Politik Forum

Überblick über das Förderprogramm onkologische Versorgungsforschung

Die Stiftung Krebsforschung Schweiz stellt mit dem Programm «Health Services Research in Oncology and Cancer Care» jährlich rund eine Million Franken für Versorgungsforschungsprojekte zur Verfügung. Drei Förderrunden sind vorbei, in diesem und im nächsten Jahr haben Forschende nochmals die Gelegenheit Projekte einzureichen.



Das Gesundheitswesen steht vor grossen Herausforderungen, dazu gehört der steigende Bedarf an ökonomischen, aber auch personellen Ressourcen. Um Unter-, Über- und Fehlversorgung zu vermeiden und langfristig eine gute Versorgung zu gewährleisten, müssen aktuelle Prozesse im Gesundheitswesen analysiert und neue Konzepte entwickelt werden. Die Versorgungsforschung (engl. health services research, HSR) leistet hier einen wesentlichen Beitrag. Sie untersucht, wie Menschen mit gesundheitsrelevanten Produkten und Dienstleistungen versorgt werden. Im Zentrum stehen dabei vor allem die Qualität, der Nutzen und die Kosten der medizinischen Versorgung. Wobei sich der Begriff Versorgung nicht nur auf Patientinnen und Patienten, sondern auch auf die gesunde Bevölkerung bezieht, beispielsweise in der Prävention (1).
Somit unterscheidet sich die Versorgungsforschung klar von der Grundlagen- und klinischen Forschung. Während die Grundlagenforschung häufig als erste Säule bezeichnet wird und anhand von Zellkulturen, Geweben und Tiermodellen neue Erkenntnisse zu biologischen Prozessen liefert, gilt die klinische Forschung als zweite Säule. Sie untersucht die Wirksamkeit von Therapien an klar definierten und ausgewählten Patientinnen und Patienten. In dieser Logik kann die Versorgungsforschung als dritte Säule der Gesundheitsforschung betrachtet werden (Abb. 1) (1, 2).
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Versorgungsforschung sollen Patientinnen und Patienten, Leistungserbringern und Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft dienen und einen wesentlichen Beitrag zur notwendigen Umstrukturierung und Weiterentwicklung des Gesundheitssystems leisten. Fachpersonen unterscheiden zwischen drei verschiedenen Ebenen: der Makro-, Meso- und Mikroebene. Die Forschung auf der Mikroebene fokussiert auf individuelle Interaktionen zwischen Leistungserbringer und -empfänger. Die Forschung auf der Mesoebene analysiert die Organisation und Erbringung von gesundheitsrelevanten Dienstleistungen und Produkten unter Alltagsbedingungen. Die Makroebene wiederum analysiert das Gesundheitssystem auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene. Meist werden dazu bereits bestehende, hoch aggregierte Daten ausgewertet. Auf der Meso- und Mikroebene hingegen verwenden die Forschenden nicht nur bereits bestehende Daten, sondern generieren diese auch selbst (3).

In der Schweiz unternahm die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) zusammen mit der Gottfried und Julia Bangerter-Rhyner-Stiftung im Jahr 2012 erste Bestrebungen zur Stärkung der Versorgungsforschung und lancierte ein fünfjähriges Förderprogramm. Seit 2015 betreibt auch der Schweizerische Nationalfonds das Nationale Forschungsprogramm «Gesundheitsversorgung» (NFP 74). Beide Förderprogramme haben aber nicht primär den Bereich Onkologie im Fokus. Deshalb hat die Stiftung Krebsforschung Schweiz (KFS) mit Unterstützung von der Stiftung Accentus (Marlies-Engeler-Fonds) im Rahmen der Nationalen Strategie gegen Krebs 2014-2020 ein Forschungsprogramm lanciert, das die Untersuchung von krebsbezogenen Fragestellungen aus der Versorgungsforschung unterstützt. Im Rahmen dieses Programms werden seit 2016 einmal jährlich jeweils bis zu vier grosse Forschungsprojekte (mit bis zu 250 000 Franken) und mehrere kleine Pilotprojekte (mit bis zu 75 000 Franken) gefördert. Das Förderprogramm soll den Verbesserungsbedarf in der Versorgung Krebsbetroffener aufzeigen und helfen, die besonderen Herausforderungen im Bereich Onkologie zu meistern (4-6).
Inzwischen hat die KFS das Förderprogramm mit dem Namen «Health Services Research in Oncology and Cancer Care» bereits drei Mal ausgeschrieben. Es wurden insgesamt 106 Forschungsprojekte eingereicht. Der geforderte Gesamtbetrag der eingereichten Projekte beläuft sich auf fast 16 Millionen Franken. In einem zweistufigen Evaluationsverfahren hat ein eigens zusammengestelltes Expertenpanel die eingereichten Gesuche begutachtet. Das Panel setzt sich aus Expertinnen und Experten zusammen, die alle relevanten Themengebiete der Versorgungsforschung abdecken. Die Fachpersonen prüften die Anträge hinsichtlich deren Bedeutung für die onkologische Versorgung, der wissenschaftlichen Qualität und Angemessenheit der gewählten Methoden sowie der Durchführbarkeit und des Leistungsausweises der Antragstellerin oder des Antragstellers.
Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben die Panelmitglieder 22 Gesuche in einer Gesamthöhe von etwas mehr als 3 Millionen Franken bewilligt (Tab. 1). Die geförderten Projekte stammen überwiegend von Forschenden, die an Spitälern und Universitäten oder Fachhochschulen tätig sind, aber auch von Krebsregistern, Krankenkassen und Patientenorganisationen. Eine vorläufige Auswertung der Fachgebiete und Institute der Haupt- und Nebenantragsteller zeigt, dass die beteiligten wissenschaftlichen Disziplinen wie erwartet breit gestreut sind. Thematisch verteilen sich die bewilligten Projekte über alle Ebenen (Makro-, Meso- und Mikroebene) und den gesamten so genannten Patientenpfad (Abb. 2). Dieser setzt bereits bei der Vorsorge von Krebs an und beschreibt den langen Weg über Diagnose, Behandlung bis hin zu Palliative Care oder Survivorship. Wie aus Abbildung 2 und Tabelle 1 ersichtlich, befassen sich die geförderten Projekte im Bereich Vorsorge mit Fragestellungen zu Screening-Programmen und genetischen Tests. Demgegenüber stehen im Bereich Behandlung Fragestellungen zur medizinischen Versorgung und zur Betreuungsqualität im Vordergrund, untersucht werden aber auch gesundheitsökonomische und gesetzgeberische Aspekte. Vier Projekte beziehen sich übergreifend auf die Bereiche Behandlung und Survivorship und wurden deshalb an der Schnittstelle platziert. Wichtige Themen der Projekte im Bereich Nachsorge sind die Versorgung und die Bedürfnisse von Menschen, die im Kinderalter an Krebs erkrankt sind.
Der Überblick über die 22 geförderten Forschungsprojekte zeigt, dass das Förderprogramm «Health Services Research in Oncology and Cancer Care» erfreulich unterwegs ist. In diesem und im nächsten Jahr haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nochmals die Gelegenheit Projekte einzureichen. Ob das Förderprogramm nach Abschluss der offiziellen Dauer ausserhalb der Nationalen Strategie gegen Krebs weitergeführt wird, ist noch nicht klar. Fest steht hingegen, dass die KFS zusammen mit der Krebsliga und anderen relevanten Akteuren eine Community-Building-Tagung organisieren wird. Ziel der Tagung ist, die Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Schweiz im Bereich Versorgungsforschung zu fördern und so die Versorgungsforschung in der Schweiz nachhaltig zu stärken.

Genauere Informationen zum Förderprogramm, zum Expertenpanel, zur Einreichung eines Projektes und zu allen bisher geförderten Projekten sind auf der Webseite der Stiftung Krebsforschung Schweiz einsehbar: www.krebsforschung.ch > Forschungsförderung > Programm zur Stärkung der onkologischen Versorgungsforschung.

Alexandra Uster

MSc ETH
Wissenschaftliche Mitarbeiterin

healthservicesresearch@swisscancer.ch

Dr. Peggy Janich

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

healthservicesresearch@swisscancer.ch

1. Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) Stärkung der Versorgungsforschung in der Schweiz. Swiss Academies Report, Vol. 9, Nr. 1, 2014.
2. Pfaff H, Schrappe M. Einführung in die Versorgungsforschung, 2011. In: Pfaff H, Neugebauer E.A.M., Glaeske G, Schrappe M (eds) Lehrbuch Versorgungs-forschung. Schattauer, Stuttgart.
3. Schwartz FW, Busse R. Denken in Zusammenhängen: Gesundheitssystemforschung. Das Public Health Buch 2: 518-545, 2003.
4. Janich P. Programm Onkologische Versorgungsforschung – Rückblick auf die
erste Ausschreibung. In: Krebsforschung in der Schweiz, S. 37-40, 2017.
5. Nationale Strategie gegen Krebs 2014 – 2020. Verfügbar unter: www.nsk-krebsstrategie.ch > Alle Dokumente.
6. Stiftung Krebsforschung Schweiz. Verfügbar unter: www.krebsforschung.ch > Forschungsförderung > Programm zur Stärkung der onkologischen Versorgungsforschung.

info@onco-suisse

  • Vol. 9
  • Ausgabe 3
  • Juni 2019