Journal Watch

Ausgewählte Studien aus der Hämato-Onkologie

Thrombotische Thrombozytopenie nach ChAdOx1 nCov-19-Impfung



Quelle: Greinacher A et al. Thrombotic Thrombocytopenia after ChAdOx1 nCov-19 Vaccination. N Engl J Med 2021;384:2092-101

Hintergrund

Nach Impfung mit dem rekombinanten Adenovirus-Vektor, der für das Spike-Protein-Antigen des schweren akuten respiratorischen Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) (ChAdOx1 nCov-19, AstraZeneca) kodiert, entwickelten mehrere Personen thrombotische Ereignisse und eine Thrombozytopenie. Mehr Daten zur Pathogenese dieser ungewöhnlichen Nebenwirkung sind notwendig.

Methode

Die klinischen und Labor-Merkmale von 11 Patienten in Deutschland und Österreich, bei denen sich nach der Impfung mit ChAdOx1 nCov-19 eine Thrombose und / oder Thrombozytopenie entwickelt hatte, wurden untersucht. Zum Nachweis von Plättchenfaktor 4 (PF4) Heparin-Antikörpern wurde ein Standard-Enzym-Immunoassay und zum Nachweis von Thrombozyten-aktivierenden Antikörpern ein modifizierter (PF4-verstärkter) Thrombozyten-Aktivierungstest unter verschiedenen Reaktionsbedingungen verwendet. Untersucht wurden Blutproben von Patienten, die zur Abklärung von Impfstoff-assoziierten thrombotischen Ereignissen überwiesen wurden, wobei 28 positiv auf das Screening mit dem PF4-Heparin-Immunoassay getestet wurden.

Ergebnisse

Von den 11 ursprünglichen Patienten waren 9 Frauen, mit einem medianen Alter von 36 Jahren (22 bis 49 Jahre). Fünf bis 16 Tage nach der Impfung traten bei diesen Patienten eines oder mehrere thrombotische Ereignisse auf, mit Ausnahme eines Patienten, der eine tödliche intrakranielle Blutung erlitt. Von den Patienten mit einem oder mehreren thrombotischen Ereignissen hatten 9 Patienten eine zerebrale Venenthrombose, 3 eine Thrombose der Splanchnikusvenen, 3 eine Lungenembolie und 4 hatten andere Thrombosen; sechs Patienten verstarben. Fünf Patienten hatten eine disseminierte intravasale Koagulation. Keiner der Patienten hatte jedoch vor dem Auftreten der Symptome Heparin erhalten. Alle 28 Patienten, die positiv auf Antikörper gegen PF4-Heparin getestet wurden, waren positiv im Thrombozyten-Aktivierungs-Assay in Anwesenheit von PF4 und unabhängig von Heparin. Die Thrombozytenaktivierung wurde gehemmt durch Heparin, Fc-Rezeptor-blockierende monoklonale Antikörper und Immunglobuline (10 mg/ml). Zusätzliche Studien mit PF4 oder PF4-Heparin-aufgereinigten Antikörpern bei 2 Patienten bestätigten die PF4-abhängige Thrombozytenaktivierung.

Schlussfolgerungen

Die Impfung mit ChAdOx1 nCov-19 kann zu der seltenen Entwicklung von immun-thrombotischer Thrombozytopenie führen, die durch Thrombozyten-aktivierende Antikörper gegen PF4 ausgelöst werden. Diese imitiert klinisch eine autoimmune Heparin-induzierte Thrombopenie.

(Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.)

Vemurafenib plus Rituximab bei refraktärer oder rezidivierter Haarzell-Leukämie

Quelle: Tiacci E et al. Vemurafenib plus Rituximab in Refractory or Relapsed Hairy-Cell Leukemia. N Engl J Med 2021;384:1810-23

Hintergrund

Die Haarzell-Leukämie (HCL) ist ein CD20+ indolentes B-Zell-Lymphom, bei dem eine BRAF V600E-Kinase-aktivierende Mutation eine pathogenetische Rolle spielt. In klinischen Studien mit Patienten mit refraktärer oder rezidivierter HCL führte die gezielte Behandlung von BRAF V600E mit dem oralen BRAF-Inhibitor Vemurafenib zu einem Ansprechen bei 91% der Patienten; 35% der Patienten hatten ein komplettes Ansprechen. Allerdings betrug das mediane rezidivfreie Überleben nur 9 Monate nach Absetzen der Behandlung.
In einer akademischen Phase-2-Studie mit Patienten mit refraktärer oder rezidivierter HCL wurde die Sicherheit und Wirksamkeit von Vemurafenib (960 mg, zweimal täglich über 8 Wochen) plus Rituximab (375 mg/m2 Körperoberfläche, verabreicht in 8 Dosen über einen Zeitraum von 18 Wochen) untersucht. Der primäre Endpunkt war ein vollständiges Ansprechen am Ende der geplanten Behandlung.

Ergebnisse

Bei den 30 eingeschlossenen Patienten mit HCL betrug die mittlere Anzahl der vorangegangenen Therapien drei. Ein vollständiges Ansprechen wurde bei 26 Patienten (87%) in der Intention-to-treat-Population beobachtet. Alle Patienten mit HCL, die auf Chemotherapie (10 Patienten) oder Rituximab (5 Patienten) refraktär waren und alle Patienten, die zuvor mit BRAF-Inhibitoren behandelt worden waren (7 Patienten), zeigten ein komplettes Ansprechen. Die Thrombozytopenie klang im Median nach 2 Wochen und die Neutropenie im Median nach 4 Wochen ab.
Von den 26 Patienten mit komplettem Ansprechen waren 17 (65%) frei von minimaler Resterkrankung (MRD). Das progressionsfreie Überleben aller 30 Patienten betrug 78% bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 37 Monaten; das rezidivfreie Überleben bei den 26 Patienten mit einem Ansprechen lag bei 85% bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 34 Monaten.
In Post-hoc-Analysen korrelierten MRD-Negativität und keine vorherige BRAF-Inhibitor-Behandlung mit einem längeren rezidivfreien Überleben. Die Nebenwirkungen, meist vom Grad 1 oder 2, waren die gleichen, die zuvor für diese Wirkstoffe festgestellt worden waren.

Schlussfolgerungen

In dieser kleinen Studie war eine kurze, chemotherapiefreie, nicht-myelotoxische Behandlung mit Vemurafenib plus Rituximab bei den meisten HCL-Patienten mit einem dauerhaften kompletten Ansprechen verbunden.

Prof. Dr. med.Markus G. Manz

Zentrum für Hämatologie und Onkologie
UniversitätsSpital Zürich

PD Dr. med. Alexandre Theocharides

Zentrum für Hämatologie und Onkologie
UniversitätsSpital Zürich

Alexandre.Theocharides@usz.ch