nachvollziehbar, lässt den Betrachter aber letztendlich in Bezug auf Raum, Zeit und Gewalt der wirksam gewordenen Kräfte hilflos staunend zurück.
Diese kleine Wanderung hält gleich zu Beginn noch eine weitere Überraschung bereit. Im Laucherentobel versteckt liegt die Berggeist-Mineralquelle (Abb. 1). Auch diese ist ein Produkt der geologischen Schuppenbildung, indem sich aus dem Gips der südhelvetischen Fuederegg-Schuppe Schwefelwasserstoff bildet, der im Quellwasser mit anderen Stoffen zusammen mitgeführt wird. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass die Quelle als allerdings wenig schmackhafte Trinkkur wertvoll sein kann. Entsprechend erzählt der Volksmund von zahlreichen Genesungen. Auf einer Informationstafel bei der Quelle werden noch einige Sprüche überliefert: «Über Kater und andere bösen Geister wird sicher nur der Berggeist Meister.» «Verblühende Frauen malens Gesicht, Sie kennen leider den Berggeist nicht. Komm schöne Frau und trinke, dann brauchst Du keine Schminke.» «Gesunde, die über den Berggeist spotten sieht man als Kranke zur Quelle trotten.» Und zu guter Letzt: «Adler, Hirsch und Sihlforellen sind blutsverwandte Trinkgesellen. Solls Dir wohl wie diesen sein, schenk Dir ein Gläschen Berggeist ein.»
Wir gönnen uns zu Beginn der Wanderung den Sessellift von Oberiberg zum Steinboden hinauf und lassen uns in der milden Luft des Spätsommermorgens über die Hochmoorflächen westlich des Chäswaldtobels hinauftragen. Zu diesem Genuss gehört natürlich auch ein Kaffee auf der Sonnenterrasse des Bergrestaurants Laucheren, bevor wir uns auf den Weg machen. Von Steinboden aus führt uns ein Fahrsträsschen gegen Osten durch das Laucherentobel, wo nur wenige Meter tiefer besagte Mineralquelle entspringt, zur Fuederegg hinüber. Bei der Wegkreuzung wenden wir uns hangaufwärts dem nördlich gelegenen Farenstöckli zu, hinter dem sich der Roggenstock verbirgt. Im Grüenwald biegt das Fahrsträsschen gegen Nordosten um und erreicht die Roggenhütte. Hier beginnt der Bergweg, der in die Senke der Alp Oberroggen hineinführt. Anschliessend schwingt sich der Weg in einem Bogen gegen Westen zum Sattel zwischen Farenstöckli und Roggenstock hinauf. Von hier aus ist es bis zum Gipfel des Letzteren nicht mehr weit. Eine Route führt direkt über den Südgrat zum Ziel, die andere verläuft vorerst etwas bequemer auf der Westseite der Krete über Alpweiden, bevor sie diese ebenfalls erklimmt. Die Rundsicht vom Roggenstock ist herrlich und reicht vom Drusberggebiet und den Urner Bergen über die Mythen und die Rigi hinaus bis weit ins Mittelland hinein (Abb. 2 und 3). Zurück im Sattel steigen wir westwärts ab, umgehen eine Fluh, bevor wir gegen Norden zu den Weiden vom Jäntli gelangen, einem Kar, das heute noch vom Steinschlag des Roggenstocks heimgesucht wird.
Alternativ bietet sich vom Sattel zwischen Farenstöckli und Roggenstock auch der Abstieg gegen Osten zur Roggenegg an, von wo aus man durch das Tubenmoos, ein Hochmoor, und hinauf über das Bergrestaurant Adlerhorst auf der Mooseggen ebenfalls ins Jäntli gelangen kann. Auf dieser weiteren Route befinden sich dafür gleich zwei Gastwirtschaften. Wer die kürzere Route wählt, dem sei gesagt, dass es vom Jäntli zum Adlerhorst auch nur wenige Minuten weit ist.
Vom Geländepunkt 1484 Meter westlich des Jäntli sticht der Bergweg steil über die Grossweid zum Stafel ob dem Schattenberg hinunter. Wir folgen dem Fahrsträsschen vom obersten Gaden lediglich bis zur Bachrunse. Hier wenden wir uns der Hütte am Waldrand zu, auf deren Ostseite (siehe Drehkreuz) ein weiterer stotziger Pfad beginnt, der dem Waldrand entlang über die Unter Grossweid zur nächsten Fahrstrasse zwischen den Höfen Gütsch und Neuberg hinunterleitet. Im unteren Teil der Weide verliert sich die Pfadspur. Der auf der Karte noch vermerkte Abschnitt im Wald ist zugewachsen. Gleich jenseits der Fahrstrasse verläuft ein nun schöner Weg an einer Feuerstelle vorbei direkt nach Oberiberg zurück (Abb. 4).
Aufgepasst
In dieser Rubrik werden Berg- und Schneeschuhwanderungen vorgestellt, die in der Regel wenig bekannt sind, zu aussergewöhnlichen Orten führen und die Genugtuung einer besonderen persönlichen Leistung bieten, sei es, dass man sich am Abend nach der Arbeit noch zu einer kleinen körperlichen Anstrengung überwindet, bzw. sich in ein oder zwei Tagen abseits breit getretener Wege unvergessliche Naturerlebnisse erschliesst. Zur besseren Beurteilbarkeit des Schwierigkeitsgrades der Tourenvorschläge wird jeweils eine Einschätzung anhand der SAC-Skala für Berg- (B, EB, BG) und für Schneeschuhwanderungen (WT 1–6) gegeben. Die schwierigste Wegstelle, unabhängig von ihrer Länge, bestimmt jeweils die Gesamtbewertung der Route. Letztendlich bleibt aber jeder selbst für die Beurteilung seiner Fähigkeiten und Eignung für die vorgestellte Wanderung verantwortlich. Die Gehzeiten sind Richtwerte und gelten für normal trainierte Wanderer. Sie müssen nicht zwingend mit den Angaben auf Wegweisern übereinstimmen.
LESER-WANDERUNG !
Leserinnen und Leser, die gerne einmal eine Bergtour mit dem Autor der Wandertipps unternehmen möchten, können ihr Interesse
per E-Mail an christian.besimo@bluewin.ch anmelden und werden darauf über geplante Wanderungen informiert.
Riedstrasse 9
6430 Schwyz
christian.besimo@bluewin.ch