- Erektile Dysfunktion
Für Prof. Dr. Dr. D. Eberli, Zürich, ist das Gespräch über die erektile Dysfunktion (ED) von zentraler Bedeutung, da Männer, die ohnehin selten zum Arzt gehen, von sich aus nur selten auf das Thema zu sprechen kommen. Eine ED tritt altersabhängig auf mit einer Prävalenz von rund 50% im Alterssegment 70-80 Jahre. Ursächlich wird zwischen psychogener und organischer ED unterschieden.
Die ED ist definiert als eine über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten bestehende oder wiederholt auftretende Unfähigkeit, eine ausreichende Erektion für eine befriedigenden Geschlechtsverkehr zu erreichen und/oder aufrecht zu erhalten. Plötzlicher Beginn und situationsbedingte Dysfunktion sprechen für psychogene, schleichender Beginn mit progressiver Verschlechterung und globaler Dysfunktion für eine organische Genese der ED. Ein entscheidender Unterschied ist da Vorhandensein einer morgendlichen Erektion, welche ein starkes Argument gegen eine organische ED ist.
Ursachen der ED
Im klinischen Alltag ist in 50% mit organischen Ursachen, 20% rein psychischen Formen und in 30% mit gemischten Problemen zu rechnen. Der weitaus grösste Teil der organischen Ursachen betrifft mit 70% eine vaskuläre ED, 15% eine medikamentöse Ursache, 6% Operation, Bestrahlung oder Trauma des Beckens und 5% neurologische Formen. Eine medikamentöse Ursache ist bei kardiologischer Behandlung mit Betablockern, Thiaziden und Clonidin in Betracht zu ziehen, bei Psychopharmakotherapie mit Neuroleptika, Antidepressiva und Antipsychotika und bei urologischer Behandlung mit LHRH-Rezeptorantagonisten, 5-Alpha-Reduktasehemmern und Androgenrezeptor-Blockern.
Co-Morbiditäten
Der Zusammenhang von ED mit Allgemeinerkrankungen ist besonders im Umfeld von vaskulären Erkrankungen sichtbar und klinisch bedeutsam. 40% der Männer mit einer ED ohne Herzbeschwerden leiden an signifikanten Stenosen der Koronararterien: die ED als Spitze des Eisberges einer systemischen Gefässerkrankung. 67% von KHK-Patienten erkrankten im Schnitt 38.8 Monate vor der kardialen Diagnose an einer ED. Dieses Phänomen ist erklärbar durch den geringen Durchmesser der penilen Arterien im Vergleich mit den proximalen Koronarien, Carotiden oder femoralen Arterien. Eine vergleichbare Verdickung der Gefässwand führt zu einer höhergradigen Lumenobstruktion, je kleiner der Durchmesser ist. Die KHK und die ED teilen sich gemeinsame Risikofaktoren, die zur endothelialen Dysfunktion führen: Alter, Dyslipidämie, Hypertonie, Diabetes mellitus, Nikotin / Rauchen, Adipositas und Hypogonadismus. Dementsprechend ist auch die vaskuläre Mortalität bei ED um 48% erhöht. Eliminierbare Risikofaktoren für eine ED entsprechen den vaskulären RF: Modifikation Lebensstil, Gewichtsreduktion, Sport, Nikotinstopp, Sistieren von übermässigem Alkoholgenuss und optimale Behandlung von Begleiterkrankungen.
Therapie der ED
Eine gute Therapie der ED zeichnet sich gemäss Patientenwünschen durch Verlässlichkeit, Sicherheit und geringe Nebenwirkungen aus. Ein angemessener Preis, Wirkungseintritt und Wirkungsdauer scheinen vielen weniger wichtig zu sein. Die Behandlungsmöglichkeiten können in nichtinvasive und invasive Massnahmen unterteilt werden, wobei die First-line-Therapie in PDE-5-Inhibitoren besteht, die Second-line in intraurethraler Prostaglandin-Applikation (MUSE), intracavernöser Schwellkörperinjektion (Caverjet) und der Vakuumpumpe. Die Penisprothese schlussendlich repräsentiert die Third-line. In der hausärztlichen Praxis können die beiden ersten Therapiestufen abgedeckt werden. PDE-5-Inhibitoren hemmen den Abbau von cyclischem GMP und führen via Relaxation der glatten Muskulatur im Corpus cavernosum zur Erektion. Derzeit stehen vier Medikamente zur Verfügung: Sildenafil
(Viagra®), Vardenafil (Levitra®), Tadalafil (Cialis®) und Avanafil (Spedra®). Tadalafil zeichnet sich durch eine lange Halbwertszeit von 17.5 Stunden aus und eignet sich als Wochenendpille; für Menschen, die eine punktuelle Behandlung vorziehen, eignen sich Sildenafil und Verdenafil mit Halbwertszeiten um 3-5 Stunden. Avanafil ist ein hoch selektiver und effektiver PDE-5-Hemmer mit schnellem Wirkungseintritt und niedrigem Nebenwirkungsprofil. Tadalafil verursacht als Nebenwirkung eher Rückenschmerzen, Sildenafil eher Sehstörungen und mit Verdenafil ist bei Rhythmusstörungen Vorsicht geboten. Alle können zu Kopfschmerzen und rotem Kopf führen. Trotzdem empfiehlt der Referent, initial hohe Dosen einzusetzen, um dem Patienten die Wirksamkeit der Substanzen vertraut zu machen. Eine absolute Kontraindikation besteht für den gemeinsamen Einsatz mit Nitraten, so ist z.B. in einer Notfallsituation die Einnahme von PDE-5-Inhibitoren unbedingt zu erfragen resp. zu deklarieren. Eine gewisse Vorsicht ist auch bei Aortenstenose, linksventrikulärer Ausflusstraktobstruktion, Hypotonie und Hypovolämie am Platz. Ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt oder Tod konnte in kontrollierten und Postmarketing-Studien nicht nachgewiesen werden. Der Therapieerfolg kann optimiert werden durch sexuelle Stimulation (NO-Freisetzung), Reduktion der Nahrungsaufnahme, Steigerung der Dosis, Training (beste Erfolge erst nach der 9.-10. Einnahme). Tadalafil 5 mg ist zugelassen zur täglichen Einnahme mit dem Ziel, eine natürliche Sexualfunktion zu erreichen, Non-Responder zu behandeln und eine penile Rehabilitation (bis hin zur «Heilung» zu erreichen). Eine Therapie ohne systemische Nebenwirkung ist die transurethrale Medikation mit Prostaglandin (MUSE), die allerdings nur von wenigen Männern geschätzt wird wegen Brennen in der Harnröhre nach Applikation. Auch zur Akzeptanz der Injektion von Alprostadil direkt in den Schwellkörper ist ein hoher Leidensdruck nötig.
Da ein signifikanter Anteil Patienten eine ED nach Tumorprostatektomie aufweist, stellt sich die Frage, ob bei Diagnose eines Prostata-Karzinoms eine totale Prostato-Vesikulektomie in jedem Fall indiziert sei. Oft stehen für moderne Patienten die Lebensqualität und der Erhalt der Sexualfunktion höher als ein Überlebensvorteil von wenigen Monaten. Patienten mit Gleason 3+3 Tumoren sollten grundsätzlich nicht behandelt werden, da in sehr grossen Studien bei diesem Tumormuster niemals Lymphknotenmetastasen nachgewiesen werden konnten. Neue Daten weisen auch darauf hin, dass es genügen könnte, selektiv die aggressiven Herde in der Prostata zu behandeln, was heute mittels fokussiertem hochenergetischem Ultraschall (HIFU) möglich ist. Langzeitstudien werden zeigen, ob mit diesem Verfahren eine langfristige Tumorkontrolle möglich ist, wie häufig Rezidive auftreten und wie oft Salvage-Strategien notwendig sein werden.
Quelle: Forum für Medizinische Fortbildung (FOMF), Zürich, 15.11.2017
Facharzt FMF Innere Medizin und Gastroenterologie
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