- Eine etwas andere Ursache einer Blutungsquelle im oberen Ösophagus
Wir berichten über einen 89-jährigen Patienten, der sich aufgrund von Meläna und Leistungsminderung auf der Notfallstation vorstellte. Ursächlich für die Symptomatik war eine obere gastrointestinale Blutung aus einer Metastase eines follikulären Schilddrüsenkarzinoms, welches im Initialstadium im Jahr 1996 bereits operativ mittels Thyreoidektomie angegangen wurde.
Schlüsselwörter: Gastrointestinale Blutung, Endoskopie, ösophageale Metastase, follikuläres Schilddrüsenkarzinom
Anamnese und initiale Befunde
Es erfolgte die abendliche notfallmässige Vorstellung eines 89-jährigen Patienten auf unserer Notfallstation aufgrund von Meläna in den letzten Tagen und einer begleitenden leichten Leistungsminderung. Der Patient war in einem guten Allgemeinzustand, wirkte biologisch deutlich jünger, und seine fixe Medikation bestand lediglich aus Eltroxin und Metoprolol. Gemäss seiner Aussage hatte er vor ca. 30 Jahren eine Schilddrüsenentfernung wegen eines Tumors sowie eine radikale Prostatektomie wegen eines Prostatakarzinoms vor 15 Jahren und einen Bluthochdruck. In der klinischen Untersuchung fanden sich bei leicht hypertensiven Blutdruckwerten keine anderweitigen pathologischen Befunde. Insbesondere die digital rektale Untersuchung war unauffällig und zeigte kein Blut am Fingerling. Im Labor fand sich eine hyporegenerative, normochrome, normozytäre Anämie mit einem Hämoglobin von 109 g/l (Normwert 140 bis 180 g/l). Es waren keine unmittelbaren Vorwerte vorhanden, sodass die Dynamik einer allfälligen Blutung offenblieb. Differenzialdiagnostisch schien ein eher chronischer gastrointestinaler Blutverlust mit Meläna vorzuliegen. Der Patient wurde stationär aufgenommen und eine endoskopische Untersuchung des oberen Gastrointestinaltraktes für den Folgemorgen vereinbart.
Abklärungsschritte
In der Gastroskopie am Folgetag fand sich, bei stabilem Hämoglobin über Nacht, der endoskopisch in Abb. 1 ersichtliche Befund im proximalen Ösophagus, wobei die restliche Untersuchung des oberen Gastrointestinaltraktes bis auf wenig Hämatinspuren im Magen unauffällig war.
Es handelte sich um einen das Lumen einengenden Befund im proximalen Ösophagus ungefähr 20 cm ab Zahnreihe mit makroskopisch scheinbar äusserst guter Durchblutung. Der Befund wurde aufgrund von diffusen Sickerblutungen bei kleinster Berührung mit dem Endoskop und der Biopsiezange vorerst nur mittels einem NaCl 0.9 % und 1:10 000 verdünnten Adrenalingemisch umspritzt. Die Endoskopie wurde beendet und der Patient für eine Computertomografie (CT)-Untersuchung des Halses, Thorax und Abdomens angemeldet, mit Frage nach Durchblutung und Ätiologie der Läsion.
CT-grafisch wurde die Raumforderung dann als ungefähr 3 x 3 x 5 cm grosse Läsion im Bereich des proximalen Ösophagus mit deutlicher Kontrastmittelaufnahme beschrieben (Abb. 2). Die Ätiologie der Raumforderung blieb vorerst aber unklar. Differenzialdiagnostisch wurde von den Kollegen der Radiologie ein neuroendokriner Tumor, ein gastrointestinaler Stromatumor, ein Leiomyom oder ein ektopes, hyperproliferiertes Schilddrüsengewebe postuliert. Der Patient wurde auf der Station weiter klinisch überwacht, mittels hochdosierter Protonenpumpeninhibitoren (PPI) behandelt, und das Hämoglobin wurde engmaschig kontrolliert und eine erneute endoskopische Abklärung in Endosonografie-Bereitschaft geplant. In der erneuten gastroskopischen Untersuchung konnte der Befund nochmalig dargestellt werden, und es gelang die Entnahme einiger Proben zur histologischen Untersuchung. Auf eine obere Endosonografie wurde bei deutlicher Lumeneinengung durch den Befund vorerst verzichtet.
Diagnose
In der histologischen Aufarbeitung fanden sich Zellen eines Adenokarzinoms, morphologisch und immunhistochemisch vereinbar mit Metastasen eines follikulären Schilddrüsenkarzinoms (Abb. 3 links).
Verlauf
In der inzwischen natürlich erfolgten Durchsicht der Akten wurde der Patient im Jahr 1996, also vor fast 30 Jahren, aufgrund eines gut differenzierten follikulären Schilddrüsenkarzinoms komplett thyreoidektomiert.
Bis ins Jahr 2007 erfolgten insgesamt 3 Radiojodtherapien bei jeweils leichtem Anstieg des Thyreoglobulins. Posttherapeutisch erfolgte zuletzt im Jahr 2007 eine Jod-131-Ganzkörperszintigrafie ohne Mehranreicherung bei bereits damals leicht erhöhtem Thyreoglobulin (2.5 µg/l [Norm 1.6 bis 61.3µg/l]). Eine kleine Mehranreicherung paraösophageal links wurde im PET-CT im Jahr 2008 erstmalig beschrieben, und die Läsion in diesem Bereich war dann in einem PET-CT in 2015 grössenprogredient mit damals 1 x 1 cm. Endoskopisch und endosonografisch wurde diese Läsion damals abgeklärt und als mögliches Gefässkonvolut interpretiert. Weitere Abklärungen und Kontrollen diesbezüglich erfolgten nicht.
Der nun deutliche Anstieg des Thyreoglobulins auf 2782 µg/l (Norm 1.6 bis 61.3µg/l) mit zuletzt vorhandenem Wert von 9.5 µg/l im April 2008 und die immunhistochemisch bestätigte Expression von Thyreoglobulin in den Tumorzellen (Abb. 3 rechts) bestätigte nun eine Metastase des Schilddrüsenkarzinoms. Aktuell war die Läsion deutlich grösser (3.2 x 3.3 x 5.3 cm) als noch im Jahr 2015 (1 x 1 cm).
Die ösophageale Metastase bestand somit vermutlich seit mindestens 15 Jahren, war nun deutlich grössenprogredient und hatte aktuell zu einer Sickerblutung im Bereich der Läsion geführt. Eine Radiojodtherapie zum jetzigen Zeitpunkt war aufgrund der Grösse der Metastase, der bereits dreimal durchgeführten Radiojodtherapie und der fehlenden Jodaufnahme in der letzten posttherapeutischen Jod-131-Ganzkörperszintigrafie 2007 bei bereits damals erhöhtem Thyreoglobulin und nachgewiesener Pathologie im Bereich des Ösophagus nicht mehr möglich.
Aufgrund des Alters des Patienten sowie der Lokalisation der Metastase kam auch eine chirurgische Sanierung eher nicht infrage. Wir empfahlen dem Patienten darum eine Radiotherapie, mit welcher auch der Patient einverstanden war. Inzwischen wurde der Patient auch erfolgreich mit 25 x 2 Gy palliativ bestrahlt. Komplikationen des lokalen Befundes sind keine mehr aufgetreten. Die Bestrahlung wurde gut toleriert bis auf eine passagere Odynophagie.
Kommentar
Die Wichtigkeit der Anamnese und die Informationen betreffend der Vordiagnosen sind auch in diesem Fall eindrücklich. Die Anamnese mit Verdacht auf einen gastrointestinalen Blutverlust liessen uns rasch in die Richtung der Endoskopie als diagnostisches Mittel der Wahl denken. Endoskopisch fand sich dann eine Raumforderung im proximalen Ösophagus als Ursache. Die Diagnose des metastasierten Schilddrüsenkarzinoms liess sich histologisch, immunhistochemisch und bildgebend sichern.
In der Literatur finden sich sehr wenige Fallberichte mit ösophageal metastasierten follikulären Schilddrüsenkarzinomen. Lee et al. (1) berichteten über den zum damaligen Zeitpunkt (2008) offenbar erstmalig beschriebenen Fall einer ösophagealen Metastase eines follikulären Schilddrüsenkarzinoms, welche zwei Jahre nach operativer Schilddrüsenentfernung als mukosale, polypoide Metastase im Ösophagus auftrat. Die Metastase bei diesem Patienten wurde damals endoskopisch entfernt und der Patient laborchemisch nachkontrolliert.
Das follikuläre Schilddrüsenkarzinom metastasiert in der Regel eher in die Lungen, die Knochen und das Gehirn (1). Das Gesamtüberleben von kurativ behandelten, mittelalten Patienten mit Schilddrüsenkarzinomen ist ungefähr 80–95 % (2).
Einen ebenfalls ähnlichen Fall beschreiben die Kollegen Akyildiz et al. 2005 (3). Hier wird über ein Hürthle-Zell-Karzinom im Ösophagus berichtet, welches acht Jahre nach subtotaler Thyreoidektomie wegen multipler Knoten in der Schilddrüse auftrat. In diesem Fall wuchs der Tumor jedoch per continuitatem in den Ösophagus hinein. Auch in dieser Arbeit wurde der initiale Befund submukosal im Ösophagus als Hämangiom interpretiert, wie auch in unserem Fall, wo vor neun Jahren die Endosonografie den Verdacht auf ein Gefässkonvolut ergab.
In einem schönen Review aus dem Jahr 2001 berichten E. J. Simchuk, D. E. Low et al. (4) über sechs Fälle von Metastasen im Ösophagus, ausgehend von extraösophagealen Tumoren. Das mittlere Alter der Patienten in der Arbeit lag bei 72 Jahren (Range 68 ± 74). Zwei der primären Tumoren waren Lungentumore, vier waren Brustkrebs. Das durchschnittliche Intervall der Diagnose der Metastase zur Diagnose des Primarius lag bei sieben Jahren bei Patienten mit Brustkrebs, und bei fünf Monaten bei Patienten mit Lungenkrebs. Drei der Patienten wurden aufgrund des stenosierenden Verlaufs der Metastasierung mittels Stenting versorgt, und drei der Patienten starben aufgrund von gastrointestinalen Blutungen.
Autopsiestudien vermuten die Inzidenz von Metastasen im Ösophagus bei Patienten, die aufgrund irgendeiner Krebsart sterben um ca. 3–6 %, wobei Brust- und Lungenkarzinome die häufigsten Primärtumore zu sein scheinen (4). Der erste Fallbeschrieb einer ösophagealen Metastase wurde im Jahr 1942 veröffentlich, wobei hier als Primärtumor ein Prostatakarzinom vorlag (5).
Die Mitbeteiligung des Ösophagus im Rahmen eines anderen Primarius geschieht durch drei verschiedene Mechanismen, wobei der häufigste Mechanismus die direkte Infiltration von benachbarten Organen ist, namentlich Larynx, Hypopharynx, Trachea, Bronchus, Magen und mediastinale Lymphknotenmetastasen. Die anderen beiden Mechanismen sind die lymphogene Metastasierung und die hämatogene Metastasierung. Die Schwierigkeit der Detektion der Metastasen liegt darin, dass die Metastasierung häufig submukosal geschieht und der endoskopische Befund durch die normale darüberliegende Schleimhaut maskiert wird (4).
In dem von uns beschriebenen Fall lag die Zeit zwischen Erstdiagnose des Primarius und Diagnose der symptomatischen Metastase bei 27 Jahren.
Key Messages
• Zur Abklärung einer möglichen gastrointestinalen Blutung gehört die Endoskopie des oberen Gastrointestinaltraktes und bei fehlenden Erklärungen dann auch die des unteren respektive auch des mittleren Magendarmtraktes.
• Die Vorgeschichte des Patienten respektive die Kenntnis um die Vorerkrankungen ist bei unklaren Fällen essenziell.
• Ein patientenorientierter Therapieansatz sollte gerade bei dem immer älter werdenden Patientengut angestrebt werden.
• Metastasen von anderen Primärtumoren im Ösophagus sind selten und stammen hauptsächlich aus Lungen- und Brusttumoren.
Medizinische Klinik
Kantonsspital Frauenfeld
Pfaffenholzstrasse 4
8500 Frauenfeld
peter.schaub@stgag.ch
Institut für Pathologie
Kantonsspital Münsterlingen
CH-8596 Münsterlingen
Chefarzt Innere Medizin
Medizinische Klinik
Kantonsspital Frauenfeld
CH-8501 Frauenfeld
Leiterin Gastroenterologie
Kantonsspital Frauenfeld
CH-8501 Frauenfeld
Die Autorin und die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
• Zur Abklärung einer möglichen gastrointestinalen Blutung gehört die Endoskopie des oberen Gastrointestinaltraktes und bei fehlenden Erklärungen dann auch die des unteren respektive auch des mittleren Magendarmtraktes.
• Die Vorgeschichte des Patienten respektive die Kenntnis um die Vorerkrankungen ist bei unklaren Fällen essenziell.
• Ein patientenorientierter Therapieansatz sollte gerade bei dem immer älter werdenden Patientengut angestrebt werden.
• Metastasen von anderen Primärtumoren im Ösophagus sind selten und stammen hauptsächlich aus Lungen- und Brusttumoren.
1. Belinda Lee, Gary Cook, Lynn John, Kevin Harrington and Chris Nutting. Follicular Thyroid Carcinoma Metastasis to the Esophagus Detected by 18FDG PET/CT. Thyroid 2008. Volume 18; 267-271
2. M J Schlumberger. Papillary and Follicular Thyroid Carcinoma. N Engl J Med 1998; 338:297-306.
3. Murat Akyildiz, Omer Ozutemiz, Fulya Gunsar et al. Esophageal Metastasis Of Hurthle Cell Thyroid Carcinoma Eight Years After A Subtotal Thyroidectomy That Mimicked Esophageal Hemangioma. J Gastroenterol Hepatol . 2005 Oct;20(10):1628-9.
4. E J Simchuk, D E Low. Direct esophageal metastasis from a distant primary tumor is a submucosal process: a review of six cases. Dis Esophagus . 2001;14(3-4):247-50
5. Gross P, Freedman LJ. Obstructing secondary carcinoma of the esophagus. Arch Pathol Lab Med 33; 361-364: 1942
PRAXIS
- Vol. 113
- Ausgabe 10
- November 2024