Fortbildung

Was ist die «Honeymoon-Phase» beim Typ 1 Diabetes?



Bei einem 33-jährigen Patienten wurde vor rund einem Jahr die Diagnose eines Typ 1 Diabetes mellitus gestellt. Die initiale Symptomatik waren ungewollter Gewichtsverlust von 10kg, Polyurie und -dipsie im Rahmen einer prolongierten Zahnentzündung. Es kam zu einer diabetischen Ketoazidose, welche eine Hospitalisation notwendig machte. Dabei zeigten sich erhöhte Diabetes-spezifische Antikörper (Anti-GAD/ IA2/ ZnT-8). Das initiale HbA1c betrug 12%. Der BMI des Patienten war 25.8 kg/m2. Die Familienanamnese ergab einen Typ 1 Diabetes mellitus beim Grossvater väterlicherseits. Der Patient erhielt bei Erstdiagnose des Diabetes Lantus 24E täglich, sowie Novorapid zu den Mahlzeiten (kumulativ ca 21E täglich). Im Verlauf stellten wir das Basisinsulin auf das länger wirksame Tresiba um. Die Blutzuckermessungen erfolgten initial mit einem konventionellen Blutzucker-Messystem (kapillär).

Wichtiges aus der persönlichen Anamnese

Weitere Erkrankungen sind bislang nicht bekannt.

Verlauf

Der Patient wurde auf ein kontinuierliches Blutzucker-Monitoring umgestellt. Nach Erstdiagnose besserte sich das HbA1c rasch auf minimal 6.9%. Aufgrund der guten Blutzuckereinstellung
sistierte der Patient selbständig das Essensinsulin (Novorapid). Bei der erneuten Verlaufskontrolle zeigte sich jedoch ein Anstieg der Blutzuckerwerte nach dem Abendessen sowie ein HbA1c von 7.7%.

Fragestellungen

Wie ist der Verlauf bei einem neu diagnostizierten Typ 1 Diabetes mellitus?
Welche Anpassungen bezüglich der Therapie sind notwendig?

Schlussfolgerungen

Der Patient hat initial nach Diagnosestellung des Typ 1 Diabetes mellitus eine «Honeymoon-Phase» durchlaufen. Diese Erholung tritt typischerweise ein, wenn sich unter der Insulintherapie die noch erhaltenen Beta-Zellen erholen und vorübergehend wieder Insulin produzieren/sezernieren können. Die «Honeymoon-Phase» kann Monate bis Jahre dauern. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Diabetes verschwunden ist, da der Autoimmunprozess die verbleibenden Beta-Zellen über die Zeit zerstört. Somit muss die Insulintherapie bei Fortschreiten der Erkrankung wieder ausgebaut werden.

Vorgeschlagene Massnahmen und Therapie

  • Wir haben dem Patienten empfohlen, das Mahlzeiteninsulin (zumindest fürs Abendessen) wieder zu injizieren. Dies ist insbesondere wichtig, da eine gute Blutzuckereinstellung die noch verbleibenden Beta-Zellen schützt.
  • Zudem sollte im Verlauf mit dem Patienten die Möglichkeit einer Insulinpumpentherapie besprochen werden.
PD Dr. med. Claudia Cavelti-Weder

Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Prof. Dr. med.Roger Lehmann

UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zurich

Roger.Lehmann@usz.ch

Die Autorin hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

der informierte @rzt

  • Vol. 12
  • Ausgabe 11
  • November 2022