- Blutdrucksenkung bei Patienten mit Schlaganfall in der Prähospitalisationsphase nicht wirksam
Frage
Soll bei Patienten mit akutem Schlaganfall – solange unklar ist, ob dieser ischämisch oder hämorrhagisch bedingt ist – ein erhöhter Blutdruck gesenkt werden oder nicht?
Hintergrund
Patienten mit einem hämorrhagischen Insult haben von einer Intervention, die neben anderen Massnahmen auch eine Blutdrucksenkung beinhaltete, profitiert. Eine Studie, in der der Effekt von transdermalem Nitroglyzerin, verglichen mit Plazebo, untersucht wurde, wurde wegen einer höheren Sterblichkeit abgebrochen.
In dieser Studie werden die Wirksamkeit und Sicherheit einer intravenösen Blutdrucksenkung bei Patienten mit einem Schlaganfall (Dauer der Symptome weniger als 2 Stunden), die in der Ambulanz in ein Spital transportiert wurden, untersucht.
Einschlusskriterien
– älter als 18 Jahre mit einem vermuteten Schlaganfall; Patient konnte einen der beiden Arme nicht heben und systolischer Blutdruck > 150 mm Hg,
– und die blutdrucksenkende Massnahme konnte innert zwei Stunden nach Beginn der Symptome begonnen werden.
Ausschlusskriterien
– komatöse Patienten, schwere andere Krankheiten
– Epilepsie, kürzliches Schädel-Hirn Trauma, Hypoglykämie
Studiendesign und Methode
Randomisierte, nicht verblindete Studie; Personen, die den Outcome beurteilten, waren aber verblindet, multizentrisch.
Studienort
51 Spitäler in China
Interventionen
– Gruppe 1: Intervention, um einen systolischen Blutdruckwert zwischen 130 und 140 mm Hg innert 30 Minuten zu erzielen; 25 mg Urapidil (α1-Adrenorezeptor Antagonist) über 1 Minute verabreicht; wenn der Blutdruck innert 5 Minuten nicht sank wurde eine zweite Injektion verabreicht).
– Gruppe 2: «usual care», d.h. der Beginn der Blutdruckbehandlung geschah erst im Spital und nicht im Ambulanzwagen. Nur wenn der Blutdruck ≥ 220 mm Hg systolisch oder ≥ 110 mm Hg diastolisch war, wurde eine blutdrucksenkende Therapie in der Ambulanz begonnen.
– Im Spital wurden die Patienten gemäss den Guidelines behandelt; Zielblutdruck systolisch von 140 mm Hg oder weniger bei hämorrhagischem Insult und zwischen 140 bis 160 mm Hg bei ischämischem Insult.
Outcome
Primärer Outcome
Modifizierte Rankin-Skala, Verteilung der Werte nach 90 Tagen (Score 0 oder 1 – guter Outcome ohne Behinderung; Score 2 bis 5 – zunehmende Behinderung; Score 6 – Tod)
Sekundäre Outcomes
– Körperliche Behinderung oder Tod
Resultat
– 1205 Patienten wurden in die Interventionsgruppe und 1199 in die «usual-care» Gruppe randomisiert.
– Das mittlere Alter lag bei 70 Jahren, etwa 60 % waren Männer, die mediane Zeit vom Beginn der Symptome bis zur Randomisierung lag bei etwa einer Stunde.
– Der mittlere Blutdruck bei Eintritt ins Spital lag bei 159/89 mm Hg in der Interventionsgruppe und bei 178/98 mmHg in der «usual-care» Gruppe.
– Ischämischer Insult bei etwa 50 %, hämorrhagischer Insult bei 43 %, beim Rest war es aufgrund der Bildgebung unklar.
– Die Verteilung der Scores auf der modifizierten Rankin Skala (nach 90 Tagen) war zwischen den beiden Gruppen nicht unterschiedlich.
– Bei Patienten mit hämorrhagischem Insult führte die Blutdrucksenkung zu einer Abnahme eines schlechten funktionalen Outcomes (etwa 30 % verglichen mit usual care), bei Patienten mit ischämischem Insult aber zu einer Zunahme des Anteils Patienten mit schlechtem funktionalem Outcome (etwa 25 % verglichen mit usual care).
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johann.steurer@usz.ch
Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
G. Li et al. Intensive Ambulance-Delivered Blood-Pressure Reduction in Hyperacute Stroke. N Engl J Med. 2024; 390: 1862-72.
PRAXIS
- Vol. 113
- Ausgabe 6-7
- Juli 2024