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Stosswellentherapie in der Schmerzmedizin

Die Stosswellentherapie ist heutzutage ein fester Bestandteil der Schmerzmedizin. Extrakorporal erzeugte Stosswellen werden in unterschiedlichen Anwendungsgebieten angewendet. Dabei spielt die Unterscheidung in fokussierte und radiale Stosswelle eine wesentliche Rolle. Der vorliegende Artikel soll diese Methode der Schmerzbehandlung in der Medizin genauer erläutern.



Shockwave Therapy is today a fix component in pain medicine. Shock Waves extracorporally generated are applied in many areas. The differentiation of focussed and radial Shock waves is essential in this Therapy. In this article, the application of Shock wave therapy in pain medicine will be explained.

Key Words: pain medicine, shockwave therapy

Der Einsatz von Stosswellen ist vielfältig. Dabei sind die sogenannte Nierensteinzertrümmerung in der Urologie, sowie Wundheilungsstörungen in der Dermatologie und der Fersensporn in der Orthopädie noch die bekanntesten Anwendungsgebiete. Wie Stosswellen generiert werden und wie sie wirken, ist jedoch nicht verbreitet bekannt.

Stosswellen sind physikalisch gesehen Schallwellen. In der Atmosphäre treten sie bei explosionsartigen Vorgängen auf wie zum Beispiel bei Blitzschlag. Dies erklärt auch das typische Geräusch, welches bei der fokussierten Stosswelle auftritt. Der Fokus, der erreicht wird, ist sehr gebündelt und kann je nach applizierter Energie und Frequenz unterschiedliche Eindringtiefen erreichen. Dies ist wesentlich zur Behandlung der Schmerzquelle.

Demgegenüber sind die radialen Stosswellen, präziser ausgedrückt radiale Druckwellen, sehr viel breitflächiger. Die Eindringtiefe ist viel geringer, die Energie an der Oberfläche jedoch grösser als bei der fokussierten Stosswelle. Somit entfaltet sie die Wirkung in breitflächigem Gewebe, wohingegen die fokussierte auf zellulärer Ebene sehr gezielt ihre Wirkung entfaltet.

Stosswellen in der konservativen Schmerztherapie

In der konservativen Schmerztherapie wird mit niederenergetischen Stosswellen gearbeitet. Dies führt zur optimalen Behandlung der schmerzhaften Struktur, ohne dabei nicht betroffene Stellen zu beeinträchtigen. Die lange Zeit geglaubte Hypothese der Gewebezerstörung als Wirkmechanismus der Stosswellentherapie hat sich als nicht korrekt erwiesen. Vielmehr wird durch die Stimulation des Gewebes unter anderem die Stimulation der Mikrozirkulation angeregt. Ebenso werden Stammzellen stimuliert, sowie die Ausschüttung von NO verursacht, welche den Stoffwechsel anregen und entzündungshemmend wirken. Beim Applizieren der Stosswellentherapie an der Muskulatur kommt noch der Wirkmechanismus über das Lösen von fixierten Aktin-Myosin Filamenten hinzu. Mit demselben Prinzip wird das Lösen von myofaszialen Triggerpunkten bewirkt.

Indikationen

Eine der häufigsten Indikationen ist die Tendinitis calcarea, besser bekannt als «Kalkschulter». Ebenso die Radiale und Ulnare Epikondylopathie (Tennis-/Golferellenbogen). Der Fersensporn (Fasciitis plantaris) gehört ebenfalls zum grossen Repertoire. Weniger bekannt, jedoch in der Hand eines geübten Schmerzarztes keine aussergewöhnliche Behandlung, ist u.a. die Behandlung von Tibiakantensyndrom, Pseudarthrosen, Myofasziale Schmerzsyndrome cervikal und lumbal.

Kontraindikationen und Nebenwirkungen

Absolute Kontraindikationen sind Tumore und Thrombosen im Behandlungsgebiet. Durch die Stosswellen können Zellen oder Thromben mobilisiert werden und im restlichen Körper verteilt werden. Relative Kontraindikationen sind Blutverdünnung oder Blutgerinnungsstörung. Dies hängt mit Läsionen von kleinen Blutgefässen zusammen, welche eine Einblutung ins Gewebe bewirken können.

Die häufigste Nebenwirkung ist eine Rötung durch vermehrte Reizung im Behandlungsgebiet, welche zu Petechien im Behandlungsgebiet und sogar Erstverschlimmerung der Schmerzen führen kann. Diese Nebenwirkungen sind jedoch harmlos und verschwinden von selbst wieder.

Behandlung

Das Behandlungskonzept der Stosswellentherapie hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Während zu Beginn noch mit der «Dawo’s»-, also da wo’s weh tut, Methode behandelt wurde, wird heute viel systematischer vorgegangen. Es wird nicht mehr nur das schmerzhafte Areal angegangen, sondern die dazugehörigen Triggerpunkte werden mitbehandelt. Z.B. wird beim Fersensporn nicht mehr nur das schmerzhafte Areal mit Stosswellen angegangen, sondern ebenfalls die Triggerpunkte der zugehörigen Muskulatur (Fuss- und Wadenmuskeln), wobei von der Peripherie zum Zentrum hin behandelt wird. Zusätzlich sind Kenntnisse über Satellitentrigger im Sinne eines «referred pain» zur effektiven Behandlung Voraussetzung. Bei diesen Satellitentriggern handelt es sich um Triggerpunkte, welche mit der betroffenen Struktur scheinbar nichts zu tun haben. Die Mitbehandlung dieser Punkte kann jedoch über den Erfolg der Therapie entscheidend sein.

Bei der Lokalisation der mit dem Triggerpunkt verbundenen myofaszialen Ketten kommt heute der Ultraschall zum Einsatz. Dabei ist es wesentlich, die zum Triggerpunkt gehörende Muskulatur zu erkennen, sowie deren Ansatz und deren Ursprung. Nur so kann die zur schmerzhaften Stelle gehörende periphere Faszie-Muskel-Einheit effektiv behandelt werden.

Die Wahl der eigentlichen Behandlungsmethode hängt stark vom Einsatzgebiet ab. Die Voraussetzung einer solchen differenzierten Stosswellentherapie setzt ein modernes Gerät voraus (Abb. 1). Bei diesen Geräten sind sowohl die Energie als auch die Frequenz frei einstellbar. Dies ist wesentlich, um die Eindringtiefe und die am Wirkungsort erreichte Ausbreitung des Druckes zu definieren. Ebenso sind verschiedene Handstücke mit unterschiedlichen Aufsätzen nötig, um ein effektives Resultat zu erreichen.

Anwendungsbereiche

Es werden in myofaszialen Bereichen relativ grossflächige Applikatoren eingesetzt und hauptsächlich mit radialer Stosswellentherapie gearbeitet. Dies, um ein möglichst breites Gebiet mit Stosswellen zu behandeln. Dadurch wird die Mobilität der «verklebten» Faszien erhöht. Dies kann, wie bereits erwähnt, zu einem Muskelkater ähnlichen Gefühl führen, über das der Patient vorgängig zu informieren ist. Diese Missempfindung ist spontan regredient.

Im Sehnenbereich beim muskulären Ansatz kommen speziell konstruierte Aufsätze zum Einsatz. Diese Applikatoren arbeiten mit weniger Schlagkraft, erreichen aber dieselbe Energie. Sie eignen sich daher besonders gut für die Therapie von weicheren Strukturen wie Sehnen oder aber auch von spezifischen Triggerpunkten.

Isolierte, insbesondere tiefer liegende Schmerzpunkte, werden mit der fokussierten Stosswelle behandelt. Als zu behandelnde Strukturen sind z.B. M. iliopsoas oder auch Facettengelenke zu erwähnen. Aber auch oberflächlichere Anwendungen, wie der laterale oder mediale Epikondylus, profitieren von der fokussierten Stosswelle.

Stärken und Schwächen

Die ganz offensichtlichen Vorteile dieser Behandlung sind, dass sie komplett nicht-invasiv ist und dazu noch medikamentenfrei. Nebenwirkungen, wie allergische Reaktionen oder Infektionen an der Behandlungsstelle können daher nicht auftreten. Eine Belastung durch Röntgenstrahlung ist ebenfalls nicht vorhanden. Die Kombination mit anderen physikalischen Methoden wie Physiotherapie, Massage oder kinesiologisches Taping, oder TCM (Akupunktur) eignen sich gut zur Einbindung in ein Gesamtkonzept der Behandlung von Myofaszialen Schmerzzuständen.

Eine Schwäche ist die Anzahl der Behandlungen. Obwohl invasive Methoden starke Nebenwirkungen aufweisen können, ist im Normalfall lediglich eine Behandlung notwendig (z.B. Infiltrationen mit Kortikosteroiden). Die Stosswellentherapie besteht aus vier bis sechs Sitzungen à jeweils 30 Minuten im Abstand von jeweils einer Woche. Die Behandlung kann, wenn der Therapeut zu wenig vorsichtig vorgeht, schmerzhaft sein.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med.Patrick Nordmann

Praxisklinik Urania
Löwenstrasse 28
8001 Zürich

Der Autor hat keinen Interessenskonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Die Stosswellentherapie ist eine vielseitige Methode der Behandlung von muskuloskelettalen Schmerzen. Dabei können alle betroffenen Körperregionen behandelt werden und es gibt praktisch keine
Kontraindikationen.
◆ Die Methode ist komplett nicht-invasiv und es kommen keine
Medikamente zum Einsatz.
◆ Aufgrund von ständig neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen im Zusammenhang mit muskuloskelettalen Schmerzen und der ständigen Weiterentwicklung der Geräte ist die Stosswellentherapie eine
essentielle Methode in der modernen Schmerzmedizin.

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  • Vol. 12
  • Ausgabe 6
  • Juni 2022