- Grippeartige Symptome bei einer Patientin mit paranoider Schizophrenie
Fallpräsentation
Eine 33-jährige Patientin musste wegen einer schweren paranoiden Schizophrenie in einer psychiatrischen Klinik hospitalisiert werden. Es erfolgte eine medikamentöse Einstellung mit Clozapin und Amisulprid. Im Laufe der Hospitalisation klagte die Patientin über zunehmende Müdigkeit, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und trockenen Reizhusten. In der Folge kam es auch zu zunehmender Dyspnoe, so dass die Patientin notfallmässig ins Akutspital verlegt werden musste. Bei Eintritt war die Patientin subfebril und tachykard mit einer Herzfrequenz von 120 pro Minute. Der Blutdruck lag bei 100/50mmHg. In der klinischen Untersuchung fanden sich keine eindeutigen Stauungszeichen. Radiologisch zeigte sich eine knapp kompensierte Lungenzirkulation. Das EKG zeigte keine spezifischen Veränderungen. Im Labor fielen eine deutliche Leukozytose, ein CRP von 287 mg/l (Norm < 10) und ein hochsensitives (hs) Troponin T von 245 pg/l (Norm < 14) auf. Als zusätzliche Untersuchung wurde eine transthorakale Echokardio-graphie durchgeführt. Hierbei zeigte sich eine konzentrische linksventrikuläre (LV) Myokardverdickung, welche inferolateral betont war. Ferner fand sich ein minimer Perikarderguss (Abb. 1). Die LV Ejektionsfraktion (EF) war mit 38% mittelschwer eingeschränkt und es zeigte sich Spontankontrast im LV Apex (Abb. 2). Der globale longitudinale Strain (GLS) war mit -11.4% deutlich eingeschränkt (Abb. 3), was auf eine erhebliche Einschränkung der myokardialen Longitudinalfunktion hinwies. Aufgrund der erhobenen Befunde ergab sich das Bild einer akuten Myokarditis. An welche Ursache hierfür muss bei dieser Patientin im Besonderen gedacht werden?
Kommentar
Differentialdiagnostisch war einerseits eine infektiöse Genese der akuten Myokarditis denkbar. Daneben musste jedoch auch an eine Nebenwirkung von Clozapin, welches kurze Zeit vor der akuten kardialen Erkrankung initialisiert wurde, gedacht werden. Bei möglicher Clozapin-induzierter Myokarditis wurde dieses Medikament umgehend gestoppt und eine medikamentöse Herzinsuffizienztherapie eingeleitet. Fünf Tage nach Sistierung von Clozapin zeigte sich ein Rückgang des CRP auf 123 mg/l und des hs Troponins T auf 39 pg/l. Dies ging sowohl mit einer Verbesserung der LVEF auf 45%, als auch mit einer klinischen Verbesserung einher. Einen Monat später zeigte die Kontrollechokardiographie bei kardial nunmehr beschwerdefreier Patientin eine Normalisierung der Dimensionen des LV Myokards (Abb. 4), welches retrospektiv anfangs durch den entzündlichen Prozess mit konsekutivem intramyokardialem Ödem verdickt war. Ferner fanden sich eine Normalisierung der LVEF auf 55% (Abb. 5) und des GLS auf -21% (Abb. 6).
Die Prävalenz der Schizophrenie liegt bei Erwachsenen bei etwa 1% (1). Der Einsatz von Clozapin ist die Behandlung der Wahl bei schweren, anderweitig therapierefraktären Fällen (2). Neben einer Agranulozytose ist die Entwicklung einer Myokarditis eine der gefürchtetsten Nebenwirkungen von Clozapin. Die Inzidenz der Clozapin-induzierten Myokarditis liegt bei etwa 3% (3), wobei dieses Krankheitsbild wegen seiner klinisch sehr variablen Präsentation vermutlich unterdiagnostiziert wird. Die Genese der Clozapin-induzierten Myokarditis ist unklar. Mögliche diskutierte Ursachen sind unter anderem eine Hypersensitivitätsreaktion Typ I oder ein direkt toxischer Effekt des Medikamentes (4). Typischerweise tritt die Myokarditis relativ früh nach Beginn der Therapie mit Clozapin auf. 87% der Fälle wurden im ersten Monat der Behandlung registriert (5). Eine klare Dosisabhängigkeit scheint nicht zu bestehen; die Myokarditis kann bereits unter tiefen Dosen von Clozapin auftreten (5). Eine möglichst frühe Erkennung des Problems ist von grosser Bedeutung. Als therapeutische Massnahmen müssen Clozapin gestoppt und eine medikamentöse Herzinsuffizienz-Behandlung eingeleitet werden. Bei einigen Fällen wurden auch Steroide eingesetzt (5). Gemäss Literatur geht die Clozapin-induzierte Myokarditis mit einer hohen Mortalität einher. Fatale Verläufe wurden in 1/5 bis 1/3 der Fälle beschrieben (5, 6). Patienten, welche die initiale Phase der Myokarditis überstehen, zeigen aber in der Regel einen guten Outcome mit rascher Verbesserung der kardialen Funktion (5).
Stadtspital Triemli
Klinik für Kardiologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich
Alain.Bernheim@triemli.stzh.ch
Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
1. Goldner EM, Hsu L, Waraich P, Somers JM. Prevalence and incidence studies of schizophrenic disorders: a systematic review of the literature. Can J Psychiatry 2002;47: 833-43.
2. Lieberman JA, Stroup TS, McEvoy JP, Swartz MS, Rosenheck RA, Perkins DO, et al. Effectiveness of antipsychotic drugs in patients with chronic schizophrenia. N Engl J Med 2005;353:1209-2.
3. Ronaldson KJ, Fitzgerald PB, McNeil JJ. Clozapine-induced myocarditis, a widely overlooked adverse reaction. Acta Psychiatr Scand 2015;132:231–40.
4. Kilian JG, Kerr K, Lawrence C, Celermajer DS. Myocarditis and cardiomyopathy associated with clozapine. Lancet 1999;354:1841-5.
5. Bellissima BL, Tingle MD, Cicović A, Alawami M, Kenedi C. A systematic review of clozapine-induced myocarditis. Int J Cardiol 2018;259:122-9.
6. Swart LE, Koster K, Torn M, Budde RPJ, Uijlings R. Clozapine-induced myocarditis. Schizophr Res 2016;174:161-4
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- Vol. 9
- Ausgabe 3
- Mai 2019