Wissen Aktuell

Teil 1

17. Cardio Update 2022

Auch dieses Jahr fand wieder ein ausgezeichnetes DGK CARDIO UPDATE in Mainz resp. Berlin statt. Die 2-tägige Veranstaltung wurde auch online übertragen. Wir versuchen wie letztes Jahr einige Highlights in dieser und in der folgenden Ausgabe
wiederzugeben.



Eines der diesjährigen HOT-TOPIC Themen war der kardialen Rehabilitation gewidmet. Referent war Prof. Dr. B. Schwaab aus der Curschmann Klinik in der Nähe von Lübeck. Die Grundlage des Vortrages findet man in den AWMF S3-Leitlinien «Kardiologische Rehabilitation 2020 Nr. 133-001» (www.dgpr.de; www.awmf.org). Zuerst wurde auf die wichtige Bedeutung des Lebensstils bei der koronaren Herzkrankheit (KHK) und beim Vorhofflimmern (VHFLi) eingegangen. Grundlage bildete die grosse Interheart und die Nurses Health Study. Die KHK Inzidenz kann dadurch um -83% RRR gesenkt werden. Die 4 Säulen – Lebensstil, Antikoagulation, Herzfrequenz und Rhythmuskontrolle – tragen neben der Optimierung der kardialen Risikofaktoren gemäss AHA zum Erfolg der VHFLi-Therapie bei. Durch regelmässige Bewegung, Gewichtsreduktion und praktisch keinen Alkohol kommt es zu einer signifikanten Senkung der Vorhofflimmerlast. Somit bedarf es einer multiprofessionellen Rehabilitation (Abb. 1).

Nach einer Metaanalyse von 22 randomisierten, kontrollierten Studien nach akutem MI kann mit einer trainingsbasierten, multidisziplinären kardiologischen Rehabilitation die Gesamt- und die kardiovaskuläre Mortalität wie auch der SCD signifikant gesenkt werden. Auch kommt es zu einer besseren Lebensqualität und einer besseren Belastbarkeit. Die körperliche Aktivität und eine Trainingstherapie sind in den aktuellen ESC Präventions-Guidelines eine I A Indikation. Eine gute und anhaltende Entspannung, welche den Stress vermindert, führt nach unzähligen Studien über 2 Jahren bei Patienten nach einem Myokardinfarkt zu einer sign. Abnahme von Morbidität und Mortalität. Auch diese Massnahme der Stressreduktion und Krankheitsverarbeitung ist eine IA Indikation. Der Nikotin Stopp ist die wirksamste Einzelmassnahme: Die Gesamtmortalität kann um 65% über 10 Jahre gesenkt werden. E-Zigaretten sind keine Alternative!

Eine kardiale Rehabilitation durch ein multiprofessionelles Team beinhaltet bei der KHK:

  • Ein rasches Erkennen und korrektes Behandeln von früh postoperativen Problemen
  • Eine Optimierung der präventiven Medikation
  • Eine körperliche Aktivität und Bewegungstherapie
  • Eine psychosoziale Unterstützung (Angst, Depression)
  • Eine Schulung im Umgang mit der Erkrankung (Adhärenz)
  • Ein Erlernen eines gesunden Lebensstils (Ernährung)
  • Eine berufliche und soziale Wiedereingliederung

So ist z.B. der heutige LDL-Zielwert in der Sekundärprävention von < 1,4mmol/l nach einer zur Publikation eingereichten Studie nach 12 Monaten Follow-up nur in 15% und ein LDL-Wert <1,8mmol/l nur in 40% vorhanden.

Durch eine gute kardiale Rehabilitation kann die Gesamtmortalität in vielen Studien nach einem ACS signifikant gesenkt werden. Ebenso nach einer ACBP-Operation und bei operierten Klappen­patienten. Auch die Rehospitalisationsrate wird gesenkt. Es besteht somit eine prognostische Indikation. Auch Diabetiker profitieren. Leider nehmen in DL nur 52,7% der Patienten gemäss Herzbericht 2020 an einer kardiologischen Rehabilitation teil. Faktoren, welche eine Reha verhindern, sind: Alter, Frauen, NSTEMI und Komorbiditäten. Auch chron. Herzinsuffizienz Patienten profitieren deutlich von einer kardialen Rehabilitation über 21-28 Tage. Es kommt zu einer signifikanten Steigerung der körperlichen Belastbarkeit und Verbesserung der Lebensqualität. Die Ziele sind eine Optimierung und Auf-Titration der HI-Medikation nach ESC Guidelines neben den gleichen oben erwähnten Punkten bei der KHK. Eine kardiale Rehabilitation kann je nach Patient, Komorbiditäten und Umfeld ambulant oder stationär durchgeführt werden. Ältere und Frailty Patienten erlangen eine deutlich bessere Belastbarkeit.
Das nachfolgende Slide (Abb. 2) gibt eine gute Zusammenfassung über den sehr guten Vortrag.

Im Beitrag von Prof. Dr. T. Lewalter aus München zum Thema Supraventrikuläre Rhythmusstörungen wurde zur Beendigung einer hämodynamisch stabilen supraventrikulären Tachykardie als erste Massnahme auf das korrekte modifizierte vagale Manöver (Im Sitzen 45 Grad kräftiges Pressen in 10 er Spritze mind. 15 Sekunden + anschliessend OK flach + Beine hoch) hingewiesen.

Als 2. Schritt dann i.v. Bolus Gabe von Adenosin. Eine supraventrikuläre Tachykardie in der SS kann bei hämodyn. Instabilität, fetaler Beeinträchtigung oder einem VHFLi bei Präexcitation ebenfalls mit Hilfe einer EKV behandelt werden. Cave Reflux! Bei stabiler SS-Patientin: modif. Vagusmanöver, gefolgt von Adenosin, dann einem B-1 selektiven Blocker. Eine Ablationstherapie ist möglich. Bei einer EKV eines Vorhofflimmerns soll nach einer Arbeit aus dem Circulation 2021 bei insgesamt 468 Patienten die antero-laterale Elektrodenlage signifikant besser sein als die antero-posteriore Lage zur Erlangung eines SR bei 1-4 Schockabgaben (54 vs 33%).

Bei einem «Elektrischen Sturm» sollte nach erfolgloser Anti­arrhythmikatherapie als nächster Schritt eine tiefe Sedation (Anästhesie mit Intubation) durchgeführt werden. Dadurch konnte der elektrische Sturm in 47% in weniger als 15 Minuten beendet werden. Die Non-Responder hatten ein sehr hohes Mortalitäts Risiko u. bedürfen einer speziellen Therapie. Bei typischem Vorhofflattern besteht ein hohes Risiko für ein späteres Vorhofflimmern (VHFLi) wenn man im Ruhe-EKG im SR in Abl. II oder in V1 bei neg. P eine P-Wellendauer von >120ms und bei der neg. Flatterwellenkomponente >100 ms misst. In diesem Falle kann eine Vorhofflatterablation und gleichzeitig eine Pulmonalvenenisolation ggf. durchgeführt werden. Bei Vorhofflattern besteht ein Risiko von ca. 60%, in den folgenden vier Jahren ein VHFLi nachzuweisen. Somit sollte auch eine OAK bei einem CHADS-VASc Score von ≥2 eingeleitet werden. In der Abbildung 3 sind die Risikofaktoren für ein VHFLi sehr schön zusammengefasst:

Ein regelmässiger «Standard-Drink», Alkoholaufnahme (median 3g/die), bewirkt über die Jahre ein erhöhtes Risiko von +16% für ein VHFli. Koffein ist hingegen kein Risikofaktor gemäss einer neuen grossen Metaanalyse mit 361 143 Patienten. Es besteht auch ein Beziehungsgeflecht von Mamma-Karzinom, Vorhofflimmern, Thromboembolie und Blutung und eine dadurch bedingte erhöhte Mortalität. Eine Mitralinsuffizienz und ein VHFli stehen in einem «negativen» Dialog. Der Stellenwert und die Technik eines VHFLi-Screenings mit Wearables ist in der aktuellen Datenlage noch unklar. Faktoren, welche für eine Rhythmuskontrolle (Medikamente, PV-Ablation) sprechen sind: Jüngeres Lebensalter und kürzere VHFLi Anamnese, Tachymyopathien ohne Klappenvitium oder schwere KHK, ein kleiner Vorhof, ein paroxysmales VHFli, die Patientensymptomatik und die Patientenwahl. Eine Rhythmuskontrolle hat prognostische Vorteile, dies unabhängig von den Symptomen! In einem dänischen Register konnte bei 2576 antikoagulierten Patienten mit einer unteren GI-Blutung 140x ein kolorektales Karzinom nachgewiesen werden. Die orale Antikoagulation (OAC) ist somit ein «Stresstest» für eine potentielle Blutungsquelle im Darm (auf okkultes Blut im Darm testen?!). Der Vorhofsohrokkluder ist eine diskutable Alternative zur OAC bei Hochrisikopatienten. Es besteht eine hohe anatomische Variabilität (Vorplanung-Imaging). Ein Direktverschluss trotz LAA-Thrombus ist möglich. Selten gibt es auch einen Device related Thrombus (3,5%). Hier kann eine Genotypen geführte antithrombotische Therapie hilfreich sein. Der chirurgische LAA-Verschluss bei einer notwendigen Herzoperation führt bei einer Beobachtungsdauer von 3 Jahren zu einer sign. Abnahme von Schlaganfällen und art. Embolien von 33%.

Im Vortrag von Prof. Dr. L. Eckardt aus Münster zum Thema ventrikuläre Extrasystolen wurde auf die Problematik COVID-19 und Rhythmusstörungen (RHS) eingegangen. Sein Fazit: Pulmonale Erkrankungen stehen im Vordergrund. Eine kardiale Beteiligung ist selten. Arrhythmien werden gehäuft bei kritisch kranken COVID-19 Patienten berichtet. Sie sind am ehesten Ausdruck einer systemischen Infektion und kein direkter Virusinfekt. In einer grossen Metaanalyse von 17 435 stationären COVID Patienten betrug die mittlere Inzidenz von RHS 17%. Eine grosse Arbeit ergab 40 zusätzliche Myokarditiden/Mio nach einem SARS-CoV-2 Infekt vs 1-10/Mio nach einer Impfung. Bei ICD Patienten wurde ein möglicher protektiver Effekt der Lockdown Massnahmen auf VT beobachtet, mit einer Abnahme von 30%. Somit lautet das Fazit in der Abbildung 4:

Bei der heutigen modernen medikamentösen HI-Therapie hat der plötzliche Herztod (SCD) in den vergangenen 20 Jahren um 44% abgenommen. Nach der aktuellen Studie DAPA-HF reduziert Dapagliflozin bei Patienten mit einer HI NYHA II-IV und einer EF≤ 40% unter einer etablierten optimalen Therapie die VT und den SCD um weitere 21%.

Bei der Trias HI, AV-Blockierungen und ventrikuäre Tachykardie (VT) muss man an eine kardiale Sarkoidose denken (ca. 5% ausschliesslich klinisch manifeste kardiale Beteiligung). Die VT-Ablation gewinnt hier an Bedeutung, ist aber bislang nicht prognoserelevant. Die Risikostratifikation bei Brugada Syndrom bleibt sehr schwierig. Hier gibt es einen neuen Score – vgl. brugadariskscore.com. Es gibt neue Daten zu Flecainid bei einer stabilen KHK und Z.n. Revaskularisation bei der Therapie eines VHFli. Hier ist eine Gefährdung nicht nachgewiesen. Bei einem Post-Infarkt Patienten mit VES oder NSVT ist dieses Medikament aber weiterhin kontraindiziert; insbesondere bei NSTEMI/ACS und bei einer EF≤30%.

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

info@herz+gefäss

  • Vol. 12
  • Ausgabe 2
  • März 2022