Wissen aktuell

VZI-Update Kardiologie

Symposium der Vereinigung Zürcher Internisten 2019

Das VZI-Symposium 2019 ist seinem Ruf als hervorragende Fortbildungsveranstaltung für Internisten aller Couleur einmal mehr gerecht geworden. Unter der wissenschaftlichen (und praktischen) Organisation von Dr. med. Barbara Himmelmann und Prof. Stefan Vavricka wurde ein breit gefächertes hochstehendes Programm präsentiert, das stets in einem engen Bezug zur täglichen Praxis stand, Neues vermittelte und Bewährtes vertiefte.



Die Nachmittagssitzung wird durch klinische Updates eingeleitet, wovon im Folgenden das Referat zur Kardiologie resümiert wird.

Prof. Dr. med. Jan Steffel, Zürich beschränkt sich auf die für den Grundversorger wesentlichen Neuerungen in der Kardiologie. Die perkutane Reparatur der Mitralklappe stand im letzten Jahr im Zentrum der Diskussion. Während der Nutzen dieses Verfahrens bei Insuffizienz infolge struktureller Mitralklappenveränderungen belegt ist, gab es zur Frage nach dem Nutzen bei der wesentlich häufiger vorkommenden funktionellen Mitralinsuffizienz keine Evidenz. Bei der französischen MITRA-FR Studie blieb der primäre Endpunkt (Tod aller Ursachen und ungeplante Hospitalisation wegen Herzversagen innert 12 Monate) durch die Intervention unverändert im Vergleich einer alleinigen medikamentösen Therapie (Obadia et al. NEJM 2018). Im Gegensatz dazu fanden sich in der amerikanischen COAPT Studie ein gewaltiger Unterschied in der Anzahl der Hospitalisationen infolge Herzversagens und auch ein signifikanter Unterschied in der Gesamtmortalität (Stone et al. NEJM 2018). Was diesen eher widersprüchlichen Resultaten zu Grunde liegt, wird aktuell in der Kardiologie heftig diskutiert. Neben Fragen der
Patientenselektion scheint vor allem ein wesentlicher Unterschied in der medikamentösen Therapie in den beiden Studien zu bestehen. Zusammenfassend hält Prof. Steffel fest, dass diese beiden Studien erneut zeigen, dass es in der Kardiologie keine Einzelmassnahme gibt, die allen Patienten nützt, dass aber die perkutane Reparatur der Mitralklappen bei ausgewählten Fällen mit funktioneller Mitralinsuffizienz durchaus einen Platz hat.

PCSK9-Hemmer

Neben dem bekannten Evolocumab wurde nun ein zweiter Vertreter, das Alirocumab, mit der riesigen ODYSSEY OUTCOMES-Studie ins Rennen geschickt (Schwarzt et al. NEJM 2018). Bei 18 924 Patienten die innert 1-12 Monaten vorher ein akutes koronares Ereignis durchgemacht hatten und unter Hochdosistherapie oder der höchsten tolerierten Dosis von Statinen standen, konnte in dieser randomisierten, doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studie gezeigt werden, dass mit dem neuen Medikament nicht nur ein eindrücklicher weiterer Abfall von LDL-Cholesterin erreicht werden konnte, sondern auch eine signifikante Reduktion des primären Endpunktes (koronarer Tod, Herzinfarkt, ischämischer Insult, unstabile Angina pectoris mit Hospitalisationsbedürftigkeit). Der Referent wertet diese Resultate als klinisch relevanten Fortschritt in der Betreuung von Patienten mit koronarer Herzkrankheit. Intravasale Untersuchungen haben sogar gezeigt, dass mit solchen Substanzen eine Regredienz von Plaques erreicht werden kann.

Katheterablation für Vorhofflimmern

Im Gegensatz zu reinen Rhythmusstörungen wie z.B. einem WPW-Syndrom basiert das Vorhofflimmern (VHF) sehr häufig auf einer Herzerkrankung, so dass Massnahmen bezüglich Rhythmus niemals isoliert betrachtet werden können. Dementsprechend kann mit einer Katheterablation ein VHF nicht geheilt werden, sondern das VHF bleibt bei vielen Patienten ein Marker für ein erhöhtes Risiko und diese müssen entsprechend weiter antikoaguliert werden, wenn sie vor der Ablation eine Indikation für eine Antikoagulation hatten. Gleichwohl zeigte die CASTLE-AF Studie im Vergleich von Ablation bei VHF mit Herzinsuffizienz zu optimaler medikamentöser Therapie einen eindrücklichen Vorteil der Intervention mit 40%-iger Reduktion des primären Endpunktes und auch einer signifikanten Reduktion der Gesamtmortalität (Marrouche et al. NEJM 2018). Diese Befunde wurden in der zweiten, wesentlich grösseren CABANA-Studie mit je 1100 Patienten pro Arm, in welcher VHF mit und ohne Herzinsuffizienz eingeschlossen wurden, numerisch aber nicht signifikant bestätigt. Es gab jedoch mit je 10 bis 15% viele ungeplante Gruppenwechsel und eine Auswertung der Patienten, die tatsächlich eine Ablation bekommen haben, zeigte ebenfalls einen eindrücklichen, signifikanten Effekt bezüglich primärer und sekundärer Endpunkte auf (Packer et al. Heart Rhythm Society scientific sessions 2018).

Ein sympathischer Auftritt der Jungen Hausärztinnen und -ärzte Schweiz

ASCEND

Ein grosses Thema 2018 war der Stellenwert von Aspirin in der Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Der ASCEND Studie folgten 4 weitere Studien mit immer dem Hauptbefund in die gleiche Richtung; Die präventive Wirksamkeit ist bestenfalls sehr bescheiden (in der ASCNED Studie Risikoreduktion 12%), aber es besteht unter Aspirin konsistent ein nicht unerhebliches Risiko schwerer Blutungen (Risikosteigerung um 29% in ASCEND). Eine generelle Indikation für Aspirin in der Primärprävention ist mit diesen Befunden nicht mehr gegeben, gleichwohl kann der Einsatz im Einzelfall nach Abwägen aller Vor- und Nachteile erwogen werden.

NOACs

Der Referent war wesentlich in die Entwicklung der praktischen Leitlinien der European Heart Rhythm Association zum Einsatz von NOACs bei VHF involviert, in welcher viele praktische Problemkreise beleuchtet werden, die einzeln in Studien nicht abgebildet sind. Für das perioperative Management von Patienten unter NOACs wird das individuelle Blutungsrisiko (minimal, klein, hoch) berücksichtigt. Bei allen Kategorien wird auf ein Bridging verzichtet. Bei minimalem Risiko volle Antikoagulation (AK) bis am Vortag und Wiedereinsatz am Abend oder spätestens am ersten postoperativen Tag. Bei kleinem Risiko AK bis 2 Tage vor Eingriff und Wiedereinsatz am Abend oder Folgetag. Bei hohem Risiko Therapiepause ohne Bridging von Tag-2 bis Tag+2, postoperativ allenfalls Thromboseprophylaxe gemäss Spitalrichtlinien. In praktischer Hinsicht kann nicht genug betont werden, wie wichtig die gute Kommunikation unter allen beteiligten Behandelnden ist.
Dass die AK bei VHF tatsächlich sinnvoll ist, zeigt eine Studie aus einem riesigen englischen Register, wo bei Rückgang des Gebrauchs von Plättchenhemmern mit gleichzeitig steigendem Einsatz von NOACs erstmals ein deutlich sinkender Trend bezüglich Schlaganfälle dokumentiert werden konnte (Campbell et al. EHU 2018). Ähnliche Daten stammen aus Schweden, das bekannt ist für seine hervorragenden Register. Einerseits zeigte sich, dass von 2012 bis 2017 NOACs markant häufiger verschrieben wurden zu Lasten von Aspirin und Vitamin-K-Antagonisten und zwar speziell auch bei betagten Patienten, solchen mit hohem CHA2DS2-VASc Score und bei hohem Blutungsrisiko (HAS-BLED 3+). Der Referent insistiert, dass der HES-BLED Score zwar wichtig ist, dass er aber niemals allein als Argument gegen eine AK eingesetzt werden sollte! Andererseits konnte in allen Altersgruppen ein signifikanter Rückgang der zwar altersabhängig ansteigenden Rate an ischämischen Schlaganfällen beobachtet werden bei gleichzeitig pro Alterskategorie unveränderter Rate an schweren, lebensbedrohlichen Blutungen (Komen et al. ESC 2018).

Quelle: VZI-Symposium, 31. Januar 2019, Sitzung Update Kardiologie

Dr. med. Hans-Kaspar Schulthess

Facharzt FMF Innere Medizin und Gastroenterologie
Neuhausstrasse 18
8044 Zürich

Schulthess_hk@swissonline.ch

der informierte @rzt

  • Vol. 9
  • Ausgabe 3
  • März 2019