Wandertipp

Hospiz – Homatta – Hobiele

Höhenweg am Simplonpass



Auf der Südseite des Simplonpasses verbirgt sich ein wunderschöner und abwechslungsreicher Höhenweg, den man bis Gondo gehen kann. Uns steht heute aber nur ein gewitterfreies Zeitfenster von gut vier Stunden zur Verfügung, weshalb wir uns auf den Abschnitt zwischen dem zu Napoleons Zeiten erbauten neuen Hospiz und dem Dorf Simplon beschränken.

Bei der südlichen Schmalseite des mächtigen Hospizes, das noch heute von Augustiner Chorherren betrieben wird, beginnt der Höhenweg und führt vorerst zum Rotelsee hinauf (Abb. 1). Zwischen den sich bereits gegen Norden jagenden Nebelschwaden erhaschen wir ab und zu einen Blick auf den Chaltwassergletscher am Fuss des Monte Leone, der sich uns nicht zeigen mag. Über wenige Kehren und eine lange Traverse gegen Süden erreichen wir ein kleines Plateau auf dem Südwestgrat des Hübschhorns. Von hier aus könnten wir die Aussicht auf des Fletschhorn und das südliche Passgebiet geniessen, wenn Wolken und Nebel es zulassen würden. Lediglich einen kurzen Blick auf das im Tal liegende Alte Spittel können wir erhaschen (Abb. 2).

Ein kurzer Abstieg führt uns zur nächsten Hangtraverse gegen Südosten durch den Lawinenhang von Howeng. Die im Talboden entlangführende Passstrasse musste entsprechend durch eine lange Galerie geschützt werden. Schliesslich lenkt der Pfad in den kleinen Talkessel am Fuss des Breithorns ein, wo die Alp Balma liegt. Der Name weist auf die Lage der Alphütte unter einer mächtigen Felswand hin. Um die Hütte sind mit hohen Steinmauern Pferche für das Vieh abgetrennt (Abb. 3). Auf dem am Walibach gelegenen Brunnen können wir einer Inschrift entnehmen, dass diese Alp bereits seit mehr als 600 Jahren bestossen wird. Auf einer weit abgesteckten Weide grast wie zum Beweis eine grosse Herde von Walliser Schwarznasenschafen.

Nun gilt es, einen zweiten kurzen Anstieg zu bewältigen. Er führt oberhalb der Hütten von Homatta vorbei zum Fuss der Chesselchumma zwischen Glatthorn und Chellihorn hinauf. Auffallend ist die Bauweise der Häuser auf der Südseite des Passes, so auch des Stalles auf Galbode, die bereits derjenigen des Tessins und der lombardischen Alpentäler entspricht. Überhaupt kommt es mir vor, als würde ich bereits meine Tessiner Heimat riechen. Der Weg hinauf durch den lichten Lärchenwald ist wunderschön, obwohl man sich den letzten asphaltierten Wegabschnitt bis zum mächtigen Lawinenschutzwall am Ende der Chesselchumma am liebsten wegdenken würde. In leichtem Abstieg erreichen wir die Ruinen des Hobielestafel, wo unser Abstieg nach Simplon-Dorf beginnt. In zahlreichen Kehren auf dem gut ausgebauten Alpweg erreichen wir durch den Wald von Chastelberg die Zufahrtsstrasse vom Dorf zur Nationalstrasse (Abb. 4). Der Weg nach Gondo bleibt uns für heute verwehrt, getreu dem Wetterbericht ballen sich bereits die Gewitterwolken über der Gondoschlucht.

Im Grenzgebiet um Gondo mit seinen zahlreichen Passübergängen florierte einst der Schmuggel. In diesem Zusammenhang kommt mir die Geschichte in den Sinn, wie mein Patenonkel Antoine Claraz, einst Kunstmaler und Bildhauer in Fribourg, den Zuschlag für die Gestaltung von Türe, Taufbecken und Tabernakel der neuen kleinen Kirche in Gondo erhalten hatte. Er wurde damals zur Projektvorstellung vor den Gemeinderat in Gondo geladen. Die Präsentation seiner Modellstudie verlief nicht in seinem Sinne, die Ratsmitglieder hatten ihm ohne Begeisterung und ohne eine Miene zu verziehen zugehört.

Er wurde geheissen, vor dem Gemeinderatssaal zu warten. Viel Zeit verstrich und er machte sich immer mehr Sorgen um die Reisespesen, die an ihm hängen bleiben würden, sollte er den Zuschlag nicht erhalten. Schliesslich erschien doch der Gemeindepräsident und gratulierte ihm für den Gewinn der Ausschreibung. Bei einem Glas Wein zu später Stunde wollte mein Onkel dann vom Gemeindepräsidenten wissen, wie es zu diesem positiven Entscheid gekommen sei, angesichts der gleichgültigen Haltung des Rates. Ja, ob er denn nicht das mehrfache Nicken des Herrn ganz hinten am Tisch während seines Vortrages gesehen hätte? Die Kosten hätten schon zu reden gegeben, aber dieser Bergbauer würde das Projekt finanzieren. Woher denn dieser die Mittel dazu hätte, wollte mein Onkel wissen. Der Schmuggel, war die trockene Antwort des Gemeindepräsidenten. Des Bauers Hof lag etwas über dem Dorf und so hatte dieser einen hervorragenden Überblick, um den Schmuggel zu koordinieren und wohl auch seine Tantiemen einzustreichen. Vielleicht wollte er sich mit seiner edlen Spende auch sein Seelenheil sichern.

Prof. Dr. med. dent. Christian E. Besimo

Riedstrasse 9
6430 Schwyz

christian.besimo@bluewin.ch

der informierte @rzt

  • Vol. 12
  • Ausgabe 7
  • Juli 2022