Forum Oncosuisse

Die Schweiz braucht einen Krebsplan

Die steigende Zahl von Krebserkrankungen und die wachsende Zahl von Cancer Survivors stellt die Schweiz vor grosse Herausforderungen. Angesichts der hohen gesellschaftlichen und ökonomischen und damit auch politischen Relevanz von Krebserkrankungen ist es nicht hinnehmbar, dass die Schweiz aktuell keinen Plan hat, wie Bund und Kantone zusammen mit den beteiligten Akteuren den komplexen und zahlreichen Herausforderungen der Krebsbekämpfung zielführend begegnen können.



Der Trend ist in der Schweiz deutlich: Die Zahl der Menschen in der Schweiz, die mit und nach Krebs leben, steigt. Einerseits ist dies auf die demografische Entwicklung zurückzuführen. Mindestens eine von fünf Personen erkrankt vor ihrem 70. Lebensjahr an Krebs. Andererseits nehmen bei vielen Krebsarten erfreulicherweise die Überlebenschancen zu und Krebspatienten leben heute länger. Das zeigt sich in der Zunahme sogenannten Cancer Survivors – gemäss Hochrechnungen werden es im Jahr 2030 über eine halbe Million sein.

Diese Entwicklung bedeuten nicht nur für Betroffene und ihr Umfeld eine grosse Belastung. Sie stellt auch unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft und insbesondere auch unser Gesundheitsversorgung vor grosse Herausforderungen. Jede Krebserkrankung, die verhindert werden kann, vermindert viel individuelles Leid und Kosten für die Allgemeinheit.

Breiter Handlungsbedarf in der Krebspolitik

Deshalb gilt es beispielsweise Tabakonsum, den grössten vermeidbaren Risikofaktor für Krebs, mit wirksamen Präventionsmassnahmen einzudämmen. Basierend auf wissenschaftlicher Evidenz kann mit qualitativ hochstehenden, systematischen Krebsfrüherkennungsprogrammen erreicht werden, dass möglichst viele Krebserkankungen frühzeitig entdeckt werden. Das trägt zu besseren Behandlungsergebnissen und Heilungschancen und schlussendlich massiv tieferen Behandlungskosten bei. Ausserdem muss der rasche Zugang zu sinnvollen Krebsbehandlung in der Schweiz für alle sichergestellt sein – und dies unabhängig von der Preis-Entwicklung der neuen innovativen Therapien. Gleichzeitig sind wir alle auf ein finanziell tragbares Gesundheitssystem angewiesen. Und die sogenannten Cancer Survivors sind auf andere Versorgungsstrukturen angewiesen als Akuterkrankte. Sie benötigen vielfältige und kontinuierliche medizinische Nachsorge, begleitete berufliche Wiedereingliederung und sorgfältige onkologische Langzeitbetreuung. Ebenso braucht es eine angemessene Finanzierung von Angeboten der Onkorehabilitation, der Psychoonkologie sowie von Palliative-Care-Leistungen, damit diese allen Patientinnen und Patienten bei Bedarf gleichermassen zur Verfügung steht. Die Bedingungen für die klinische Krebsforschung inklusive finanzieller Unterstützung müssen attraktiver gestaltet und der Zugang zur internationalen Netzwerken sichergestellt sein, damit Therapieoptimierungen ermöglicht werden und die Schweiz in der Krebsforschung weiterhin wettbewerbsfähig bleibt. Dies sind nur einige Beispiele mit Handlungsbedarf für die Politik.

Fehlender nationaler Plan zur Bekämpfung von Krebs

Trotzdem fehlt es der Schweiz aktuell an einer Strategie zur Krebsbekämpfung, seit die nationale Strategie gegen Krebs 2020 (NSK) ausgelaufen ist. Zwar betreiben die Krebsorganisationen mit dem «Oncosuisse Forum» die koordinativen Anstrengungen der NSK weiter. Bund und Kantone beteiligen sich jedoch nicht daran. Dabei empfiehlt auch die WHO ihren Mitgliedstaaten, einen nationalen Krebsplan zu implementieren. Fast alle EU-Mitgliedstaaten haben bereits Krebspläne in Anwendung und seit letztem Jahr verfolgen die EU-Staaten koordiniert den ambitionierten Europäischen Plan zur Krebsbekämpfung.

Auch in der Schweiz wird es nicht möglich sein, künftig ohne eine enge, langfristige und gut koordinierte Zusammenarbeit aller Akteure über die gesamte Versorgungskette der komplexen Krankheit Krebs wirkungsvoll zu begegnen. Deshalb wollte Ständerätin Marina Carobbio in einer Interpellation vom Bundesrat wissen, ob er ein koordiniertes strategisches Vorgehen von Bund, Kantonen und den Krebsorganisationen für notwendig erachtet und wie er gedenkt, mit den grossen Herausforderungen umzugehen.

Unzureichender Verweis auf andere Strategien

In seiner Antwort auf die Interpellation verweist der Bundesrat auf die abgeschlossene NSK und deren Nachfolgeorganisation Oncosuisse Forum. Der Dialog Nationale Gesundheitspolitik (NGP), die ständige gesundheitspolitische Plattform von Bund und Kantonen, habe sich gegen eine Weiterführung der NSK entschieden, weil die Hauptherausforderungen bei der Krebsbekämpfung heute bereits durch andere Strategien abgedeckt seien (wie z.B. die Nationale Strategie zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten, die Qualitätsstrategie des Bundes im Schweizerischen Gesundheitswesen). Ausser Acht lässt der Bundesrat dabei grosszügig den Handlungsbedarf in verschiedenen Bereichen wie beispielsweise in der Früherkennung, der Zugangsgerechtigkeit oder der Versorgungssicherheit von Cancer Survivors sowie der Krebsforschung. Zudem verweist er auf den Masterplan 2030 des Oncosuisse Forum, der eine praxisnahe Bestandsaufnahme der nationalen Aktivitäten und Herausforderungen im Schweizer Krebsbereich umfassen und als eine aktuelle Diskussions- und Handlungsgrundlage für die weiteren Aktivitäten dienen wird. Nicht thematisiert wird allerdings, dass die Krebsorganisationen die Finanzierung der wertvollen Erarbeitung und insbesondere der Umsetzung längerfristig nicht allein stemmen können.

Krebsregistrierung als prioritäre Massnahme anerkennen

Dank der nationalen Krebsregistrierung kann heute das Krebsgeschehen in der Schweiz fortlaufend beobachtet werden. Die Gesundheitspolitik wird sich in Zukunft aufgrund der Weiterentwicklung der Krebsregistrierung auf zuverlässigere Datengrundlagen über Krebserkrankungen abstützen können, um so evidenzbasierte Entscheide zur künftigen Krebsprävention und –versorgung zu fällen. Dies hält auch der Bundesrat in der Antwort auf die Interpellation fest. Damit die erhobenen Daten aber einen relevanten Beitrag zur Weiterentwicklung, zur Optimierung und zur Steuerung des Gesundheitswesens leisten können, sind die Vollzähligkeit, die Vollständigkeit, die Korrektheit und die Aktualität der Daten zentral. Entsprechend müssen die beteiligten Akteure und auch die Politik – Bund und Kantone – der Krebsregistrierung die nötige Priorität einräumen.

Haben Sie Anmerkungen oder Fragen? Bitte melden Sie sich: politik@oncosuisse.ch

Franziska Lenz

Leiterin Politik und Public Affairs Krebsliga Schweiz

1. Bundesamt für Statistik, Nationale Krebsregistrierungsstelle, Kinderkrebsregister: Schweizerischer Krebsbericht 2021 – Stand und Entwicklungen, 14.10.2021
https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/aktuell/neue-veroeffentlichungen.assetdetail.19305696.html
2. European Commission : Europe’s Beating Cancer Plan, 3.2.2021
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_21_342
3. 21.4454 Interpellation Carobbio Guscetti Marina. Wann kommt der nationale Plan zur Bekämpfung von Krebs? https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-
curia-vista/geschaeft?AffairId=20214454

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  • Vol. 12
  • Ausgabe 2
  • März 2022