Editorial

Etwas mehr Fantasie und Innovation!



Unter der zunehmenden Prämienlast ächzen Schweize­rinnen und Schweizer seit der Einführung des damals vermeintlich kostendämpfenden Krankenversicherungsgesetzes in den 90er Jahren. Der Druck wird immer grösser, endlich mal etwas Radikales zu machen. Politiker versprechen mit immer kühneren Rezepten landauf und landab, die Prämienbelastung senken und gleichzeitig noch die medizinische Qualität verbessern zu können.

Wenn man genauer hinsieht, erkennt man, dass die Rezepte in Tat und Wahrheit nicht so kühn sind. Sie orientieren sich nicht sehr originell an den üblichen Arzneien von HSG-Abgängerinnen und -Abgängern: Auf Teufel komm raus die Kosten senken!

Das hat weder zu Prämiensenkungen noch zu einer Verbesserung der Behandlungsqualität geführt. Zwar wurden und werden viele Spitäler in komfortable hotelartige Herbergen mit Einerzimmern selbst für Grundversicherte umgewandelt. Die Politiker sonnen sich dann bei den Eröffnungsfeiern in «ihren» Erfolgen. Gespart wird dafür beim grössten Kostenblock, bei den «Human Resources». Betroffen sind da in erster Linie Ärztinnen und Pflegende. Unter Vorwänden wie Kostentransparenz, Qualitätskontrolle, Compliance, Prozess-Optimierung oder gesetzliche Auflagen werden in den nicht produktiven Backoffice-Bereichen massenhaft neue Stellen geschaffen – finanziert von den Dienstleistenden an der Patientenfront. Dafür wird auf diese ein immer grösser werdender Budgetdruck ausgeübt. Zusammen mit den vergangenen Corona-Belastungen führt das dazu, dass sich immer mehr fähige Gesundheitsfachleute von ihrem Spitaljob abwenden.

Dabei gäbe es auch andere Ansätze, zum Beispiel eine echte Digitalisierung, die die medizinisch tätigen Fachpersonen wirklich von administrativen Arbeiten entlastet und nicht einfach den Bleistift bei gleichem oder sogar noch grösserem zeitlichem Aufwand durch den Laptop ersetzt. Was in der Wirtschaft schon längst Alltag ist, nämlich eine eigenständige Anmeldung für Termine, ist in der ambulanten Spitallandschaft der Schweiz – wenn überhaupt – nur mit der Lupe zu finden. Ausreden und Ausflüchte, warum man das gerade in den Spitälern nicht machen kann, gibt es so viele wie Sandkörner am Meer. In diesem Zusammenhang lässt auch die unglaublich harzige Einführung des schweizweiten elektronischen Patientendossiers grüssen.

Eine andere Möglichkeit wäre der flächendeckende Einsatz von Robotern, vorerst für einfache Hoteldienstleistungen wie ein Glas Wasser ans Bett bringen, mit jedoch unendlichen Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Ich höre dann immer den Einwand, dass ein Roboter die menschliche Zuwendung und ein die Seele wärmendes Lächeln, gerade im Gesundheitswesen sehr wichtig, nicht adäquat ersetzen kann. Das trifft zu. Allerdings ist mir das heute noch etwas hölzern wirkende Roboterlächeln immer noch lieber als das verständlicherweise grimmige Zwanzignachacht-Gesicht einer übernächtigten Ärztin oder eines ausgelaugten Pflegenden im Dauereinsatz.

Prof. em. Dr. med. Bruno Imthurn
Bruno.Imthurn@uzh.ch

Prof. em. Dr. med. Bruno Imthurn

Senior Consultant Kinderwunschzentrum
360° Zürich

bruno.imthurn@uzh.ch

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  • Vol. 12
  • Ausgabe 2
  • April 2022