- Risiko einer QTc-Verlängerung bei Patienten mit Diabetes mellitus
Diabetes mellitus betrifft gegen 10% der erwachsenen Bevölkerung weltweit, mit einer stetigen Zunahme. Patienten mit Diabetes mellitus haben ein zwei- bis zehnmal höheres Risiko für einen plötzlichen Herztod als die Allgemeinbevölkerung. Die zugrunde liegende Pathophysiologie ist noch ungeklärt. Eine tödliche Herzrhythmusstörung wird als hauptsächliche Ursache angenommen, wobei die Verlängerung des QT-Intervalls ein quantifizierbares Mass für das Risiko darstellt. Eine kürzlich publizierte Übersichtsarbeit befasste sich mit dem Management des QTc-Risikos bei Patienten mit Diabetes (1).
Das QT-Intervall beinhaltet die komplette Depolarisation und Repolarisation und repräsentiert damit die gesamte intraventrikuläre Erregungsdauer. Klinisch wird das QT-Intervall in erster Linie zur Beschreibung der myokardialen Erregungsrückbildung (Repolarisation) verwendet. Dies setzt eine normale QRS-Dauer (<110 ms) voraus. Das QT-Intervall variiert ja bekanntlich mit der Herzfrequenz.
Eine QTc-Verlängerung (> 440ms) tritt bei 18%-44% der Typ-I- und II-Diabetes-mellitus Patienten auf (2, 3). Das QTc-Intervall kann durch zelluläre, hormonelle, inflammatorische, neuropathische und physiologische Prozesse beeinflusst werden, wie experimentelle Tier- und klinische Studien bei Typ I und Typ II Diabetes gezeigt haben. Dabei wird der Sammelbegriff «diabetisches Myokard» (2) verwendet, um die chronischen physiologischen Veränderungen im Myokardgewebe zu beschreiben, die durch Langzeitdiabetes induziert werden. Diese Veränderungen scheinen durch eine systemische Entzündungsreaktion vermittelt zu werden, wobei die Entzündungsfaktoren IL-1b und TNF-alpha eine Rolle spielen, wie in Tiermodellen gezeigt wurde (4).
Die Berücksichtigung des QTc-Risikos bei Diabetes, insbesondere bei der Verschreibung von Medikamenten, ist ein wichtiger kardiovaskulärer Aspekt des Diabetes-Managements.
Das allgemeine Bewusstsein der Kliniker für das spezifische Arrhythmierisiko in dieser Kohorte ist allerdings gering, und eine entsprechende bessere Wahrnehmung ist zur Behandlung modifizierbarer Risikofaktoren ausschlaggebend.
Erfassung und Kontrolle des QTc-Risikos bei Patienten mit Diabetes
Der erste Schritt zur Steuerung des QTc-Risikos bei Diabetes ist die angemessene Quantifizierung des QTc. Während viele 12-Kanal-EKGs QTc gemäss Bazett-Formeln aufzeichnen, gibt es andere genauere Methoden, einschliesslich Framingham und Hodges, wobei Fridericia am engsten mit der 30-Tage-Mortalität assoziiert ist (5). Folglich verwenden die Autoren QTc korrigiert durch Fridericia (QTcF) in allen QTc-Forschungen und empfehlen eine klinische Anwendung dieser als Präferenz. Die Bazett Formel sollte nur bei einer HF im SR von 60-80/min und einem QRS <110ms verwendet werden (vgl. www.QTc-Rechner.de).
Zweitens ist die Quantifizierung von QTc über einen längeren Zeitraum, um die täglichen Schwankungen und Auswirkungen alltäglicher Aktivitäten wie Mahlzeiten zu berücksichtigen, wichtig um das Risiko genau zu quantifizieren. Daher sollte der QTcF nach Möglichkeit über mindestens 3 zeitlich getrennte EKG-Aufzeichnungen gemessen und überprüft werden (Abl. II, V5). Eine vollständige Aufarbeitung der Familienanamnese, langes QT und angeborene Herzfehler sollte bei allen Frauen mit einem QTc > 470ms und bei allen Männern > 450ms durchgeführt werden. Es ist wichtig, alle EKGs auf Konsistenz dieser Diagnose zu überprüfen.
Sobald ein Patient von einer QTc-Verlängerung bedroht ist, hilft die Kategorisierung der Patienten in relativ niedrige, moderate und hohe Risikogruppen, das Management abzugrenzen. Verschiedene Cut-offs in der Literatur wurden verwendet, um die QTc-Verlängerung zu definieren, und die Autoren empfehlen eine einfache Struktur für Patienten mit niedrigem Risiko (< 450 ms) und hohem Risiko (>500 ms) für eine torsade de pointes (tdp) mit einer Zwischengruppe dazwischen. Das Risiko eines Patienten für eine QTc-Verlängerung oder eine tdp hängt in fast allen Fällen nicht nur vom eingenommenen Arzneistoff ab, sondern wird ganz wesentlich durch individuelle und äussere Einflüsse mitbestimmt (Tab. 1)
In einer Analyse von insgesamt 77 Fällen medikamentenassoziierter tdp bestanden in 85 % zwei oder mehr zusätzliche Risikofaktoren: Herzerkrankung (77 %), Alter > 65 Jahre (54 %), weibliches Geschlecht (69 %) und Hypokaliämie (30 %) (8).
Die Berücksichtigung der wichtigsten veränderbaren Risikofaktoren ist die Hauptstütze des Managements.
Empfehlungen für die Praxis
Glukosekontrolle: Wie detailliert beschrieben, sind sowohl eine Hypo- als auch Hyperglykämie Risikofaktoren für eine QTc-Verlängerung, wobei ein mögliches Vorherrschen der Hyperglykämie von grösserer Bedeutung ist. Die «glykämische Variabilität» (6) wurde auch mit einer erhöhten QTc-Verlängerung in Verbindung gebracht, was bedeutet, dass Schwankungen von hohen zu niedrigen Blutzuckerspiegeln oder umgekehrt ebenfalls das Risiko erhöhen können. Die Blutzuckerkontrolle sollte daher darauf ausgerichtet sein, HbA1c zu reduzieren, aber auch die tägliche Konsistenz des Blutzuckers so weit wie möglich aufrechtzuerhalten, was sowohl diätetische als auch verschreibungspflichtige Änderungen erfordern kann. Wird eine Blutzuckerkontrolle bei Diabetespatienten in Betracht gezogen, gilt es auch den Grad der linksventrikulären Dysfunktion zu berücksichtigen. Es hat sich gezeigt, dass die Verschreibung eines SGLT2-Inhibitors beispielsweise das Risiko für ventrikuläre Arrhythmien bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) reduziert (7). Ob dies einen direkten Einfluss auf die Blutzuckerkontrolle, das Myokard, die Flüssigkeitsüberladung oder alles oben Genannte hat, ist unklar, aber klinische Beweise deuten zunehmend auf ein besseres Ergebnis für Patienten mit HFrEF hin. Die Zugabe von Insulin zu einem bestehenden antidiabetischen Arzneimittelregime bei Typ-II-Diabetes mellitus kann auch die Glukosekontrolle verbessern und das Arrhythmierisiko reduzieren, muss jedoch sorgfältig gegen das Risiko einer Hypoglykämie abgewogen werden.
Bewertung der Medikamente: Es sollte eine Baseline-Bewertung der aktuellen Medikamente des Patienten anhand einer anerkannten Datenbank von QTc-Verlängerungseigenschaften (z. B. www.crediblemeds.org) durchgeführt werden, wobei insbesondere auf Antiarrhythmika, Antidepressiva und Antipsychotika, Nicht-Penicillin-Antibiotika, Malariamittel, Antiemetika und Demenzmedikamente (Donepezil) zu achten ist. Wenn möglich, sollten reguläre Medikamente gegen gleichwertige Nicht-QTc-verlängernde Medikamente ausgetauscht werden. Zu berücksichtigen sind auch Elektrolytstörungen mit Hypo-kaliämie, -magnesiämie, -kalzämie, welche die QT-Zeit verlängern – daher in solchen Situationen regelmässige EKG und Elektrolytkontrollen.
Chemotherapeutika und Anästhetika bergen auch ein besonders hohes Risiko für eine torsade de pointes, und in bestimmten Situationen (z. B. bevorstehende Operation oder Erwägung einer Krebsbehandlung) sollte eine zusätzliche Prüfung durchgeführt werden. Dem Hochrisikopatienten (QTc > 500ms) mit Diabetes sollte geraten werden, in zukünftigen Situationen, in denen neue Medikamente verschrieben werden, mit seinem Arzt zu sprechen, insbesondere auch im Zusammenhang mit einer Infektion/Sepsis, bei der die Kombination einer Dysglykämie und einem neuen Medikament oder einer Elektrolytstörung das Arrhythmierisiko durch eine QTc-Verlängerung erheblich erhöhen könnte.
Lifestyle-Massnahmen: Ein erhöhter BMI ist ein anerkannter Risikofaktor für die QTc-Verlängerung (5) bei Diabetes mellitus im Allgemeinen, so dass die Gewichtsabnahme immer im Interesse des Patienten liegt. In ähnlicher Weise kann die Verringerung grosser Schwankungen der Glukose-kontrolle durch die Vermeidung grosser Mahlzeiten oder Lebensmittel mit hohem glykämischen Index auch das Risiko verbessern.
Fazit der Autoren
- QTc-Verlängerung ist ein häufiger Befund bei Diabetes mellitus.
- Diese Gruppe hat ein signifikant erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod.
- Die QTc-Verlängerung ist multifaktoriell aufgrund akuter und chronischer diabetesbedingter Veränderungen in der Physiologie.
- Von den veränderbaren Faktoren ist die Glukosekontrolle, insbesondere die Vermeidung einer Hyperglykämie, der wichtigste Faktor.
- Die Wirkung von QTc-verlängernden Medikamenten kann bei Diabetes verstärkt sein und sollte mit Vorsicht verschrieben werden.
Quelle: Taubel J und Pimenta D. Beurteilung des Risikos Risiko einer QTc-Verlängerung bei Patienten mit Diabetes mellitus. e-Journal der kardiologischen Praxis 2022; Band 22; No 8. – 6. April 2022
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1. Taubel J und Pimenta B. Beurteilung des Risikos einer QTc-Verlängerung bei
Patienten mit Diabetes . e-Journal der kardiologischen Praxis 2022; Band 22;
No 8 – 6. April 2022
2. Giunti S, Bruno G, Lillaz E, Gruden G, Lolli V, Chaturvedi N, Fuller JH, Veglio M, Cavallo-Perin P; EURODIAB IDDM Complications Study Group. Inzidenz und
Risikofaktoren eines verlängerten QTc-Intervalls bei Typ-1-Diabetes: die EURODIAB Prospective Complications Study. Diabetes-Pflege. 2007;30:2057-63.
3. Ninkovic VM, Ninkovic SM, Miloradovic V, Stanojevic D, Babic M, Giga V, Dobric M, Trenell MI, Lalic N, Seferovic PM, Jakovljevic DG. Prävalenz und Risikofaktoren für verlängertes QT-Intervall und QT-Dispersion bei Patienten mit Typ-2-Diabetes. Acta Diabetol. 2016;53:737-44.
4. Zayas-Arrabal J, Alquiza A, Tuncay E, Turan B, Gallego M, Casis O. Molekulare und elektrophysiologische Rolle von Diabetes-assoziierten zirkulierenden Entzündungsfaktoren beim Umbau von Herzrhythmusstörungen in einem metabolisch-induzierten Modell der diabetischen Ratte Typ 2. Int J Mol Sci. 2021;22:6827.
5. Vandenberk B, Vandael E, Robyns T, Vandenberghe J, Garweg C, Foulon V,
Ector J, Willems R. Welche QT-Korrekturformeln sind für die QT-Überwachung zu verwenden? J Am Heart Assoc. 2016;5:E003264
6. Su JB, Yang XH, Zhang XL, Cai HL, Huang HY, Zhao LH, Xu F, Chen T, Cheng XB, Wang XQ, Lu Y. Die Assoziation von langfristiger glykämischer Variabilität gegenüber anhaltender chronischer Hyperglykämie mit herzfrequenzkorrigiertem QT-Intervall bei Patienten mit Typ-2-Diabetes. PloS Eins. 2017;12:E0183055
7. Curtain JP, Docherty KF, Jhund PS, Petrie MC, Inzucchi SE, Køber L, Kosiborod MN, Martinez FA, Ponikowski P, Sabatine MS, Bengtsson O, Langkilde AM, Sjöstrand M, Solomon SD, McMurray JJV. Wirkung von Dapagliflozin auf ventrikuläre Arrhythmien, wiederbelebten Herzstillstand oder plötzlichen Tod bei DAPA-HF. Eur Herz J. 2021;42:3727-38.
8. Wenzel-Seifert K, Wittmann M, Haen E: QTc prolongation by psychotropic drugs and the risk of torsade de pointes. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(41): 687–93. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0687
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- Vol. 12
- Ausgabe 3
- Mai 2022