Typ-2-Diabetes

Adhärenz und Digitalisierung im Fokus

Die 2. Boehringer Ingelheim Diabetes Key Note Session, die am 5. Dezember 2018 in Bern stattfand, stand im Zeichen der Therapieadhärenz. Prof. Roger Lehmann, Leiter Diabetologie und klinisches Inseltransplantationsprogramm, Universitätsspital Zürich, zeigte eindrücklich auf, was die moderne Diabetes-Therapie leisten und wie die Adhärenz in der Praxis konkret verbessert werden kann. Prof. Andréa Belliger, Prorektorin PH Luzern und Co-Leiterin IKF Luzern, präsentierte im Anschluss, wie digitale Lösungen das Diabetes-Management unterstützen können.



Knapp 400 000 Menschen leben in der Schweiz mit einem Typ-2-Diabetes (T2D). Die Folgen des relativen Insulinmangels können eine Vielzahl von Organen wie Leber, Muskeln, Darm, Gehirn und Niere betreffen. Zudem tragen diabetesbedingte Gefässschädigungen dazu bei, dass 75% aller T2D-Patienten an einem kardiovaskulären Ereignis versterben.
Moderne Therapieoptionen wie beispielsweise SGLT-2-Inhibitoren können die Gesamtmortalität um bis zu 32% senken. Doch in der Praxis nehmen 58% aller Diabetiker in der Schweiz ihre Antidiabetika nicht regelmässig ein, was die Wirksamkeit der Therapie beeinträchtigt. Denn gute Adhärenz ist entscheidend für den Therapieerfolg: Die Gesamtmortalität von Diabetikern mit guter Adhärenz liegt um 28% tiefer als diejenige von Diabetikern mit schlechter Adhärenz.

Je einfacher die Therapie, desto besser die Adhärenz

Ein Hauptgrund für mangelnde Adhärenz ist laut Professor Lehmann, dass Patienten und Ärzte oft unterschiedliche Prioritäten haben, was das Behandlungsziel betrifft: Während der Patient primär Hypoglykämien und Gewichtszunahme vermeiden möchte, hat der behandelnde Arzt ausserdem noch alle anderen Risikofaktoren im Blick, die zu mikro- und makrovaskulären Komplikationen führen können. Der daraus resultierende multifaktorielle Behandlungsansatz kann zu komplexen Therapieplänen mit hoher Tablettenzahl führen, was eine verminderte Adhärenz zur Folge hat. Denn: Je mehr Tabletten ein Patient einnehmen sollte, desto weniger genau hält er sich an den Therapieplan. Helfen kann hier, den Therapieplan zu vereinfachen, was sich beispielsweise durch die geschickte Wahl von Kombinationspräparaten erreichen lässt. So kann die Tablettenzahl reduziert und gleichzeitig ein multifaktorieller Behandlungsansatz verfolgt werden.

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Neben einer Vereinfachung des Therapieplans können vertrauensbildende Erfahrungen mit dem behandelnden Arzt die Adhärenz fördern. Fühlt sich ein Patient vom Arzt ernst genommen und verstanden, steigt seine Motivation – und dies ist ein entscheidender Faktor für den Behandlungserfolg. Zudem ist es wichtig, dem Patienten verständlich und transparent zu erklären, was der Nutzen der einzelnen Medikamente ist. Unterstützend wirken können hier technische Hilfsmittel wie beispielsweise Apps, die dem Patienten aufzeigen, wie sich eine bestimmte Therapie auf sein individuelles Risiko für Folgeerkrankungen auswirken kann.

Diabetes-Management im digitalen Zeitalter

Technische Hilfsmittel werden immer mehr zum festen Bestandteil des modernen Diabetes-Managements. Angetrieben durch den globalen Vormarsch des Smartphones ist Digital Diabetes Care mittlerweile zu einem eigenen boomenden Wirtschaftszweig geworden, wie Professorin Belliger in ihrem Vortrag erläuterte. Als erfolgreichstes Ertragsmodell gelten momentan sogenannte «Bundle Apps», multifunktionale Apps, die mit externen Komponenten wie zum Beispiel mobilen Glukosesensoren gekoppelt werden können. Solche digitalen Lösungen ermöglichen Patienten den Zugriff auf die eigenen Gesundheitsdaten einschliesslich detaillierter Analysen, Visualisierungen und Prognosen. Dies kann nicht nur die Motivation der Patienten fördern, sondern auch den behandelnden Ärzten einen echten Mehrwert bieten.
Ob digitale Lösungen längerfristig dazu beitragen werden, die Adhärenz im Diabetes-Management positiv zu beeinflussen und somit idealerweise die Lebenserwartung von Typ-2-Diabetikern zu steigern, bleibt abzuwarten. Bisher nutzen nur 5% aller Menschen mit Diabetes digitale Hilfsmittel. Fest steht, dass solche Hilfsmittel immer nur unterstützend wirken, niemals aber eine auf Vertrauen basierende, gemeinsame Entscheidungsfindung zwischen Patient und Arzt ersetzen können.

Quelle: Boehringer Ingelheim Diabetes Key Note Session, 5.12.2018, Bern

der informierte @rzt

  • Vol. 9
  • Ausgabe 2
  • Februar 2019