Fortbildung

Schweizerinnen verbringen heute mehr als einen Drittel ihres Lebens ohne Eierstockfunktion

Komplementärmedizinische Alternativen zur Behandlung von Östrogen-Entzugssymptomen

Während die weibliche Lebenserwartung in praktisch allen Ländern der Welt weiter ansteigt, blieb das Durchschnittsalter der Frau bei der letzten Periode seit mehr als 100 Jahren konstant um 51, abhängig von genetischen Faktoren wie Herkunft und Familienanamnese. Dies bedeutet, dass heutzutage eine Frau in der Schweiz mehr als 40 Jahre ohne ihre von den Ovarien produzierten Sexualsteroide lebt. Dieser Beitrag zeigt Möglichkeiten, die fehlenden natürlichen Steroide zu ersetzen und damit den negativen Konsequenzen entgegenzuwirken, die den Frauen die Lebensqualität über Jahrzehnte stark einschränken.



Tandis que l’espérance de vie des femmes plus ou moins partout dans le monde continue à croître, l’âge moyen de la ménopause est resté depuis plus de 100 ans autour de 51 ans, dépendant de facteurs génétiques comme l’origine et l’anamnèse familiale. Cela signifie qu’en Suisse, actuellement, une femme vit pendant plus de 40 ans sans ses hormones sexuelles stéroïdiennes ovariennes. Le présent article décrit des possibilités de substitution des stéroïdes naturelles manquantes dans le but de contrebalancer les conséquences négatives qui diminuent fortement la qualité de vie des femmes pendant des décennies.

Die Folgen der fehlenden Sexualsteroide bestehen aus zeitlich beschränkten Symptomen der Wechseljahre und frühen Menopause sowie späteren Folgeerkrankungen des chronischen Sexualhormonmangels. Zu den Symptomen zählen vasomotorische und vegetative Beschwerden wie Wallungen, Nachtschweiss, Palpitationen, Schlaf- und Konzentrationsschwierigkeiten, Stimmungsschwankungen und Störungen der Sexualfunktion. Zu den Folgeerkrankungen gehören u.a. Osteoporose, Diabetes mellitus Typ 2 und kardiovaskuläre Erkrankungen, ebenso Störungen des zentralen Nervensystems und urogenitale Atrophie. Frühe und späte Konsequenzen des «natürlichen» Klimakteriums beeinträchtigen die Lebensqualität über Jahrzehnte und sind für einen enormen Leidensdruck verantwortlich.
Mehr aus sozialpolitischen Gründen als auf der Basis von soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen wurden die Frauen, besonders zu Beginn dieses Jahrhunderts, stark unter Druck gesetzt, die Menopause und deren Konsequenzen als natürlich, Gott gewollt und unabwendbar zu betrachten und zu erdulden. Die Autorin ist der Meinung, dass für die andere Hälfte der Gattung ein Leben ohne Testosteron über mehrere Jahrzehnte weder akzeptierbar noch zumutbar wäre.

Effektivität der menopausalen Hormontherapie

Die Wirksamkeit der menopausalen Hormontherapie (MHT) ist erwiesen und unkontrovers. Expertenbrief Nr. 42 der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) behandelt Indikationen, gängige Produkte, Dosierungen und auch relative und absolute Kontraindikationen der MHT in einer praxisorientierten Kurzfassung und auch in einer ausführlicheren, umfassend dokumentierten Version.

Sowohl die Symptome der frühen Menopause als auch die Folgeerkrankungen der späteren Menopause lassen sich durch Ersatz der fehlenden natürlichen Sexualsteroide weitgehend vermeiden.

Alle in der Schweiz gebräuchlichen pharmazeutischen MHT-Produkte enthalten spezies-spezifisches, bioidentisches Estradiol. Mikronisiertes Progesteron ist auch erhältlich. Von Apothekern zusammengemischte «bioidentische Hormone» unterstehen im Gegensatz zu den industriellen Produkten keiner Qualitätskontrolle. Wenn sie über das Internet bezogen werden, ist die Situation noch prekärer. In meiner Praxis wurden bereits mehrmals Patientinnen mit präkanzerösen Endometrium-Hyperplasien, aber auch Osteoporose vorstellig, denen von Apothekern auf der Basis von Speichelanalysen «MHT» verkauft worden war.

Wesentlich ist eine für die Spezies Homo sapiens spezifische MHT, aber «bioidentisch» ist ein irreführender Marketingbegriff ohne jegliche Evidenz.

Kontraindikationen für eine MHT

Wir sehen immer wieder Frauen in unseren Praxen, die entweder absolute medizinische Kontraindikationen für eine Therapie ihrer Menopause-Symptome mit Sexualsteroiden haben, verschiedenste Produkte und Anwendungsrouten ausprobierten, aber nicht vertrugen, oder aus sonstigen Gründen oder Präferenzen keine Kandidatinnen für eine MHT mit Sexualsteroiden sind.
Dazu gehören in erster Linie Frauen mit Östrogen-abhängigen Krebsanamnesen, wie nach Mamma- und Endometrium-Karzinom, aber auch nach endometrioiden Ovarialkarzinomen und unter Umständen nach schwerer, nicht vollständig operierter Endometriose. Eine familiäre Thrombophilie oder die Anamnese einer tiefen Venenthrombose unter Östrogeneinfluss, z.B. während der Schwangerschaft oder unter kombinierten Antikonzeptiva, stellt ebenfalls eine absolute Kontraindikation dar. Hingegen ist eine MHT nach Thrombose bei Trauma oder Operation mit anschliessender Immobilisation bei entsprechendem Leidensdruck und Nichtansprechen auf alternative Therapien vertretbar.
Für eine vollständige Liste absoluter und relativer MHT-Kontraindikationen siehe https://www.sggg.ch/fileadmin/user_upload/Formulardaten/42_Menopausale_Hormon-Therapie_2015.pdf

Absolute, relative oder präferenzielle Kontraindikationen für Sexualsteroide kommen vor, die meisten Frauen haben aber mehr Vor- als Nachteile von einer individuell angepassten MHT.

Nicht-hormonelle Behandlungen

Nicht hormonelle Behandlungen von Wechseljahrbeschwerden können diese lindern, aber sie bringen diese im Gegensatz zur Behandlung mit Sexualsteroiden meist nicht zum Verschwinden. Es ist häufig eine Kombination von verschiedenen Modalitäten erforderlich, um ein befriedigendes Resultat zu erreichen. Was ein befriedigendes Resultat darstellt, ist immer subjektiv und hängt u.a. von den Erwartungen und auch von der Motivation der betroffenen Patientin ab. Es ist deshalb wichtig, keine unrealistischen Erwartungen zu erwecken. Zum Glück helfen hier immer der in allen Studien pflanzlicher Therapien von Wallungen gefundene Placeboeffekt von bis zu 50% und die Tatsache, dass Wechseljahrbeschwerden fast immer zeitlich begrenzt sind.
Zudem bedeutet «pflanzlich» weder «sicher» noch «harmlos», wie vom Publikum allgemein angenommen wird. Sowohl Effekt als auch Nebenwirkungen und potenziell schwerwiegende Interaktionen sind möglich und dosisabhängig.

Die Wirkung pflanzlicher Produkte auf Symptome der frühen Menopause ist begrenzt, nicht immer harmlos und schützt nicht vor den Folgeerkrankungen des Hormonmangels wie Osteoporose und urogenitale Atrophie.

Einteilung der nicht-hormonellen Behandlungsalternativen von menopausalen vasomotorischen Symptomen

  • Lebensstil- und Verhaltensinterventionen
    Reduktion der Raumtemperatur, Eisbeutel, Ventilatoren, Fächer, «Zwiebelschalen»-Bekleidung, Vermeidung von Alkohol und heissen Getränken als Trigger helfen alle subjektiv, aber es gibt keine klinischen Studien dazu.
    Gewichtsabnahme von >10% hilft statistisch signifikant, aber braucht 1 bis 2 Jahre Zeit.
    Hypnose und Akupunktur reduzieren signifikant die Frequenz und Intensität von Wallungen.
    Entspannungsübungen, Atemtechnik, Yoga und Sport sind gesund, aber ohne dokumentierten Einfluss auf vasomotorische Symptome.
    Kognitive Verhaltenstherapie und achtsamkeitszentriertes Stressmanagement sind subjektiv effektiv, aber nicht statistisch signifikant.
  • Biotherapeutische Produkte/Phytopharmaka
    Traubensilberkerze (Cimicifuga) reduziert in mehreren RCT im Vergleich zu Placebo signifikant Wallungen, inklusive bei Frauen mit Brustkrebs unter Tamoxifen-Therapie. Cimicifuga wird bei Status nach Mamma-Karzinom als ungefährlich betrachtet. Eine Cochrane-Analyse hingegen zeigte keinen signifikanten Effekt gegenüber Placebo. (Leach MJ, Moore V. Black cohosh (Cimicifuga spp) for menopausal symptoms. Cochrane Database Syst. Rev, 2012 (9): CD007244). In der Erfahrung der Autorin ist die Wirkung von Cimicifuga praktisch immer auf wenige Monate begrenzt, was für einen Placeboeffekt spricht
    Phytoöstrogene/nicht-steroidale Phyto-SERMs: 50-60 mg Soja-Isoflavone oder 30 mg Genistein werden im SGGG-Expertenbrief empfohlen, haben aber keine Wirkung in vier kontrollierten Studien bei Frauen mit Brustkrebs. Die Sicherheit von Phytoöstrogenen bei Status nach Brustkrebs ist unklar.
    Für Maca und Omega-3-Fettsäuren ist die Studienlage uneinheitlich.
    Yam-Extrakte, Nachtkerzenöl, Dong Quai, Leinsamen, Ginseng, Hopfen haben sich in seriösen Studien als nicht wirksam gezeigt.
  • Konventionelle Pharmatherapeutika
    Ganglion-Stellatum-Blockade beidseits. Mehrere Studien berichten von einer Reduktion der Frequenz und Intensität von Wallungen für 6 Wochen bis zu einigen Monaten, wobei der Wirkungsmechanismus unklar ist. Dies gilt auch bei Brustkrebspatientinnen.
    SSRI und SNRI (Paroxetin 10-20 mg und Venlafaxin 37.5 -150 mg) reduzieren Wallungen signifikant in 1-2 Wochen. Bei Patientinnen mit Mamma-Karzinom ist Paroxetin wegen der möglichen Hemmung des Enzyms CYP2D6 und Reduktion der Tamoxifen-Wirkung zu vermeiden.
    Clonidin senkt Wallungen signifikant im Vergleich zu Placebo, hat aber starke Nebenwirkungen.

Gabapentin und Pregabalin reduzieren signifikant Wallungen im Vergleich zu Placebo.
Für eine umfassende Zusammenstellung nichthormoneller Behandlungsmodalitäten von Menopause-Symptomen und eine ausführliche Review der Datenlage siehe: https://www.sggg.ch/fileadmin/user_upload/Formulardaten/51_Nicht-hormonelle_Therapie_von_menopausalen_Hitzewallungen_August_2017.pdf
Für Patientinnen (mehrsprachig): https://www.hormone.org/diseases-and-conditions/menopause/menopause-treatment/alternative-medicine-for-menopause-treatment

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Regula Bürki

Gruppenpraxis Schönburg
Schönburgstrasse 19
3013 Bern

regula.buerki@hin.ch

Die Autorin hat deklariert, in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte zu haben

◆ Die Wirkung pflanzlicher Produkte auf Symptome der frühen Menopause ist begrenzt, nicht immer harmlos und schützt nicht vor den Folgeerkrankungen des Hormonmangels wie Osteoporose und urogenitale Atrophie.
◆ Nicht-hormonelle Behandlungsalternativen von menopausalen vasomotorischen Symptomen lassen sich einteilen in Lebensstil- und Verhaltensinterventionen, biotherapeutische Produkte/Phytopharmaka und konventionelle Pharmatherapeutika.
◆ Je nach Symptomen und Problemen sollten verschiedene Produkte eingesetzt werden.

Messages à retenir

◆ Les effets de produits à base de plantes sur les symptômes dans les premières années de ménopause sont limités. Ils ne sont pas toujours sans danger et ne protègent pas des maladies secondaires à long terme de la carence hormonale telles que l’ostéoporose et l’atrophie uro-génitale.
◆ Des traitements alternatifs non-hormonaux pour les symptômes vasomoteurs de la ménopause peuvent se classer en interventions sur le comportement et le style de vie, en produits bio-thérapeutiques et médicaments phyto-thérapeutiques et en produits thérapeutiques / médicaments conventionnels.
◆ Selon les problèmes et la symptomatologie, on devrait recourir à plusieurs produits.

Auf Anfrage bei der Verfasserin

info@gynäkologie

  • Vol. 11
  • Ausgabe 3
  • Juni 2021