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Im Winter wieder häufig

Der sich chronisch räuspernde Patient

Beim chronischen Räusperzwang handelt es sich um einen häufigen Konsultationsgrund in der pneumologischen, HNO- und allgemeinärztlichen Praxis, wobei den Beschwerden diverse Krankheitsbilder zu Grunde liegen können. Das Leitsymptom ist ein Fremdkörpergefühl im Rachen («Chrot im Hals») mit einem damit verbundenen Räusperzwang, begleitend können chronischer Husten, Heiserkeit oder ein Trockenheitsgefühl im Mund-/Rachenraum auftreten. In diesem Artikel werden die typischen Ursachen vorgestellt sowie eine Diagnostik und Therapie.



Beim Räuspern wird willkürlich oder reflektorisch Luft durch die geschlossene Stimmritze ausgestossen. Wenn beispielsweise Fremdkörper in die Atemwege gelangen, erfolgt ein Zusammenschluss der Stimmlippen worauf durch Räuspern oder Husten die Fremdkörper gegen die geschlossene Stimmlippe mit Überdruck wieder ausgestossen werden können. Dieser Mechanismus kann die Stimmbänder und Schleimhäute reizen und dadurch im Sinne eines Teufelskreises ein chronisches Räuspern begünstigen.

Ursachen

Im Zentrum des Krankheitsgeschehens steht die trockene Rachenschleimhaut. Täglich werden im Bereich der oberen Atem- und Speisewege physiologisch ca. 1,5 l Schleim gebildet. Dieser Schleim bildet einen feinen Film auf der Schleimhaut, welcher neben der protektiven Wirkung auch die Gleitfähigkeit der Schleimhaut beim Schlucken sicherstellt. Wird zu wenig Schleim gebildet, nimmt dessen Viskosität zu. Der Schleimfilm ist zäh und haftet auf der Schleimhaut, was zum Fremdkörpergefühl und Zwang des Räusperns führt. Dabei kann zäher, mehr oder weniger farbloser Schleim ausgespuckt werden. Auch eine Überproduktion von Schleim kann die Beschwerden verursachen, da dieser Schleim lokal ebenso als «Fremdkörper» irritieren kann und hinausbefördert werden muss. Als mögliche Ätiologie der Beschwerden muss neben lokalen laryngealen Veränderungen an entzündliche und nicht-entzündliche Erkrankungen der Nachbarorgane gedacht werden (Tonsillen, Nase, Nasennebenhöhlen, gastroösophageale Refluxerkrankung, Zenker-Divertikel, obstruktives Schlafapnoe-Syndrom). Eine der häufigsten Ursachen des Räusperns ist das Postnasal-Drip-Syndrom (PNDS), wobei aufgrund von besonders zähflüssigem Schleim ein andauerndes Fremdkörpergefühl im Hals entsteht. Ein PNDS tritt oft während oder nach viralen oberen Atemwegsinfekten auf. Dauerhafte Entzündungen der Atemwege wie z.B. Asthma bronchiale können zu einer Überempfindlichkeit und Schwellung der Schleimhäute führen und eine Schleimüberproduktion mit häufigem Husten- und Räusperzwang, pfeifenden Atemgeräuschen, einem obstruktiven Bild mit verlängertem Exspirium und in stärkerer Ausprägung Dyspnoe und thorakalem Engegefühl nach sich ziehen. Weitere mögliche Ursachen von chronischem Räuspern sind gastroösophagealer bzw. laryngopharyngealer Reflux, wobei der Reflux von Magensäure die Schleimhäute irritiert, sowie Allergien und selten auch komprimierende Raumforderungen wie z.B. eine Struma. Eine Zusammenstellung der verschiedenen Ursachen ist in Tabelle 1 aufgeführt. 40% aller Patienten mit chronischem Husten bzw. Räusperzwang leiden an PNDS, Reflux oder Asthma, oder auch an einer Kombination aller Beschwerden, welche im Einzelnen vielleicht asymptomatisch gewesen wären, in der Gesamtheit aber zu einer signifikanten laryngealen Reizung und zu einem chronischen Zustand geführt haben. Begünstigt werden die Beschwerden durch ein zu trockenes Ambiente, ungenügende Trinkmenge, Noxen wie Nikotin, Alkohol, Chemikalien, Staub, Medikamente sowie Mundatmung bei behinderter Nasenatmung.

Diagnostik

Die Diagnose wird in den meisten Fällen primär auf Grund der Anamnese sowie des charakteristischen Lokalbefundes mit trockener oder schleimbelegter Rachenhinterwand gestellt. Die Exploration und ggf. ergänzende fachärztliche Untersuchung möglicher ursächlicher oder begleitender Diagnosen wie Asthma, PNDS oder Reflux ist für eine erfolgreiche Therapie wichtig. Erstes Gebot ist es, einen malignen Prozess im Rachen nicht zu verpassen. In diesem Sinne empfiehlt sich bei hartnäckigem Verlauf oder Risikopatienten ein vollständiger fachärztlicher HNO-Status. Diesbezügliche Warnsymptome sind eine Dys- oder Odynophagie sowie diffuse Halsschmerzen, welche bei «benignem» chronischem Räusperzwang in der Regel nicht auftreten. Neben organischen Veränderungen können auch psychosoziale Belastungen im Sinne einer Beschwerdeüberlagerung eine Rolle spielen.

Therapie

Allfällige zu Grunde liegende Erkrankungen sollten entsprechend behandelt werden. Als unterstützende Massnahmen können die Trinkmenge erhöht, Noxen sistiert, die Schleimhaut befeuchtende Massnahmen wie z.B. Nasensalben, Nasen-/Rachensprays, Salzwassergargarismen oder Lutschpastillen versucht werden. Psychosoziale Belastungen sind angemessen zu berücksichtigen. Erste Therapierfolge der Lokalmassnahmen sind frühestens nach ca. 2 Wochen zu erwarten.

Zusammenfassung

Der chronische Räusperzwang ist ein häufiges Beschwerdebild. Im Zentrum der Pathophysiologie steht die trockene oder gereizte Schleimhaut des Rachenraumes. Krankheitsbilder aus verschiedenen Fachdisziplinen können das Leitsymptom einzeln oder in Kombination verursachen und/oder begünstigen, entsprechend erfordert die Diagnostik und Therapie eine interdisziplinäre Denkweise. Die Therapie erfolgt entsprechend der festgestellten Ursachen und kann durch befeuchtende Lokalmassnahmen unterstützt werden.

Dr. med. Nicole Mosca

LungenZentrum Hirslanden
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

n.mosca@lungenzentrum.ch

Prof. Dr. med. Peter M. Ott

2im Grund 21
8123 Ebmatingen

Dr. med. Jürg Barandun

LungenZentrum Hirslanden
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Chronischer Räusperzwang beruht häufig auf trockenen lokalen Schleimhäuten. Das Räuspern selbst führt zu weiteren lokalen
    Irritationen
  • Erkrankungen der Nachbarorgane sind häufige (Mit-)Ursachen von chronischem Räuspern und sollten ausgeschlossen bzw. therapiert werden, wie z.B. Postnasal-Drip-Syndrom, Refluxerkrankung oder Asthma bronchiale
  • Diffuse Halsschmerzen, Dys- oder Odynophagie sind Warnzeichen für das Vorliegen eines Malignoms und sollten HNO-ärztlich abgeklärt werden.

1. Diagnosis and management of laryngopharyngeal reflux disease; Remacle M, Lawson G; Curr Opin Otolaryngol Head Neck Surg, Vol. 14, 2006
2. Laryngitis; Wood JM, Athanasiadis T, Allen J; BMJ, Vol. 349, 2014
3. Postnasal drip and postnasal drip-related cough; Yu JL, Becker SS; Curr Opin Otolaryngol Head Neck Surg, Vol. 24, 2016
4. Praxis der Stimmtherapie: Logopädische Diagnostik, Behandlungsvorschläge und Übungsmaterialien; Bergauer, U, Janknecht, S; Springer, 2011
5. The acoustic cough monitoring and manometric profile of cough and throat clearing; Y. Xiao, D. Carson, L. Boris, J. Mabary, Z. Lin, F. Nicodème, M. Cuttica, P. J. Kahrilas, J. E. Pandolfino; Diseases of the Esophagus, Vol. 27, 2014
6. The larynx in cough; Sandhu GS, Kuchai R; Cough, Vol. 9, 2013
7. Utility of Allergy Testing in Patients with Chronic Laryngopharyngeal Symptoms: Is It Allergic Laryngitis? Brook CD, Platt MP, Reese S, Noordzij JP; Otolaryngol Head Neck Surg, Vol. 154, 2015