- Grenzen des elterlichen Vertretungsrechts bei der med. Behandlung von Kindern
Behandlung von Kindern
Die medizinische Behandlung minderjähriger Patienten erfolgt nach denselben Grundsätzen wie bei volljährigen Patienten. Sie haben das Recht auf eine kunstgerechte Behandlung, Wahrung des Berufsgeheimnisses und Datenschutz sowie Wahrung des Selbstbestimmungsrechtes. Minderjährige haben grundsätzlich gesetzliche Vertreter. Ein Arzt muss aber vor jeder Behandlung abklären, ob der minderjährige Patient urteilsfähig oder urteilsunfähig ist.
Einschätzung der Urteilsfähigkeit
Die Urteilsfähigkeit wird vermutet, solange weder das Kindesalter noch andere Umstände gegen ihr Vorhandensein sprechen. Dabei zu berücksichtigen ist das Alter des Kindes, die Komplexität der in Frage stehenden Behandlung sowie der Gesundheitszustand und Entwicklungsstand des Kindes. Es gibt in der Schweiz keine definierte Altersgrenze. Je komplexer und schwerwiegender ein Eingriff ist, desto höher ist der Schwellenwert für die Urteilsfähigkeit anzusetzen. Der Arzt muss jene Entscheidung für jede Untersuchung und jeden Eingriff neu treffen und dokumentieren. Führt ein Arzt eine Behandlung auf Wunsch der Eltern trotz Protest des urteilsfähigen Kindes aus, riskiert dieser, dafür verurteilt zu werden.
Urteilsfähiges Kind
Ist ein Kind urteilsfähig, kann es allein über Durchführung einer oder Verzicht auf eine Behandlung entscheiden. Obwohl die Handlungsfähigkeit grundsätzlich erst ab dem 18. Lebensjahr gilt, gelten andere Richtlinien, wenn es um höchstpersönliche Rechte geht. Medizinische Behandlungen fallen genau in diesen Bereich der höchstpersönlichen Rechte, womit bei urteilsfähigen Minderjährigen die Handlungsfähigkeit gegeben ist. Der Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient kommt in diesem Fall ohne Genehmigung des gesetzlichen Vertreters zustande.
Urteilsunfähiges Kind
Ist ein Kind für urteilsunfähig erklärt worden, muss allein der gesetzliche Vertreter über die Behandlung aufgeklärt werden und trägt das Recht zur Entscheidung. Eltern sind die natürlichen gesetzlichen Vertreter ihres Kindes. Sie haben nach Art. 301 Abs. 1 und Art. 304 Abs 1 ZGB umfangreiche Vertretungsrechte, die auch bei medizinischen Behandlungen zum Zug kommen. Die Meinung des Kindes ist aber in jedem Fall zu berücksichtigen und es muss gemäss des hypothetischen Willens und objektiven Interesses des Kindes gehandelt werden. Das Kindeswohl ist im Kindesrecht immer das oberste Prinzip. Haben beide Elternteile das Sorgerecht, muss gemeinsam entschieden werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass immer zwingend beide Elternteile anwesend sein müssen. Gemäss Art. 304 Abs. 2 ZGB darf der gutgläubige Arzt davon ausgehen, dass jeder Elternteil im Einvernehmen mit dem anderen handelt. Bei sehr schwerwiegenden Eingriffen ist hier aber grosse Vorsicht geboten. Es wird angeraten, dass dann explizit das Einverständnis beider Elternteile eingeholt wird. Hat nur ein Elternteil das Sorgerecht, vertritt dieser das Kind alleine. Das andere Elternteil hat aber Recht auf Auskunft und Information. Falls die Eltern verhindert sind oder nicht in der Lage sind zu entscheiden, kann der Arzt in dringlichen Fällen medizinische Massnahmen nach dem mutmasslichen Willen und den Interessen der urteilsunfähigen Person ergreifen (Art. 379 ZGB).
Stiefeltern sind grundsätzlich nicht Inhaber der elterlichen Sorge, solange sie das Stiefkind nicht adoptiert haben. Trotzdem haben sie gemäss Art. 299 ZGB das Recht und die Pflicht, den leiblichen Elternteil zu vertreten, wenn es die Umstände erfordern. Sie sind in jedem Fall an den erklärten oder mutmasslichen Willen des Sorgerechtsinhabers gebunden.
Auch Pflegeeltern haben kein offizielles Sorgerecht. Sie sind aber berechtigt, die Eltern in der Ausübung der elterlichen Sorge zu vertreten, soweit es zur gehörigen Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlich ist und die Inhaber der elterlichen Sorge nicht anderes angeordnet haben. Bei medizinischen Notfällen können sie in jedem Fall einwilligen, falls die Eltern nicht rechtzeitig erreichbar sind. Ausschlaggebend ist hier vor allem der unterzeichnete Pflegekindvertrag.
Gemäss Art. 296 Abs. 3 ZGB steht minderjährigen Eltern keine elterliche Sorge zu. In diesen Fällen ernennt die Kindesschutzbehörde einen Vormund. Diesem Vormund stehen dann die gleichen Rechte wie einem erwachsenen Elternteil zu. Auch der Vormund hat in jedem Fall für das körperliche und psychische Wohl des Kindes zu sorgen.
Quellen:
1. https://www.fedlex.admin.ch/eli/oc/2011/114/de
2. https://www.skmr.ch/de/themenbereiche/kinderpolitik/artikel/kind_behandlung_medizinisch.html
3. www.swisslex.ch
4. Rechtliche Grundlagen im medizinischen Alltag FMH SAMW
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Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.