Fortbildung - AIM

Fokus auf interdisziplinäre Behandlung und Betreuung

Stomamanagement − Komplikationen vermindern und Lebensqualität schaffen

Die Anlage eines auch vorübergehenden künstlichen Darmausgangs, eines Stomas, stellt für Betroffene eine grosse Belastung dar. Um trotzdem eine hohe Lebensqualität erhalten zu können, ist die Vermeidung von Komplikationen des Stomas von zentraler Bedeutung. Dabei zeigt sich, dass die interdisziplinäre Betreuung auch unter Einbezug der Hausärztin die besten Aussichten auf Erfolg bietet. Im vorliegenden Artikel werden die einzelnen Aspekte einer optimalen Stomaversorgung vorgestellt.



Um die Adhärenz von Patientinnen und Patienten (im Folgenden gilt die weibliche Form für alle Geschlechter) für ihre Stomabehandlung zu fördern und eine möglichst hohe Lebensqualität zu gewährleisten, beginnt die pluridisziplinäre Information und Betreuung der Patientinnen bereits präoperativ. So können Fragen zur Operationstechnik und der Ernährung geklärt werden und Ängste/Vorurteile im Zusammenhang mit dem Stoma abgebaut werden. Wichtig ist auch das präoperative Einzeichnen des Stomas durch die Stomaberaterin, damit die Patientinnen ihr Stoma selbst versorgen können. Dabei werden nebst den anatomischen Begebenheiten (Falten, Knochen, Narben) auch die Fähigkeiten und Gewohnheiten der Patientinnen berücksichtigt. Es kann sein, dass jemand zum Beispiel eine taktile Einschränkung hat, welche postoperativ berücksichtigt werden muss.
Am Stadtspital Triemli erfolgen die kolorektalen Eingriffe gemäss dem ERAS®-Protokoll (enhanced recovery after surgery). Der Erfolg dieses Behandlungskonzepts basiert aus einem Zusammenspiel unterschiedlichster Interventionen (Operationstechnik, Anästhesie, Mobilisation, Ernährung etc.) sowie einer guten Patientinnenedukation und einer aktiven Mitarbeit der Patientinnen. Innerhalb des pluridisziplinären ERAS-Teams nimmt die ERAS-NURSE eine wichtige Rolle als Bezugsperson der Patientinnen ein.

Indikationen

Ein Stoma ist ein temporärer oder definitiver künstlicher Darmausgang. Es kann im Dünn- (Ileostoma) oder Dickdarm (Kolostoma), als doppelläufige, doppelflinten (geformt aus Dünn- und Dickdarm) oder endständige Konstruktion angelegt werden.
Verschiedene Krankheitszustände machen die Anlage eines Stomas notwendig (siehe Tabelle 1 für die häufigsten Indikationen) und dementsprechend ist die Unterbrechung des natürlichen Wegs des Gastrointestinaltraktes durch die Konstruktion eines Stomas in der kolorektalen Chirurgie ein häufiger Eingriff. Dank der Einführung von sphinktersparenden Operationstechniken, ist die Anzahl der definitiven Stomata deutlich zurückgegangen.

Permanent

Die Anlage eines permanenten Stomas erfolgt im Rahmen einer Rektumamputation bei Rektumkarzinom und seltener eines Analkarzinoms. Auch als definitive Lösung bei einer therapierefraktären Stuhlinkontinenz.

Temporär

Die Anlage eines temporären Stomas erfolgt zum Beispiel im Rahmen eines obstruierenden Karzinoms mit Ileus in einem Zustand, in welchem die Patientin eine initiale Resektion nicht toleriert. Häufiger wird dieses Verfahren jedoch angewendet, um eine nachfolgende Anastomose zu schützen, zum Beispiel nach tiefer anteriorer Rektumresektion im Sinne einer temporären Anlage eines doppelläufigen Schutzileostomas.

Dünn- oder Dickdarmstoma?

In der Literatur wird prinzipiell die Anlage eines Ileostomas favorisiert, da es hinsichtlich Komplikation, wie parastomale Hernie, Stomaprolaps, Narbenhernie etc. deutlich besser abschneidet als das Kolostoma. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass eine Dekompression des Dickdarms durch ein Ileostoma bei gut funktionierender Ileozökalklappe ungenügend sein kann. Andererseits ist die Anlage eines Ileostomas technisch häufig einfacher, bedingt durch die Mobilität des Dünndarms. Die Anlage eines Kolostomas bedingt immer eine gewisse chirurgische Mobilisation des Dickdarmes, was mit weiteren Komplikationen behaftet sein kann. In Bezug auf die Ernährung stellt das Kolostoma hingegen die deutlich geringere Herausforderung dar als ein Stoma im Dünndarm – während beim Ileostoma in erster Linie die Flüssigkeits- und Elektrolytresorption beachtet werden muss, ist bei einem Stoma weiter proximal (z.B. Jejunostoma) auch die Nährstoffresorption kritisch.
Die Entscheidung für ein Ileo- oder Kolostoma wird auch durch individuelle Patientenfaktoren beeinflusst: Anatomie, Gewicht und Grösse. Aber auch der Zeitraum, wie lange ein temporäres Stoma bestehen soll, kann die Wahl beeinflussen.

Abb. 1: Präoperative Stomamarkierung Kolo- und Ileostoma.

Stomakonstruktion

Um die Komplikationsraten so tief wie möglich zu halten, ist die korrekte Wahl der Stomaplatzierung entscheidend. Hier ist es zwingend, dass die Patientin präoperativ der Expertin für Stomapflege vorgestellt wird, um in ruhiger Atmosphäre die Lage des zukünftigen Stomas festzulegen (Abb. 1). Die Stomatherapeutin betreut die Patientinnen auch postoperativ und ist die erste Ansprechperson.
Grundsätzlich ist darauf zu achten, das Stoma durch die Rektusmuskulatur zu ziehen, dabei aber den Defekt in der Bauchdecke klein zu halten, um die Gefahr der parastomalen Hernie tief zu halten. Vereinfacht lässt sich sagen, dass der verursachte Defekt nicht grösser sein sollte als zwei Querfinger. In Bezug auf die Anlagetechnik ist die laparoskopische Technik gegenüber der offenen Technik zu bevorzugen.

Komplikationen

Eine parastomale Hernie kann operativ mit einer Netzeinlage oder aber auch konservativ mit einem speziellen Herniengurt behandelt werden (Abb. 2). Grundsätzlich ist auch darauf zu achten, dass die Patientinnen in der ersten Zeit nach der Operation zurückhaltend mit schwerem Heben sind. Sie sollten zu Beginn nicht mehr als 10-15 kg heben. Zu einem späteren Zeitpunkt kann ein speziell angepasster Bauchgurt empfohlen werden, welche die Stomaberaterin anpasst.
Eine frühe Komplikation ist die Nekrose des Stomas (Abb. 3). Diese ist jedoch häufig nur oberflächlich und wird durch das initiale Schleimhautödem verursacht. Normalerweise erholt sich die oberflächliche Nekrose binnen Tagen.
Falls jedoch eine Nekrose alle Wandstrukturen erfasst, lässt dies auf eine Minderperfusion des entsprechenden Darmabschnitts schliessen und bedingt eine chirurgische Neuanlage (Abb. 4).
Häufige Komplikationen sind Hautirritationen, verursacht durch Dünndarmsekret insbesondere beim Ileostoma, wobei hier eine übermässige Flüssigkeitssekretion auch zu einem relevanten allgemeinen Flüssigkeitsverlust führen kann.
Deshalb ist es wichtig, dass die Patientin mit einem Ileostoma im Spital in Kontakt mit der Ernährungsberaterin ist, um zu wissen, was sie bei flüssigem Stuhlgang tun muss.

Ernährungs- und Flüssigkeitsmanagement

Bei einem tiefen Ileostoma ist die Nährstoffresorption vollständig gewährleistet, die Flüssigkeits(rück)resorption, welche zu einem beachtlichen Teil im Kolon stattfindet, ist jedoch reduziert. Liegt das Stoma weiter proximal (beispielsweise beim Jejunostoma) ist die Anatomie mit einem Kurzdarmsyndrom vergleichbar und die Nährstoffresorption und der Ernährungszustand müssen genau überwacht werden. Dementsprechend ist das Ziel der ernährungstherapeutischen Massnahmen beim Ileostoma, eine möglichst gute Flüssigkeitsresorption zu gewährleisten. Dies wird durch die Einnahme iso- bis leicht hypotoner Getränke mit einem hohen Natriumgehalt sowie durch Verhindern einer zu schnellen Darmpassage des Speisebreis erreicht. Da viele Patientinnen mit einem Ileostoma unter onkologischen Erkrankungen leiden, stellt die Prophylaxe oder Therapie einer Mangelernährung ein weiterer wesentlicher Aspekt der Ernährungstherapie dar. Dabei gilt es unnötige diätetische Restriktionen zu vermeiden und mit einer energie- und proteindichten, volumenarmen Ernährung, welche auf viele Mahlzeiten verteilt wird, eine ausreichende Energie- und Nährstoffzufuhr zu gewährleisten. Oft werden auch Trinknahrungen als orale Nahrungssupplemente eingesetzt.
Um all diese verschieden diätetischen Massnahmen miteinander zu vereinbaren und ein genussvolles Essen mit Freude und in sozialer Gesellschaft zu ermöglichen, wird die fachkundige Instruktion und Begleitung von Patientinnen mit Ileostoma durch eine spezialisierte Ernährungsberaterin SVDE empfohlen. Die Ernährungsberaterin ist dabei Teil eines interdisziplinären Behandlungsteam und spricht sich bei Bedarf mit den anderen Fachpersonen (Stomaberaterin, ERAS-Nurse, Chirurgin, Onkologin etc.) ab.

Massnahmen zur Optimierung der intestinalen Flüssigkeits- und Elektrolytresorption

Es gilt zu berücksichtigen, dass für die Flüssigkeits- und Natriumresorption die Osmolarität sowie das Vorhandensein von Glucose eine wichtige Rolle spielt. Die Osmolarität des Speisebreis und der intestinalen Flüssigkeit wird durch verschiedenste Faktoren beeinflusst – Osmolarität resp. Natrium und Glucosegehalt der Getränke, Salzgehalt der Speisen, Sekretion von Magensäure und Verdauungssekreten. Die aufgeführten Interventionen können helfen, die intestinale Flüssigkeitsresorption zu verbessern, deren Effekt soll jedoch stets klinisch evaluiert werden, da die Studienlage nicht eindeutig ist:

Massnahmen zur Verbesserung der intestinalen Flüssigkeitsresorption bei Ileostoma

  • Liberaler/grosszügiger Einsatz von Speisesalz bei den Mahlzeiten (Nachsalzen) und Konsum von salzreichen Snacks wie beispielsweise Salzstangen.
    – Falls eine Abneigung gegenüber sal-zigen Speisen besteht: Einsatz vonSalztabletten (bis zu 7 g Natriumchlorid pro Tag).
    – Reduktion von hypotonen (Wasser, Tee, Kaffee) und hypertonen Getränken (Fruchtsäfte, Limonaden etc.) und steigern des Konsums von isotonen Getränken.
    – Einsatz von oralen Rehydratationslösungen mit einem hohen Natriumgehalt von mindestens 90 mmol/l (Tab. 2).
  • Der getrennte Konsum von Speisen und Getränken zeigt in einer kleinen klinischen Studie mit 10 Patienten keine verbesserte Flüssigkeits- oder Nährstoffresorption. Im praktischen Alltag berichten jedoch viele Patientinnen, dadurch das Stuhlvolumen reduzieren zu können, und haben subjektiv den Eindruck, dass die intestinale Transitzeit weniger schnell sei.

Allgemeine Ernährungsempfehlungen zur Prophylaxe einer Malnutrition und Stuhlregulation beim Stoma

  • Grundsätzlich Verordnung einer energiedichten, volumenarmen Ernährung.
  • Initial reduzierte Nahrungsfaserzufuhr und meiden von Rohkost auf Grund des hohen Volumens und der Verkürzung der intestinalen Transitzeit.
  • Eine Verteilung der Speisen auf 6 – 8 Mahlzeiten pro Tag führt oft zu einer grösseren oralen Energie- und Proteinaufnahme und erfahrungsgemäss ist die intestinale Transitzeit bei kleineren Nahrungsportionen eher langsamer als bei grossen Mahlzeiten.
  • Bei unzureichender oraler Nahrungsaufnahme können Trink-nahrungen eingesetzt werden. Die Osmolarität der Produkte stellt dabei oft einen entscheidenden Faktor der Verträglichkeit dar und hyperosmolare Produkte führen tendenziell eher zu Diarrhoe. Erfahrungsgemäss besser toleriert werden Produkte mit einer Osmolarität unter 350 mosmol/l.
  • Eine allfällige Evaluation individueller Unverträglichkeiten erfolgt unter fachkundiger Begleitung einer Ernährungsberaterin SVDE: eine laktosearme Ernährung ist nicht grundsätzlich indiziert, kann jedoch beim Vorliegen einer Laktoseintoleranz das Stuhlvolumen reduzieren und Verdauungsbeschwerden wie Meteorismus lindern. Bei Meteorismus und flüssigem Stuhlgang kann auch die Wirkung einer FODMAP-armen Ernährung evaluiert werden. Die individuelle Verträglichkeit von potentiell laxativen Nahrungsmitteln wie zuckerreichen Speisen, Kaffee, Alkohol etc. ist sehr unterschiedlich.

Probleme zu Hause

Zu Hause beginnt ein neuer Abschnitt für die Patienten. Sie bewegen sich in der Regel mehr, das Gewicht verändert sich und sie essen anders als während des Spitalaufenthaltes. Das Stoma, welches während des Spitalaufenthaltes noch leicht ödematös war, wird kleiner und flacher und der gespannte Bauch weicher. Die Ausscheidung ist breiig, kann auch sehr flüssig sein. All diese Faktoren können zu Undichtigkeiten oder Hautschädigungen (Hautmazeration) führen (Abb. 5).
Eine Hautmazeration ist Folge einer enzymatischen oder mechanischen Schädigung der Haut, welche durch den aggressiven Stuhlgang beim Ileostoma entsteht. Die Haut wird mit einem Stomapuder (Hydrocolloid in Pulverform, Abb. 6) behandelt, damit die Feuchtigkeit auf der geschädigten Haut gebunden wird und die Grundplatte wieder besser haftet. Oft wird ein Hautschutz eingesetzt. Da der Bauch weicher geworden ist und das Stoma flacher, wird oft von einer flachen Platte auf eine convexe Platte gewechselt (Abb. 7). Die Stomaberatung überprüft die Grösse des Stomas und passt die Schablone an. Durch eine kontinuierliche ambulante Stomakontrolle können mögliche Komplikationen frühzeitig erkannt und behandelt werden. Durch die interprofessionelle Zusammenarbeit fühlt sich der Stomaträger sicher und gut aufgehoben.

Carla Civelli

Stomatherapeutin DVET
Stoma- und Kontinenzzentrum Zürich
eine Fachstelle der Spitex Zürich Limmat AG
Rotbuchstrasse 46
8037 Zürich

stoma@spitex-zuerich.ch

Maja Dorfschmid

BSc Ernährungsberaterin SVDE
Stadtspital Triemli
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

Dr. med. Peter Sandera

FMH Viszeralchirurgie
EBSQ Coloproctology
Stadtspital Triemli
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

peter.sandera@triemli.zuerich.ch

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die Anlage eines Stomas ist in der Abdominalchirurgie häufig.
  • Die Wahl des Stomas hängt ab von verschiedenen Faktoren.
  • Eine interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Ernährungsberatung, Stomatherapeutin und Chirurg, kann die Gefahr einer begleitenden Komplikation deutlich verringern.