Streiflichter des Medizinrechts

Transplantationsgesetz in der Schweiz – was gilt und was gelten wird



Gesetzesgrundlage Bundesverfassung 119a

Die Grundlage des Bundesgesetzes über Transplantationsbestimmungen in der Schweiz bildet der Art. 119a der Bundesverfassung (BV). Auf diesem bauen alle weiteren Bestimmungen zur Transplantationsmedizin auf. Für den Schutz der Menschenwürde, der Persönlichkeit und der Gesundheit muss bei Transplantationen von Organen, Gewebe und Zellen gesorgt sein. Vermerkt ist auch, dass die Zuteilung von Organen gerecht aufgrund von festgelegten Kriterien erfolgt. Der Handel mit Organen ist untersagt und eine Spende ist unentgeltlich.

Zu Beginn des Transplantationsgesetzes sind allgemeine Bestimmungen erläutert, wie der Zweck von Transplantationen und der Geltungsbereich. Des Weiteren folgt eine genauere Fassung der Unentgeltlichkeit, wie sie bereits in der Bundesverfassung vorgegeben ist. Eine Spende darf weder bezahlt werden noch dem Spender irgendeinen Vorteil verschaffen. Dies auch als Schutz, damit Personen in einer finanziell schwierigen Lage nicht für Geld ihre körperliche Integrität aufgeben und ihre Organe verkaufen. Des Weiteren wird der Handel mit Organen verboten und unter Strafe gestellt. Der illegale Organhandel hat sich zu einem weltweiten, lukrativen Geschäft entwickelt aufgrund der sehr grossen Nachfrage nach Spenderorganen und der Bereitschaft von Patienten sehr hohe Beträge dafür zu bezahlen.

Die Entnahme von Organen bei verstorbenen und bei lebenden Personen wird separat behandelt. Zuerst müssen die Voraussetzungen für eine Organspende geregelt sein. Der Tod einer Person muss unabhängig festgestellt worden sein und die verstorbene Person muss vor ihrem Tod einer Organspende zugestimmt haben. Falls sie dies nicht getan hat, entscheiden die Angehörigen im Sinne der verstorbenen Person. Ist die Situation unklar oder gibt es keine Angehörigen, so dürfen keine Organe entnommen werden. Einer Organspende kann jede Person zustimmen, die das 16. Lebensjahr vollendet hat. Die Entnahme und Transplantation der Organe dürfen nicht von den gleichen Personen durchgeführt werden, welche den Tod festgestellt haben. Dies ist eine Sicherheitsmassnahme, um einer möglichen Vorteilsnahme durch medizinisches Personal vorzubeugen.
Bei einer sogenannten Lebendspende muss die spendende Person volljährig und urteilsfähig sein. Ausnahmen gibt es bei der Entnahme von regenerierbarem Gewebe oder bei der Spende an einen nahen Angehörigen. In einem solchen Fall ist die Zustimmung eines gesetzlichen Vertreters notwendig und die Entnahme darf nur bei kleinstmöglicher Belastung und überschaubarem Risiko durchgeführt werden.

Bei der Zuteilung der Organe erfolgt das Prinzip der Nichtdiskriminierung. Alle Personen mit einem Wohnsitz in der Schweiz oder in der Europäischen Union sind gleich zu behandeln. Bei den Kriterien der Zuteilung gibt es neben dem medizinischen Nutzen einer Transplantation auch die Dringlichkeit. Diese besagt, wie lange eine Person überhaupt noch auf eine Transplantation warten kann, bevor sie zum Beispiel versterben würde. Grundsätzlich besteht jedoch kein Anspruch auf eine Zuteilung eines Organs. Nach Berücksichtigung dieser Kriterien kann ein Patient auf die Warteliste gesetzt werden. Diese Warteliste wird von der nationalen Zuteilungsstelle geführt. Diese kann auch mit ausländischen Zuteilungsstellen Organe austauschen, um eine optimale Verwendung der gespendeten Organe und eine möglichst gute Versorgung der Empfänger zu ermöglichen.

Bei Verletzungen dieser Bestimmungen folgt eine Geld- oder Freiheitsstrafe. Unter Strafe gestellt ist die Vorteilsnahme durch die Transplantation, der Handel mit Organen, die Durchführung einer Entnahme ohne Zustimmung oder die Diskriminierung bei der Zuteilung sowie jegliche Verletzungen von Sorgfaltspflichten.

Modelle der Willensäusserung

In der Schweiz gilt aktuell nach dem Transplantationsgesetz von 2004 die erweiterte Zustimmungslösung. Ist der Wille einer verstorbenen Person nicht ersichtlich, entscheiden die Angehörigen im Sinne der verstorbenen Person. In den meisten Fällen entscheiden sich die Angehörigen gegen eine Organentnahme. Bei der engen Zustimmungslösung dürfen Organe nur entnommen werden, wenn die Person zu Lebzeiten zugestimmt hat. Angehörige können oder müssen nicht über eine Spende entscheiden.

Bei der erweiterten Zustimmungslösung muss sich eine Person zu Lebzeiten gegen eine Organspende entscheiden. Hat sie das nicht getan, so können Angehörige, wenn sie Kenntnisse darüber haben, dass die verstorbene Person nicht hätte spenden wollen, widersprechen. Bei der engen Widerspruchslösung gilt: Es werden Organe entnommen, solange keine Willensäusserung vorliegt.

Regelung in Europa

In den meisten Ländern in Europa gilt die erweiterte Widerspruchslösung. Die Regelung der Zustimmung oder des Widerspruchs korreliert mit dem Spendeaufkommen. In Ländern mit der Widerspruchslösung ist die Anzahl Spender höher als in Ländern mit der Zustimmungslösung.

Abstimmung zur Änderung des Transplantationsgesetzes

Am 15. Mai 2022 hat das Schweizer Volk über eine Änderung des Transplantationsgesetzes abgestimmt. Die Vorlage wurde mit 60% angenommen. In den letzten Jahren haben durchschnittlich 450 Personen ein Organ einer verstorbenen Person erhalten. Der Bedarf ist jedoch deutlich höher. Um dem entgegenzukommen, gab es eine Vorlage, in der man die aktuelle Zustimmungslösung neu mit der Widerspruchslösung ersetzt, damit möglichst alle Personen, die können und wollen, ihre Organe spenden. Momentan ist in vielen Fällen der Wille der verstorbenen Personen gar nicht bekannt. Mit der neuen Regelung, welche frühestens 2025 in Kraft tritt, ist nun die Bevölkerung stärker verpflichtet, sich mit dem Thema auseinander zu setzen.

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Quellen:
1. BV Art. 119a: https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/de
2. Bundesgesetz 810.21: https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2007/279/de
3. https://www.swisstransplant.org/de/organ-gewebespende/rechtlichegrundlagen/ gesetzesgrundlage
4. VoteInfo, Änderungen des Transplantationsgesetzes, Vorlage vom 15. Mai 2022
5. https://youtu.be/fZlFsfcG75I

Prof. Dr. med. Dr. iur. Thomas D. Szucs

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  • Vol. 13
  • Ausgabe 11
  • November 2023