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Neue Empfehlung zu Diagnostik und Therapie bei der PAVK bei Diabetes mellitus



Im Mai 2022 wurde in der Zeitschrift «Die Diabetologie» ein neues Positionspapier zur Diagnostik + Therapie der PAVK bei Menschen mit Diabetes mellitus (DM) publiziert (1). Dieser Artikel mehrerer Deutscher Fachgesellschaften ist für Kardiologen und Internisten äusserst lesenswert.

Wir geben einige wichtige Statements für die Praxis wieder: Die Zahl der Patienten mit PAVK und Diabetes mellitus nimmt stetig zu. Bei einer kritischen Extremitäten-Ischämie besteht eine Diabetes Wahrscheinlichkeit von 50%. Beim Diabetes schreiten Gefäss­läsionen schneller voran. So ist das Risiko für eine PAVK 2 bis 4mal erhöht. Nach dem Nikotin ist der Diabetes der zweithäufigste Risikofaktor. Es besteht in dieser Population ein erhöhtes Amputationsrisiko. Daher ist das rechtzeitige Erkennen der PAVK so wichtig; ebenso die leitliniengerechte Therapie zur Senkung der kardiovaskulären Ereignisrate. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche und eine rasche Revaskularisation sind bei kritischer Extremitäten-Ischämie entscheidend. Erschwerend kommt hinzu, dass nur jeder Vierte Symptome hat; dies wegen der begleitenden sensiblen Polyneuropathie. Die Claudicatio tritt nur bei 10% aller PAVK-Patienten auf. Oft besteht eine maskierte PAVK wegen einer zusätzlichen Neuropathie, Dyspnoe oder Arthrose. Eine kritische Ischämie – Stadium III+IV nach Fontaine – kann rasch auftreten; auch ohne vorgängige Claudicatio (2, 3).

Zur Diagnostik beim Internisten resp. Kardiologen bedarf es primär einer klinischen Untersuchung mit Erfassung von Puls­status und Kapillarpuls sowie im Seitenvergleich qualitativ Hautfarbe und -temperatur und einer Knöchel-Arm-Index-Bestimmung oder -Zehenverschlussdruckmessung (ABI; TBI). Die ABI-Messung mit dem niedrigsten Knöchelarteriendruck ist wichtig zum Nachweis einer PAVK und zur Risikostratifizierung! Ein ABI-Wert in Ruhe <0,9 gilt als Beweis für das Vorliegen einer PAVK. Ein Angiologe muss konsultiert werden, wenn ein ABI <0,7, systolische Zehendrucke <40mmHg, systolische Knöcheldrucke <70mmHg ermittelt werden. Auch bei einem ABI >1,3 (Mediasklerose) bedarf es einer angiologischen Abklärung mit farbkodierter Duplexsono­graphie mit Pulskurvenanalyse, Pulsoszillographie der Digitalarterien und einer transkutanen Sauerstoffdruckmessung. Bildgebende Verfahren wie zum Beispiel die CT- oder MR-Angiografie sollen nur dann vorgenommen werden, wenn sich daraus therapeutische Konsequenzen ergeben.

Die konservative Therapie besteht neben dem allgemeinen kardiovaskulären Risikofaktorenmanagement (Nikotinstopp, Gewichts­reduktion, Bz-, BD- und Lipidmanagement) bei der «Schaufensterkrankheit» aus einem strukturiertem Gehtraining – Gehen bis an/in die Schmerzgrenze. Bei symp­tomatischer PAVK aus einem Thrombocytenaggregationshemmer. Hier wird Clopidogrel 75mg Aspirin 100mg vorgezogen. Bei einem hohen Risiko für ein ischämisches Ereignis intensivierte Gerinnungsstrategie: Rivaroxaban 2×2,5mg +Aspirin 100mg; auch nach einer peripheren Gefässintervention oder bei einer zusätzlicher CHK oder Carotisstenose. Cave: erhöhtes Blutungs­risiko (HR=1,7). Bei einer Hypertonie RAAS-Blockade mit einem ACE-Hemmer oder ARB. Cave BD <120mmHg systolisch. Zur Senkung des Amputations­risikos und der Mortalität sollte eine Statintherapie mit der für den Patienten jeweils maximal tolerablen Dosierung gewählt werden. In Reserve zusätzlich Ezetimibe resp. PCSK9-H. LDL-Ziel <1,4mmol/l. Als antidiabetische Medikation:
1. Wahl Metformin und ein SGLT2-Hemmer oder ein GLP1-Agonist. In Reserve ein Basalinsulin nach Bedarf.

Auf die heutige moderne interventionelle Therapie mit PTA, DEB und DES ab Fontaine Stadium II und hohem individuellem Leidensdruck und je nach betroffenem Gefässabschnitt wird im Artikel eingehend eingegangen. Diese angiologische Therapie mit einer Revaskularisation ist essentiell zur Amputationsprävention! Diskutiert wird auch die kritische Extremitäten Ischämie, die Nachsorge nach Gefässeingriffen und die chirurgische Revaskularisation. Prinzipiell gilt, dass endovaskuläre Optionen Vorrang vor chirurgischen Revaskularisationen haben. Je weiter peripher die Intervention erfolgt, desto schlechter werden die Langzeitergebnisse.

Da die PAVK-Prognose relevant ist bezüglich MACE (Stroke, MI, cv-Tod) und MALE (major adverse limb events) und oft maskiert auftritt, ist ein ABI-Screening im Liegen nach 10 Min. Ruhe bei
folgenden Situationen notwendig:

  • Claudicatio Patienten
  • Nicht heilende Wunden an US/Füssen
  • Asymptomatische Patienten > 65 Jahre
  • Asymptomatische Patienten < 65 Jahre mit + Familienanamnese
  • Patienten mit anderen Atherosklerosemanifestationen (KHK, Carotis, ……)
  • Zur Vorsorgeuntersuchung >55 Jahre oder auch schon früher bei entsprechenden cvRF
Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

1. Die Diabetologie 2022;18: 402–411.
2. Die Diabetologie 2022;18:549-560.
3. CardioUpdate 2022: Hot Topic Angiologie

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  • Vol. 13
  • Ausgabe 1
  • Februar 2023