Editorial

«Das gefährliche Duo»



Auch im Jahre 2021 ist das Thema Hypertonie weiterhin sehr aktuell. Dies zeigte sich auch am diesjährigen digitalen ESC in London und den anschliessenden Diskussionen an verschiedenen Fortbildungen. Der Behandlungsgrenzwert eines Praxis-BD beträgt ≥140/90mmHg. Nach den Leitlinien ist der Ziel-BD bei > 120 - < 130/70-79mmHg; bei älteren Patienten 130-139 / 70-79 mmHg. Auf Grund einer neuen grossen Studie von Zhang im NEJM Aug.30 bei 60-80 j. Patienten bestätigt sich beim Ziel-BD-Wert ein Korridor mit einem systolischen BD von 110-130mmHg. Bei dieser Studie konnte bei einem mittleren systolischen BD von 127,5 mmHg versus 135,3mmHg (130-150 mmHg) das relative Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis über 48 Monate um 26% gesenkt werden. Diese BD-Zielwerte gelten auch für fitte ältere Patienten. Als einzige NW muss die Hypotonie beachtet werden. Initial sollte nach Guide­lines eigentlich fast immer mit einer dualen Kombinationstherapie (ACEH oder ARB + CCB) begonnen werden. Dieses Therapieregime kann, wenn notwendig, durch ein Diuretikum ergänzt werden. Auch hier bewährt sich wegen der Einnahmetreue ein Kombipräparat.

Mit Indapamid als Diuretikum kommt es zusätzlich zu einer deutlichen Regression einer LV-Hypertrophie; dies im Gegensatz zu Hydrochlorothiazid. In einer Studie von Chow im Lancet Aug.30 zeigte sich, dass mit einer initialen sehr niedrig dosierten 4-fach Therapie in einer Tablette = Quadpill (Bisoprolol 2,5 mg, Irbesartan 37,5 mg, Indapamid 0,625 mg, Amlodipin 1,25 mg) versus 150 mg Irbesartan bei einem BD von 140-179/90-109 mmHg über 12 Wochen der systolische BD um 7mmHg gesenkt werden konnte. Dieses Therapieregime hatte vgl. mit der Monotherapie praktisch keine Nebenwirkungen. Dies zeigt deutlich, dass durch eine Single-Pill Strategie die Adhärenz deutlich verbessert werden kann und eine intensivere BD-Kontrolle erfolgt. Die Gesamtmortalität kann dadurch signifikant um bis zu 50% gesenkt werden. Nach einer sehr grossen Metaanalyse, 48 Studien im Lancet 05/2021, bei einem durchschnittlichen Alter von 65 + / -  9 Jahre erfolgte eine Risikoreduktion pro 5 mmHg systolisch unabhängig des basalen BD bezüglich Stroke, Herzinsuffizienz und kardiovaskulären Tod von 13, 14 resp. 5% bei Männern und Frauen. Eine Kombinationstherapie führt zu einer effektiveren BD-Senkung als die Verdoppelung der Dosis einer Monotherapie.

Das globale kardiovaskuläre Risiko wird vor allem durch die Hypertonie und die Hypercholesterinämie bestimmt. In der BRD haben 12 Millionen Patienten diese gefährliche Kombination. Diese verdoppelt das kardiovaskuläre 5-Jahres Risiko. Mit einer Senkung des LDL um 1 mmol ergibt sich eine Risikoreduktion von 24% pro Jahr. Mit einer zusätzlichen BD-Senkung von 10mm Hg ergibt sich eine Risikoreduktion von -86%. Diese Daten sprechen für das Prinzip einer Polypill zur Bekämpfung des «gefährlichen Duos» und zur verbesserten Medikamenten-Einnahmetreue. 9% aller kardiovaskulären Todesfälle in Europa resultieren von einer ungenügenden resp. fehlender Medikamenteneinnahme. Eine Atherosklerose ist somit prinzipiell auch bei genetischem Hintergrund durch eine solche Therapie vermeidbar! Wichtig ist ein früher Therapiebeginn. Auch in der Cholesterintherapie setzt sich immer mehr das Prinzip einer Kombinationstherapie in Anlehnung an die heutige BD-Therapie durch: eine tiefere Dosis eines modernen Statins in Kombination mit Ezetimib. Dadurch werden die geforderten Zielwerte fürs LDL einfacher und schneller erreicht. Diese Medikamente sollen morgens eingenommen werden. Die Daten einer abendlichen BD-Therapie konnten einer späteren Validierung nicht standhalten. Die modernen Statine haben eine lange Halbwertszeit. Auch ist dadurch die Therapietreue des Patienten signifikant besser. Der Ausschluss und die Behandlung von Endorganschäden (Einschränkung GFR, Mikroalbuminurie, LV-Hypertrophie u.a.) und weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren und einer eventuellen Schlafapnoe gehören zur Standardabklärung einer Hypertonie. Eine maskierte Hypertonie (ca.15%) erkennt man mit Blutdruckselbstmessungen (≥ 135 / 85) oder einer 24-h-BD-Messung (≥ 130 / 80). Letztere Untersuchung bewährt sich vor allem bei Adipositas, NI, OSA, Diabetes, Stress, Alkohol und Nikotin und zur Therapiekontrolle – nächtliche Werte?

Ein früher Präventionsbeginn und die Einnahme von Kombinationspräparaten sind unsere Chance; sie führen zu einer erheblichen Risikoreduktion. Wichtig ist ein gesunder Lebensstil!

Wir wünschen Ihnen nun viel Spass bei der Lektüre dieser
spannenden und praxisrelevanten Ausgabe

Herzlichst Ihr Urs Dürst
u.n.duerst@ggaweb.ch

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

der informierte @rzt

  • Vol. 11
  • Ausgabe 11
  • November 2021