- körperliche Symptome bei Menschen mit Krebs – eine Meta-Analyse
Quelle: Nakano, J., Hashizume, K., Fukushima, T., Ueno, K., Matsuura, E., Ikio, Y., … (2018). Effects of Aerobic and Resistance Exercises on Physical Symptoms in Cancer Patients: A Meta-analysis. Integrative cancer therapies, 17(4), 1048–1058. doi:10.1177/1534735418807555
Zielsetzung
Ziel dieser Meta-Analyse war es, die Wirkung von Bewegungsinterventionen auf körperliche Symptome wie Müdigkeit, Übelkeit/Erbrechen, Schmerzen, Dyspnoe, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Verstopfung und Durchfall bei Menschen mit Krebs zu ermitteln.
Methoden
In dieser Meta-Analyse wurden Studien, die vor April 2017 veröffentlicht wurden, in den folgenden Datenbanken: Cochrane Library, PubMed/MEDLINE, CINAHL, Scopus, PEDro, Health & Medical Collection und Psychology Database gesucht. Eingeschlossen wurden randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) zu Bewegungsinterventionen bei Menschen mit Krebs, die krebsbedingte körperliche Symptome mit dem European Organization for Research and Treatment of Cancer Quality of Life Questionnaire-C30 (EORTC-C30) bewerteten. Die Daten der Symptomskala wurden für die Meta-Analyse extrahiert. Es wurden Untergruppenanalysen für verschiedene Trainingsarten (Aerobic-, Widerstands- und gemischte Trainingsprogramme) durchgeführt.
Ergebnisse
Von 659 Artikeln wurden schliesslich 10 RCTs in die Meta-Analyse einbezogen. Vier Studien waren in Deutschland, 2 in den USA, und jeweils eine in Dänemark, Südkorea, Australien und der Schweiz durchgeführt worden. Insgesamt wurden die Interventionsübungen für die Metaanalyse in 3 Typen eingeteilt: Aerobic-, Widerstands- und gemischte Übungsprogramme. Aerobe Trainingsprogramme wurden in 4 RCTs durchgeführt, Widerstandstrainingsprogramme in 3 und gemischte Trainingsprogramme in 4 RCTs. In einer RCT wurden Aerobic- und Widerstandstrainingsprogramme in 2 verschiedenen Gruppen miteinander verglichen. Die Bewegungsinterventionen dauerten zwischen 3 und 16 Wochen oder die Dauer des Krankenhausaufenthalts zur Krebsbehandlung. Die häufigste Krebsart war ein hämatologisches Malignom, gefolgt von Brustkrebs. In 2 RCTs wurden Teilnehmer mit verschiedenen Krebsarten eingeschlossen.
Müdigkeit, Schmerzen, Dyspnoe und Schlaflosigkeit waren in der Interventionsgruppe signifikant geringer als in der Kontrollgruppe. Übelkeit/Erbrechen, Appetitlosigkeit, Verstopfung und Durchfall wurden bei den Krebspatienten durch die sportliche Intervention jedoch weder verschlechtert noch verbessert. Die Art der Übungen (aerobes oder Krafttraining) hatte keine unterschiedliche Auswirkung auf die einzelnen Symptome.
Schlussfolgerung
Es wurde bestätigt, dass körperliche Betätigung bei Menschen mit Krebs Müdigkeit, Schmerzen und Schlaflosigkeit lindert und zu einer Verringerung der Dyspnoe führen kann. Die positiven Auswirkungen von Bewegung auf Übelkeit/Erbrechen, Appetitlosigkeit, Verstopfung und Durchfall wurden jedoch bei keiner Art von Bewegungsintervention nachgewiesen. Weitere Forschungsarbeiten sind erforderlich, um die Auswirkungen von Bewegungsmassnahmen auf körperliche Symptome bei Krebspatienten zu untersuchen.
Kommentar der Autorin
Die Evidenz, dass Bewegung und Training nützliche Effekte für Menschen mit Krebs haben, ist inzwischen unumstritten. Die beschriebene Meta-Analyse von Nakano et al. (2018) ist nur ein Beispiel dafür.
Warum Bewegung und Training helfen, wird in immer mehr Studien untersucht. So haben Idorn und Straten (2017) in ihrer Untersuchung beschrieben, dass sportliche Betätigung beim Menschen mit einer Reihe von physiologischen Veränderungen verbunden ist, die rechtfertigt, von einem therapeutischen Effekt von Bewegung auf Krebserkrankungen zu sprechen. Das Ausmass der Effekte ist von der Intensität und Dauer der Belastung abhängig. Die Mechanismen, die diesen Trainingseffekten zugrunde liegen, sind vermutlich bedingt durch Veränderungen der Körperzusammensetzung, des Sexualhormonspiegels, von systemischen Entzündungsprozessen und der Funktion der Immunzellen. So steigt beispielsweise die Herzleistung, um den Sauerstoffbedarf zu decken, und es kommt zu einer Veränderung des Blutflusses. Die Stoffwechselrate steigt an, und der Glukoseverbrauch sowie die Leistung nehmen zu, ebenso wie der Laktatspiegel aufgrund des anaeroben Stoffwechsels in den Muskelzellen. Darüber hinaus spielt das endokrine System eine Schlüsselrolle bei der Integration der physiologischen Reaktionen sowohl in Ruhe als auch bei Belastung. So sind Katecholamine, einschliesslich Adrenalin und Noradrenalin, während der Belastung durch die vermehrte Ausschüttung aus den Nebennieren erhöht. Diese Hormone sind Teil der «Kampf-oder-Flucht»-Reaktion, die mit einem Anstieg der Herzfrequenz, des Blutdrucks, des Blutzuckerspiegels und der Immunfunktion einhergeht. Zu Letzterem gäbe es zwar widersprüchliche Daten, aber es besteht Einigkeit darüber, dass akute körperliche Anstrengung zu einem raschen Anstieg der Anzahl verschiedener Immunzellen im Blut führt, gefolgt von einem Absinken unter den Ausgangswert, worauf wiederum eine Normalisierung der Zellzahlen folgt. Der Immunzelltyp, der am empfindlichsten auf akute Belastung reagiert, sind die natürlichen Killerzellen (NK-Zellen), die innerhalb von Minuten nach der Belastung mobilisiert werden. Die maximale Mobilisierung von NK-Zellen wird nach 30 Minuten Training erreicht. Ein längeres Training führt nicht zu einer Erhöhung der NK-Zellkonzentration, aber die maximale NK-Zellkonzentration kann durch fortgesetztes Training bis zu 3 Stunden aufrechterhalten werden. NK-Zellen wurden ursprünglich dadurch charakterisiert, dass sie in der Lage sind, Zielzellen abzutöten, und sie haben normalerweise die Aufgabe, virusinfizierte, gestresste oder transduzierte Zellen zu beseitigen. Diese trainingsinduzierte Mobilisierung von NK-Zellen wird vermutlich hauptsächlich durch einen Anstieg der Katecholamine bewirkt.
Die Evidenz, dass Bewegung auf Menschen mit Krebs sehr nützliche Effekte hat, mehrt sich also rasant. Dies gilt auch und vor allem während der Therapie. Für Menschen mit Krebs stellt sich nun vor allem die Frage, wie Bewegungsinterventionen in den Behandlungsverlauf eingebettet werden können. In den vorliegenden Studien wurde das Thema Adhärenz und Drop-out kaum diskutiert. Es zeigt sich jedoch auch durch häufig geringe Teilnehmendenzahlen, dass Bewegung und Training während der Therapie noch nicht bei der Masse der Betroffenen angekommen zu sein scheinen. Im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie ist gerade eine S3 Leitlinie zum Thema Krebstherapie und Bewegung in Arbeit. Pflegende können dabei einen äusserst interessanten Beitrag leisten. Obwohl Pflegefachpersonen in den onkologischen Tageskliniken wahrscheinlich keine begleiteten Trainings wie in den Studien anbieten können, könnten sie unserer Meinung nach aktiv die Botschaft vermitteln, dass Bewegung zur modernen Krebstherapie gehört. Wir denken, dass Pflegende dabei nicht nur eine vermittelnde Rolle spielen sollten, sondern durch ein organisatorisches Bewegungskonzept einfache, niederschwellige Bewegungsübungen in den Therapiealltag der Betroffenen einbauen sollten. Im Rahmen der Studie OnkoMove Nurse an der Ostschweizer Fachhochschule überprüfen wir gerade, welche Übungen sich hierfür eignen würden.
Erstpublikation: Onkologiepflege 4/2022
Projektleitung
Institut für Angewandte Pflegewissenschaft
Ostschweizer Fachhochschule
Departement Gesundheit
9001 St. Gallen
1. Idorn, M. & Thor Straten, P. (2017). Exercise and cancer: from «healthy» to «therapeutic»? Cancer immunology, immunotherapy : CII, 66(5), 667–671. doi:10.1007/s00262-017-1985-z
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- Vol. 12
- Ausgabe 8
- Dezember 2022