- Schilddrüsenerkrankungen in der Schwangerschaft
Eine normale Schilddrüsenfunktion ist Voraussetzung für eine erfolgreiche und gesunde Schwangerschaft. Abweichungen von den Normwerten können Auswirkungen auf den Schwangerschaftsausgang und die kognitive Entwicklung des Kindes haben. Aus diesem Grund ist es wichtig, physiologische und pathologische Veränderungen der Schilddrüsenfunktion zu erkennen und richtig zu behandeln.
Une fonction thyroïdienne normale est une condition indispensable pour une grossesse réussie et saine. Des écarts par rapport aux valeurs normales peuvent avoir des conséquences sur le résultat de la grossesse et le développement cognitif de l’enfant. C’est pourquoi il est important de reconnaître les modifications physiologiques et pathologiques de la fonction thyroïdienne et de les traiter correctement.
Um eine optimale Schwangerschaftsbetreuung zu gewährleisten, ist ein einheitliches Vorgehen zu definieren. Dabei ist die interdisziplinäre Betreuung von Schwangeren mit manifester Hypo-/Hyperthyreose zusammen mit den Endokrinologen wichtig (1, 2, 3).Die Schilddrüse ist während der Schwangerschaft physiologischen Veränderungen ausgesetzt. Diese gilt es zu kennen und erkennen, um das Spektrum der Schilddrüsenerkrankungen zu verstehen.
Durch Östrogenstimulation verdoppelt sich das TBG (Thyroxin bindendes Globulin) in der ersten Schwangerschaftshälfte.
Das hCG (humanes Choriongonadotropin) wiederum hat eine Stimulationswirkung auf den TSH-Rezeptor. Durch den Anstieg des hCG im ersten Trimenon (Peak 10-12 SSW) steigen fT3 und fT4 häufig nur leicht an, dadurch sinkt das TSH. Im weiteren Schwangerschaftsverlauf normalisieren sich primär fT3 und fT4 und wenig später auch das TSH.
Die Messung von fT4 und fT3 ist störanfällig wegen der stark erhöhten Bindungsproteine, ein isoliert erniedrigtes fT4 ist daher gelegentlich zu beobachten und hat keinen Krankheitswert.
Durch den gesteigerten Umsatz der Schilddrüsenhormone steigt der Jodbedarf in der Schwangerschaft. Von der WHO wird zur Prophylaxe eine Zufuhr von 250µg Jod pro Tag in der Schwangerschaft und Stillzeit empfohlen (Jodzufuhr sollte 500µg/d nicht überschreiten). In der Schweiz ist seit 1. Januar 2014 der Jodgehalt im Speisesalz von 20 auf 25mg/kg erhöht worden, d.h. bei einer durchschnittlichen Salzzufuhr von 7-10g/d ist der Jodgehalt ausreichend. Vorsicht ist geboten bei Hyperthyreose, dort sollte ein Multivitaminpräparat ohne zusätzliches Jod gegeben werden (siehe Tab. 1).
Bedeutung der Schilddrüsenfunktion für die Schwangerschaft
Schilddrüsenfunktionsstörungen bei schwangeren Frauen sind insgesamt selten. So haben nur etwa 0.3-0.5% der Schwangeren eine manifeste Hypothyreose und 2-2.5% haben eine subklinische Hypothyreose (in nicht Jodmangel-Gebieten). Diese Zahlen sind unter anderem auf eine erhöhte Rate der Anovulation und daher Infertilität bei manifester Hypothyreose zurückzuführen.
Weiter haben nur 1.3% der Schwangeren eine hyperthyreote Stoffwechsellage, welche bei ca. ¼ der Frauen bis ins letzte Trimenon persistiert.
Risiken für Mutter und Kind sind v.a. in Bezug auf die manifesten Dysthyreosen vorhanden. Bei subklinischer Hypothyreose scheint der TPO-Status relevant, da bei TPO-negativen Frauen die Risiken erst bei einem TSH >5-10 mU/l sichtbar werden.
Universelles Screening versus Schilddrüsenfunktionstest auf Indikation
Das Screening von asymptomatischen Frauen ohne Anamnese einer Schilddrüsendysfunktion wird kontrovers diskutiert (4). Dafür spricht, dass bei Laboruntersuchungen auf Indikation 30-50% der latenten und manifesten Hypothyreosen verpasst werden. Das Screening gilt als kosteneffektiv und eine Therapie ist einfach einzuleiten. Dagegen sind die Auswirkungen einer subklinischen Hypothyreose auf die neurokognitive Entwicklung des Kindes nicht ausreichend gut belegt (5, 6). Gemäss dem Schweizer Standard erfolgt derzeit ein postkonzeptionelles Screening im 1. Schwangerschaftstrimenon.
Ein Screening präkonzeptionell wird bei gesunden asymptomatischen Frauen nicht empfohlen. Bei Sterilitätspatientinnen s. Richtlinien der Fachrichtung.
Präkonzeptionelle manifeste/bekannte Hypothyreose
Bei einer Frau, die bereits eine bekannte substituierte Hypothyreose vor der Schwangerschaft hat, soll präkonzeptionell eine euthyreote Stoffwechsellage optimiert werden (TSH ≤ 2.5mU/L). In der Schwangerschaft soll direkt nach positivem Schwangerschaftstest eine Dosiserhöhung von ca. 30% erfolgen, also zum Beispiel eine Verdoppelung der gewohnten Dosis am Wochenende. Die Substitutionstherapie soll alle 4 bis 6 Wochen mittels TSH-Kontrollen überwacht werden. Im Folgenden werden Veränderungen der Schilddrüsen-Hormone, die durch das TSH-Screening aufgedeckt werden im Einzelnen erläutert (siehe Tab. 2 und 3).
Hyperthyreose
Bei vorbestehender Hyperthyreose empfiehlt sich präkonzeptionell eine endokrinologische Standortbestimmung und Evaluation der thyreostatischen Therapie. Angezeigt ist eine Umstellung auf PTU (Propylthiouracil, Propycil®) im ersten Trimenon, da das Embryopathierisiko unter Néo-Mercazole (Carbimazol®) erhöht ist. Bei Diagnose eines M. Basedow soll die Patientin während der Schwangerschaft idealerweise regelmässig von der Endokrinologie beurteilt werden, oft kann die thyreostatische Therapie im Verlauf der Schwangerschaft sistiert werden.
Im Folgenden werden die wichtigsten hyperthyreoten Zustände im Einzelnen erläutert. Grundsätzlich ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Endokrinologie empfohlen (siehe Tab. 4 und 5).
Postpartum Thyreoditis
Als Sonderfall ist die Postpartum Thyreoditis (PPT) zu erwähnen. Es handelt sich hierbei um eine autoimmune Schilddrüsenfunktionsstörung mit Antikörperbildung (anti-TPO-AK). Sie tritt im ersten Jahr nach der Geburt auf, bei zuvor euthyreoter Stoffwechsellage. Die Prävalenz ist bei Diabetes mellitus Typ 1 3-4-fach erhöht, die allgemeine Prävalenz liegt bei 5-8%. Auf eine selbstlimitierende hyperthyreote Phase, folgt eine Hypothyreose und schliesslich Euthyreose. Die Diagnostik erfolgt über TSH, fT3 und fT4 und TRAK. Die Verlaufskontrollen sollten 4-8 wöchentliche TSH-Bestimmungen beinhalten. Die Therapie ist symptomatisch. Frauen mit einer PPT haben ein erhöhtes Risiko eine permanente Hypothyreose zu entwickeln. Aus diesem Grund ist analog zum Glucose-Screening bei GDM eine jährliche TSH-Kontrolle empfohlen.
Screening-Schema für den Alltag
Im klinischen Alltag verwenden wir in unserer Klinik ein standardisiertes Screening-Schema. Bei Unklarheiten sind wir im Austausch mit unseren Endokrinologen (siehe Abb. 1).
Abkürzungsverzeichnis
AK Antikörper
GDM Gestationsdiabetes
PPT Postpartum Thyreoditis
PTU Propylthiouracil
TBG Thyroxin bindendes Globulin
TPO-AK Thyroidperoxidase Antikörper (syn. MAK)
TRAK TSH-Rezeptor-Autoantikörper, Thyreotropin-
Rezeptor-AK (plazentagängig),
TSH Thyroidea stimulierendes Hormon
fT3 Trijodthyronin, 5fach stärkere biologische Wirkung als fT4
fT4 Thyroxin, Vorstufe von T3
L-T4 Levothyroxin (Thyroxin)
WE Wochenende
WoBe Wochenbett
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Die Autorin hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
◆ Um eine optimale Schwangerschaftsbetreuung zu gewährleisten, ist ein einheitliches Vorgehen zu definieren. Dabei ist die interdisziplinäre Betreuung von Schwangeren mit manifester Hypo-/Hyperthyreose zusammen mit den Endokrinologen wichtig.
◆ Die Schilddrüse ist während der Schwangerschaft physiologischen Veränderungen ausgesetzt. Diese gilt es zu kennen und erkennen, um das Spektrum der Schilddrüsenerkrankungen zu verstehen.
◆ Durch den gesteigerten Umsatz der Schilddrüsenhormone steigt der Jodbedarf in der Schwangerschaft.
◆ Bei einer Frau, die bereits eine bekannte substituierte Hypothyreose vor der Schwangerschaft hat, soll präkonzeptionell eine euthyreote Stoffwechsellage erreicht werden (TSH ≤ 2.5mU/L).
◆ Bei vorbestehender Hyperthyreose empfiehlt sich präkonzeptionell eine endokrinologische Standortbestimmung und Evaluation der thyreostatischen Therapie
Messages à retenir
◆ Afin de garantir un suivi optimal de la grossesse, il convient de définir une procédure cohérente. Dans ce contexte, la prise en charge interdisciplinaire des femmes enceintes présentant une hypo-/hyperthyroïdie manifeste, en collaboration avec les endocrinologues, est importante.
◆ La thyroïde est soumise à des modifications physiologiques pendant la grossesse. Il est important de les connaître et de les reconnaître afin de comprendre le spectre des maladies thyroïdiennes.
◆ En raison de l’augmentation de la production d’hormones thyroïdiennes, les besoins en iode augmentent pendant la grossesse.
◆ Chez une femme qui présente déjà une hypothyroïdie substituée connue avant la grossesse, il convient d’atteindre en préconceptionnel un état métabolique euthyroïdien (TSH ≤ 2,5mU/L).
◆ En cas d’hyperthyroïdie préexistante, il est recommandé de faire un bilan endocrinologique et d’évaluer le traitement thyréostatique avant la conception.
1. De Groot, Management of Thyroid Dysfunction during pregnancy and Postpartum: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline, J Clin Endocrinol Metab, 2012, 97(8):2543-2565
2. Up to date: Overview of thyroid disease in pregnancy
3. Guidelines of the American Thyroid Association for the Diagnosis and Management of Thyroid Disease during Pregnancy and the Postpartum 2017
4. Jouyandeh, Universal screening versus selective case-based screening for thyroid disorders in pregnancy, Endocrine 2015
5. Lazarus, Antenatal Thyroid Screening and Childhood Cognitive Function, The New England Journal of Medicine, 2012, Vol.366 No.6
6. Nazarpour, Thyroid dysfunction and pregnancy outcomes, Iran J Reprod Med Vol. 13 No.7.pp:387-396, 2015
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- Dezember 2021