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Vaskuläre Ursachen als häufigster Grund

Erektile Dysfunktion

Die häufigsten Ursachen für eine Erektile Dysfunktion (ED) sind vaskulärer Natur, wobei sowohl der venöse Abfluss als auch der arterielle Zufluss betroffen sein kann. Weitere Ursachen können urologischer, endokriner, neurologischer oder selten psychischer Genese sein. Die ED arterieller Genese kann ein Indikator für das Vorliegen bisher nicht erkannter Risikofaktoren oder von schwerwiegenderen Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems sein. Daher sind neben der optimalen ED-Therapie, eine gründliche Abklärung und sekundärpräventive Behandlung essenziell. Für Patienten, die nicht auf eine konservative ED-Behandlung ansprechen, stehen heute moderne endovaskuläre Therapieverfahren zu Verfügung.



Als Erektile Dysfunktion (ED) definiert sich die Unfähigkeit, eine Erektion des Penis für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr zu erreichen und/oder aufrechtzuerhalten (1). Die Angaben zur Prävalenz reichen von 2% bei jüngeren Männern (<40 Jahre) bis 86% bei Männern über 80 Jahren (2). Es wird geschätzt, dass im Jahre 2025 etwa 322 Millionen Männer weltweit an ED leiden werden (3-5).
Obwohl häufig als Lifestyle-Erkrankung fehlinterpretiert, ist die ED ein medizinisch hoch relevantes Problem bei Männern. Der Krankheitswert der ED ist jedoch unbestritten (European Association of Urology (6); U. S. National Institute of Health (7); World Health Organization (8)). Depressionen, Schamgefühl, vermindertes Selbstwertgefühl und Beziehungsprobleme widerspiegeln das Leiden von Menschen mit ED (9, 10).

Vaskulär bedingte ED: Ursachen, Risikofaktoren und kardiovaskuläres Risiko

Eine vaskulär bedingte erektile Dysfunktion kann aufgrund einer arteriellen Inflow-Störung oder aufgrund eines pathologisch hohen venösen Abflusses bedingt sein.
Eine arteriell bedingte ED weist häufig relevante Komorbiditäten auf und kann als ein sehr wichtiges Markersymptom für Atherosklerose dienen (11). Ursächlich für eine ED können folgende Risikofaktoren sein: kardiovaskuläre Krankheiten, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Medikation (z. B. Antidepressiva, Betablocker, etc.), Operationen (Prostata, Beckeneingriffe), neurologische Krankheiten, endokrinologische Krankheiten, positive Familienanamnese, Hyperlipidämie, Hyperlipoproteinämie (a), Nikotin- und Cannabis Abusus (12). Gefässerkrankungen gehören mit Abstand zu den häufigste ED-Ursachen.
ED kann eine Vorstufe anderer atherosklerotischer Manifestationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sein (13,14). Zunehmende Evidenz deutet auf einen Zusammenhang zwischen ED und kardiovaskulären Erkrankungen hin und veröffentlichte Daten belegen eine Zunahme der Prävalenz von ED in Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und umgekehrt eine erhöhte Prävalenz von kardiovaskulären Erkrankungen bei Patienten mit ED (15, 16).

Diagnostik

Das sensitivste Instrument zur systematischen Bewertung und Quantifizierung des Ausmasses der ED bei Männern ist der International Index of Erectile Function (IIEF) (17). Der integrale Bestandteil der nicht-invasiven ED-Diagnose ist die Erhebung einer Patienten-Anamnese, einer Familienanamnese und die Frage ob und welche Hilfsmittel allenfalls noch wirksam sind.
Wichtig ist, dass Patienten umfassend interdisziplinär betreut werden und urologische und endokrinologische Ursachen ausgeschlossen und behandelt werden.

Zur Diagnostik einer vaskulär bedingten ED eignet sich eine Duplexsonographie der Penis-zuführenden Arterien nach intracavernöser Applikation von 10ug Caverject. Liegt eine arterielle Störung vor, so ist die arterielle Flussgeschwindigkeit reduziert. Ist die end-diastolische Flussgeschwindigkeit erhöht, kann eine venöse Leckage vorliegen, die ihrerseits eine ED hervorrufen kann, die nicht auf vasoaktive Medikamente anspricht.

Eine Computertomographie oder invasive Angiographie erlaubt in der Folge die Visualisierung der duplexsonographischen Befunde im Hinblick auf eine allfällige Intervention (Abbildung 1). Eine Computertomographie kann zudem noch den Weg in weitere systemisch-medizinische Abklärungen (andere kardiovaskuläre Erkrankungen, Neoplasie, etc.) weisen (12).

Sekundärprävention

Falls bereits kardiovaskuläre Risikofaktoren vorhanden sind, so kommt der Behandlung von Erkrankungen des arteriellen Gefässsystems eine massgebliche Bedeutung zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen zu. Dies beinhaltet die folgenden Massnahmen: Sistieren von bestehendem Nikotinabusus, moderate körperliche Aktivität, Optimierung der Ernährung, Gewichtsreduktion bei Adipositas, Optimierung der Blutfette, Behandlung einer arteriellen Hypertonie, Therapie von Diabetes mellitus und Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern bei entsprechendem Risikoprofil (18).

Moderne endovaskuläre Behandlungsmöglichkeiten

Bei der Miniaturisierung des Kathetermaterials der endovaskulären Therapie von Arterien kleinen Kalibers werden uns Ansätze neuer Behandlungsmethoden geboten (19, 20, 21).

Durch die endovaskuläre Revaskularisation besteht die Möglichkeit, ED-Patienten, denen konservative Behandlungsmethoden zur Erlangung einer suffizienten Erektion nicht mehr ausreichen oder die limitierenden Nebenwirkungen verursachen, wieder zu einem erfüllten Sexleben zu verhalfen (22, 23).

Gemäss der aktuellen Literatur, die in einer Meta-Analyse zusammengefasst ist, erreichen im Schnitt zwei Drittel aller revaskularisierten Patienten nach dem minimal-invasiven Eingriff eine suffiziente Erektion (24). Unter Verwendung modernster Medikamenten-beschichteter Stents ist die Restenoserate nach Wiedereröffnung dieser kleinkalibrigen Arterien mit 15% vergleichsweise gering (25) (Abb. 2).

Bei einer veno-okklusiven Dysfunktion, die nicht auf eine konservative Behandlung anspricht, können Erektions-abhängige Beckenvenen häufig und mit hohem technischem Erfolg behandelt werden. Hierbei kann entweder über den von uns bevorzugten Direkt-Zugang nach Ultraschall-gesteuerter Punktion der V. dorsalis penis eine Mischung aus Histoacryl und Lipiodol in die abführenden Venen eingebracht werden (26).

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Vignes Mohan

Zentrum für Gefässmedizin Mittelland
Aarenaustrasse 2B
5000 Aarau

vignes.mohan@usb.ch

Prof. Dr. med. Nicolas Diehm, MBA

Zentrum für Gefässmedizin Mittelland
Zentrum für Erektionsstörungen
Aarenaustrasse 2B
5000 Aarau
www.angiologie-aargau.ch
www.erektionsstoerungen-behandlung.com

nicolas.a.diehm@gmail.com

VM: Hat keine Interessenskonflikte deklariert.
ND: Unrestricted grant durch die Firma Endoscout, Deutschland.

◆ Vaskuläre Ursachen sind der mit Abstand häufigste Grund für eine ED, insbesondere wenn diese nicht auf konservative Massnahmen anspricht.
◆ Die ED arterieller Genese kann ein Indiz für weitere schwerwiegende Erkrankungen des Herzkreislaufsystems und für bislang nicht identifizierte kardiovaskuläre Risikofaktoren sein.
◆ Nach unserer Erfahrung. Die endovaskuläre Therapie der arteriogenen ED ist technisch machbar und sicher und kann bei etwa zwei Dritteln der Patienten mit klinischen Verbesserungen verbunden sein.
◆ Auch junge Patienten können eine vaskuläre Ursache haben
(z. B. Cannabis-assoziierte arterielle ED oder auch eine venöse Leckage, die dazu führen kann, dass PDE-5-Hemmer nicht mehr wirken).

1. Castro RP, Hernández PC, Casilda RR, García JR, Tapia MJR. Epidemiology of erectile dysfunction. Risk factors. Arch Esp Urol. 2010;63(8):637–9.
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3. Aytaç IA, McKinlay JB, Krane RJ. The likely worldwide increase in erectile dysfunction between 1995 and 2025 and some possible policy consequences. BJU Int. 1999;84(1):50–6.
4. Feldman HA, Goldstein I, Hatzichristou DG, Krane RJ, McKinlay JB. Impotence and its medical and psychosocial correlates: Results of the Massachusetts Male Aging Study. J Urol. 1994;
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15. Alberti L, Torlasco C, Lauretta L, Loffi M, Maranta F, Salonia A, et al. Erectile dysfunction in heart failure patients: a critical reappraisal. Andrology. 2013;
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