Journal Watch von unseren Experten



Olezarsen zur Behandlung von Hypertriglyceridämie bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko

Die Senkung des Spiegels von Triglyceriden und triglyceridreichen Lipoproteinen ist nach wie vor ein ungedeckter klinischer Bedarf. Olezarsen ist ein Antisense-Oligonukleotid, das auf die Messenger-RNA für Apolipoprotein C-III (APOC3) abzielt, ein genetisch validiertes Ziel für die Senkung der Triglyceridwerte. In einer kürzlich publizierten, randomisierten, kontrollierten Phase-2b-Studie wurden Erwachsene mit mäßiger Hypertriglyceridämie (Triglyceridspiegel von 150 bis 499 mg pro Deziliter) und erhöhtem kardiovaskulärem Risiko oder mit schwerer Hypertriglyceridämie (Triglyceridspiegel von ≥500 mg pro Deziliter) im Verhältnis 1:1 entweder einer 50-mg- oder einer 80-mg-Kohorte zugewiesen. Die Patienten wurden dann in einem Verhältnis von 3:1 einer monatlichen subkutanen Olezarsen-Behandlung oder einem entsprechenden Placebo innerhalb jeder Kohorte zugeteilt. Der primäre Endpunkt war die prozentuale Veränderung des Triglyzeridspiegels vom Ausgangswert bis zum Zeitraum von sechs Monaten, angegeben als Differenz zwischen jeder Olezarsen-Gruppe und Placebo. Die wichtigsten sekundären Ergebnisse waren Veränderungen der Werte von APOC3, Apolipoprotein B, Nicht-High-Density-Lipoprotein (HDL)-Cholesterin und Low-Density-Lipoprotein (LDL)-Cholesterin.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 154 Patienten an 24 Standorten in Nordamerika randomisiert. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 62 Jahren, und der durchschnittliche Triglyceridspiegel betrug 241,5 mg pro Deziliter. Die 50-mg- und 80-mg-Dosen von Olezarsen senkten die Triglyceridwerte im Vergleich zu Placebo um 49,3 bzw. 53,1 Prozentpunkte (P<0,001 für beide Vergleiche). Im Vergleich zu Placebo senkte jede Dosis Olezarsen auch die Werte von APOC3, Apolipoprotein B und Nicht-HDL-Cholesterin signifikant, während sich der LDL-Cholesterinspiegel nicht signifikant veränderte. Die Risiken für unerwünschte Ereignisse und schwerwiegende unerwünschte Ereignisse waren in den drei Gruppen ähnlich. Klinisch bedeutsame Leber-, Nieren- oder Blutplättchenanomalien waren selten und die Risiken in den drei Gruppen ähnlich.
Schlussfolgerungen: Bei Patienten mit überwiegend mäßiger Hypertriglyceridämie und erhöhtem kardiovaskulärem Risiko führte Olezarsen zu einer signifikanten Senkung der Triglycerid-, Apolipoprotein-B- und Nicht-HDL-Cholesterinwerte, wobei keine größeren Sicherheitsbedenken festgestellt wurden.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

Bergmark BA et al. Olezarsen for Hypertriglyceridemia in Patients at High Cardiovascular Risk. New Engl J Med 2024;390:1770-1780.

Gewichtsreduktion mit Tirzepatid

Eine chinesische Studie untersuchte 210 übergewichtige Menschen (49 % weiblich; Alter 36 Jahre; Körpergewicht 92 kg; BMI 32,3) und verabreichte einmal wöchentlich subkutan Tirzepatid 15 mg, Tirzepatid 10 mg oder Placebo. Die mittlere Veränderung des Körpergewichts betrug in Woche 52 -17,5 % mit Tirzepatid 15 mg, -13,6 % mit Tirzepatid 10 mg und -2,3 % mit Placebo und war hochsignifikant (je p<0,001 gegenüber Placebo). Der Prozentsatz der Teilnehmenden, die eine Körpergewichtsreduktion von 5 % oder mehr erreichten, betrug 85,8 % mit Tirzepatid 15 mg, 87,7 % mit Tirzepatid 10 mg und 29,3% mit Placebo (ebenfalls hochsignifikant). Die häufigsten behandlungsbedingten Nebenwirkungen mit Tirzepatid waren gastrointestinal; die meisten waren leicht bis mittelschwer, wobei nur wenige Ereignisse (<5%) zum Abbruch der Behandlung führten.

Fazit: Mit Begeisterung werden diese chinesischen Daten von den vielen übergewichtigen Menschen aufgenommen werden, welche sich jahrzehntelang vergeblich um eine Gewichtsreduktion bemüht haben. Noch sind aber viele Fragen zu diesem neuen, dualen GIP/GLP-1-Rezeptor-Co-Agonisten Tirzepatid offen. Aus philanthropischer Sicht stimmt nachdenklich, dass Medikamente, um unseren Appetit zu zügeln, stärker sein sollen als unser Wille. Dies führt auch auf die Studie zurück: inwieweit wirkten flankierende Massnahmen (immerhin verloren die Teilnehmenden im Placeboarm auch 2,7 % an Gewicht in einem Jahr)? Aus medizinischer Sicht bleibt unklar, was passieren wird, wenn die Medikation abgesetzt wird. Die Befürchtung, dass umgehend eine Gewichtszunahme stattfinden wird, ist aufgrund der Erfahrungen mit GLP-1-Analoga berechtigt. Kann allenfalls diese Therapie lebenslänglich weitergeführt werden? Allerdings könnte im Langzeitverlauf eine Gewöhnung des Appetitzentrums auftreten, welche die Wirkung von Tirzapetid beeinträchtigt. Gesundheitspolitisch stellt sich die Frage, was Tirzepatid 10 mg für die betroffene Bevölkerung (die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass bis 2035 mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung mit Übergewicht oder Adipositas lebt) kostet? Sollen alle übergewichtigen Menschen diese Behandlung bekommen? Können mit dieser Behandlung Gesundheitskosten eingespart werden, welche durch den ungünstigen Faktor Übergewicht verursacht werden? Alle diese Fragen werden sehr bald beantwortet werden müssen.

KD Dr. med. Marcel Weber

Zhao L. et al. Tirzepatide for Weight Reduction in Chinese Adults With Obesity: The SURMOUNT-CN Randomized Clinical Trial. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38819983/

E-Zigaretten erleichtern den Rauchstopp

Hintergrund: E-Zigaretten, ein elektronisches System zur Abgabe von Nikotin, können als Hilfsmittel zur Rauch-Entwöhnung eingesetzt werden. Es gibt bereits Studien und einen «systematic review» zu dieser Fragestellung, aber die Studienpopulationen waren eher klein und die potenziellen Nebenwirkungen wurden nicht sorgfältig erfasst. In den publizierten Studien konnte ein positiver Effekt der E-Zigaretten als unterstützende Massnahme für das Aufhören von Rauchen gezeigt werden. Dieses ist die grösste randomisierte Studie in der die Wirksamkeit und Sicherheit untersucht wurde.

Einschlusskriterien

• Menschen älter als 18 Jahre, die mindestens 5 Zigaretten pro Tag für mindestens 1 Jahr geraucht haben und in den ersten drei Monaten nach Beginn der Studie mit dem Rauchen aufhören wollen.
• Die Teilnehmer an der Studie wurden durch Werbung in der Laienpresse und den sozialen Medien rekrutiert.

Ausschlusskriterien

• Schwangere oder Stillende
• Nikotinersatztherapie oder Rauchstopp-Medikamente in den vergangenen 3 Monaten
• Personen, die regelmässig E-Zigaretten oder «Nikotin­verdampfer» verwendeten in den vergangenene 3 Monaten vor Studieneinschluss

Studiendesign und Methode

Randomisierte, nicht verblindete, multizentrische Studie.

Studienort

Verschiedene Studienzentren in der Schweiz.

Interventionen

• Kontrollgruppe: Rauchstopp-Beratung – das beinhaltet eine kognitive Verhaltenstherapie, motivierende Gesprächsführung («motivational interviewing») und Medikamente, die den Rauch-Stopp unterstützen (Nikotinersatzpräparate, und Rauch-Stopp-Medikamente). Die erste Beratung fand vor Beginn der Studie statt. Dann folgten telefonische Beratungen zu Beginn der Studie und nach 1, 2, 4, und 8 Wochen. Die Teilnehmer erhielten einen Gutschein von 50 Franken.
• Interventionsgruppe: Zusätzlich zur Rauchstopp-Beratung (wie in der Kontrollgruppe) erhielten die Teilnehmer zwei E-Zigaretten-Einsteigerpakete (Innokin Endura T20-S); die Teilnehmer wurden im Gebrauch instruiert und konnten zwischen vier unterschiedlichen Nikotinkonzentrationen und sechs unterschiedlichen Geschmacksrichtungen wählen (z.B. Tabak, Menthol oder Fruchtgeschmack). Sie konnten so viel nachbestellen, wie sie benötigten.

Sekundäre Outcomes

• Schwerwiegende (Hospitalisation, Arbeitsunfähigkeit, oder Tod) und andere nachteilige Ereignisse

Resultat

• 2027 Personen wurden für die Eignung zur Teilnahme an der Studie untersucht; 1246 wurden in die Studie eingeschlossen.
• 47 % waren Frauen, das mediane Alter betrug 38 Jahre.
• Mit dem Rauchen begannen sie, als sie etwa 16 Jahre alt waren; sie rauchten etwa 15 Zigaretten pro Tag und mehr als 80 % hat­ten schon ein oder mehrmals einen Rauch-Stopp-Versuch gemacht.
• Dauerhaft über die 6 Monate nicht geraucht (biochemisch bestätigt) haben 28.9 % in der Interventionsgruppe und 16.3 % in der Kontrollgruppe.
• Nikotinabstinent nach 6 Monaten (keine Zigaretten, keine E-Zigaretten, keine Nikotinersatzstoffe): 20 % in der Interventionsgruppe und 34 % in der Kontrollgruppe.
• 4 % in der Interventionsgruppe und 5 % in der Kontrollgruppe hatten ein schwerwiegendes Ereignis. 44 % in der Interventionsgruppe berichteten über Nebenwirkungen und 37 % in der Kontrollgruppe. Ob diese Nebenwirkungen in einem kausalen Zusammenhang mit der Intervention standen, ist nicht klar, aber eher unwahrscheinlich.
• Über Symptome einer COPD (Husten, Schleimproduktion, Atemnot) berichteten Teilnehmer in der Interventionsgruppe etwas weniger häufig als die in der Kontrollgruppe.

Kommentar

• Die Ergebnisse dieser Studie sind ein weiterer Hinweis, dass der Einsatz von E-Zigaretten – zusätzlich zur Rauchstoppbe­ra­tung – die Wahrscheinlichkeit für einen Rauch-Stopp erhöht.
• Nikotinabstinent nach 6 Monaten sind wesentlich mehr Teil­nehmer in der Kontrollgruppe. Die meisten Teilnehmer (~80 %) in der Interventionsgruppe rauchten weiterhin E-Zigaretten.
• Interessant wäre zu wissen, wieviel ein Jahr nach Beendigung der Studie immer noch Nichtraucher sind. Die Autoren schreiben, dass sie dies nach einem, zwei und fünf Jahren nochmals eruieren wollen.
• Unklar ist, ob die Teilnehmer die Nikotinersatzsubstan­zen und Rauch-Stopp-Medikamente selbst bezahlen mussten, oder im Rahmen der Studie kostenlos erhielten.

Prof. em. Dr. med. Johann Steurer

Rahman AA, Platt RW, Beradid S, Boivin J, Rej S, Renoux C. Concomitant Use of Selective Serotonin Reuptake Inhibitors With Oral Anticoagulants and Risk of Major Bleeding. JAMA Netw Open. 2024;7(3):e243208. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.3208

der informierte @rzt

  • Vol. 14
  • Ausgabe 6
  • Juni 2024