- Therapie der Präeklampsie – Ein Update
Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen und insbesondere die Präeklampsie sind auch heutzutage zu einem erheblichen Anteil verantwortlich für mütterliche und kindliche Morbidität und Mortalität. An kausalen Therapiemöglichkeiten fehlt es weiterhin. Doch liegt nach aktueller Datenlage mit der Einnahme von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS) ein wirksames Mittel zur Prävention vor. Dies rückt die Bedeutung des Präeklampsie-Screenings zunehmend in den Fokus. Auch wurde im deutschsprachigen Raum im Jahr 2024 die überarbeitete AWMF-Leitlinie «Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen» (1) publiziert, die die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten (insbesondere die antihypertensive und antikonvulsive Therapie) evidenzbasiert darstellt und Empfehlungen zum postpartalen Management aufzeigt.
Hypertensive pregnancy disorders and in particular pre-eclampsia are among the main reasons of maternal and infant morbidity and mortality today. There is still a lack of causal treatment options. However, according to current data, the use of lowdose acetylsalicylic acid (ASS) is an effective means of prevention. This brings the importance of preeclampsia screening increasingly into focus. The revised AWMF guideline “Hypertensive pregnancy disorders” (1) was published in Germanspeaking countries in 2024, which presents the current treatment options (in particular antihypertensive and anticonvulsant therapy) in an evidencebased manner and provides recommendations for postpartum management.
Keywords: Hypertensive pregnancy disorders, pre-eclampsia screening, acetylsalicylic acid, antihyper-tensive therapy, anticonvulsant therapy.
Einführung
Mit einer Inzidenz von 6–8 % sind hypertensive Schwangerschaftserkrankungen heutzutage eine der Hauptursachen für maternale und perinatale Morbidität und Mortalität. In der Schweiz liegt die Inzidenz der Präeklampsie bei ≤ 2 %, somit sind pro Jahr ca. 1800–1900 Frauen hiervon betroffen (2). Die Definition der Präeklampsie wurde in Anlehnung an die Empfehlungen der «International Society for the Study of Hypertension in Pregnancy» (ISSHP) aus dem Jahr 2018 erweitert (3). Somit bedarf es nun nicht mehr zwingend einer signifikanten Proteinurie ≥ 300mg/d oder eines Protein/Kreatinin-Quotienten von ≥ 30mg/mmol zur Diagnosestellung. Nach der neuen Definition muss zur Diagnose Präeklampsie eine neu in der Schwangerschaft und nach 20 Schwangerschaftswochen aufgetretene Hypertonie begleitet werden von mindestens einem der folgenden Kriterien: maternale Organdysfunktion (Niere, Leber, Lunge, hämatologische oder neurologische Beteiligung) und/oder fetale Wachstumsrestriktion.
Neuere Daten belegen zudem das erhöhte Risiko für kardiovaskuläre Langzeitfolgen bei Frauen mit Status nach Präeklampsie. Sie zeigen ein 4-fach erhöhtes Risiko für eine spätere arterielle Hypertonie und ein 2-fach erhöhtes Risiko für eine ischämische Herzerkrankung, einen cerebralen Insult oder sonstige thromboembolische Ereignisse.
Auch weiterhin existiert keine kausale Therapie der Präeklampsie. Umso wichtiger ist daher die frühzeitige Risikostratifizierung mittels Prädiktion und Prävention. Zudem können biochemische Marker die Diagnosestellung auch frühzeitig mit oder bereits kurz vor Auftreten der klinischen Symptome vereinfachen und untermauern.
Prävention
Es fehlt zwar weiterhin an kausalen Therapien, jedoch konnte in der Prävention in den letzten Jahren niedrig dosiertes Aspirin (100-150mg täglich) etabliert werden. Mit der Einnahme sollte jedoch frühzeitig begonnen (vor 16 Schwangerschaftswochen) und bis zur 36. Schwangerschaftswoche fortgeführt werden, um das Risiko der Entwicklung einer Präeklampsie signifikant zu senken. Im Hochrisikokollektiv konnte das Risiko zur Entwicklung einer Präeklampsie um 17 % gesenkt werden, mit einer Senkung des relativen Risikos für Frühgeburt um 14 % und um 8 % für perinatales Versterben. Zu diesen Hochrisiko-Faktoren zählen gemäss «National Institute for Health and Care Excellence (NICE)» (4): Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen in einer vorangegangenen Schwangerschaft, chronische Nierenerkrankungen, Autoimmunerkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes oder Antiphospholipidsyndrom, Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2 und chronische Hypertonie. Liegt mindestens einer dieser Faktoren vor, sollte die Schwangere niedrig dosiertes Aspirin einnehmen. Ebenso wird die Einnahme von ASS empfohlen bei Vorliegen von mindestens zwei moderaten Risikofaktoren. Hierzu zählen: Nulliparität, Alter von 40 Jahren oder älter, mehr als 10 Jahre Abstand zur vorherigen Schwangerschaft, BMI von ≥ 35 kg/m2 bei Erstkonsultation, Präeklampsie in der Familienanamnese und Mehrlingsschwangerschaft. 2017 konnte im «ASPRE-Trial» (5) gezeigt werden, dass 150 mg Aspirin die Entwicklung einer «Preterm-Präeklampsie» um 60 % reduzieren konnten, die Entstehung einer «early-onset Präeklampsie» (vor 34 Schwangerschaftswochen) konnte sogar um bis zu 90 % reduziert werden. Diese Resultate konnten durch neuere Meta-Analysen bestätigt werden. Als kostengünstiges und nebenwirkungsarmes Medikament hat ASS somit mittlerweile einen grossen Stellenwert in der Prävention der Präeklampsie.
Ersttrimester-Screening auf Präeklampsie
Risikofaktoren gelten jedoch weiterhin als zu ungenau in der Vorhersage der Präeklampsie. Exakter kann das Hochrisiko-Kollektiv im ersten Trimenon, analog zum Aneuploidie-Screening, identifiziert werden. Hierbei handelt es sich um einen Algorithmus aus mütterlichen Risikofaktoren, mittlerem arteriellem Blutdruck (MAP), mittlerem Pulsatilitätsindex der Aa. uterinae (mittels Doppler-Sonographie ermittelt) und dem proangiogenen Protein «placental growth factor» (PlGF), bestimmt im mütterlichen Serum (6). Mit dieser Kombination lassen sich 90 % der frühen Formen der Präeklampsie (mit Entbindung vor 32 Schwangerschaftswochen) und 75 % der Erkrankungen vor 37 Schwangerschaftswochen vorhersagen, mit einer falsch-positiven Rate von 10 %. Auf dieser Grundlage empfiehlt die aktualisierte AWMF-Leitlinie ein flächendeckendes Angebot dieses Screenings.
Klinisches Management bei Präeklampsie
Eine wesentliche Bedeutung in der Behandlung der Symptome der Präeklampsie hat die antihypertensive Therapie. Hier hat in den letzten Jahren ein wahrhafter Paradigmenwechsel stattgefunden, was in der aktualisierten AWMF-Leitlinie deutlich gemacht wurde. Insbesondere durch die CHIPS- (7) und CHAP-Studie (8) konnten Werte ≤ 135 mmHg systolisch und ≤ 85 mmHg diastolisch als Zielwerte in der medikamentösen Blutdruck-Einstellung etabliert werden. Dies bedeutet, dass Frauen mit Blutdruckwerten ≥ 140 mmHg systolisch und/oder ≥ 90 mmHg diastolisch medikamentös behandelt werden sollten. In der Schweiz gilt als Mittel der 1. Wahl Labetalol (Trandate), Mittel der 2. Wahl ist Nifedipin (Adalat). Bei Kontraindikationen gegen die ersten beiden Medikamente ist Methyldopa als Alternativpräparat verfügbar (Tab. 1). Als Grundprinzip der Initiierung einer antihypertensiven Therapie gilt, langsam und niedrig dosiert zu beginnen. Denn eine zu rasche Senkung des maternalen Blutdrucks birgt die Gefahr einer uterinen Minderperfusion und somit einer Mangelversorgung des Feten. Zudem ist zu beachten, dass die aktuelle Medikation reduziert werden sollte, wenn der mittlere diastolische Druck an drei aufeinanderfolgenden Tagen ≤ 80mmHg beträgt. Ein Novum in der aktualisierten AWMF-Leitlinie ist die Empfehlung der Hinzunahme einer zweiten Substanzklasse, sollten die Zielwerte mittels Monotherapie nicht erreicht werden. Dies sollte in Erwägung gezogen werden, wenn die Monotherapie bereits bis zum mittleren Dosierungsbereich gesteigert wurde.
Die medikamentöse Blutdruckeinstellung kann grundsätzlich ambulant erfolgen. Erfüllt die Schwangere jedoch die Diagnosekriterien für eine Präeklampsie, ist eine Hospitalisierung im Zentrum mit einem interdisziplinären Team aus Geburtshilfe, Anästhesie, Neonatologie und ggf. weiteren Disziplinen dringend empfohlen. Abhängig vom Gestationsalter sollte eine Lungenreifungsinduktion zur Verbesserung des neonatalen Outcomes bei potentieller Frühgeburtlichkeit begonnen werden. Je nach Klinik sollte die Schwangere zudem Magnesium intravenös als Krampfprophylaxe erhalten.
Bei Verschlechterung der maternalen oder fetalen Situation bleibt als ultima ratio der Behandlung nur die Entbindung. Hierbei müssen sorgsam die mütterlichen und neonatalen Vorteile und Risiken gegeneinander abgewogen werden. Aber ab der 37. Schwangerschaftswoche wird bei einer Diagnose von Präeklampsie grosszügig die Entbindung empfohlen. Bei stabilem maternalen und fetalen Zustand kann eine vaginale Geburt angestrebt werden.
Auch nach der Entbindung muss die Wöchnerin im klinischen Setting engmaschig überwacht und ihr Blutdruck adäquat eingestellt werden. Die Zielwerte liegen hier bei < 135/85 mmHg.
Langzeitfolgen
Auch nach Abschluss des Wochenbetts hat eine Präeklampsie Folgen für die langfristige Gesundheit der Frau. Sie zeigt ein deutlich erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen mit einem relativen Risiko für Bluthochdruck von 3,7 und für ischämische Herzerkrankungen von 2,16. Zudem konnte eine Verdopplung des Risikos für ischämische Kardiopathien, zerebrovaskuläre Insulte und Thromboembolien in den folgenden 5-15 Jahren nach einer Schwangerschaft mit Präeklampsie nachgewiesen werden. Aus diesem Grund betont die aktualisierte AWMF-Leitlinie die Bedeutung der Präeklampsie-Nachsorge. Hierbei sollten auch die Risiken und möglichen Präventionsmassnahmen in Bezug auf Folgeschwangerschaften thematisiert werden.
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Aerzteverlag medinfo AG
Universitätsklinik für Frauenheilkunde
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Die Autorin hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
- Die Präeklampsie trägt weltweit bedeutend zur Morbidität und
Mortalität von Schwangeren und ihren Kindern bei, auch nach der Schwangerschaft und dem Wochenbett. - An kausalen Therapieoptionen fehlt es weiterhin. Jedoch gewinnt die Prävention mittels Aspirin zunehmend an Bedeutung.
- Es stehen drei Substanzklassen zur medikamentösen Blutdrucksenkung zur Verfügung: Labetalol, Nifedipin und Methyldopa. Auch eine Kombination von Substanzklassen kann bei unzureichender Blutdruckeinstellung erwogen werden. Die medikamentöse Therapie sollte grundsätzlich niedrig dosiert begonnen werden, um die fetale Versorgung nicht zu gefährden.
- Schwangere mit Risikofaktoren sollten so lange wie möglich im ambulanten Setting engmaschig betreut werden. Mit Diagnosestellung ist jedoch eine Behandlung in einem Zentrum notwendig, da nur dort die interdisziplinäre Betreuung rund um die Uhr gewährleistet werden kann.
- Auch jenseits der Gestationsperiode kann das kardiovaskuläre Risiko der Frau und ihrer Kinder durch Prädiktion und Prävention langfristig gesenkt werden.
1. Hypertensive Pregnancy Disorders: Diagnosis and Therapy. Guideline of the German Society of Gynecology and Obstetrics (S2k-Level, AWMF-Registry No. 015/018, March 2019). https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-018.html
2. SGGG Expertenbrief No. Risikospezifizierung Präeklampsie im 1. Trimester. https://www.sggg.ch/fileadmin/user_upload/PDF/57_Risikospezifizierung_Praeeklampsie.pdf
3. Brown MA, Magee LA, Kenny LC, Karumanchi SA, McCarthy FP, Saito S, Hall DR, Warren CE, Adoyi G, Ishaku S, (ISSHP) ISftSoHiP. Hypertensive Disorders of Pregnancy: ISSHP Classification, Diagnosis, and Management Recommendations for International Practice. Hypertension 2018; 72: 24-43.
4. National Institute for Health and Care Excellence (NICE). Hypertension in pregnancy: the man-agement of hypertensive disorders during pregnancy. In: NICE CG 107. Manchester, UK: Na-tional Institute for Health and Clinical Excellence; 2010. http://www.nice.org.uk/guidance/cg107
5. Rolnik DL, Wright D, Poon LCY, Syngelaki A, O‘Gorman N, de Paco Matallana C, Akolekar R, Cicero S, Janga D, Singh M, Molina FS, Persico N, Jani JC, Plasencia W, Papaioannou G, Tenenbaum-Gavish K, Nicolaides KH. ASPRE trial: performance of screening for preterm pre-eclampsia. Ultrasound Obstet Gynecol. 2017 Oct;50(4):492-495.
6. Tan MY, Syngelaki A, Poon LC, Rolnik DL, O‘Gorman N, Delgado JL, Akolekar R, Konstantinidou L, Tsavdaridou M, Galeva S, Ajdacka U, Molina FS, Persico N, Jani JC, Plasencia W, Greco E, Papaioannou G, Wright A, Wright D, Nicolaides KH. Screening for pre-eclampsia by maternal factors and biomarkers at 11-13 weeks‘ gestation. Ultrasound Obstet Gynecol. 2018 Aug;52(2):186-195.
7. Magee LA, von Dadelszen P, Singer J, Lee T, Rey E, Ross S, Asztalos E, Murphy KE, Menzies J, Sanchez J, Gafni A, Helewa M, Hutton E, Koren G, Lee SK, Logan AG, Ganzevoort W, Welch R, Thornton JG, Moutquin JM; CHIPS Study Group*. The CHIPS Randomized Controlled Trial (Control of Hypertension in Pregnancy Study): Is Severe Hypertension Just an Elevated Blood Pressure? Hypertension. 2016 Nov;68(5):1153-1159.
8. Tita AT, Szychowski JM, Boggess K, Dugoff L, Sibai B, Lawrence K, Hughes BL, Bell J, Aagaard K, Edwards RK, Gibson K, Haas DM, Plante L, Metz T, Casey B, Esplin S, Longo S, Hoffman M, Saade GR, Hoppe KK, Foroutan J, Tuuli M, Owens MY, Simhan HN, Frey H, Rosen T, Palatnik A, Baker S, August P, Reddy UM, Kinzler W, Su E, Krishna I, Nguyen N, Norton ME, Skupski D, El-Sayed YY, Ogunyemi D, Galis ZS, Harper L, Ambalavanan N, Geller NL, Oparil S, Cutter GR, Andrews WW; Chronic Hypertension and Pregnancy (CHAP) Trial Consortium. Treatment for Mild Chronic Hypertension during Pregnancy. N Engl J Med. 2022 May 12;386(19):1781-1792.
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- April 2025