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Interview mit Prof. Dr. med. Thomas Ruhstaller, St. Gallen

Wichtigste Resultate und Ausblick anlässlich des SABCS 2020



Welche Resultate/Erkenntnisse am SABCS 2020 haben Sie überrascht? Positiv oder negativ?

Schon am ESMO 2020 wurden die ersten Daten der beiden Adjuvantstudien mit CDK4/6-Inhibitor vorgestellt. Die Pallaststudie zeigte ein bis jetzt negatives Resultat, die MonarchE-Studie ein signifikant positives, aber im sehr frühen Verlauf. In San Antonio wurde nun von dieser MonarchE-Studie schon die nächste Interimsanalyse vorgestellt mit wenigen Monaten mehr Follow-up. Der Unterschied zugunsten des CDK4/6-Inhibitors persistiert mit noch mehr Events.
Gleichzeitig wurde aber auch das finale Resultat der Penelope-B-Studie vorgestellt. Diese Studie untersucht ebenfalls die adjuvante Gabe von Palbociclib, jedoch nur über ein Jahr und mit einem anderen Design. Randomisiert wurden nur Frauen, bei denen keine pCR erreicht wurde nach neoadjuvanter Chemotherapie. Das Interessante daran ist nun, dass der Unterschied nach 2 Jahren zugunsten des CDK4/6-Inhibitors in etwa gleich gross war wie in der MonarchE-Studie, die Kurven aber nach 4 Jahren wieder zusammengekommen sind.
Insgesamt war dies eine negative Studie, mit deutlich weniger Patientinnen und dadurch Power als die MonarchE-Studie. Dadurch steht die Frage im Raum, ob das frühe positive Resultat der MonarchE-Studie dadurch zustande kommt, dass in dieser Hochrisikopopulation vor allem früh metastasierte Patientinnen mit der Kombination besser behandelt wurden. Diese Frage bleibt offen, bis wir einen längeren Follow-up haben werden.
Positiv überrascht hat mich die kritischere Beurteilung gegenüber den molekularen Signaturen Mammaprint und Recurrence Score als Entscheidungshilfen für adjuvante Chemotherapien. Im 8-Jahres Follow-up der Mindact-Studie zeigten sich bei den beiden diskordanten Gruppen (klinisch high-risk/genomisch low-risk und klinisch low-risk/genomisch high-risk) keine signifikanten Unterschiede bezüglich Prädiktion des Effektes der Chemotherapie, numerisch sogar leichte Vorteile für die klinisch high risk/genomisch low-risk-Gruppe. Und dies in Anbetracht der sehr rudimentären klinischen Einteilung, die auf die Parameter T- und N-Stadium sowie das Grading beschränkt war. Der Expressionsgrad von ER und PgR, Ki-76 und LVI wurde nicht einbezogen in diese klinische Beurteilung. Es scheint, dass die (deutlich billigere) qualitätskontrollierte Pathologie nicht schlechter abschneidet als der molekulare Test.
In die gleiche Richtung geht die Präsentation des neu entwickelten und validierten RSClin, dabei wird die molekulare Signatur Recurrence Score zusammengefügt mit klinischen Parametern. Auch hier wurde gezeigt, dass die Prädiktion des Benefits einer adjuvanten Chemotherapie mit Zusatz des T-Stadiums, des Gradings und dem Alter deutlich besser ist als mit dem OncotypeDX alleine.
Für uns gilt deshalb weiterhin primär qualitätskontrollierte, konventionelle Pathologie, bei Unsicherheit Hinzunahme einer molekularen Gensignatur. Der integrierte RSClin ist zur Zeit bei uns nicht verfügbar.

Welches sind Bereiche mit noch grösstem Forschungsbedarf?

Der grösste «need» besteht sicherlich bei Frauen mit Metastasen eines triple-negativen Mammakarzinoms. Die Checkpoint Inhibitoren sind zwar neu als Therapieoption hinzugekommen, haben aber beim Mammakarzinom im Gegensatz zu anderen Tumoren nur einen Effekt in einem sehr kleinen Segment. Die Hoffnung beruht nun hier auf neuen Substanzen wie z.B. dem am ESMO 2020 gezeigten Antikörper-Drug-Konjugat «Sacituzumab Govitecan», welches an TROP-2 bindet und schon in einer Phase-III-Studie bei stark vorbehandelten Patientinnen mit TNBC eine Verdoppelung des Überlebens gezeigt hat. Am SABCS wurde demonstriert, dass die TROP-2-Expression nicht prädiktiv ist für das Ansprechen.

Ihre Eindrücke zum virtuellen SABCS?

Das virtuelle SABCS wurde technisch sehr gut durchgeführt. Leider ist der Service für die Teilnehmer aber deutlich weniger geworden. Die Präsentationen der Referenten konnten nicht wie üblich nach erfolgtem Referat als PDF heruntergeladen werden. Für die nachfolgenden Weiterbildungen in der Schweiz musste jedes Slide einzeln aus der jeweiligen Präsentation herauskopiert werden. Dies schmälert natürlich die Strahlkraft eines solchen Meetings enorm, da die wenigsten Leute sich die Zeit nehmen können, über mehrere Tage alle Präsentationen anzuschauen. Post-SABCS-Meetings, wo alles in konzertierter Art aufbereitet präsentiert und diskutiert wird, werden deshalb in der Ära der rein virtuellen Meetings umso wichtiger, auch für die Verbreitung des neuen Wissens.

Welche Probleme hat die Sars-CoV-2-Pandemie für Ihre persönliche Arbeit mit den Patienten gebracht?

Für die eigentliche Behandlung der Patientinnen hat es eher wenig Einfluss. Der Diskussionsbedarf aufgrund von Corona, Risiken, Impfung etc. hat aber deutlich zugenommen und nimmt nun oft einen erheblichen Teil der Sprechstunde ein.

Eleonore E. Droux

droux@medinfo-verlag.ch

info@onco-suisse

  • Vol. 11
  • Ausgabe 2
  • April 2021