Journal Watch

Ausgewählte Studien aus der Hämato-Onkologie



More Than 2% of Circulating Tumor Plasma Cells Defines Plasma Cell Leukemia–Like Multiple Myeloma

Tomas Jelinek, et al J Clin Oncol 2023 41:1383-1392. doi: 10.1200/JCO.22.01226.

Das Plasmazellmyelom (PZM) ist ein Tumor, der für die klonale Evolution paradigmatisch ist. Dies, weil die vom PZM produzierten Paraproteine gemessen und in ihrem Verlauf beobachtet werden können. Die Entwicklung geht von einer MGUS über das asymptomatische Myelom (smoldering myeloma), dem symptomatischen Myelom bis zur aggressivsten Form, dem extramedullären Befall oder der Plasmazell-Leukämie.
Diese Studie untersucht die Entwicklung zu einem Hochrisiko-Myelom über kleine Mengen zirkulierender Tumorzellen (CTC).

Die Studienleiter schlossen 395 neu diagnostizierte Patienten ein, die nicht für eine Stammzelltransplantation vorgesehen waren, und massen mittels Multiparameter-Durchflusszytometrie die CTC, mit dem Ziel einen Grenzwert zu finden, welcher eine Hochrisiko-Myelomform definiert.

Der Grenzwert von 2% CTC trennt die Population in PFS (3.1 vs. 15.6 Monate; P<0.001) und Gesamtüberleben (14.6 vs 33.6 Monate; P<0.023). Der 2% Grenzwert wurde in einer zweiten Kohorte und in einer für die Transplantation vorgesehenen Kohorte validiert. Der Verlauf der Patienten mit <2% CTC war mit denen vergleichbar, die an Plasmazell-Leukämie erkrankt waren.

Die Autoren schliessen, dass Patienten mit >2% CTC einen Plasmazell-Leukämie ähnlichen-Phänotyp aufweisen.

Therapeutic value of first versus supplemental indications of drugs in US and Europe (2011-20): retrospective cohort study

Kerstin N Vokinger et al. British Medical Journal 2023;382:e074166

In den USA und in Europa werden laufend neue Medikamente zugelassen, viele davon im Krebsbereich. Da diese Medikamente im Allgemeinen teuer sind, ist es von grosser Wichtigkeit zu beurteilen, wie hoch die Wirksamkeit dieser Medikamente ist. Auch wenn es im Einzelfall kompliziert ist, Indikation für Indikation und Medikament für Medikament den Nutzen zu beurteilen, lohnt sich doch der Helikopterblick über alle Zulassungen hinweg. Hoher therapeutischer Nutzen ist hier definiert als verbesserter Gesundheitszustand, verkürzte Krankheitsdauer, verlängertes Überleben, Reduktion von Nebenwirkungen und Verbesserung in der Lebensqualität im Vergleich zu herkömmlicher Therapie, beurteilt durch Health Technology Assessment (HTA) Organisationen in Frankreich und Deutschland.

Viele Medikamente werden für eine Indikation zugelassen und erfahren in der Folge eine Indikationenausweitung. Somit kann der therapeutische Nutzen der Erstzulassung mit den Folgezulassungen verglichen werden.

In dieser Studie aus Zürich wurden Erst- und Folgezulassungen durch die US Food and Drug Administration (FDA) and European Medicines Agency (EMA) von 2011 bis 2020 verglichen und der Prozentsatz von Indikationen mit hohem therapeutischen Nutzen der Folgeindikation wurde dem Prozentsatz mit hohem therapeutischen Nutzen der Erstindikation gegenübergestellt.

Es wurden 124 Erst- und 335 Folgeindikationen (FDA) und 88 Erst- und 215 Folgeindikationen (EMA) eingeschlossen, etwas weniger als die Hälfte für Krebserkrankungen, bei den Zusatzindikationen waren 62% Indikationen für die Behandlung von Krebserkrankungen.

Der therapeutische Nutzen konnte für 107 (86%) Erst- und 179 (53%) Folgeindikationen in der USA und für 87 (99%) Erst- und 184 (86%) Folgeindikationen in Europa ausgewertet werden.

In den USA hatten 41% (44/107) der Erstindikationen eine hohe therapeutische Nutzenbeurteilung sowie 34% (61/179) der Folgeindikationen. In Europa hatten 47% (41/87) der Erstindikationen eine hohe therapeutische Nutzenbeurteilung und 36% (67/184) der Folgeindikationen.
Das relative Risiko eines hohen therapeutischen Nutzens betrug in der USA bei der Zweitindikation 0.64, (0.43 – 0.96) und der Drittzulassung 0.55 (0.29- 1.01) im Vergleich zur Erstzulassung.

Die Autoren kommen zum Schluss, dass das Verhältnis an Zulassungen mit hohem therapeutischen Nutzen von der Erstzulassung zu Folgezulassungen abfällt.

Kommentar

Angesichts der hohen Kosten für das Sozialversicherungssystem durch neue Medikamente ist zu fordern, dass diese Medikamente in einem hohen Masse als Medikamente mit hohem therapeutischen Nutzen beurteilt werden. Die Preise vieler Neuentwicklungen sind so hoch, dass sich die Patienten die Kosten dieser Medikamente nie leisten könnten, müssten sie vom Patienten selbst getragen werden. Die hohen Kosten werden somit von der Allgemeinheit getragen und die hat ein Recht zu fordern, dass die Kosten in einem vernünftigen Verhältnis zum therapeutischen Zusatznutzen der Neuentwicklung stehen.

Pirtobrutinib after a Covalent BTK Inhibitor in Chronic Lymphocytic Leukemia

A.R. Mato, J.A. Woyach, et al. N Engl J Med 2023;389:33-44.

Die Behandlung der B-Zell chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) oder der SLL (small lymphocytic lymphoma, dem Aequivalent dieser Erkrankung, bei Patienten ohne im Blut zirkulierenden Tumorzellen) mittels Bruton Tyrosin Kinase (BTK) Inhibitoren hat die Therapie der CLL revolutioniert. In der Schweiz sind Ibrutinib, Acalabrutinib und Zanubrutinib zugelassen. Dies sind kovalent bindende BTK-Inhibitoren, welche über eine Bindung an ein Cystein in der ATG bindenden Tasche der Bruton Kinase funktionieren. Die Wirkung dieser Behandlung hält in der zweiten und dritten Behandlungslinie mehrere Jahre an, länger, wenn in der ersten Behandlungslinie eingesetzt, aber ein Teil der Patienten wird im Verlauf resistent. Resistenzmechanismen beeinträchtigen häufig diese Bindung und über die Mutation in der BTK verlieren die Medikamente ihre Wirkung.
Pirtobrutinib ist ein selektiver nicht kovalent bindender BTK-Inhibitor, der diese Bindungsstellen nicht verwendet und somit BTK über einen anderen Mechanismus inhibieren kann.

Dies ist eine Phase 1-2 Studie mit Patienten mit rezidivierter oder refraktärer B-Zell CLL oder SLL, nach vorangegangener Behandlung mit einem kovalent bindenden BTK-Inhibitor.

Von den 317 Patienten mit CLL oder SLL (247 Patienten und einer BTK-Inhibitor Vorbehandlung), mit median 3 Behandlungslinien hatten 100 Patienten auch eine Vorbehandlung mit dem BCL2-Inhibitor Venetoclax.

Ein Ansprechen auf Pirtobrutinib wurde in 73% der Patienten beobachtet, einschliesslich der partiellen Remissionen war die Ansprechrate 82%. Das mediane progressionsfreie Überleben war 19.6 Monate. Nebenwirkungen waren Infektionen, Blutungen und Neutropenie und führten zu einem Therapiestopp bei 9 Patienten.

Kommentar

Die BTK ist Teil des B-Zell Signaltransduktionsweges bei gesunden B-Zellen aber auch bei Zellen der CLL. Die Hemmung der BTK hat einer neuen Substanzklasse den Weg geöffnet. Bei Resistenz auf BTK-Inhibitoren können BCL2-Inhibitoren eingesetzt werden. BTK und BCL2-Inhibitoren sind wesentlich weniger toxisch und besser verträglich als die ältere Chemo-Immunotherapie. Pirtobrutinib ist nun eine neue Art von BTK-Inhibitor, der auch bei Resistenz auf «konventionelle» BTK-Inhibitoren wirksam zu sein scheint.

Base-Edited CAR7 T Cells for Relapsed T-Cell Acute Lymphoblastic Leukemia

Robert Chiesa, et al. for the Base-Edited CAR T Group. N Engl J Med . 2023 Jun 14. doi: 10.1056/NEJMoa2300709.

Mittels der CRISPR-Technologie können DNA-Basen verändert werden ohne DNA-Brüche zu verursachen. CAR-T-Zellen sind erfolgreich in Anwendung gegen Tumore der B-Zell-Reihe (Lymphome, Myelome, B-akute lymphoblastäre Leukämie (B-ALL)), die Schwierigkeit bei T-Zell-Tumoren ist aber die gegenseitige Blockade der CAR-T-Zellen, auch Fratrizid genannt.

Die Autoren haben gegen CD7, ein T-Zell Marker, gerichtete spezifische CAR-T-Zellen hergestellt. Mittels der CRISPR-Technologie haben sie 3 Gene inaktiviert: a) CD7 b) CD52, und c) die beta Kette des T-Zell-Rezeptors um a) Fratrizid b) die Toxizität der lymphodepletierenden Serotherapie und c) mögliche Graft versus Host Erkrankung (GvHD) zu vermeiden bei der Anwendung von diesen allogenen von gesunden Spendern stammenden universellen, «of the shelf» CD7 spezifischen CAR-T-Zellen (BE-CAR7).

Es wurden 3 Patienten mit T-Zell ALL behandelt, sie erhielten eine lymphodepletierende Therapie mit Fludarabine + Cyclophosphamide + Campath (einem CD52 gerichteten monoklonalen Antikörper) gefolgt von BE-CAR7 Infusion von gesunden Spendern, in einer Dosis von 0.2 bis 2.0×106 BE-CAR7 T Zellen /kg (bis zu einem Maximum von 5×104 /kg ab-TCR positiven T-Zellen, der Schwellendosis für die Verursachung einer GvHD).
Die Hauptnebenwirkung waren die bekannten Zytokinfreisetzungssyndrome sowie die Panzytopenie, Eine Wirkung wurde bei allen 3 Patienten beobachtet, einer verstarb in der Folge an einer Pilzinfektion, 2 Patienten wurden nach Ansprechen mit einer allogenen Stammzelltransplantation behandelt, was somit keine Aussagen über die Langzeitwirkung der BE-CAR7-Zellen erlaubt.

Kommentar

Diese preliminären Resultate verdienen sich die Publikation im New England Journal of Medicine auf Grund der a) Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten mit CAR-T-Zellen auf Tumore der T-Zell Reihe, b) der Erweiterung der Anwendung dieser Technologie von einem individuellen mit patienteneigenen T-Zellen hergestellten Therapieverfahren auf einen universelleren Zugang mit allogenen CAR-T Zellen und c) hauptsächlich über die Technologie der DNA-Basen Editierung, welche erlaubt, den Fratrizid zu vermeiden, gleichzeitig die CAR-T-Zellen vor serologischer Lymphodepletion zu schützen und die Gefahr der GvHD durch allogene CAR-T-Zellen zu verringern. Es ist offensichtlich, dass es weitere und ausführlichere Studien braucht, bevor mehr ausgesagt werden kann.

Prof. Dr. med. Jakob Passweg

Klinik für Hämatologie
Hämatologische Diagnostik Labormedizin
Universitätsspital Basel und Blutspendezentrum beider Basel SRK
Petersgraben 4
4031 Basel

jakob.passweg@usb.ch

info@onco-suisse

  • Vol. 13
  • Ausgabe 4
  • Juli 2023