Fortbildung AIM

Chronische Rhinosinusitis – Neue Therapiemöglichkeiten



Fragen

Welches Krankheitsbild liegt am ehesten als Ursache für die Nasenobstruktion und Hyposmie vor?
A. Aspergillom der Nasennebenhöhlen
B. Akute SARS-Covid 19 Infektion
C. Chronische Rhinosinusitis mit Rezidiv-Nasenpolypen
D. Allergische Rhinitis bei Aspirin- Unverträglichkeit

Welche Symptome oder Befunde würden Sie an dieser Diagnose zweifeln lassen (red flags)?
A. rezidivierendes Nasenbluten und regelmässiger Abgang von Krusten
B. unilaterale Beschwerden und Befunde mit raschem Auftreten innerhalb von wenigen Wochen
C. heftige frontale Kopfschmerzen
D. Doppelbilder, Epiphora

Welche Behandlung empfehlen Sie diesem Patienten mit chronischer Rhinosinusitis mit symptomatischen Rezidiv-Nasenpolypen und deutlich eingeschränkter Lebensqualität?
A. Wechsel des topischen Steroid-Spray (von Mometason auf Fluticason oder Budesonid) und Dosis verdoppeln?
B. Überweisung an den ORL-Facharzt zur Revisionsoperation
C. Evaluation einer Therapie mit einem Biologikum
D. Systemische Therapie mit Prednisolon oder Betamethason

Diskussion

Klinisch wird die chronische Rhinosinusitis nach ihrem Phänotyp eingeteilt, nämlich in das Erscheinungsbild ohne Nasenpolypen und in das Erscheinungsbild mit Nasenpolypen. Die Prävalenz der chronischen Rhinosinusitis wird in Europa auf etwa 11% geschätzt, davon liegt in rund 7% der Phänotyp ohne Nasenpolypen und in rund 4% der Phänotyp mit Nasenpolypen vor. Heute interessiert uns aber vor allem der zu Grunde liegende Endotyp, da dieser das Behandlungskonzept und die Prognose bestimmt. Man geht davon aus, dass bei der chronischen Rhinosinsuitis mit Nasenpolypen in etwa 85 % ein Endotyp mit Inflammation Typ 2 mit einer Th2 Immunantwort vorliegt.

Bei der chronischen Rhinosinusitis ohne Nasenpolypen findet sich auch in 25-50% eine Th2 Immunantwort, obwohl klinisch keine Nasenpolypen erkennbar sind. Für das Vorliegen einer TH2 Immunantwort sprechen bei der chronischen Rhinosinusitis das klinische Bild von Nasenpolypen, einer Anosmie und eines begleitenden Asthma bronchiale, im Labor ein erhöhtes Gesamt-IgE und erhöhte Eosinophile im Blut sowie in der Histologie der Nasenpolyen eine Gewebseosinophilie.

Die evidenzbasierte Therapie der chronischen Rhinosinusitis mit Nasenpolypen besteht als Basistherapie in der lokalen Behandlung mit topischen nasalen Steroiden und Nasenspülungen, bei Bedarf in kurzdauernden Behandlungen mit systemischen Steroiden (maximal 2-3-mal pro Jahr) und bei ungenügendem Ansprechen in der ergänzenden Behandlung mit einem funktionellen Nasennebenhöhleneingriff. Mit diesem Behandlungskonzept können mehr als 90% aller Patienten mit einer chronischen Rhinosinusitis wirksam und kosteneffektiv behandelt werden.

Für Patienten mit einer therapieresistenten chronischen Rhinosinusitis und dem Vorliegen von Nasenpolypen respektive einer Typ 2 Inflammation /Th 2 Immunantwort sind sich nun neue und vielversprechende Behandlungskonzepte mit Biologika zunehmend am Etablieren. Diese monoklonalen Antikörper richten sich gegen wichtige Zytokine (Il-4, Il-5, Il-13) der Th2 Immunantwort oder direkt gegen das IgE und werden bereits seit längerem in der Behandlung anderer Erkrankungen mit eosinophiler Entzündung wie das Asthma bronchiale oder die atopische Dermatitis verwendet. Zur Zeit sind in der Schweiz zur Behandlung einer chronischen Rhinosinusitis mit Nasenpolypen Dupilumab (anti-IL-4, anti-IL-13), Mepolizumab (anti-IL-5) und Omalizumab (anti-IgE) von Swissmedic zugelassen. Bei der Indikationsstellung zu diesen teuren Behandlungen sollten etablierte Leitlinien wie die EPOS Guidelines oder die Empfehlungen der Schweizerischen Rhinologischen Gesellschaft beachtet werden (https://www.orl-hno.ch/fileadmin/user_upload/Dokumente/Mitgliederbereich/Arbeitsgruppen/Rhinologie/Empfehlungen/IMORHP_Empfehlungen_AG_Rhinologie_Monoklonale_Antikoerpertherapie_chronische_Rhinosinusitis.pdf).

Bei unserem Patienten im vorliegenden Fallbeispiel liegt zusammengefasst eine chronische eosinophile Atemwegserkrankung mit Aspirin-Intoleranz vor (AERD: «Aspirin-exacerbated respiratory disease»). Bei einem schweren Asthma bronchiale und einer therapieresistenten chronischen Rhinosinusitis mit Nasenpolypen sind die gesamten Atemwege betroffen. Zusammen mit den Laborbefunden kann als Endotyp von einer Inflammation Typ 2 mit einer Th2 Immunantwort ausgegangen werden. Zudem ist die chronische Rhinosinusitis trotz systemischen Behandlungen mit Steroiden und Nasennebenhöhlen-Operationen nur ungenügend kontrolliert, so dass der Patient für eine Behandlung mit einem Biologikum (monoklonalen Antikörper) qualifiziert.

 

Dr. med. Christoph Schlegel-Wagner

Klinik für Hals-Nasen-Ohren- und Gesichtschirurgie (HNO)
Luzerner Kantonsspital
Spitalstrasse
6004 Luzern

christoph.schlegel@luks.ch

Kein Konflikt in Zusammenhang mit diesen Fallbesprechungen.

◆ Bei der chronischen Rhinosinusitis mit oder ohne Nasenpolypen interessieren neben dem Phänotyp auch der zu Grunde liegende Endotyp, insbesondere das Vorliegen einer Inflammation Typ 2 (Th2 Immunantwort)
◆ Über 90% aller Patienten mit einer chronischen Rhinosinusitis lassen sich wirksam und kosteneffektiv mit einer medikamentösen Basistherapie oder einer ergänzenden funktionellen Nasennebenhöhlen-Operation behandeln.
◆ In ausgewählten Fällen mit therapieresistenter chronischer Rhinosinusitis stellen Biologika (monoklonale Antikörper) eine neue und vielversprechende Behandlungsform dar. Die Indikation zu dieser Behandlung sollte an einem interdisziplinären Atemwegs-Board und nach etablierten Leitlinien gestellt werden.

der informierte @rzt

  • Vol. 11
  • Ausgabe 12
  • Dezember 2021