Fortbildung

Therapie der Immun- und Entzündungsmechanismen präventiv bedeutsam

Anti-inflammatorische Therapie bei kardiovaskulären Krankheiten

Atherosklerose ist eine komplexe Erkrankung, bei der viele Komponenten des Gefäss-, Stoffwechsel- und Immunsystems beteiligt sind. Obwohl Low-Density-Lipoprotein (LDL) der wichtigste Risikofaktor für Atherosklerose bleibt, haben Immun- und Entzündungsmechanismen der Atherosklerose in den letzten 20 Jahren enorm an Interesse gewonnen.



L’ athérosclérose est une maladie complexe impliquant de nombreux composants des systèmes vasculaire, métabolique et immunitaire. Bien que les lipoprotéines de basse densité (LDL) restent le facteur de risque le plus important de l’ athérosclérose, les mécanismes immunitaires et inflammatoires de l’ athérosclérose ont suscité un énorme intérêt au cours des 20 dernières années.

In den letzten Jahren konnten nun erstmals grosse klinische Studienprogramme zeigen, dass eine Immunmodulation durch eine Interleukin-1β-Antikörper-Therapie beziehungsweise durch Colchicin die klinische Progression bei Patienten mit atherosklerotischer Gefässerkrankung und einem akuten Koronarsyndrom reduzieren kann.

Canakinumab Anti-Inflammatory Thrombosis Outcomes Study (CANTOS)

In der CANTOS-Studie wurde eine spezifische anti-inflammatorische Therapie mittels Canakinumab, einem monoklonalen Antikörper, der Interleukin-1β blockiert, getestet. Canakinumab wurde bei Patienten mit Herzinfarkt in der Vorgeschichte und erhöhten hsCRP-Werten (hochsensitives C-reaktives Protein, > 2 mg/l) im Serum getestet (1). Die CANTOS-Studie zeigte Superiorität von Canakinumab (150 mg) gegenüber Placebo in Bezug auf Prävention von kardialen Ereignissen.

Die Patienten wurden randomisiert und erhielten entweder Canakinumab 50 mg (n = 2.170), Canakinumab 150 mg (n = 2.284), Canakinumab 300 mg (n = 2.263) oder Placebo (n = 3.344). Das Medikament wurde alle drei Monate subkutan appliziert. Die mittlere Follow-up-Zeit betrug 3,7 Jahre und das mittlere Alter 61 Jahre. Der Frauenanteil betrug 26%. Patienten wurden von der Studie ausgeschlossen, wenn sie an chronischen oder wiederkehrenden Infektionen litten, ein hohes Risiko für Tuberkulose oder HIV hatten, wenn sie Krebs in der Vorgeschichte hatten, in immunkompromittiertem Zustand waren und/oder systemische inflammatorische Medikamente einnahmen. Als primäre Ereignisse der Studie zählten Tod aufgrund kardiovaskulärer Ursache, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Davon traten 4,11 pro 100 Personenjahre bei der Gruppe mit 50 mg auf, 3,86 in der 150 mg-Gruppe, 3,9 in der 300 mg-Gruppe und 4,5 pro 100 Personenjahre in der Placebo-Gruppe (p = 0,02 für 150 mg gegenüber Placebo). Bei den sekundären Ereignissen wurde eine dosisabhängige Reduktion von hsCRP durch Canakinumab beobachtet (p < 0,001 für alle Gruppen gegenüber Placebo). Tödliche Infektionen oder Sepsis zeigten sich in 0,31 pro 100 Personenjahre in der kombinierten Canakinumab-Gruppe gegenüber 0,18 pro 100 Personenjahre in der Placebo-Gruppe (p = 0,02). Patienten, in welchen hsCRP trotz Behandlung bei ≥ 2 mg/l lag, zeigten auch keine Reduktion des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse. Zusätzlich hatte Canakinumab einen modulierenden Effekt auf Interleukin-6, was ebenso mit einer Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse verbunden war.

Zusammenfassend führte die Behandlung mit Canakinumab 150 mg subkutan alle drei Monate bei Patienten nach Herzinfarkt und anhaltend erhöhtem hsCRP (> 2 mg/l) zu einer Reduktion des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse über eine mittlere Zeitspanne von 3,7 Jahren. Canakinumab war trotz Ausschluss von Patienten mit chronischen oder rezidivierenden Infekten mit einem leicht höheren Risiko für schwerwiegende Infektionen und/oder Sepsis assoziiert.

Cardiovascular Inflammation Reduction Trial (CIRT)

Die CIRT-Studie hat gezeigt, dass niedrig-dosiertes Methotrexat weder inflammatorische Marker (IL-1β, IL-6, hsCRP) noch kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit bekannter koronarer Herzerkrankung, Diabetes und/oder metabolischem Syndrom reduziert (2).

In der CIRT-Studie wurden Patienten 1:1 randomisiert und erhielten entweder niedrig-dosiert Methotrexat 15–20 mg wöchentlich (n = 1.716) oder Placebo (n = 1.695). Die Methotrexatdosis wurde basierend auf Laborwerten und Symptomen im Verlauf angepasst.
Der primäre Endpunkt waren schwerwiegende kardiovaskuläre Komplikationen, welche in der niedrig-dosierten Methotrexatgruppe vergleichbar wie in der Kontrollgruppe bei 3,4 pro 100 Personenjahre auftraten (Hazard Ratio 1,01, 95% CI 0,82–1,25, p = 0,91). Methotrexat veränderte nicht die Blutwerte für Interleukin-1β, Interleukin-6 oder hsCRP. Patienten unter Metho-trexat hatten mehr Infektionen (62% gegenüber 56%, p = 0,004).

Zusammenfassend zeigte diese Studie keinen Effekt auf inflammatorische Parameter und kardiovaskuläre Ereignisse, führte aber zu Nebenwirkungen als Folge der Immunsuppression. Im Gegensatz zur CANTOS-Studie war eine residuale Entzündung keine Bedingung zur Teilnahme an der Studie. Eine optimale Patientenselektion sowie vor allem die Auswahl eines geeigneten anti-inflammatorischen Therapieprinzips wird somit einen kritischen Punkt für den zukünftigen Einsatz immun-modulierender Therapien bei Patienten mit atherosklerotischer Gefässerkrankung darstellen.

Colchicine Cardiovascular Outcomes Trial (COLCOT)

COLCOT ist eine weitere Studie zur immun-modulierenden Therapie bei Patienten nach akutem Myokardinfarkt (innerhalb von 30 Tagen) (3). Die Patienten (n = 4.745) erhielten entweder niedrig-dosiertes Colchicin (0,5 mg einmal täglich) oder Placebo. Der primäre Endpunkt (für kardiovaskuläre Ereignisse) wurde signifikant weniger (5,5 %) bei Patienten in der Colchicin-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe (7,1%; p = 0,02) beobachtet. Unter Colchicin-Therapie wurde häufiger eine Pneumonie berichtet (0,9% vs. 0,4%; p = 0,03).

LoDoCo2 (Low-Dose Colchicine vs. Placebo in Patients With Chronic Coronary Disease

LoDoCo2 (4) ist eine vom Prüfarzt initiierte, doppelblinde, placebokontrollierte, randomisierte Studie, die untersucht, ob niedrig dosiertes Colchicin kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit chronischer koronarer Erkrankung verhindert. In die Studie wurden 5522 klinisch stabile Patienten randomisiert, die eine Colchicin-Dosis von 0,5 mg täglich während einer 30-tägigen, offenen Run-in-Phase tolerierten. Die meisten von ihnen wurden zusätzlich mit lipidsenkenden und thrombozytenaggregationshemmenden Medikamenten behandelt.

  • Während einer medianen Nachbeobachtungszeit von 29 Monaten reduzierte Colchicin den primären Endpunkt, ein Kompositum aus kardiovaskulärem Tod, spontanem (nicht-prozeduralem) Myokardinfarkt, ischämischem Schlaganfall oder ischämiebedingter koronarer Revaskularisation, signifikant um 31% (2,5 Ereignisse/100 Personenjahre in der Colchicin-Gruppe vs. 3,6 Ereignisse/100 Personenjahre in der Placebo-Gruppe). Der vorteilhafte Effekt zeigte sich früh und akkumulierte sich im Laufe der Zeit.
  • Insgesamt erwies sich Colchicin als sicher, ohne statistisch signifikante Unterschiede bei den schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen im Vergleich zu Placebo. Allerdings traten nicht-kardiovaskuläre Todesfälle bei den mit Colchicin behandelten Patienten häufiger auf als bei denen, die Placebo erhielten (53 bzw. 35).

Eine systematische Übersicht (5) über 10 Studien zu Colchicin, drei bei chronisch koronarer Herzkrankheit LoDoCo, LoDoCo2 und CCS Untergruppe bei COLCHICIN-PCI (n = 6654), drei bei ACS (COLCOT, COPS, AVS Untergruppe von COLCHICINE-PCI (n = 5654) und fünf (n = 532) über hsCRP-Änderungen von der ersten Woche bis zu zwölf Monaten bei chronischem Koronarsyndrom und/oder ACS zeigten, dass Colchicin das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei chronischem Koronarsyndrom gegenüber Placebo beinahe halbiert. Colchicin war zudem mit einer nicht signifikanten Risikoreduktion von 23% bei ACS assoziiert und einem nicht signifikanten Trend zu einer grösseren Reduktion von hsCRP.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Der Autor hat keinen Interessenskonflikt im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

◆ Die klinische Studie Canakinumab Anti-inflammatory Thrombosis Out-comes Study (CANTOS) ergab, dass die Behandlung mit Canakinumab, einem Anti-Interleukin-1β-Wirkstoff, zu einer Verringerung von nicht-tödlichen Myokardinfarkten, nicht-tödlichen Schlaganfällen oder Tod führte.
◆ Dies lieferte Beweise für die Entzündungshypothese der koronaren Herzkrankheit (KHK). Canakinumab ist jedoch nicht kosteneffektiv für eine breitere Anwendung.
◆ Der Cardiovascular Inflammation Reduction Trial (CIRT), der Colchicine Cardiovascular Outcomes Trial (COLCOT) und die Low-Dose Colchicine 2 (LoDoCo2) Studie sind neuere klinische Studien, die das Verständnis der Entzündungshypothese der KHK erweitert haben.
◆ Kostengünstige Therapien, die auf Entzündungen abzielen, sind on Top von Lipidsenkern die Zukunft der präventiven Behandlung kardiovasku-lärer Erkrankungen.

Messages à retenir

◆ L’ essai clinique CANTOS (Canakinumab Anti-inflammatory Thrombosis Outcomes Study) a révélé que le traitement par le canakinumab, un agent anti-interleukine-1β, entraînait une réduction des infarctus du myocarde non mortels, des accidents vasculaires cérébraux non mortels ou des décès.
◆ Cela a fourni des preuves de l’  hypothèse inflammatoire de la maladie coronarienne. Cependant, le canakinumab n’ est pas rentable pour un traitement généralisé et des traitements plus rentables sont justifiés.
◆ Le Cardiovascular Inflammation Reduction Trial (CIRT), le Colchicine
Cardiovascular Outcomes Trial (COLCOT) et le Low-Dose Colchicine 2
(LoDoCo2) sont des essais cliniques récents qui ont permis de mieux comprendre l’ hypothèse de l’inflammation dans les maladies coronariennes.
◆ Les thérapies peu coûteuses ciblant l’inflammation, en plus des agents hypolipidémiants, sont l’avenir du traitement préventif des maladies
cardiovasculaires.

1. Ridker PM, Libby P, MacFadyen JG et al. Modulation of the interleukin-6 signalling pathway and incidence rates of atherosclerotic events and all-cause mortality: analyses from the Canakinumab Anti-Inflammatory Thrombosis Outcomes Study (CANTOS). European heart journal. 2018;39:3499-3507.
2. Ridker PM, Everett BM, Pradhan A et al. Low-Dose Methotrexate for the Prevention of Atherosclerotic Events. The New England journal of medicine. 2019;380:752-762.
3. Tardif JC et al. Efficacy and Safety of Low-Dose Colchicine after Myocardial Infarction. N Engl J Med 2019; 381:2497-2505.
4. Nidorf SM et al. The effect of low-dose colchicine in patients with stable coronary artery disease: The LoDoCo2 trial rationale, design, and baseline characteristics. Am Heart J. 2019 Dec;218:46-56.
5. Aimo A, et al. Effect of low-dose colchicine in acute and chronic coronary syndromes: A systematic review and meta-analysis. Eur J Clin Invest. 2021;51:e13464.