- Karpaltunnelsyndrom und Amyloidose
Eine Patientengruppe bei der es Sinn machen könnte, aktiv nach einer Transthyretin-Amyloidose (ATTR) zu suchen, sind die Patienten mit Karpaltunnelsyndrom. Wenn diese operiert werden, lässt sich in 10% bis 15% der Fälle TTR-Amyloid nachweisen. Dies konnte mittlerweile in mehreren kleineren Studien gezeigt werden.
Im Rahmen einer nationalen Auswertung dänischer Versorgungsregister wurde jetzt analysiert, inwieweit es einen Zusammenhang zwischen Karpaltunnelsyndrom und der Häufigkeit von Herzinsuffizienz und anderen negativen kardiovaskulären Ereignissen gibt.
Wie erwartet, war das Karpaltunnelsyndrom mit einem deutlich (nämlich zwölfmal) höheren Risiko einer zukünftigen Diagnose von Amyloidose verbunden (Hazard Ratio: 12,12; 95% Konfidenzintervall: 4,37 bis 33,60). Die Diagnose wurde im Median 3 Jahre nach der Operation gestellt, wobei die absolute Häufigkeit der Amyloidose mit 0.1 Prozent in der Gruppe mit Operation wegen Karpaltunnelsyndrom sehr gering war. Es wurde keine signifikante Interaktion mit dem Geschlecht gefunden (p = 0,5). Das Risiko für andere negative Ereignisse war ebenfalls mit dem Karpaltunnelsyndrom verbunden (p < 0,0001 für Vorhofflimmern, atrioventrikulären Herzblock und Herzschrittmacherimplantation).
Kommentar: Vor allem beim beidseitigen Karpaltunnelsyndrom bei Männern >50 oder Frauen >60 Jahre ohne rheumatoide Arthritis oder Trauma sollte man an eine mögliche spätere kardiale Amyloidose denken. Dabei sind alle 3 Formen (AL-, ATTRwt-, hereditäre Amyloidose) möglich; am häufigsten findet man das Karpaltunnelsyndrom bei der ATTRwt-Amyloidose. Dieses tritt 3-10 Jahre vor der manifesten kardialen Amyloidose auf. Aktuell ist nicht bekannt, wie stark das Herz beim Auftreten des Karpaltunnelsyndroms befallen ist.
Der Handchirurg sollte öfters eine Biopsie des entfernten Gewebes veranlassen. Leider wird diese routinemässig von der Krankenkassen nicht übernommen. Bei positiver Biopsie sollte man aktiv nach einer kardialen Amyloidose mittels Echokardiographie inkl. Speckle-Tracking mit Apical Sparing suchen (bei positivem Echo: DPD-Knochenszintigraphie oder Kardio-MRT). Ebenso sollte man mittels einer Eiweiss- und Immunelektrophorese im Serum und Urin eine AL-Amyloidose ausschliessen. Diese Untersuchungen muss man wahrscheinlich bei negativem Befund im Verlauf wiederholen. Weitere «red flags» sind auch ein enger Spinalkanal oder eine spontan abgerissene Bizepssehne. Eine frühe Diagnose ist bei den heutigen spezifischen Therapiemöglichkeiten entscheidend. Eine Risikostratifizierung mit Hilfe der kardialen Biomarker NT-proBNP und Troponin T ist bei der kardialen Amyloidose möglich.
Ein sehr gutes umfassendes Positionspapier zur Amyloidose wurde von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie im September 2019 publiziert (Yilmaz A et al. Diagnsotik und Therapie der kardialen Amyloidose. Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreilsaufforschung (DGK). Der Kardiologe 2019;13:264-291).
Fazit
Patienten, die sich einer chirurgischen Behandlung eines Karpaltunnelsyndroms unterziehen, haben ein höheres Risiko für Amyloidose und Herzinsuffizienz im Vergleich zu adjustierten Kontrollpersonen aus der Allgemeinbevölkerung. Auch das Risiko für andere kardiovaskuläre Ereignisse ist bei Patienten mit Karpaltunnelsyndrom erhöht.
Quelle: Fosbol EL et al. Association of Carpal Tunnel Syndrome With Amyloidosis, Heart Failure, and Adverse Cardiovascular Outcomes. J Am Coll Cardiol. 2019 Jul 9;74(1):15-23. doi: 10.1016/j.jacc.2019.04.054.
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