- Kongressausgabe ASH 2023

Hier finden Sie das PDF der ASH-Kongresszeitung
Steter Fortschritt durch ein verbessertes Verständnis molekularer Grundlagen
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Wie jedes Jahr, wurde der Jahreskongress der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH) mit Spannung erwartet und viele Kolleginnen und Kollegen traten die lange Reise an, um in San Diego die neusten wissenschaftlichen und klinischen Daten aus dem Fachgebiet der benignen und malignen Hämatologie präsentiert zu bekommen. Der Kongress wurde erfreulicherweise erneut durch eine Online-Plattform im sog. Hybridkonzept unterstützt und erlaubte Teilnehmenden eine höhere Flexibilität der persönlichen Fortbildung, falls gewünscht auch ganz ohne Reisetätigkeit.
Inhaltlich wies der Kongress wie immer ein hohes wissenschaftliches Niveau auf und ich möchte, ohne den Autoren/-innen dieses Heftes vorzugreifen, kurz meine Highlights mit Schwerpunkt auf dem Gebiet der malignen Hämatologie vorstellen.
Als erster Eindruck verstärkte sich auch dieses Jahr der Trend, dass moderne zielgerichtete Therapien bzw. Immuntherapien klassische Chemotherapien ersetzen oder zumindest in Kombination mit Chemotherapien bessere Therapieergebnisse erzielen können. Ein Beispiel ist die Behandlung der indolenten Lymphome, inklusive der Chronischen Lymphatischen Leukämie (CLL). Nahezu sämtlich vorgestellte Studiendaten beruhten auf zielgerichteten Therapien beziehungsweise Immuntherapie. Eine für den klinischen Alltag relevante Studie der englischen Studiengruppe (UK NCRI FLAIR Studie) stellte die Frage einer zeitlich begrenzten Erstlinientherapie mit Ibrutinib plus Venetoclax (IV) im Vergleich zur Standard Immun-Chemotherapie Fludarabin, Cyclophosphamid und Rituximab (FC-R) bei bisher unbehandelten CLL Patienten/innen (1). IV wurde MRD-gesteuert appliziert und wies ein signifikant verbessertes progressionsfreies Überleben (PFS; HR 0,13; p<0,0001) als auch Gesamtüberleben (OS; HR 0,31; p<0,005) im Vergleich zu FC-R auf. Damit ist nun auch die letzte Indikation für eine Chemotherapie in der Erstlinientherapie der CLL gefallen und sämtliche zur Verfügung stehende Medikamente beruhen auf dem Prinzip der Immun- respektive zielgerichteten Therapie. Diese Arbeit, parallel zur PERSEUS Studie der europäischen Myelom Studiengruppe, wurde zeitgleich im New England Journal of Medicine publiziert. Die PERSEUS Studie (2) belegt, dass in der Erstlinientherapie transplantationsfähiger Myelom-Patienten/innen die Vierfachkombination beruhend auf dem CD38 Antikörper Daratumumab, Lenalidomid, Bortezomib und Dexamethason (D-VRd) der gleichen Dreifachkombination ohne CD38 Antikörper (VRd) bezogen auf das PFS signifikant überlegen ist (medianes follow-up 47,5 Monate: HR 0,42; p <0,0001). Wir hatten bisher mit der GRIFFIN Studie nur eine Phase II Studie zur Verfügung und können nun auf diese für Kostengutsprachen wichtige Phase III Studie zurückgreifen.
Beim klassischen Hodgkin-Lymphom (cHL) sind aus meiner Sicht zwei Studien für den klinischen Alltag relevant: Zum einen die Subgruppenanalyse der SWOG S1826 Studie (3), in der der Einsatz des PD1 blockierenden Antikörpers Nivolumab plus Adriamycin, Vinorelbine und Dacarbazin (N-AVD) versus die gleiche Chemotherapie aber Brentuximab vedotin (Bv) anstelle des PD1 Antikörpers (Bv-AVD Arm) in der Erstlinientherapie aller Altersgruppen getestet wurde. Die Studie hatte bereits im Sommer auf verschiedenen Kongressen für Aufsehen gesorgt, da sich ein früh zu bemerkender Vorteil für den PD1 Arm zeigte. In der nun präsentierten Subgruppenanalyse wurden nur Patienten/-innen > 60 Jahren betrachtet und auch in dieser Altersgruppe zeigte sich ein signifikanter PFS-Vorteil (HR 0,35; p=0,022) für den N-AVD Arm bei gleichzeitig geringerer Toxizität. Damit sollte NAVD als Therapiestandard in der Erstlinientherapie des älteren cHL Patienten/in Verwendung finden. Auch in der Rezidivtherapie (4) zeigte sich, dass eine Re-Induktionstherapie basierend auf einer Chemotherapie plus einem PD1 blockierenden Antikörper vor Hochdosistherapie und autologem Stammzellersatz bei fitten cHL Patienten/innen einer alleinigen Chemotherapie bezogen auf das PFS überlegen ist (HR 0,3; p= <0,001) und damit als Standard zu gelten hat.
Als letztes möchte ich kurz auf die akuten Leukämien eingehen. Die Kombination des BCL2 Inhibitors Venetoclax (VEN) mit dem HMA Azacytidine bzw. Decitabine (DEC) gilt bereits bei den meisten älteren AML Patienten/-innen als Standard in der Erstlinientherapie. Das VEN + DEC Regime wurde nun auch bei jüngeren Patienten vs. einer Standardchemotherapie, dem sogenannten 3 + 7 Regime verglichen und es zeigte sich, dass insbesondere Patienten/-innen >40 Jahre mit intermediärer oder ungünstiger genetischer Risikokonstellation von dem chemotherapiefreien Regime bei höheren MRD-Raten und geringerer Toxizität profitieren (5). Mit dem stetig wachsenden Wissen zu den pathogenetischen Prozessen der Leukämieentstehung halten auch molekular gezielte Therapien weiterhin Einzug in die Behandlung. So wurde mit Revumenib ein Inhibitor der Menin-Histon-Lysin-N-Methyltransferase 2A (KMT2A)-Interaktion bei Patienten/innen mit rezidivierter/refraktärer (R/R) KMT2A-veränderter (KMT2Ar) und Nukleophosmin-1-mutierter (NPM1m) akuter Leukämie untersucht (AUGMENT-101 Studie, 6) und zeigte bei guter Verträglichkeit erfreulich hohe Ansprechraten (MRD-Rate knapp 70%), sodass mit einer beschleunigten Zulassung für diese schwierig zu behandelnden Leukämie zu rechnen ist.
Ich hoffe, mit meiner persönlichen Stellungnahme Ihr Interesse an den nun folgenden detaillierten Studienzusammenfassungen geweckt zu haben und wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen!
Prof. Dr. med. Christoph Renner