Journal Watch

Literaturbesprechung Lungenkrebs-Screening, Bevacizumab bei Ovarialkarzinom, Milchprodukte und Prostatakarzinom

Lungenkrebs-Screening



Luo YH et al. 5-year overall survival in patients with lung cancer eligible or ineligible for screening according to US Preventive Services Task Force criteria: a prospective, observational cohort study. Lancet Oncol 2019; 26: June 26, 2019 http://dx.doi.org /10.1016/ S1470-2045

The National Lung Screening Trial (NLST) randomisierte Patienten mit hohem Lungenkrebsrisiko (55- 74j., aktive Raucher mit > 30 pack years, oder ehemalige Raucher, die vor < 15 Jahren mit dem Rauchen aufgehört hatten) in eine Gruppe mit regelmässigen Thorax-Röntgenbildern (deren «Unwirksamkeit» für diesen Zweck bereits bekannt war) und eine zweite Gruppe mit regelmässigem Thorax-CT Screening (NEJM 2011; 365: 395). Die Studie suggerierte, dass CT Screening eine relative Mortalitätssenkung an Lungenkrebs von 20% erziele. Die Interpretation der Daten ergab (nicht zum ersten Mal in der medizinischen Fachliteratur) eine transatlantische Differenz. Die American Cancer Society war beeindruckt und empfahl den Risikopersonen ein Lungenkarzinom CT-Screening (trotz der vielen falsch positiven Befunde) (CA CANCER J CLIN 2017;67:100–121).
Die Verfasser der deutschen S3 Leitlinie und die Schweizerische Lungenliga waren nicht beeindruckt, und sie empfehlen bis auf den heutigen Tag kein Routine CT-Screening bei schweren Rauchern.

Und jetzt diese Studie, aufgrund der die US Preventive Services Task Force nun CT Screening sogar bei Patienten empfiehlt, die vor mehr als 15 Jahren mit dem Rauchen aufgehört hatten, oder die jünger sind als die Patienten in der NLST Studie. Die Studie zeigt einen ganz anderen Aufbau, und deshalb klare Schwächen im Vergleich zum NLST. Sie ist eine reine Beobachtungsstudie, die Patienten aufnahm, bei denen bereits ein Lungenkarzinom diagnostiziert worden war (nicht etwa Risikopersonen wie in der NLST) mit Charakteristika (Alter, Rauchergewohnheiten), die jedoch die Einschlusskriterien der NLST ausweiteten. Die eine Kohorte setzte sich aus hospitalisierten Lungenkarzinom-Patienten der Mayo-Klinik, Rochester, zusammen, die andere Patientenkohorte war eine Community Cohort aus Olmsted County (beide aus dem US-Bundesstaat Minnesota, Land of 10 000 Lakes, bisher in den Händen der Demokraten, aber ein potentieller «swing State» für die Präsidentschaftswahlen im Jahre 2020 – so watch it guys, and just behave yourselves, will ye!). Die Studie fand, dass die Lungenkrebs-Patienten, die für das NLST nicht qualifiziert hätten, dennoch eine vergleichbare (vergleichbar schlechte) Prognose hatten wie die NLST Studienpatienten. Leider wird, nicht klar, wie viele dieser rauchenden Minnesotans ihre Karzinom-Diagnose via CT Screening erhalten hatten.
Die Schlussfolgerung, auch diesen Risikopatienten müsse ein Lungenkarzinom CT Screening angeboten werden, scheint mir etwas abenteuerlich. Die vorliegende Studie prüfte den Wert der Frühdiagnostik von Lungenkarzinom nicht im mindesten. Logischerweise müsste das NLST mit diesen erweiterten Einschlusskriterien wiederholt werden, bevor ausgeweitete Empfehlungen vorgelegt werden können. Eine neue grosse randomisierte Studie ist allerdings Wunschdenken. Wenn aus europäischer Sicht Risikopersonen, die der NLST-Population entsprechen, nicht zwingend ein CT Screening erhalten sollen, dann gilt das erst recht für die ausgeweitete Population der vorliegenden Kohorten-Studie.
Es ist in summa wohl besser, schlicht und einfach nicht zu rauchen, und zu diesem Thema politische Signale auszusenden. So hätte Bundesrat Dr. med. Ignazio Cassis (MPH!) von vorneherein gar nicht in Betracht ziehen sollen, den Schweizer Auftritt an der EXPO 2020 in Dubai durch die Tabakindustrie zu Reklamezwecken finanzieren zu lassen.

Bevacizumab bei Ovarial- und Mammakarzinom

Tewari KS et al. Final overall survival of a randomized trial of bevacizumab for primary treatment of ovarian cancer. J Clin Oncol 2019; 37: DOI https://doi. org/10.1200/JCO.19. 01009.

Zusammenfassung: GOG-0218 untersuchte bei Frauen mit Ovarialkarzinom (Stadien III und IV) Chemotherapie alleine, Chemotherapie zuzüglich Bevacizumab, und die Kombination zuzüglich Bevacizumab-Erhaltung. Die wichtigsten Schlussfolgerungen dieses Artikels, der die Daten der abschliessenden Studienanalyse vorlegt, sind (im copy paste aus dem Abstract gezogen): «No survival differences were observed for patients who received bevacizumab compared with chemotherapy alone. Disease-specific survival was not improved in any arm. No survival advantage was observed after censoring patients who received bevacizumab at crossover or as second line.» Das tönt sec und abschliessend negativ. Die Diskussion ist jedoch interessant und ausgewogen geschrieben, so dass ich statt einer Würdigung des Papiers aus meiner Feder lieber ein paar allgemeine persönliche Bemerkungen zum Stellenwert von Bevacizumab formuliere.

Pivot X et al. 6 months versus 12 months of adjuvant trastuzumab in early breast cancer (PHARE): final analysis of a multicentre, open-label, phase 3 randomised trial. Lancet 2019; 393: 2591–98

Earl HM et al: 6 versus 12 months of adjuvant trastuzumab for HER2-positive early breast cancer (PERSEPHONE): 4-year disease-free survival results of a randomised phase 3 non-inferiority trial. Lancet 2019; 393: 2599–612

Zusammenfassung: Zwei Studien, praktisch gleich aufgegleist, im selben LANCET-Heft publiziert, und doch mit diametral verschiedenen Schlussfolgerungen. Sowohl die französische (PHARE) als auch die britische Studiengruppe (PERSEPHONE) fragten, ob bei der adjuvanten Therapie des HER2 POS Mammakarzinoms eine Behandlung mit nur 6 Monaten Trastuzumab nicht wirklich schlechter wäre als die Therapie mit der heutigen Standarddauer von 12 Monaten. Die frankophone PHARE Studie folgert, 12 Monate Verabreichungsdauer des Antikörpers bleibe Standard, die anglophile PERSEPHONE Studie kommt genau zum gegenteiligen Schluss. Wer hat Recht? La haute cuisine des essais cliniques de France (PHARE), oder Fish & Chips (PERSEPHONE)? L’Élysée, oder 10 Downing Street?

Milchprodukte, Prostata- und Blasenkarzimon

Preble I et al. Dairy Product Consumption and Prostate Cancer Risk in the United States. Nutrients 2019; 11: 161. doi:10.3390/nu11071615

Acham M et al. Intake of milk and other dairy products and the risk of bladder cancer: a pooled analysis of 13 cohort studies. Eur J Clin Nutr 2019; https://doi.org/10.1038/s41430-019-0453-6.
Vasconcelos A, et al. Dairy Products: Is there an impact on promotion of prostate cancer? A Review of the Literature. Front. Nutr. 2019; 6: 62. doi: 10.3389/fnut.2019.00062Aune D et al. Dairy products, calcium, and prostate cancer risk: a systematic review and meta-analysis of cohort studies.
Am J Clin Nutr. 2015; 101: 87-117. doi: 10.3945/ajcn.113.067157

Prof. em. Dr. med. Martin Fey

Bern

martin.fey@insel.ch

Beratungsmandat bei Nestlé Health Sciences, Epalinges. Aktien bei Novartis Roche und Johnson&Johnson.

info@onco-suisse

  • Vol. 9
  • Ausgabe 4
  • August 2019