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Die Einnahme von Multivitaminpräparaten ist ohne Einfluss auf die Mortalität

  • Die Einnahme von Multivitaminpräparaten ist ohne Einfluss auf die Mortalität


Frage

Geht die Einnahme von Multivitaminpräparaten mit einer geringeren Mortalität einher?

Hintergrund

Die Einnahme von Multivitaminpräparaten ist weit verbreitet, allein in den USA nimmt jede dritte Person täglich ein Multivitaminpräparat ein. Weltweit handelt es sich um einen Milliardenmarkt, der unter anderem darauf begründet, dass diese Präparate bessere Gesundheit und/oder ein längeres Leben ermöglichen sollen.

Methodik

Kohortenstudie mit Daten aus drei prospektiven Kohortenstudien aus den USA. Es erfolgte ein propensity score matching, das heisst, Multivitaminpräparate-Einnehmenden wurden möglichst identische Personen (Alter und weitere Faktoren) zugematcht. Der Follow-up-Zeitraum reichte von 1998 bis 2004).

Ein-Ausschlusskriterien

Die Daten stammen von Teilnehmern der National Institute of Health-AARP Diet and Health Studie (327 732 Teilnehmer), der Prostata-, Lungen- und Ovarial Carcinom –
Screening Studie (42 732 Teilnehmer) und der Agricultural Health Studie (19 660 Personen). Von allen Teilnehmern waren detaillierte Daten zum Gesundheitszustand und Lebensstil vorhanden. Alle Teilnehmer waren gesund, litten insbesondere nicht an chronischen Erkrankungen.

Intervention

Die Einnahme des Multivitaminpräparates beruhte auf einer Selbstdeklaration, erfasst wurde hierbei der Zeitraum für die Einnahme von 1993 bis 2001.

Outcome

Mortalität im Follow-up Zeitraum 1998–2004.

Studienort

Vereinigte Staaten von Amerika, USA.

Ergebnisse

Unter den Personen, die täglich Multivitamine einnahmen ,
waren 49.3 % weiblich, 11 % Raucher und 42 % hatten einen Collegeabschluss, verglichen mit 39.3 % Frauen, 13 % Rauchern und 37.9 % mit Collegeabschluss unter denjenigen, die keine Multivitaminpräparate einnahmen.
Insgesamt traten unter den 390 124 Teilnehmern (medianes Alter 61.5 [IQR: 56.7–66] Jahre, 216 202 [55.4 %] Männer), 164 762 Todesfälle in der Follow-up Periode auf.
Die für zahlreiche Faktoren (Alter, Ethnie, Rauchen, körperliche Aktivität, BMI, Beziehungsstatus, Alkohol- und Kaffeekonsum) korrigierte Einnahme von Multivitaminpräparaten war nicht assoziiert mit einer geringeren Gesamtsterblichkeit in der ersten Hälfte der Follow-up Periode (1.04; 95 % CI, 0.99–1.08) oder der zweiten Hälfte des Follow-up (HR, 1.04; 95 % CI, 1.02–1.07).
Die Autoren kommen zur Schlussfolgerung, dass die Einnahme von Multivitaminpräparaten in ihrer Studie nicht mit einem Überlebensvorteil verbunden war.

Kommentar

  • Der Benefit durch die Einnahme von Vitaminpräparaten wird höchstwahrscheinlich massiv überschätzt, wie ­Studien zu einzelnen Vitaminen, wie Vitamin D, Vitamin B12, ­Vitamin A und E bereits zeigten.
  • Diese Studie zeigt an einem grossen Sample, dass dies auch für Multivitaminpräparate gilt. Eine Stärke der Studie ist die Korrektur der Ergebnisse für zahlreiche, die Lebenserwartung beeinflussende Faktoren, wie körperliche ­Aktivität, Rauchen, BMI und Alkoholkonsum.
  • Trotz der Korrekturen, respektive des Propensity-Score Matchings, handelt es sich dennoch nicht um einen prospektive RCT und mögliche Einflussfaktoren, wie dass im Verlauf erkrankte Personen eher ein Multivitaminpräparat einnahmen, konnten nicht ausgeschlossen werden. Insgesamt erhärtet die Studie anhand eines grossen Samples eine Datenlage, die keinerlei Benefit für die Einnahme von Vitaminen zeigt.
Prof. Dr. Dr. med.Thomas Rosemann

Institut für Hausarztmedizin
Universitätsspital Zürich
Pestalozzistrasse 24
8091 Zürich

thomas.rosemann@usz.ch

Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

JAMA Network Open. 2024;7(6):e2418729. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.18729