- Viollier Preis 2020 und 2021
Mit dem Viollier Preis werden jedes Jahr wissenschaftliche Originalarbeiten aus Schweizer Institutionen über klinische und experimentelle Studien auf den Gebieten des Preisstifters (Klinische Labordiagnostik, Kardiologie, Pathologie und ART) ausgezeichnet. Der Preis steht unter dem Patronat der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM).
Im Jahr 2020 konnte die Übergabe durch Verwaltungsratspräsident von Viollier, Dr. med. Edouard H. Viollier wegen der COVID-19 Pandemie erst in diesem Jahr anlässlich der Herbsttagung der SGAIM 2021 in Interlaken stattfinden. Gleichzeitig wurde der Viollier-Preis für das Jahr 2021 vergeben. Den mit CHF 10 000.- dotierten Preis durfte für das Jahr 2020 Dr. med. Jasper Boeddinghaus aus der Forschungsgruppe von Prof. Dr. med. Christian Müller von der Klinik für Kardiologie des Universitätsspitals Basel entgegennehmen. Der Viollier-Preis 2021 wurde Frau Dr. med. Sandrine Urwyler, die im Departement Biomedizin der Universität Basel tätig ist, verliehen.
Die Jury hatte in beiden Jahren die Aufgabe aus einer bedeutenden Anzahl von hervorragenden Arbeiten, die allesamt in hochrangigen internationalen Fachzeitschriften publiziert wurden, die den Kriterien am ehesten entsprechenden Arbeiten auszuwählen.
Viollier Preis 2020

Für das Jahr 2020 fiel die geheime Wahl der Jury auf die Arbeit «Early Diagnosis of Myocardial Infarction With Point-of-Care High-Sensitivity Cardiac Troponin I», von Dr. med. Jasper Boeddinghaus und der APACE (Advantageous Predictors of Acute Coronary Syndrome Evaluation)-Forschungsgruppe, welche in der renommierten Zeitschrift Journal of the American College of Cardiology im Jahre 2020 erschienen ist.
Eines der Ziele von APACE war es, die klinische Leistung eines Point-of-Care (POC)-hs-cTnI-Tests bei Patienten mit Verdacht auf einen Myokardinfarkt (MI) zu beurteilen. Die hochempfindlichen Tests für die kardialen Troponine-(hs-cTn) waren bislang hauptsächlich den grossen Zentrallaboratorien vorbehalten. Dies bedeutet oft eine längere Turn-Around-Time als ein patientennaher Test (POCT), der in der Notfallstation oder im Praxislabor durchgeführt werden kann.
In die Studie wurden Patienten aufgenommen, die in der Notaufnahme Symptome zeigten, die auf einen MI hindeuteten. Zwei Kardiologen entschieden zentral unter Verwendung aller klinischen Daten einschliesslich der kardialen Bildgebung über die endgültige Diagnose. Das primäre Ziel war der direkte Vergleich der dia-gnostischen Genauigkeit von POC-hs-cTnI-TriageTrue mit den am besten validierten zentralen Laboruntersuchungen (hs-cTnT-Elecsys, Roche, hs-cTnI-Architect, Abbott). Zu den sekundären Zielen gehörte die Ableitung und Validierung eines POC-hs-cTnI-TriageTrue-spezifischen 0/1-h-Algorithmus. Dieser 0/1-h-Algorithmus, der von der Forschungsgruppe um Prof. Christian Müller und Dr. Boeddinghaus entwickelt wurde, wird von der European Society of Cardiology in ihren Guidelines empfohlen und gelangt generell heute bei Verdacht auf Herzinfarkt zur Anwendung.
In der preisgekrönten Arbeit konnten Jasper Boeddinghaus und Kollegen aufzeigen, dass die diagnostische Genauigkeit des neuen «Point-of-Care» Assays mindestens so hoch ist wie die der am besten validierten labor-basierten Assays. Zudem konnten sie feststellen, dass bei nahezu der Hälfte aller Patientinnen und Patienten, die mit einem möglichen Herzinfarkt eingeliefert werden, ein akuter Herzinfarkt mit nur einer einzigen Troponin-Messung ausgeschlossen werden kann und hierbei kein einziger Herzinfarkt verpasst wird (Sensitivität und Negativ Prädiktiver Wert von 100%). Der neue Assay, der mithilfe eines kompakten und einfach transportierbaren Geräts gemessen wird, ermöglicht demnach eine sehr schnelle Entscheidungsfindung. Innerhalb von 15 Minuten werden die Resultate rapportiert. Dies ermöglicht nicht nur eine frühere Diagnose, sondern darüber hinaus eine Anwendung des Assays in ambulanten Praxen und Notfalleinrichtungen. Die klinische Verwendung dieses neuen hochsensitiven «Point-of-Care» Assays hat somit Potential die Herzinfarktdiagnostik weltweit entscheidend zu verbessern.
Dr. Jasper Boeddinghaus konnte leider an der Preiszeremonie nicht teilnehmen.
Quelle: Early Diagnosis of Myocardial Infarction With Point-of-Care High-Sensitivity Cardiac Troponin I. Boeddinghaus J, Nestelberger T, Koechlin L, Wussler D, Lopez-Ayala P, Walter JE, Troester V, Ratmann PD, Seidel F, Zimmermann T, Badertscher P, Wildi K, Rubini Giménez M, Potlukova E, Strebel I, Freese M, Miró Ò, Martin-Sanchez FJ, Kawecki D, Keller DI, Gualandro DM, Christ M, Twerenbold R, Mueller C; APACE Investigators. J Am Coll Cardiol. 2020 Mar 17;75(10): 1111-1124.
Viollier Preis 2021

Für das Jahr 2021 fiel die Wahl aufgrund einer sorgfältigen Evaluation und Diskussion nach geheimer schriftlicher Abstimmung auf die Arbeit «IL (Interleukin-1-Receptor Antagonist Increases Ang (Angiotensin [1–7] and Decreases Blood Pressure in Obese Individuals» von Dr. med. Sandrine Andrea Urwyler aus der Forschungsgruppe der Professoren Miriam Christ-Crain, Marc Donath und Christian Müller von der Universität Basel.
Frau Dr. Urwyler durfte den Preis aus den Händen von Dr. med. Edouard H. Viollier, Verwaltungsratspräsident von Viollier, anlässlich der SGAIM Herbsttagung in Interlaken entgegennehmen.
In der Arbeit von Frau Dr. Urwyler konnte erstmals ein Zusammenhang zwischen dem Anstieg des Angiotensin (1-7) Peptids mit seinen vasodilatatorischen Eigenschaften und einer Senkung des arteriellen Blutdrucks durch Reduktion des peripheren Widerstands mittels antiinflammatorischer Behandlung mit einem IL-1 Antagonisten bei Patienten mit Metabolischem Syndrom gezeigt werden.
Es stellte sich die Frage, weshalb die Anwendung eines Interleukin (IL)-1 Antagonisten zu einer signifikanten Blutdrucksenkung bei Patienten mit einem Metabolischen Syndrom führt. In zwei prospektiven Studien, in welchen 140 Patienten mit einem Metabolischen Syndrom eingeschlossen wurden, fanden die Autoren eine signifikante Reduktion des systolischen Blutdrucks um 5 mmHg nach Injektion des Interleukin (IL)-1 Antagonisten Anakinra im Vergleich zur Placebogruppe. Basierend auf experimentellen Tierdaten untersuchten sie die Hypothese, dass der blutdrucksenkende Mechanismus des IL-1 Antagonismus auf eine Modulation des Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) zurückzuführen ist. In der Tat zeigte sich, dass parallel zum Blutdruckabfall das vasodilatatorische Peptid Angiotensin-(1- 7) nach 4 Wochen Therapie mit dem IL-1 Antagonisten Anakinra signifikant ansteigt, ohne Effekt in der Placebogruppe. In der hämodynamischen Untersuchung nahm passend dazu der systemische Widerstand (SVRI) bei den mit Anakinra behandelten Patienten im Vergleich zur Placebogruppe signifikant ab. Daraus liess sich schliessen, dass es durch die Blockade des IL-1 Pathways zu einer Modulation des RAAS-Systems kommt, insbesondere mit Anstieg des Angiotensin-(1-7) Peptids, welches mit seinen vasodilatatorischen Eigenschaften zu einer Senkung des peripheren Widerstands und so des systemischen Blutdrucks führt. Die Arbeit von Dr. Urwyler et al ist die erste Arbeit, welche zeigt, dass die antiinflammatorische Therapie mit einer IL-1 Blockade via Modulation der RAAS-Peptide, insbesondere des vasodilatorischen Peptids Angiotensin- (1-7), zu einer signifikanten Blutdrucksenkung bei Patienten mit einem Metabolischen Syndrom führt. Durch diese Erkenntnisse eröffnen sich neue Ansatzpunkte zur Optimierung von therapieresistenten Hypertonien. Dies ist von grossem Interesse: einerseits, weil die Folgen einer unbehandelten oder ungenügend behandelten Hypertonie für die betroffenen Patienten erheblich sein können, andererseits sind diese Erkenntnisse auch von gesundheitspolitischer Relevanz, da die Inzidenz der arteriellen Hypertonie im Rahmen der globalen Zunahme der Adipositas und des Metabolischen Syndroms ansteigt.
Quelle: «IL (Interleukin-1-Receptor Antagonist Increases Ang (Angiotensin [1–7] and Decreases Blood Pressure in Obese Individuals» Sandrine Andrea Urwyler*, Fahim Ebrahimi*, Thilo Burkard, Philipp Schuetz, Marko Poglitsch, Beat Mueller, Marc Y. Donath, Mirjam Christ-Crain. Hypertension. 2020;75: 1455-1463.
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