Infektiologie und Reisemedizin

Was ist neu 2019?

Virus Hepatitis A – E

Suche die chronische, asymptomatische Virushepatitis! Erkenne die Leberfibrose! Die chronische Hepatitis-B-Leberentzündung kann mit Dauertherapie sicher unterdrückt werden, die Heilung aber ist selten. Die orale Hepatitis-C-Therapie heilt in >90% die Infektion und wird von den Kassen bezahlt. Hepatitis E wird durch Schweine- und Wildfleisch oder fäkal oral übertragen. Sie ist eine Differentialdiagnose der akuten Hepatitis. Die Diagnose erfolgt mittels HEV-RNA Bestimmung im Blut, die Heilung ist spontan.



Die Virus-Hepatitis-Infektionen verlaufen in der Regel stumm. Nur wer sucht, findet die Hepatitis Infektionen! Im Gegensatz zu früher bedeutet das Finden einer Virushepatitis heute immer eine therapeutische und prognostische Konsequenz. Bei der Hepatitis C wird heute jede Infektion, unabhängig, ob die Leber erkrankt ist, behandelt. Virus-Hepatitis-Infektionen sind übertragbar. Nur bei einem Teil der mit Hepatitisviren infizierten Patienten entsteht aber eine Lebererkrankung. Die beste Methode, den Krankheitsschweregrad zu diagnostizieren, bleibt die Leberbiopsie. Die Messung der Elastizität der Leber (Fibroscan oder Share Wave Messung) kann diese aber oft ersetzen. Auch die Laborwerte lassen das Risiko für Leberfibrose erkennen. Eine zentrale Funktion haben hier die GOT/AST und die Thrombozytenzahl (APRI Score: [(AST / ULN AST) x 100] / Thr. (109/l)]).

Hepatitis A: Die Schweizer Bevölkerung hat wieder eine geringere Immunität gegen Hepatitis-A-Virus-Infektionen. In der Schweiz wurden 1988 noch 628 akute Hepatitis-A-Fälle gemeldet (9,5/100000 Einwohner), 2016 waren es nur noch 43 Fälle (0,5/100000 Einwohner). 2018 waren es wieder 103 Fälle. Eine akute Hepatitis-A-Infektion führt häufig zu Ikterus, einer mehrwöchigen Erkrankung, Arbeitsausfall und einem Ansteckungsrisiko für die Umgebung. Erhöhtes Ansteckungsrisiko besteht bei aktiven Drogenkonsumenten und bei Männern, die Sex mit Männern haben. Im Mai 2017 kam es in Berlin zu einer Epidemie unter Männern mit über 100 akuten Hepatitis-A-Fällen, 2017 in Frankreich mit über 800 Männern und im Frühjahr 2013 mit über 350 Fällen in Norditalien. Deshalb soll Hepatitis A bei Risikopatienten geimpft werden. Unverändert entstehen aber nach einer durchgemachten akuten Hepatitis A nie eine chronische Hepatitis und immer eine Immunität und damit nie eine Zweitinfektion.

Hepatitis B: Die Terminologie der Hepatitis-B-Stadien wurde neu modifiziert. Heute unterscheidet man zwischen chronischer Hepatitis-B-Virus-Infektion (früher gesundes HBs-Antigen-Trägertum) im Gegensatz zur chronischen Hepatitis bedingt durch das Hepatitis-B-Virus. Die chronische Hepatitis-B-Virus-Infektion zeigt keine Hinweise für eine Lebererkrankung. Die Transaminasen sind normal und die HBV DNA ist in der Regel < 2000 IU/ml. In der Leberbiopsie finden sich weder Entzündung noch Fibrose. Die Fibroscan Messung ist normal. Gegen diese chronische Infektion ohne Lebererkrankung gibt es noch keine Behandlung, die Leber ist noch gesund. In diesem Stadium ist die Infektiosität vorhanden, aber gering, und die Prognose für die Leber günstig. Diese Patienten sollen lediglich einmal im Jahr mittels der Transaminasen überwacht werden. Zudem soll bei der ersten Diagnose eine ausführliche ärztliche Beratung durch einen Hepatologen, respektive einen in Virushepatitis erfahrenen Arzt erfolgen und die Leber-Elastizität mittels Fibroscan oder Share Wave Elastographie (ARFI) als normal dokumentiert werden. Bei HBV-infizierten Patienten über 40 Jahre gibt es immer wieder Fälle, wo trotz normaler Transaminasen eine relevante Fibrosierung besteht, so dass diese gegebenenfalls genauer abgeklärt werden sollten.
Bei der chronischen HBV bedingten Entzündung der Leber ist die Situation anders. Diese Erkrankung muss medikamentös behandelt werden. Eine fortgeschrittene Fibrose benötigt eine lebenslange Virussuppression mit einem Tenofovir-Präparat unabhängig der Viruslast. Patienten, die zwar noch keine relevante Fibrose zeigen, aber eine relevante Aktivität, gemessen an erhöhten Transaminasen und einer erhöhten HBV-Virus-DNA von in der Regel > 20 000 IU / ml, benötigen ebenso eine lebenslange Virussuppression mit Tenofovir. Bei der Tenofovir Dauertherapie konnten bisher keine Virusresistenzen auch nach > 10 Jahren Therapie nachgewiesen werden. Dies im Gegensatz zur heute weitgehend verlassenen Therapie mit Lamivudin. Entecavir, eine mögliche Alternative zur Tenofovir-Therapie, selektioniert zwar nur selten Virusresistenzen, nach Jahren können diese aber auftreten. Diese Option bleibt dadurch die zweite Wahl bei einem Dauer-Therapiekonzept. Neu gibt es alternativ zum herkömmlichen Tenofovir disoproxil das gleich wirksame Tenofovir alafenamid. Letzteres kann 10 Fach tiefer dosiert werden und weist keine ossären oder renalen Nebenwirkungen auf, wie sie bei Tenofovir disoproxil sehr selten beobachtet werden können. Allerdings liegt der Preis des Tenofovir alafenamid doppelt so hoch, wie beim Generikum des Tenofovir disoproxil.
Jährlich werden über 1300 neue chronische Hepatitis-B-Patienten durch die obligatorischen Labormeldungen vom BAG in der Schweiz erfasst. Ursache dafür ist die Migration. Bei Menschen mit Migrationshintergrund, sei es Südeuropa, Osteuropa, Asien oder Afrika wurde die Infektion fast immer bei der Geburt oder in den ersten Lebensjahren akquiriert. Damit ist der Geburtsort entscheidend für die Risikobeurteilung. Es ist sinnvoll, die Geschwister eines Indexpatienten gegen Hepatitis B zu testen. Sichergestellt werden muss, dass die Angehörigen im gleichen Haushalt eines Indexpatienten effektiv gegen Hepatitis B geimpft worden sind. Die in der Kindheit akquirierte chronische Hepatitis B ist kaum je heilbar. Die Primoinfektion im Erwachsenenalter hingegen führt in 90% zu einer spontanen Ausheilung.
Das Schwangerschaftscreening hat zum Ziel, bisher nicht erkannte Hepatitis-B-Infektionen aufzudecken. Dies hat für die Verhinderung der Übertragung grosse Konsequenzen. Ist die Virusreplikation bei der Mutter im letzten Trimenon hoch (> 20 000 IU / ml) erfolgt heute eine präventive antivirale Therapie im letzten Trimenon, um das Übertragungsrisiko bei der Geburt zu senken. Bei der Geburt erfolgt innerhalb der ersten Stunden nach Geburt eine passive Impfung mit Hepatitis-B-Immunglobulin und später während den ersten 6 Monaten die reguläre aktive Hepatitis-B-Impfung. Eine Sectio Entbindung ist nicht zwingend notwendig. Stillen ist erlaubt.

Hepatitis D: Die Delta Hepatitis ist eine Superinfektion auf eine Hepatitis-B-Infektion. Deshalb müssen bei jedem Hepatitis-B-infizierten Patienten einmal im Leben auch die Hepatitis-D-Antikörper bestimmt und dokumentiert werden. Anders als bei der Hepatitis B gibt es aber unverändert keine sinnvolle, etablierte Behandlung der glücklicherweise seltenen Hepatitis D. Eine Therapie der zu Grunde liegenden B Infektion nützt in der Regel nicht.

Hepatitis C: Neu ist, dass die Hepatitis-C-Virus-Infektion durch eine kurze, wirksame, hervorragend verträgliche, oral eingenommene Therapie geheilt werden kann, und dass die Therapie für alle HCV infizierten Patienten in der Schweiz Krankenkassen-pflichtig geworden ist.
Hepatitis-C-Patienten ohne signifikante Leberfibrose werden während 8-12 Wochen behandelt. Wenn das Virus 3 Monate nach Abschluss der Therapie anhaltend nicht nachweisbar ist (> 90 % Wahrscheinlichkeit), müssen keine weiteren Kontrollen mehr gemacht werden. Diese Patienten sind von der Hepatitis-C-Virus-Infektion definitiv geheilt. Auch nach erfolgreicher Viruselimination bleiben die Hepatitis-C-Antikörper positiv.
Das Vorliegen einer fortgeschrittenen Fibrose oder Zirrhose kann die Wahl der Therapieoption und -dauer beeinflussen. Ganz entscheidend ist hier, dass diese Patienten auch nach erfolgreicher Therapie weiterhin hepatologisch bezüglich möglicher Komplikationen der Zirrhose wie Entwicklung einer portalen Hypertension und eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) überwacht werden müssen. Bei Patienten mit Risikoverhalten bezüglich HCV Infektion, insbesondere bei aktiven iv Drogenkonsumenten und MSM verbleibt auch nach erfolgreicher Hepatitis-C-Eradikation ein Risiko einer Wiederansteckung. Auch diese Patienten müssen weiter regelmässig bezüglich einer Reinfektion überwacht werden.
Nachdem der Genotyp des Hepatitis-C-Virus jahrzehntelang der entscheidende Parameter für die Therapiewahl und -dauer war, so spielt er heutzutage nur noch eine untergeordnete Rolle.
Die Hepatitis-C-Patienten werden entweder während 12 Wochen mit der Fixkombination in Form einer Tablette täglich mit Sofosbuvir/Velpatasvir (Epclusa®) oder während 8 Wochen mit der Fixkombination in Form von 1 x 3 Tabletten täglich Glecaprevir/Pibrentasvir (Maviret®) behandelt. Bei Leberzirrhose sind die Therapiekonzepte etwas komplizierter. Die Therapie erfolgt mit 12 Wochen Sofosbuvir/Velpatasvir (Epclusa®), selten mit zusätzlich Ribavirin (Copegus®) kombiniert oder die Alternative mit Glecaprevir/Pibrentasvir (Maviret®) welches aber für 12, selten für 16 Wochen (zum gleichen Preis wie 8 Wochen) eingenommen werden muss. Bei dekompensierter Zirrhose ist Glecaprevir/Pibrentasvir (Maviret®) kontraindiziert und nur eine Therapie mit Sofosbuvir/Velpatasvir (Epclusa®) möglich. Bei chronischer Niereninsuffizienz hingegen ist Sofosbuvir/Velpatasvir (Epclusa®) kontraindiziert und nur eine Therapie mit Glecaprevir/Pibrentasvir (Maviret®) möglich. Unter WWW.SASL.CH können die aktuellen Therapieempfehlungen der Schweizer Hepatologen und Infektiologen abgerufen und ein HCV ADVISOR App gratis heruntergeladen werden.
Hepatitis C wird gelegentlich erst im Rahmen des Schwangerschaftsscreenings bei der Mutter entdeckt. Für Mutter und Kind hat dies im Gegensatz zur Hepatitis B keine relevanten Auswirkungen. Es gibt selten (maximal 5%) ein Übertragungsrisiko während der Schwangerschaft oder während der Geburt auf das Kind. Es konnte nicht überzeugend gezeigt werden, dass ein Kaiserschnitt das Risiko bei monoinfizierten relevant senkt. Eine antivirale Therapie der Mutter während der Schwangerschaft ist kontraindiziert. Sollte eine Übertragung von Mutter auf das Kind stattfinden, hat dies in den ersten Lebensjahren keine gesundheitlichen Konsequenzen. Später kann das Virus wirksam eliminiert werden. Stillen ist mit einer HCV Infektion erlaubt und es besteht kein Übertragungsrisiko.

Hepatitis E: Ursprünglich bekannt wurde diese Infektion wegen der erhöhten Mortalität von schwangeren Frauen in Indien mit einer akuten Hepatitis E vom Genotyp 1. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass das Hepatitis-E-Virus auch bei uns sehr verbreitet ist. Bei uns findet sich primär der harmlosere Genotyp 3. Eine Infektion erfolgt häufig über kontaminiertes Schweine- und Wildfleisch. Hepatitis-E-Infektionen können zu einer akuten ikterischen Hepatitis führen. Die Prognose ist günstig und es kommt zu einer Spontanheilung. Hepatitis E gehört daher heute bei jeder akuten unerklärten massiven Transaminasen Erhöhung zur Differentialdiagnose. Die akute Hepatitis E wird durch die Bestimmung der HEV–RNA im Blut nachgewiesen. Die Bestimmung des HEV Antikörpers ist in der Beurteilung wenig hilfreich. Chronische Hepatitis-E-Infektionen kommen nur im Rahmen einer Immunsuppression vor. Sie gehört daher in der Regel nicht zur Differentialdiagnose einer fortgeschrittenen Leberfibrose.

Dr. med. Beat Helbling

Gastroenterologie Bethanien
Gemeinschaftspraxis Magen Darm Leber Galle
Privatklinik Bethanien
Toblerstrasse 51
8044 Zürich

beat.helbling@hin.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel Teilnahme an Advisory Bords von Abbvie und Gilead deklariert.

  • Die Hepatitis A ist vor allem bei Risikogruppen wieder häufiger zu finden.
  • Die Hepatitis B-, C- und D-Infektionen müssen gesucht werden, da sie meistens asymptomatisch sind.
  • Suche Leberfibrosen, die Klinik ist stumm!
  • Hepatitis-B-Infektionen müssen überwacht, Erkrankungen therapiert werden!
  • Die Hepatitis-C-Therapie ist einfach, verträglich, wirksam und wird immer bezahlt!
  • Die akute Hepatitis E ist eine Differentialdiagnose der massiven Transaminasen Erhöhung

der informierte @rzt

  • Vol. 9
  • Ausgabe 4
  • April 2019