Wechsel von Vitamin K-Antagonisten zu Nicht-Vitamin K-Antagonisten erhöht bei gebrechlichen Patienten mit Vorhofflimmern das Blutungsrisiko

Hintergrund

Die meisten Patienten mit einem Vorhofflimmern werden zur Reduktion des Schlaganfallrisikos antikoaguliert; heute vorwiegend mit Nicht-Vitamin K-Antagonisten (DOAC). Es gibt aber noch eine beträchtliche Anzahl Patienten, die schon seit Jahren mit einem Vitamin K-Antagonisten (VKA) antikoaguliert werden. Der Nachteil der VKA ist, dass im Gegensatz zu DOAC regelmässig der INR-Wert bestimmt und eventuell die Dosierung angepasst werden muss. In verschiedenen Studien mit Patienten mit Vorhofflimmern, in denen die Wirksamkeit und Sicherheit von VKA mit DOAC verglichen wurden, schnitten DOACs besser ab.
Ein Teil der Patienten, die seit Jahren mit Vitamin K-Antagonisten behandelt werden, sind älter und auch gebrechlich («frail»). Diese Patienten waren in den genannten Studien nur in sehr kleiner Zahl vertreten.
Aus dem Grund untersuchten die Autoren die Frage der Wirksamkeit und Sicherheit der beiden Arten der Antikoagulation bei älteren, gebrechlichen Menschen.

Einschlusskriterien

  • Patienten mit Vorhofflimmern ≥ 75 Jahre und
  • vor Studienbeginn behandelt mit einem Vitamin K-Antagonisten und
  • Groningen Frailty Index ≥ 3 (ein validierter Fragebogen zur Erfassung der Gebrechlichkeit; Steverink et al. Gerontologist 2001; 41: 236-237) und
  • sie waren bereit auf Nicht-Vitamin K-Antagonisten zu wechseln

Ausschlusskriterien

  • Vorhofflimmern und Klappenerkrankung (mechanische Herzklappe; schwere Mitralstenose)
  • eGFR < 30 ml/min/1.73m2

Studiendesign und Methode

Multizentrische, randomisierte, nicht-verblindete Studie

Studienort

Acht Zentren (Dutch thrombosis services) in den Niederlanden

Interventionen

  • Gruppe 1: Stoppen der Antikoagulation mit einem Vitamin K-Antagonisten und Umstellung auf ein DOAC-Präparat, wenn der INR < 1.3 war. Initial wurde mit einem DOAC-Präparat (konnte von den behandelnden Personen frei gewählt werden) begonnen, wenn der INR-Wert < 2 war. Dabei wurden aber in der Umstellungsphase einige Blutungskomplikationen beobachtet.
  • Gruppe 2: weiterhin Antikoagulation mit einem Vitamin K-Antagonisten

Outcome

Primärer Outcome

  • Eine grosse (fatal, Blutung an kritischem Ort, wie Gehirn oder Retroperitoneum) oder eine klinisch relevante nicht so grosse Blutung (nach internationalen Kriterien klassifiziert)

Sekundäre Outcomes

  • Thromboembolische Ereignisse
  • Tod

Resultat

  • 1330 Patienten wurden randomisiert, 662 wechselten von Vitamin K-Antagonisten zu DOAC. Das mittlere Alter lag bei 83 Jahren; der mediane «Groningen fraility Index» lag bei 4. Fast 40 % waren Frauen.
  • Nachdem 163 primäre Outcomes beobachtet wurden, 101 (15.3 %) im DOAC-Arm und 62 (9.4 %) im VKA-Arm wurde die Studie abgebrochen. Die Anzahl Blutungen war in der DOAC-Gruppe bei der abschliessenden Analyse um fast 70 % höher als in der VKA Gruppe.
  • Bei den thromboembolischen Ereignissen und bei der Mortalität waren keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen beobachtbar.

Kommentar

  • Die Ergebnisse dieser Studie sind ein Hinweis darauf,
    dass bei gebrechlichen Patienten mit Vorhofflimmern
    nach einer Umstellung der Antikoagulation von Vitamin
    K-Antagonisten auf Nicht-Vitamin K-Antagonisten die
    Blutungswahrscheinlichkeit (deutlich) steigt.
  • Mit dieser Studie kann die Frage bezüglich eines Unterschiedes
    an thromboembolischen Ereignissen (ischämischer
    Insult) nicht konklusiv beantwortet werden. In der
    Studie gab es aber keine Hinwiese auf einen Unterschied
    zwischen den beiden Gruppen.
  • Die Autoren kommen zum Schluss, dass bei diesen Patienten
    von einer Umstellung auf Nicht-Vitamin K-Antagonisten
    ohne zwingenden Grund abzuraten ist.
Prof. em. Dr. med. Johann Steurer

Zürichbergstrasse 7
8032 Zürich

johann.steurer@usz.ch

Joosten L.P.T. et al. Safety of switching from a Vitamin K Antagonist of an Non-Vitamin K Antagonist Oral Anticoagulant in frail older patients with atrial fibrillation: Results for FRAIL-AF Randomized Controlled Trial. Circulation 2024; 149: 279 – 289.

Die (verpasste?) Chance der kardiovaskulären Prävention in der Schweiz

Im vergangenen Jahrhundert waren Infektionskrankheiten und die hohen Raten an Kindersterblichkeit die Haupttodesursache in der Schweiz (1). Durch die medizinische Entwicklung und die Entdeckung von Antiinfektiva, insbesondere Antibiotika und eine verbesserte Versorgung, konnte die Lebenserwartung gesteigert und Infektionskrankheiten zurückgedrängt werden (2). Aktuell führen nicht übertragbare Erkrankungen die Ranglisten der Mortalität und Morbidität weltweit sowie in der Schweiz, mit kardiovaskulären Erkrankungen an der Spitze (3,4). In den letzten 100 Jahren ist die Entwicklung der Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD) dem epidemiologischen Wandel und der globalen wirtschaftlichen Entwicklung gefolgt (5). Auch wenn sich in den letzten Jahrzehnten die Behandlung durch Einführung diverser Medikamente, Interventionen und Devices deutlich verbessert hat, sind kardiovaskuläre Erkrankungen für jeden dritten Tod verantwortlich und reflektieren mit der steigenden Prävalenz das ausserordentliche Tempo, das die Gesellschaft eingeschlagen hat (6).

In dieser Ausgabe von PRAXIS beschreiben Rosemann und Kollegen das aktuelle Thema der Prävalenz und Versorgung von kardiovaskulären Erkrankungen in der Schweiz. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Jahre mit verminderter Lebensqualität und Lebenserwartung, sogenannte DALYs (disability-adjusted life years), gelegt (7, 8). Das Konzept wurde 1993 erstmals im Weltentwicklungsbericht der Weltgesundheitsorganisation präsentiert (9). Dieses Konzept stammt ursprünglich aus dem Vereinigten Königreich und möchte sowohl die Lebensqualität als auch die Lebenserwartung als Zielgrösse von medizinischen Interventionen und insbesondere präventiven Bemühungen berücksichtigen (7, 8). Die Zusammenstellung von Rosemann et al. zeigt eindrücklich, dass in Bezug auf präventive Massnahmen in der kardiovaskulären Medizin einerseits ein grosses Potenzial durch die hohe Prävalenz von kardiovaskulären Risikofaktoren vorliegt, andererseits bezüglich der Versorgung und der praktischen Umsetzung dieser präventiven Massnahmen unzureichende Umsetzung auf nationaler und kantonaler Ebene vorliegt (10). Bei der Behandlung und Prävention kardiovaskulärer Krankheiten kommt es zu einigen verpassten Chancen, wenn es darum geht, die kardiovaskuläre Versorgung zu verbessern und unnötige Kosten zu vermeiden. Im Allgemeinen lassen sich diese Möglichkeiten für Verbesserung in sechs Kategorien im Krankheitskontinuum einteilen: Änderung der Risikofaktoren, Patient/-innen-Beteiligung, korrekte Diagnosen, Anwendung von first-line Empfehlungen, Anwendung von fortschrittlichen Behandlungen, Nutzung von zusätzlichen Diensten (11). Neben den sechs Kategorien mit Verbesserungspotenzial wird auch das Ausmass der Probleme dargestellt.
Exemplarisch sei eine Kategorie mit grossem Verbesserungspotenzial herausgegriffen: körperliche Inaktivität. Sie ist, neben ungesunder Ernährung, Tabakkonsum und übermässigem Alkoholkonsum, einer der wesentlichsten verhaltensbedingten Risikofaktoren für Herzerkrankungen (12, 13). Körperliche Inaktivität oder Sitzen wird als das neue Rauchen bezeichnet (14) und führt zu erhöhtem kardiovaskulären Risiko und Mortalität (15). Im Gegensatz dazu senkt körperliche Aktivität das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen (16). Wissen und Aufmerksamkeit für die positiven Effekte von Bewegung sind daher wichtige Bestandteile für Prävention in der Bevölkerung. Das Konzept für körperliche Aktivität ist in vielen Aspekten sehr früchtetragend, denn mit wenig Aufwand können sehr hohe Effekte in vielen Bereichen erzielt werden (17).

Neben der Bedeutung für unsere Patientinnen und Patienten stellt kardiovaskuläre Prävention auch ein riesiges Potenzial aus gesundheitsökonomischer Sicht dar (18). Rosemann und Kollegen bewerten das ökonomische Potenzial einer optimalen kardiovaskulären Behandlung in der Schweiz, indem sie direkte und indirekte Kosten von kardiovaskulären Erkrankungen beziffern und das Potenzial für individuelle Gesundheit und vermeidbare ökonomische Belastungen darlegen. Das ungenutzte Potenzial einer optimalen kardiovaskulären Risikofaktorenkontrolle wird mit 69,3 % kumulativer Reduktion der Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen beziffert. Dies würde 9,3 Milliarden CHF pro Jahr sparen und neben sozioökonomischen Aspekten ca. 233 000 DALYs vermeiden. Der vermeidbare sozioökonomische Schaden wird mit 22,6 Milliarden CHF durch optimale kardiovaskuläre Risikofaktorenkontrolle beziffert. Diese eindrücklichen Zahlen sollten als Weckruf für die medizinische Community, aber auch für sämtliche Entscheidungstragende im Gesundheitswesen fungieren. Diese Zahlen sollen auch als Anstoss für ein gemeinsames Anpacken für eine nationale Strategie zur optimalen Kontrolle von kardiovaskulären Risikofaktoren dienen. Nur ein gemeinsamer Ansatz von kantonalen und nationalen Entscheidungstragenden, Vertretenden aus dem Versicherungs- und Bildungswesen, Vertretenden von Patientinnen und Patienten und sonstigen Stakeholdern kann diese unzufriedenstellende Situation in Richtung optimierter Gesundheitsversorgung bewegen.

Gloria Petrasch, MSc, BEd
PD Dr.med. David Niederseer, PhD, BSc
Hochgebirgsklinik Davos
Medizincampus Davos, Davos, Switzerland
Herman-Burchard-Strasse 1
7265 Davos Wolfgang
david.niederseer@hgk.ch

PD Dr. med. David Niederseer

Literatur:
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Chemsex – primär auf ein sexuelles Erlebnis ausgerichteter Drogenkonsum

Drogenkonsum in einem sexualisierten Kontext stellt sowohl spezialisierte Kliniken (psychiatrische Kliniken und Kliniken für sexuelle Gesundheit) als auch die Allgemeinmedizin vor besondere Herausforderungen. Hinzu kommen einige Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung, die zu ungünstigen Auswirkungen in bestimmten Gruppen führen. In diesem Artikel werden evidenzbasierte Strategien zur Schadensminimierung vorgestellt, die in der Primärversorgung leicht angewandt werden können, um Komplikationen zu verringern, Personen mit erhöhtem Risiko zu identifizieren und geeignete Behandlungen einzusetzen.

Einführung

Der Begriff Chemsex entstammt der Gay-Community. Damit bezeichnet wird einerseits der Konsum bestimmter Substanzen (Chems) – meist sind damit Metamphetamin, Gammahydroxybuttersäure (GHB/GBL) und Mephedron gemeint – für ein besseres bzw. intensiveres Erleben der sexuellen Handlungen. Aber auch Arten der Initiierung der Sexualkontakte über spezielle Apps sind mitgemeint. Darüber hinaus umfasst der Begriff ein syndromales Risikoverhalten, ein impulsives Sexualverhalten, körperliche und sexuelle Gewalt, Inkaufnahme der Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten sowie die mit dem Substanzkonsum verbundenen Risiken (1,2,3). Die durch die konsumierten Substanzen induzierte Enthemmung und das gesteigerte Selbstbewusstsein spielen dabei eine wichtige Rolle (4). Chemsex unterscheidet sich von anderen Formen des sexualisierten Drogenkonsums dadurch, dass es primär auf ein sexuelles Erlebnis ausgerichtet ist (2). Die Konsumprävalenz liegt bei 17% der homosexuellen Männer (MSM), welche eine Klinik für sexuelle Gesundheit aufsuchen und bei HIV-Infizierten ist sie höher (5). Viele Autoren schreiben den bekannten erhöhten Substanzkonsum bei homosexuellen Männern zum Teil einem mit sexueller Minderheit verbundenen Stress zu (6, 7). Es handelt sich um Themen wie Stigmatisierung, verinnerlichte Homophobie und gesellschaftliche Ablehnung (8). Angesichts des in der Forschung festgestellten Durchschnittsalters von circa 40 Jahren (9, 10) lässt sich die Hypothese aufstellen, dass Substanzen auch zur Aufrechterhaltung der Sexualität in einer Phase der schwindenden sexuellen Potenz angewendet werden. Die Präferenz der Substanz variiert erheblich je nach Literatur, Kultur und Standort, wobei in der Schweiz eine Neigung zu Methamphetamin und GHB/GBL besteht (11). US-amerikanische Daten zeigen einen Anstieg des Stimulanzienkonsums um 40% allein zwischen 2018 und 2019 sowie einen drastischen Anstieg der Todesfälle durch Stimulanzienüberdosierung (12). Ein deutlicher Anstieg des Metamphetaminkonsums über das letzte Jahrzehnt ist auch für die Schweiz nachweisbar (11).

Die betroffenen Personen sind meist sozial integrierte Männer. Der Konsum ereignet sich in einer Szene, welche für einen nicht involvierten Aussenstehenden kaum bemerkbar ist. Nur ein kleiner Teil der Praktizierenden hält sich für therapiebedürftig (13), spezifische Risiken des Konsums und Verhaltens sind oft schwer adressierbar. Aus diesen Gründen läuft die Gefahr, dass sie in der hausärztlichen Praxis nicht erkannt werden.

Dieser Artikel befasst sich mit Chemsex im Allgemeinen und mit möglichen medizinischen und psychologischen Folgen des Verhaltens. Dargestellt werden zudem Red-Flags, die uns an das Vorhandensein spezifischer Risiken durch Chemsex denken lassen sollten und therapeutische Ansätze werden dargestellt. GHB/GLB verdient angesichts der lebensgefährlichen Überdosierung und der medizinischen Komplexität des Entzugssyndroms seine eigene Diskussion. Aus diesem Grund konzentriert sich der folgende Text auf die in der Schweiz am meisten verbreitete Substanz, Methamphetamin (Crystal Meth).

Methamphetamin

Methamphetamin zählt zu den Stimulanzien, also zu jenen Substanzen, die durch eine erhöhte Verfügbarkeit von Katecholaminen, insbesondere Dopamin, im limbischen System wirken. Die in aller Regel als positiv empfundenen Wirkungen dieser Substanz umfassen eine Euphorisierung, gesteigerte Energie und Konzentration, eine gesteigerte Intensität sozialer Interaktionen, Enthemmung und Neugier. Damit eignet sich die Substanz gut als Faszilitator für sexuelle Experimente, wie es in einer qualitativen Untersuchung zu Konsummotiven von Semple zusammengefasst heisst (14). Aus den Wirkungen lässt sich gut auch die unter Umständen problematische, erhöhte Risikobereitschaft ableiten. Seine Wirkung im Gehirn entfaltet Methamphetamin ähnlich schnell wie Kokain, es hat jedoch mit ca. 10 Stunden eine deutlich längere Halbwertszeit (15). Die Schnelligkeit des Anflutens der Substanz hängt, wie bei allen Substanzen, von der Art der Applikation ab. Intravenöser Konsum führt demnach deutlich schneller zum Einsetzen der Wirkung als z. B. nasaler Konsum. Die Halbwertszeit des Methamphetamins bleibt jedoch unabhängig von der Applikationsform recht konstant (12).

Medizinische Folgen

Die medizinischen Folgen resultieren einerseits aus den direkten Konsequenzen des Substanzgebrauchs, andererseits aus dem sexuellen Verhalten. Häufigste Folgen einer akuten Methamphetaminintoxikation sind Verletzungen, psychische Störungen (siehe unten), Kopf- und Thoraxschmerzen sowie Herzrhythmusstörungen (16,17).

In der medizinischen Akutversorgung kann sich der Methamphetamingebrauch hinter seinen mitunter gravierenden kardiovaskulären Komplikationen verstecken. So finden sich Hypertonie, Aortendissektionen, Infarkte und Arrhythmien sowie Kardiomyopathien als Folge des Konsums (18). Ebenfalls ist ein Zusammenhang zwischen hämorrhagischen Schlaganfällen und Methamphetaminkonsum gezeigt worden (19) und Autopsiestudien an Todesopfern von Methamphetaminüberdosierungen zeigten bei 50% kardiale und bei 20% zerebrovaskuläre Pathologien (20). Neben kardialen Ursachen sind auch das akute Nierenversagen infolge Rhabdomyolyse und Hyperpyrexie als Todesursachen akuter Methamphetaminüberdosierungen dokumentiert (15).

Darüber hinaus finden sich neben den oben bereits erwähnten mikrovaskulären kardialen und zerebralen Schäden auch chronische Nierenschädigungen und Bewegungsstörungen (12). Gewichtsverlust und Mangelernährung aufgrund der appetithemmenden Wirkung des Methamphetamins und der sich bei chronischem Konsum unter Umständen einstellenden Anhedonie sind Symptome, die wahrscheinlich im hausärztlichen Setting am offensichtlichsten sind. Jedoch können diese Symptome bei Unkenntnis des Sexualverhaltens der Patienten fehlinterpretiert werden (15).

Für die Patienten meist schambehaftet sind – als Folge der unter Substanzeinfluss ausgeübten Sexualpraktiken – lokale Traumata und sexuelle Infektionen (5, 21). Gut dokumentiert ist ein Anstieg sexuell übertragbarer Infektionen durch ungeschützten Geschlechtsverkehr (1, 4, 11, 22). Ebenfalls konnte ein Anstieg der Inzidenz an HIV-Serokonversionen unter Chemsex-praktizierenden MSM (oder nur schwule Männer) im Vergleich zu solchen ohne entsprechendes Sexualverhalten gezeigt werden (2). Neben der im Rausch beeinträchtigten Entscheidungsfindung, dem Substanzkonsum als Strategie zum Umgang mit der Stigmatisierung von HIV-Infektionen im Kontext der Sexualität und anderen gemeinsamen Risikofaktoren spielt auch das Übertragungsrisiko durch den intravenösen Methamphetaminkonsum (Slamming) eine Rolle (24). Interessanterweise findet sich bei intravenösem Methamphetaminkonsum im Kontext mit Chemsex ein gegenüber dem intravenösen Konsum anderer Substanzen im Nicht-Chemsex-Kontext erhöhtes Risiko, sich mit HIV zu infizieren (25). Ferner wird Methamphetaminkonsum mit einer schlechten Adhärenz gegenüber antiretroviraler Therapie und Präexpositionsprophylaxe in Verbindung gebracht (26, 27, 28).

Psychische Folgen

Bei Amphetaminkonsum ist das Auftreten psychotischer Zustände und das aggressive Verhalten gut dokumentiert, insbesondere bei Personen mit vorgängiger Veranlagung (17). Schlafmangel und Erschöpfung, die oft mit mehreren Tagen andauernden sexuellen Begegnungen einhergehen, senken die Schwelle für solche Erscheinungen weiter. Bis zu einem Drittel der Amphetaminkonsumenten erfahren psychotische Symptome (29). Als Folge chronischen Stimu-lanziengebrauchs kommt es zu Störungen verschiedener neuro­adaptiver Prozesse. Störungen im Serotonin-, Dopamin- und Glutamatsystem sowie Atrophie des präfrontalen Kortex und der Basalganglien führen zu kognitiven Defiziten und eingeschränkten Exekutivfunktionen (17).

Bei chronischem Konsum sowie bei Entzug der Substanzen finden sich vor allem Symptome wie Energie- und Antriebsminderung, die als Ausdruck einer depressiven Episode verkannt werden können. Depressive Syndrome und Angstsymptome sind ebenfalls häufige Folgen vor allem bei chronischem Methamphetamingebrauch. Im Entzug kommt es ferner zu Gefühlen der Wertlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Anhedonie und gelegentlich sogar Suizidalität (17). Rund ein Viertel der Befragten gab an, dass sich der Konsum negativ auf ihre sozialen Beziehungen auswirkt (10) und dies schwächt einen wichtigen Schutzfaktor für psychische Erkrankungen. Die depressiven und Erschöpfungssyndrome, welche nach Phasen intensiven Konsums (oftmals Wochenbeginn nach durchgefeiertem Wochenende) auftreten, können Arbeitsunfähigkeit bedingen und einen Anlass zur Konsultation des Hausarztes / der Hausärztin darstellen.

Die wichtigsten Komplikationen sind in Tabelle 1 aufgeführt.

Schadensminderung

Trotz der hohen Anzahl selbst berichteter Schäden durch Chemsex-Praktiken hält sich nur ein kleiner Teil der Betroffenen für tatsächlich therapiebedürftig (13). Wie bei anderen Substanzen auch ist Abstinenz nur selten als Option vorstellbar und die meisten Betroffenen stehen der Expertise von suchtmedizinischen Einrichtungen skeptisch gegenüber (21). Somit erstaunt die Therapieabbruchrate von bis zu 50% kaum (30).

Betroffene mit einem aus medizinischer Sicht interventionsbedürftigen Sexual- und Konsumverhalten einer geeigneten und akzeptierten Therapie hinzuführen, stellt also eine grosse Herausforderung dar. Dieser Interventionsbedarf wird weiter unter dem Abschnitt ‚Red-Flags‘ definiert. Nochmals erschwert wird diese Herausforderung durch den ohnehin nicht deckenden Bedarf an spezialisierten Therapieplätzen (31). Denn nicht jeder Psychotherapeut hat Ahnung von den spezifischen Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit Chemsex offenbaren. Dies wiederum reduziert die Akzeptanz der Angebote bei den Betroffenen.

Dem hausärztlichen Grundversorger kommt somit auch hier eine entscheidende Bedeutung zu. Wie beim Konsum anderer Substanzen auch, können schadenmindernde Massnahmen (Harm-Reduction) einen wichtigen Beitrag zur Akzeptanz von Behandlungen und zur Reduktion von gravierenden Folgeerkrankungen leisten.

Die sorgfältige Erstellung eines kardiovaskulären Risikoprofils spielt in Anbetracht der hohen Prävalenz und Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse in dieser Population eine entscheidende Rolle, einschliesslich der daraus abzuleitenden Behandlungen der Folgeerkrankungen (z. B. Hypertonietherapie).

Informationen zu Safer-Use sollten angeboten werden, insbesondere, wenn bekannt ist, dass die Patienten „Slamming“ praktizieren. Auch sollte die Adhärenz an bestehende antiretrovirale Therapien unterstützt und der Zugang zu Prä- und Postexpositionsprophylaxe (PrEP und PEP) hergestellt werden. Die Behandlung in auf HIV-Erkrankungen spezialisierten Kliniken kann signifikant zur Adhärenz beitragen (9). Weitere venerische Infektionen können durch regelmässige Screenings und niederschwellige Partnerbehandlung reduziert werden. Die antibiotische Chemoprophylaxe gegen bakterielle Infektionen wird mancherorts propagiert, bleibt jedoch aufgrund der Risiken der Resistenzentwicklung kontrovers diskutiert (32). Die Konsumenten sind sich in der Regel der Infektionsrisiken bewusst. Hierfür stehen Kliniken, die ein Screening für sexuell übertragbare Infektionen (STI) anbieten, an vorderster Stelle der Screening-, Behandlungs- und Präventionsstrategien (2, 30, 31).
Neben der hier beschriebenen Schadensminimierung sollte auch der psychosoziale Kontext mitberücksichtigt werden. Soziales Engagement hat sich als eindeutiger Schutzfaktor gegen Diskriminierung und Stigmatisierung erwiesen und kann damit das Konsumverhalten sowie die damit verbundenen Schäden verringern (1, 31, 33, 34, 35). Ferner sollte eine klare und offene Kommunikation über Präferenzen, Wünsche und Grenzen gefördert werden, um psychologischen Folgen und Schamgefühlen vorzubeugen und dem Zustandekommen nicht einvernehmlicher Sexualkontakte entgegenzuwirken.

Weitere Ansatzpunkte für Schadensminderung zeigt die Abbildung 1.

Psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlungen

Dem Screening für eigenständige psychische Erkrankungen, insbesondere solcher, deren Symptome auf die Einnahme von Stimulanzien ansprechen (z. B. Depressionen, Ängste, Aufmerksamkeitsstörung und Hyperaktivität) kommt eine weitere wichtige Bedeutung zu und es kann wegweisend für die Auswahl der richtigen fachärztlichen Behandlung sein (36). Dies kann auch die „Notwendigkeit“ des Stimulanzien­konsums im Sinne einer Selbstmedikation reduzieren.

Bezüglich der psychologischen Therapien gibt es Evi­denz für kognitive Verhaltenstherapien, motivierende Gesprächs­führung sowie Matrix-Modell-Interventionen mit einer ge­wissen Superiorität für Kontingenzmanagement (37). Hier geht es darum, die Konsequenzen auf kognitiver Ebene zu modifizieren, um die Abstinenz in einem sozialen Kontext zu erreichen. Brown und DeFulio (38) bestätigen ebenfalls den Nutzen des Kontingenzmanagements mit längeren Ab­stinenzphasen, verbesserter Therapiecompliance und redu­ziertem riskanten Sexualverhalten.

Pharmakotherapie

Angesichts der Schwierigkeiten diese Patienten in das Gesundheitssystem einzubinden und die Therapien auf­rechtzuerhalten, wären evidenzbasierte Pharmako­thera­pien interessant, jedoch sind diese nach wie vor spärlich vorhanden. Substitutionstherapie mit ampheta­min­basier­ten beziehungsweise Dopamin-Agonist-Präparaten haben bisher noch keinen Hinweis auf eine Verringerung des Kon­sums ergeben (39). Vielversprechend sind der Einsatz von Mirtazepin (40) sowie einer Kombination aus Bupro­pion und Natrexon (41) mit entsprechender Reduktion des Verbrauchs. Die jeweiligen Stichprobengrössen in den Un­tersuchungen sind jedoch zu klein und die Patienten­gruppe ist zu heterogen, um die Therapie breitflächig an­wenden zu können. Eine wichtige Entwicklung in der Immuntherapie eröffnet die Möglichkeit von methamphe­taminspezifischen Therapien, welche die pharmakologische Wirkung eines Konsums verringern könnte (42)

Red-Flags, die jedem Arzt / jeder Ärztin auffallen sollten

  • Dem „Anfangsverdacht“ durch den Hausarzt / die Haus­ärz­tin kommt wie bei vielen risikoreichen Verhaltensweisen und Erkrankungen eine wichtige Bedeutung zu, ist dies doch ein Moment, in dem das Thema ergebnisoffen an­ge­sprochen und medizinische Unterstützung angeboten wer­den kann. Gehäufte Krankschreibungen zu Wochenbeginn, Behand­lungen auf Notfallstationen aufgrund oben genannter Symptome bei sonst kardiovaskulär gesunden Patienten und Abszesse oder Einstichstellen sollten den Grund­ver­sorger hellhörig werden lassen.
    Idealerweise entwickelt sich daraus ein Dialog mit der Chance auf eine ausführliche Sexualanamnese und die Mög­lichkeit zu schadenmindernden Interventionen. Sofern mit dem Patienten ein offener Dialog über das Sexual- und Konsumverhalten besteht, sollten folgende, von Herrijgers und Kollegen (43) zusammengefasste Veränderungen An­lass zur Kontaktaufnahme mit einem Spezialisten sein:
  • Zunehmende Chemsex-Episoden
  • Weniger Geschlechtsverkehr ohne „Chems“
  • Kardiovaskuläre Folgeerkrankungen
  • HIV-Infektion
  • Schwindende soziale Netzwerke, sozialer Rückzug, Bruch von Partnerschaften
  • Verlust des Arbeitsplatzes

Schlussfolgerung

Erst jüngst stellte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) noch immer bestehende Ungleichheiten zwischen der physischen und psychischen Gesundheit heterosexueller Menschen im Vergleich mit Menschen des LGBTQ+ Spektrums insbesonders im Hinblick auf Substanz­ge­brauch fest (44). Sorge vor Stigmatisierung und Diskriminierung bilden weiterhin Barrieren für eine an­gemessene medizinische Betreuung (44). Eine offene, vorurteilsfreie und sichere Umgebung sollte in der medi­zinischen Versorgung flächendeckend gewährleistet sein und bildet die Grundlage für sorgfältige Diagnostik und individualisierte Therapien.
Nicht jeder Drogenkonsum (z.B. Cannabis, …) in einem sexualisierten Kontext hat automatisch Krankheitswert. Aus der Sicht der Konsumenten können durch den Chem­sex auch positive Effekte verbunden sein, wie die Zugehö­rigkeit zur entsprechenden Community und die Möglich­keit Ängste in Bezug auf sexuelle Beziehungen zu über­­win­den (45). Den Moment, in dem sich ein Konsum­muster je­doch zu einem problematischen oder relevant gesund­heits­schädigenden Verhalten entwickelt, gilt es zu erkennen und mit dem Patienten zu thematisieren. Den Grund­versorgern kommt hier eine tragende Rolle zu: So können motivierende und schadensmindernde Interven­tionen durch die Grundversorger selbst aber auch die Triagierung und Vermittlung an geeignete Therapiestellen zur psycho­therapeutischen und/oder medikamentösen Weiter- und Mitbehandlung entscheidend und enorm hilfreich sein.
Obwohl soziale Medien und Netzwerk-Apps die Verbrei­tung von Chems erleichtern, können die Informationsvermittlung und die Mobilisierung dieser Unterstützungsnetze auch effektive therapeutische Strate­gien vermitteln. Schlussendlich stellt Chemsex das Gesund­heitssystem vor zahlreiche He­rausforderungen und erfordert einen multidisziplinären Ansatz zum Manage­ment der vielfältigen physischen und psychischen Folgen und Begleiterscheinungen.

Dipl. Arzt Matthew Scott Watson

StockerDocs
Stockerstrasse 42
8002 Zürich

Es bestehen keine Interessenskonflikte

Historie:
Manuskript eingereicht: 23.08.2023
Manuskript akzeptiert: 20.02.2024

  • Chemsex betrifft nicht nur Männer, die Sex mit Männern haben, sondern auch andere soziale Gruppen der LGBTQ+. Sexualisierter Drogenkonsum ist jedoch auch bei heterosexuellen Menschen umfassend dokumentiert.
  • Methamphetamin und GHB/GBL sind häufige Substanzen die bei Chemsex in der Schweiz angewendet werden.
  • Psychische Störungen sowie Herz-Kreislauf und zerebrovaskuläre Komplikationen gilt es unter Methamphetaminkonsum besonders zu achten.
  • Die Therapien sind hauptsächlich psychologisch-psychotherapeutisch, aber einige pharmakologische Therapien zeigen in kleinen Studien vielversprechende Ergebnisse bei der Reduzierung des Konsums.
  • Der Hausarzt / die Hausärztin spielt eine wichtige Rolle bei der Identifizierung von Fällen, der Bewertung des Schweregrads und der Koordinierung der Versorgung. Noch wichtiger ist seine Rolle bei der Schadensminderung.
  • Anhand der hier dargelegten Red-Flags können Menschen identifiziert werden, die diese spezialisierte
    Therapie benötigen.

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You only ECHO Twice – man “ECHO”ed nur zweimal

Der ischämische Schlaganfall resultiert aus einer plötzlichen Unterbrechung des zerebralen Blutflusses, oft verursacht durch Thrombosen, Embolien oder Hypoperfusion. Selten sind Herztumoren die Ursachen eines embolischen Ereignisses. Wir berichten über eine 80-jährige Frau mit einem Hirnschlag. Die erfolgreiche Thrombektomie enthüllte ein histopathologisch bestätigtes papilläres Fibroelastom als die Emboliequelle. Obwohl es bei der ersten Echokardiographie nicht nachweisbar war, wurde der Tumor durch transösophageale Echokardiographie entdeckt. Dieser Fall betont die Bedeutung, primäre Herztumoren als potenzielle Emboliequellen bei ischämischen Schlaganfallfällen in Betracht zu ziehen.

Einführung

Wir berichten über eine 80-jährige Patientin, die sich mit einem armbetonten faciobrachiocruralen sensomotorischen Hemisyndrom links und Dysarthrie auf unserer Notfallstation präsentierte. Fremdanamnestisch konnte indirekt eruiert werden, dass sich die Symptomatik bereits in den letzten 12-24 Stunden entwickelte.
Bis auf eine leichtgradige Adipositas, waren keine weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren bei der Patientin bekannt. Es lag keine relevante Dauermedikation vor, die Familienanamnese war unauffällig. Die Patientin war Rechtshänderin.
Im späteren Verlauf erwähnte die Patientin lediglich, dass sie in den letzten Wochen immer wieder febril gewesen sei. Andere Symptome wurden verneint. Etwaige kardiopulmonale Beschwerden waren nicht erinnerlich.
Die Patientin zeigte sich initial hypertensiv mit einem Blutdruck von 150/80 mmHg bei einer Sauerstoffsättigung von 98 % unter Raumluft. In der klinischen Untersuchung standen die neurologischen Defizite im Vordergrund, nämlich die deutliche Facialisparese links, Armplegie links, Beinparese links, Zungendeviation nach links und ein Neglect links bei zudem Dysarthrie. Die NIHSS bei Eintritt lag bei 10 Punkten; die mRS bei 5 Punkten. Der GCS lag bei 15. Die Lungen waren auskultatorisch unauffällig, das Herz rhythmisch und ohne pathologische Nebengeräusche. Das Abdomen war palpatorisch weich und druckindolent mit regelrechten Darmgeräuschen.
Als Ursache der neurologischen Manifestation boten sich differentialdiagnostisch eine Epilepsie, Synkope, Migräne, Hypo-/Hyperglykämie, Medikamentenintoxikation oder ein Hirntumor.
Im Primary Survey durch die Rettungssanitäter, wurde unter anderem eine Hypoglykämie ausgeschlossen, sodass wir den Stroke als häufigste und naheliegendste Ursache, abklärten.

In der Bildgebung mittels Schädel CT-Angiografie, bestätigte sich eine akute Ischämie rechtshemisphärisch im Mediastromgebiet bei M1-Verschluss der MCA rechts mit relativ grosser Penumbra und bereits Infarktdemarkierung in der Insula, Capsula externa, Putamen, periventrikulärem Marklager bis hin zur Cauda nuclei caudati, reichend (Bild 1).


Aufgrund des zeitlich unklaren Symptombeginns und der computertomografisch beginnenden Demarkation mit jedoch vorhandenem MTT/CBV-Mismatch, wurde auf eine intravenöse Lyse verzichtet und die Patientin direkt zur mechanischen Thrombektomie in ein Strokezentrum verlegt.

Dort erfolgte eine komplikationslose mechanische Thrombendarteriektomie und das Gefäss konnte mittels Stentretriever und Thrombo-Aspiration wiedereröffnet werden. Das Aspirat wurde anschliessend zur histopathologischen Untersuchung abgeschickt. Postinterventionell erfolgte das Standard-Post-Stroke Work-Up mittels Langzeit-EKG, Du­p­lexsonographie der Halsgefässe und TTE. In den durchgeführten Untersuchungen liess sich initial keine Stroke­ursache eruieren. Im Verlauf kam das Ergebnis der Histopathologie des aspirierten Thrombus, an. Es konnten dabei im Thrombus papillär ausgebaute Gewebsfragmente mit fibroelastischen Kernstücken und wenig myxoiden Anteilen, welche an eine Embolie eines papillären Fibroelastoms denken liessen, nachgewiesen werden (Bild 2).

Das Stroke-Work-Up wurde um ein zusätzliches TEE ergänzt. Dieses bestätigte schliesslich den histologischen Befund, mit Darstellung einer 15×18 mm messenden kugeligen flottierenden Struktur zwischen dem linken Vorhof und der linken oberen Lungenvene (im Bereich der Warfarin Ridge, Bild 3). Durch das TEE wurde somit das Herz als primäre Emboliequelle des Hirninfarktes, bestätigt.


Herztumoren, obwohl im Vergleich zu anderen Herzerkrankungen selten, stellen aufgrund ihrer vielfältigen Ursprünge, variablen klinischen Manifestationen, Komplikationen und komplexen Behandlungsansätzen, einzigartige Herausforderungen dar. Sie können entweder als primäre Tumoren entstehen, die im Herzen selbst ihren Ursprung haben, oder als sekundäre Tumoren, die an anderer Stelle im Körper entstehen und zum Herzen metastasieren (1). Diese Tumoren umfassen eine breite Palette histologischer Typen, einschliesslich gutartiger und bösartiger Neoplasien, von denen jeder seine eigene biologische Verhaltensweise mit entsprechenden klinischen Auswirkungen hat (siehe Tabelle 1) (1).


Von allen primären Herztumoren sind mehr als 75% benigne. Myxome respektive Papilläre Fibroelastome sind zwar die zwei häufigsten primären Herztumore, jedoch beträgt die Häufigkeit der Tumoren nur 0.021%–0.019% (2, 3.)
Im klinischen Alltag gehören die Herztumoren zu einer Rarität. Primäre Herztumore haben eine Prävalenz von weniger als 0.1% (4, 5). Dagegen sind Herzmetastasen deutlich häufiger. Bei mehr als 9.1% der Patienten, die mit einer malignen Krebserkankung sterben, können Herzmetastasen post mortem nachgewiesen werden (5).
Die Symptome eines Herztumors können durch nachfolgende Prozesse erklärt werden (6).

Embolisation – Es kann sich um einen abgebrochenen Teil des Tumors handeln, oder um einen Thrombus, der sich auf der Tumorwand gebildet hat und mit dem Blutstrom in den Kreislauf gelangt. Wächst der Tumor im rechten Vorhof res­pektive in den rechten Ventrikel, kann es dabei zu Symp­to­men, vereinbar mit einer Lungenembolie (Rechtsherz­be­lastung, gestaute Halsvenen, periphere Ödeme, Aszites, Tach­y­kardie, Hypotonie), kommen. Bei Linksherztumoren mit Ursprung im linken Vorhof oder im linken Ventrikel, sind die Symptome weniger systemisch und eher lokal betont. Bei einer Embolisation ins Gehirn, tritt ein Strokeartiges neurologisches Muster, auf. Andererseits kann der Embolus auch ein peripheres Gefäss obstruieren und dadurch eine akute Extremitätenischämie verursachen.
Obstruktion – Je nach Grösse und Lokalisation, können die Herztumoren rechtsseitige oder linksseitige Herzkom­par­timente obstruieren und dadurch entsprechende Herz­in­suffizienzmuster imitieren.
Imitation von Herzklappenfehlern – Ähnlich zum Obstruk­tionsmechanismus, können die Tumoren je nach Intensität der Interferenz mit den Herzklappen, verschiedene Klappen­vitien imitieren und dadurch zur Links- respektive Rechts­herzin­suffizienz führen.
Invasivität – Bei signifikanter Infiltration des Myokards, ist nicht nur dessen mechanische Fähigkeit beeinträchtigt, son­dern auch die Elektrophysiologie, was sich als Blockbildung oder Arrhythmie manifestieren kann. Bei noch tieferem Wachs­tum kann der Tumor bis ins Perikard hineinwachsen. Dadurch kommt es zur Ergussbildung mit oder ohne Symp­tome einer Perikardtamponade. Falls der Tumor sehr invasiv wächst und die Lunge infiltriert, können Symptome eines Bron­chialcarcinoms imitiert werden.
Systemische Symptome – Unspezifische Beschwerden wie Schwäche, (sub-)febrile Temperaturen, Müdigkeit, Appe­tit­losigkeit, Gewichtsverlust sowie laborchemische Verän­de­rungen (CRP, Blutbild) können auftreten.

In der letzten Dekade steigen die Zahlen der per Zufall diag­nostizierten Herztumoren durch Ausbreitung von bild­geben­den Methoden wie PET-/CT/MRI/TTE/TEE, etc. (7)
Bei Verdacht auf einen Herztumor der ursächlich für den Schlaganfall sein kann, ist eine transthorakale Echokar­dio­graphie, die Bildgebung der Wahl. Diese Untersuchung, zusammen mit dem CT und MRI, kann Myxome, papilläre Fibro­elas­tome, Fibrome und Lipome, diffe­renzieren (7). Eine transösophageale Echokardiographie hat indessen, im Ver­gleich zur TTE, durch fehlende Knochen- und Lun­gen­arte­fakte sowie minimale Entfer­nung des Ösophagus zum Her­zen, eine bessere Qualität (8). Das TEE wird als ergän­zende Diagnostik, bei schlechter Echoqualität des TTEs res­pektive bei Kryptogenem Stroke, zur weiteren Abklärung verwendet, falls die primären Untersuchungen keine Ursache der Embo­lie, zeigen konnten.

Das Herz-MRI ist die beste non-invasive bildgebende Me­thode, um die topographischen und morphologischen Fähig­keiten des Tumors darzustellen (9).
Ein PET-Scan wird vor allem bei Patienten mit metastasierten Tumoren durchgeführt, wobei dabei eine Herzmetastase bestätigt wird.

Eine Koronarangiographie wird zur Darstellung der genauen Blutversorgung sowie zur Planung einer Resektion des Herz­tumors, durchgeführt. Falls eine Resektion nicht möglich/erwünscht ist, kann eine perkutane Tumorbiopsie durch­geführt werden, um die weitere non-invasive Therapie planen zu können (6). Die Biopsien tragen jedoch ein hohes Risiko für Komplikationen mit sich, wie zum Beispiel eine Herz­wand- oder Septumperforation, Tamponade, Pneu­mo­thorax oder Infektion.
Es gibt keine umfangreichen Studien zur optimalen Therapie von Herz­tumoren, insbesondere bei malignen Formen; es liegen oftmals nur Ein­zelfallberichte vor. Die vollständige Resektion in Kombination mit einer Chemo-/Radiotherapie ist in den meisten Fällen die bevo­r­zugte Be­handlung von malignen Tumoren. Benigne Neu­bildungen tendieren zur Embolisation. Die chirurgische Entfernung eines Myxoms/papillären Fibroelastoms, ist so­mit die einzige kurative Mög­lichkeit, das thrombo­embolische Risiko des Tumors, zu eliminieren (10-12).

In Konsens mit den aktuellen Richtlinien, wurde auch der Patientin unseres Fallbeispiels, aufgrund des bestehenden, erhöhten Embolisationsrisikos, eine kardiochirurgische mi­ni­malinvasive Tumorexzision empfohlen.
Jedoch entschied sich die Patientin gegen eine solche Oper­ation, sodass mit einer medikamentösen Sekundärprophylaxe mittels Antiaggregationshemmer (Aspirin cardio) lebenslang, Antikoagulation (Apixaban) lebenslang sowie einer beglei­tenden Statintherapie begonnen wurde.
Im Anschluss absolvierte die Pa­tien­tin eine intensive 3-Monate lange Neu­rorehabilitation. In einem inter­diszi­pli­nären, multi­modalen Behand­lungskonzept erhielt die Patien­tin Physio-, Ergo-, Logopädie mit Dys­pha­gietherapie, ma­nu­elle Aktivie­rungs­therapie, Ernährungsberatung sowie neu­­ro­­psycho­lo­gische Diag­nos­tik und Therapie. Sie konnte die Rehabilitation schliess­lich in deutlich gebessertem Zu­stand verlassen. Der NIHSS lag bei 3 Punkten; der mRS bei 2 Punkten.
Ein Jahr nach dem Hirninfarkt, ging es der Patientin weiter­hin gut, sie war selbstständig, konnte ohne Hilfs­mittel laufen und hatte keine Be­schwerden mit dem Sprechen. Der Neglect war komplett regredient. Das einzige bestehende Defizit zeigte sich in Form einer fehlenden Feinmotorik im Bereich der linken Hand.
Die Sekundärprophylaxe mit Apixaban, Aspirin cardio und dem Statin, wird weiterhin vollständig eingenommen.
Dieser klinische Fall hebt die Stärken, Vorteile und Limita­tionen von moderner Evidence-based Medizin, hervor.

Mithilfe der standardisierten und raschen Behandlung der Stroke-Patientin, konnte eine gezielte Diagnostik und rasche Therapieentscheidung, erfolgen.
Die typischen neurologischen Ausfälle, mit welchen sich die Patientin initial auf dem Notfall vorstellte, führten zu einer gezielten Bildgebung mittels Schädel CT-Angiographie, wo der Hirninfarkt im rechten Mediastromgebiet, dargestellt werden konnte. Die initialen Abklärungen mittels TTE, Caro­tis-Sonographie und Herzrhythmusüberwachung, lie­fer­ten zunächst keine Ätiologie. Es wurde der Entscheid zur mechanischen Thrombendarteriektomie getroffen, wobei sich letztendlich erst im Thrombusaspirat histopathologisch ein papilläres Fibroelastom, als primäre kardiale Em­bo­liequelle des Schlaganfalls, darstellen liess und die Stroke-Ursache somit geklärt werden konnte.
Wie bereits in der Fallbeschreibung erwähnt, fiel die erste transthorakale Echokardiographie nach dem Hirninfarkt, unauffällig aus. Nachdem im Thrombusaspirat ein papilläres Fibroelastom gezeigt wurde, erfolgte eine Re-Echokar­dio­graphie mittels TEE, wo der Befund bestätigt wurde. Diese Erfahrung steht im Einklang mit Daten der Mayo-Clinic Studie, wo ein zugrundeliegender Herztumor in 70% der transthorakalen Echokardiographien, initial verpasst wurde (13). Deshalb ist es wichtig, insbesondere bei Kryptogenen Strokes, in zweitrangigen diagnostischen Abklärungen, die Bedeutung der transösophagealen Echokardiographie, nicht zu unterschätzen.
Obwohl die Anwesenheit einer Herzneoplasie in der TEE nicht überraschend war, konnte der differentialdiagnostische Verdacht eines Myxoms, aufgrund der Grösse, Lage und Morphologie der Neoplasie im TEE, widerlegt werden. Die unspezifischen klinischen Symptome, wie rezidivierende sub­febrile Temperaturen und ein laborchemisch erhöhtes CRP sowie IL-6, unterstützten den echokardiographischen Verdacht der Kardiologen zusätzlich (6).
Zudem lag der histopathologische Befund des Thrombus­aspirates vor, welcher ein papilläres Fibroelastom, bestätigte. Eine definitive Sicherheit in der Diagnosestellung, erlangt man letztendlich jedoch nur mittels einer kardio­chirurg­ischen Exzision.
Da die chirurgische Entfernung eines Myxoms/papillären Fibro­­elastoms, das thrombembolische Risiko des Tumors praktisch eliminiert, wurde auch unserer Patientin, eine Ope­ration empfohlen. Trotz des relativ tiefen Mortalitäts­risikos der minimalinvasiven Resektion (ca. 5%;10-12), ent­schied sich die Patientin für eine konservative Behandlung. Somit wurde eine kombinierte medikamentöse Sekundär­prophy­laxe mit Apixaban, Aspirin cardio und einem Statin, begonnen.
Damit soll insbesondere das erhöhte Risiko einer Throm­busbildung auf der Oberfläche des Tumors, kontrolliert, und eine erneute Thromboembolisation vermieden werden (14, 15). Eine Embolisation des Tumor­fragmentes kann jedoch per se durch die medikamentöse Behandlung nicht beein­flusst werden.
Aufgrund der Seltenheit von Herztumoren, ist die Mög­lichkeit einer prospektiven randomisierten Studie im Bereich des Ma­nagements des Tumors, Risiken und der geeigneten Throm­boembolieprophylaxe, un­realistisch. Weitere Fall­bei­spiele und retrospektive Studien sind notwendig, um die um­strit­tenen Punkte einer optimalen Versorgung genauer abzuklären.

Die selteneren Ursachen einer Hirnischämie dürfen nicht vergessen werden. Es gilt insbesondere initial auf der Not-fallstation, einen weitläufigen differentialdiagnostischen Blick zu behalten, um auch eine Epilepsie, einen Hirntumor, eine Medikamentenintoxikation oder Hypo-/Hypergly­kämien, nicht zu verpassen. Eine unauffällige transthorakale Echo­kar­diographie schliesst zudem einen Herztumor, Thrombus oder eine Klappenvegetation, nicht vollständig aus, sodass hier sicherlich eine transösophageale Echo­kar­diographie als nächste Option, zu überlegen ist. Die einzige kurative Option zur Behandlung des Herztumors, ist eine Resektion. Die Pros Und Contras einer solchen Operation, sind individuell zu betrachten und mit der/dem Patientin/en sorgfältig ab­zuwägen; eine systematische Studie hinsichtlich der kon­ser­vativen Behandlung ist erforderlich.

Im Artikel verwendete Abkürzungen
NIHSS National Institutes of Health Stroke Scale
ABCD2-Score Prognostisches Scoring System zur Abschätzung des Schlaganfallrisikos nach TIA (Alter, Blutdruck, Clinical features bei Erstuntersuchung, Dauer der Symptome, Diabetes mellitus)
mRS Modifizierte Rankin-Skala
GCS Glasgow Coma Scale
MCA Middel cerebral artery (Arteria cerebri media)
MTT Mean transit time
CBV Cerebral blood volume
TTE Transthorakale Echokardiographie
TEE Transoesophageale Echokardiographie
ESUS Embolischer Schlaganfall unklaren Ursprungs
PCT Primary Cardiac Tumors
PFE Papillary FIbroelastom
MX Myxom
DAPT Duale Antiplättchentherapie

Dr. med. Dominik Paugsch

Luzerner Kantonsspital
Herzzentrum
Spitalstrasse
6004 Luzern

Es bestehen keine Interessenkonflikte.

Historie:
Manuskript eingereicht: 15.11.2023
Nach Revision angenommen: 20.02.2024

  • Mithilfe der standardisierten und raschen Behandlung der Stroke-Patientin, konnte eine gezielte Diagnostik und rasche Therapieentscheidung, erfolgen.
  • Es ist wichtig, insbesondere bei Kryptogenen Strokes, in zweitrangigen diagnostischen Abklärungen, die Bedeutung der transösophagealen Echokardiographie, nicht zu unterschätzen.
  • Eine definitive Sicherheit in der Diagnosestellung eines Herztumors, erlangt man letztendlich nur mittels einer kardiochirurgischen Exzision.
  • Nur die chirurgische Entfernung eines Myxoms/papillären Fibroelastoms, eliminiert praktisch das thrombembolische Risiko eines Herztumors. Alternative ist eine medikamentöse Therapie, bestehend aus einer oralen Antikoagulation, einem Thrombozytenaggregationshemmer sowie einem Statin.
  • Eine Embolisation des Tumorfragmentes kann per se durch die medikamentöse Behandlung jedoch nicht beeinflusst werden.
  • Die optimale Versorgung von Herztumoren bleibt umstritten. Weitere Fallbeispiele sowie retrospektive Studien werden benötigt.

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Frozen Shoulder – Ein kurzer Überblick für die Praxis

Die Frozen Shoulder (FS) ist eine in der Praxis häufig vorkommende Pathologie. Die Erkrankung geht häufig mit einer Vielzahl an Komorbiditäten einher und ist durch starke Schmerzen und einen deutliche Bewegungseinschränkung der betroffenen Schulter charakterisiert. Eine aufgehobene passive Aussenrotation bei adduziertem Arm ohne Hinweise auf eine andere Pathologie, die den Befund erklären kann, wie zum Beispiel eine Omarthrose oder eine nicht entdeckte hintere Luxation, ist pathognomonisch. Der Krankheitsverlauf erstreckt sich in der Regel über ein bis zwei Jahre und ist in den meisten Fällen selbstlimitierend. In den allermeisten Fällen kann das Krankheitsbild konservativ behandelt werden.

Einführung

Die Frozen Shoulder (FS), auch Capsulitis adhaesiva oder eher historisch Periarthropathia Humeri, ist eine häufige, meist äusserst schmerzhafte Pathologie der Schulter, welche auch in der Hausarztpraxis regelmässig gesehen wird (1). Ein Grossteil der Fälle kann problemlos in der hausärztlichen Praxis behandelt werden und erfordert keine Zuweisung zum Spezialisten. Die Lebenszeitprävalenz wird in der Literatur mit 2-5% angegeben (2), wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Ebenso zeigt sich, dass der adominante Arm häufiger betroffen ist (3). Circa 20-30% der Patienten entwickeln dieselben Beschwerden im Verlauf auch auf der Gegenseite (4). Das Krankheitsbild ist mit oftmals starken, insbesondere auch nächtlichen Schmerzen sowie einer limitierenden körperlichen Einschränkung assoziiert und kann alle Facetten des alltäglichen Lebens betreffen (2). Die nächtlichen Schmerzen können dazu führen, dass die Patienten häufig tage- oder wochenlang nicht richtig durchschlafen, was zu einer chronischen Müdigkeit, sogar auch zum Entwickeln einer Depression führen kann. Das Krankheitsbild der FS kann mit einer Vielzahl an Komorbiditäten in Verbindung gebracht werden, insbesondere beim Diabetes mellitus zeigt sich eine Inzidenz von beinahe 60%. Auch eine Hyper- oder Hypothyreose kann mit einer FS assoziiert sein. Weitere Komorbiditäten sind in Tabelle 1 abgebildet. Eine oder mehrere dieser Komorbiditäten können in über 80% der FS-Patienten gefunden werden, in 35% der Patienten können sogar drei oder mehr der aufgezählten Komorbiditäten gefunden werden (2). Zudem bestehen weitere Risikofaktoren (weibliches Geschlecht im mittleren Alter, Nikotinabusus, Adipositas und verminderte körperliche Aktivität, auch psychologische Aspekte werden in Betracht gezogen) (5,6).

Aufgrund aktueller Erkenntnisse ist die Erkrankung in den meisten Fällen eine selbstlimitierende Pathologie mit einem Krankheitsverlauf von durchschnittlich 12-24 Monaten. Die Beschwerden können jedoch auch deutlich länger anhalten. In der Literatur gibt es Untersuchungen, welche persistierende Symptome (Schmerz und Steifigkeit) bei 20-50% der Patienten nach 5 Jahren nach Symptombeginn noch immer beschreiben (7,8). In den beschriebenen Kohorten kam es bei bis zu 20% der Patienten zu einer bilateralen Symptomatik, jedoch nicht zu einem Rezidiv nach abgeklungener Symptomatik. Die Erkrankung kann typischerweise in drei Stadien (3) eingeteilt werden, welche allesamt in unterschiedlicher Ausprägung durchlaufen werden. Im ersten Stadium kommt es zum «Einfrieren» der Schulter, diese Phase ist durch starke Schmerzen ohne eigentliche Bewegungseinschränkung geprägt. Im zweiten Stadium besteht die Bewegungseinschränkung der Schulter, der Schmerz kann nachlassen, kann jedoch auch noch weiter vorhanden sein, dieses Stadium wird auch als das «Gefroren sein» bezeichnet. Schliesslich kommt das «Auftauen», das dritte Stadium, spätestens hier ist der Schmerz regredient, es kommt zu einer Verbesserung der Beweglichkeit, nahe der ursprünglichen Bewegungsausmasse (Abb. 1).

Obschon es sich um eine sehr häufige Schulterpathologie handelt, gibt es in vielen Reviews keine einheitlichen Definitionen. Deswegen wurden Versuche unternommen, unter etablierten Schulterchirurgen einen Consensus zu finden, so zum Bespiel die Kollegen der American Shoulder and Ellbow Surgeons (ASES) (9), (Tab. 2).

Pathophysiologie

Die FS ist weiterhin eine der am schlechtesten verstandenen Schul­terpathologien (9), auch wenn mittlerweile einige pathophysiologischen Vorgänge beschrieben wurden. Physiologisch oder normalerweise besteht die Gelenkkapsel aus einem hohen Anteil an Kollagen Typ I Fasern und elas­tischen Fasern. In das Gewebe sind Fibroblasten eingebettet, welche Proteine produzieren, um die stabilisierende, aber auch flexible Struktur zu gewährleisten (2). Bei der FS kommt es zu einer Fibrosierung und somit zur Veränderung der Kollagenstruktur sowie einer Verdickung der Synovia. Diese Veränderungen gehen mit einer Neoangionese und einer Neoinnervation einher. Es resultiert ein vermindertes Gelenkvolumen und eine erhöhte Steifigkeit des Gewebes (10,11). Parallel zur Klinik zeigen sich diese drei Stadien bei der arthroskopischen und histologischen Betrachtung. Im ersten Stadium zeigt sich eine vermehrte Inflammation der Synovialis sowie eine Hypervaskularität der Synovialis mit Einwanderung von Entzündungszellen bei noch normalem Kapselgewebe in der Biopsie. Im zweiten Stadium zeigt sich weiterhin arthroskopisch eine Synovialitis mit zunehmender Kontraktur der Kapsel, und in der Histologie zeigt sich das Bild einer hypertrophen, hypervaskularisierten Synovialitis mit Narbenbildung. Arthroskopisch zeigt sich im dritten Stadium nur noch geringe Synovitis mit Aufhebung des axillären Recessus und Fibrose. Bei der mikroskopischen Betrachtung kann ein dichtes hyperzelluläres, kollagenreiches Gewebe gesehen werden, in der genaueren Betrachtung zeigt sich ein Verlust der Kollagen Typ I Fasern und vermehrt Kollagen Typ III Fasern, welche ein desorganisiertes Muster aufweisen. Die Kollegen um Millar (2) haben eine detaillierte Übersicht über die komplexen, bisher bekannten pathophysiologischen Abläufe zusammengetragen.

Diagnostik

Die Verdachtsdiagnose der FS kann bereits häufig schon durch eine gründliche Anamnese (Nacht- und Ruheschmerzen) und eine gute klinische Untersuchung gestellt werden (12). Klinisch zeigt sich eine deutlich eingeschränkte, eventuell sogar völlig aufgehobene aktive und passive Aussenrotation der betroffenen Schulter, ohne Krepitationen (13). Insbesondere die passive Aussenrotation (Abb. 2) sollte immer untersucht werden. Dies in Adduktion und im Vergleich zur «gesunden» Seite. Häufig wird die Diagnose über Monate verpasst, da keine gründliche klinische Untersuchung durchgeführt wird. Im weiteren Krankheitsverlauf können auch andere Bewegungsdimensionen aktiv wie auch passiv eingeschränkt sein. Die Kraft ist im schmerzfreien Bereich nicht eingeschränkt (14). Wichtig zu unterscheiden ist, ob der harte Anschlag einer aktiven Muskelkontraktion des Patienten oder einem echten mechanischen Hindernis entspricht. Hierfür wird der Patient am besten in unterschiedlichen Positionen untersucht, Aussenrotation bei anliegendem Arm, Aussenrotation bei 90° abduziertem Arm, stehend oder liegend, hier wird die Scapula durch die Unterlage stabilisiert (14). Die einzigen Pathologien, die eine Einschränkung der AR bei einer nicht operierten Schulter verursachen, sind die fortgeschrittene Omarthrose und eine verpasste hintere Luxation. Deshalb wird eine konventionelle Bildgebung in zwei Ebenen (AP/Neer) empfohlen. Insbesondere bei jüngeren Patienten mit unauffälligem Röntgenbild kann zum weiteren Ausschluss einer weiteren Pathologie eine Ultraschalluntersuchung durch einen geübten Sonographeur oder eine Arthro-Magnetresonanztomographie (Arthro-MRI) durchgeführt werden (15). Diese Untersuchungen bringen bezüglich der FS keinen diagnostischen Mehrwert. Bei Vorliegen einer FS kann in diesen Untersuchungen eine Verdickung der Kapsel, des Rotatorenintervalls und des Coracohumeralen Ligaments wie auch ein aufgehobener axillärer Recessus nachgewiesen werden (2).

Therapeutische Optionen

Bei anhin gibt es keine gut definierten evidenzbasierten Behandlungsstrategien, was auch der unzureichend bekannten Pathogenese des Krankheitsbildes geschuldet ist. Mitunter am wichtigsten ist eine gute Aufklärung über den natürlichen Verlauf der Erkrankung sowie Begleitung im Verlauf deren Stadien. Rangan et al. konnten zeigen, dass eine gute Patientenedukation und Angstreduktion eine subjektive Verbesserung der Symptome mit sich bringen kann (16). Bisher sind die Behandlungsmöglichkeiten hauptsächlich symptomatischer Natur. Sie stützen sich darauf, die Schmerzen zu kontrollieren sowie die Einschränkung der Beweglichkeit zu minimieren respektive diese zu verbessern. Es stehen konservative wie auch operative Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Primär sollen jedoch die konservativen Therapieoptionen verfolgt werden, erst wenn diese fehlschlagen, sollten auch operative Massnahmen evaluiert werden. Initial ist eine gute Analgesie für die Patienten wichtig. Wenn die Komorbiditäten es erlauben, sollten NSAR eingesetzt werden, auch in Kombination mit Paracetamol und Metamizol. Gelegentlich werden auch Opiate nötig. Zur Verbesserung der Beweglichkeit kann eine Bewegungstherapie beitragen, welche selbständig durch den Patienten oder unter physiotherapeutischer Supervision stattfindet. Wichtig ist hier, dass insbesondere in der schmerzhaften Phase nicht noch weitere Schmerzen generiert werden (17). Versuche mit extrakorporalen Stosswellen haben einen möglichen Benefit bezüglich der Schmerzen zeigen können, jedoch ist die Evidenz hierfür nicht ausreichend, um dies abschliessend beurteilen zu können (2). Bei persistierenden Schmerzen haben Corticosteroide einen guten Effekt zeigen können (18). Diese können sowohl oral wie auch intraartikulär appliziert werden (19). Beide Darreichungsformen zeigen eine Verbesserung des Schmerzes und der passiven Beweglichkeit. Bei einer intraartikulären Applikation besteht prinzipiell das Risiko einer septischen Arthritis, während bei einer oralen Stosstherapie (Stufenschema nach Habermeyer) vermehrt systemische Nebenwirkungen auftreten. In der Literatur zeigt sich ein Vorteil der Infiltration gegenüber der oralen Gabe (18,20). Auch bei einer intraartikulären Infiltration sollte bei Diabetikern der Blutzucker über die ersten Tage engmaschig kontrolliert werden. Zudem zeigte sich, dass eine gute physiotherapeutische Behandlung einer oralen Steroidgabe gar überlegen ist. In den letzten Jahren wurde auch eine positive Wirkung von Calcitonin Nasenspray postuliert. Es zeigte sich ein positiver Effekt sowohl auf die Schmerzen als auch auf die Beweglichkeit. Hinweise hierfür konnten auch im Labor anhand von ex vivo gezüchteten synovialen Fibroblasten nachgewiesen werden (21,22). Allerdings übernimmt in aller Regel die Krankenkasse die Kosten für den Calcitonin Nasenspray nicht, und diese müssen vom Patienten selber getragen werden. Neuere Studien untersuchen auch den Nutzen von Platelet-Rich-Plasma (PRP) als mögliche Alternative zu Steroiden. Hier zeigten sich in den Kohorten positive Effekte längerfristig gegenüber den Steroiden, kurzzeitig zeigten diese jedoch einen besseren Effekt (23,24). Allerdings sind hierzu noch weitere Studien mit grösseren Patientenzahlen nötig. Auch diese Behandlung wird nicht durch die Grundversicherung vergütet, und die Patienten müssen die Kosten, welche je nach Hersteller unterschiedlich sind, selber übernehmen. Weitere therapeutische Optionen, wie zum Beispiel der Nervenblock des Nervus suprascapularis, Botox-Injektio­nen oder auch Collagenasebehandlungen, konnten einen gewissen Effekt zeigen, allerdings existiert hierfür noch eine sehr dünne Datenlage (2). Diese Behandlungen bedürfen sicherlich noch weiterer Untersuchungen und Studien, um deren Effektivität zu beurteilen. Sie können in Einzelfällen und bei therapierefraktären Situationen gegebenenfalls bereits angewendet werden. Nach Ausschöpfen der konservativen Therapieoptionen und bei persistierenden Beschwerden kann die FS operativ angegangen werden. Ziel einer operativen Therapie ist das Lösen der verdickten, fibrotischen Gelenkkapsel und der kontrakten Ligamente, um eine Verbesserung der Beweglichkeit, aber auch eine Schmerzreduktion zu erzielen. Dabei wird arthroskopisch eine Kapsulotomie, meist mit einer Resektion des verdickten Intervalls zusammen mit einer Arthrolyse durchgeführt. Entscheidend für den Erfolg ist die postoperative Analgesie idealerweise unter einer Scalenusblockade für etwa fünf Tage, bis ein voller Bewegungsumfang erreicht wird. In der Literatur wird kontrovers da­rüber diskutiert, wann der richtige Zeitpunkt hierfür gekommen ist. Es gibt Autoren, welche eine rasche operative Herangehensweise befürworten, andere sehen diese lediglich als Option bei erfolgloser konservativer Therapie über zwölf Monate (2,3,10,25). Kollegen in England haben die Resultate und entstehende Kosten zwischen Physiotherapie, Mobilisation unter Narkose und Mobilisation unter Narkose mit Arthroskopie untersucht. Hierbei zeigte sich, dass keine der drei Gruppen ein deutlich besseres Outcome im Vergleich zu den anderen Gruppen aufweisen konnte. Die operativen Möglichkeiten können eine schnellere Reduktion der Schmerzen und eine raschere Verbesserung der Beweglichkeit bringen, jedoch sollten diese dennoch erst nach Fehlschlagen der nicht operativen Behandlungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden (13).

Schlussfolgerung

Zusammenfassend handelt es sich bei der Frozen Shoulder um ein weiterhin noch nicht gut verstandenes Krankheits­bild, da­raus resultieren keine standardisierten und auf breiter Evi­denz abgestützten Behand­lungsalgorithmen. Ent­schei­dend ist jedoch die frühe Diagnosestellung und damit Einlei­tung geeigneter therapeutischer Mass­nahmen, insbe­son­dere auch das Vermeiden von anhaltenden Schmerz­reizen. Es wer­den viele Interven­tio­nen und Behand­lungs­ansätze be­schrie­ben, welche durchaus Erfolg verspre­chend sind. Zum aktuellen Zeitpunkt zeigen jedoch Steroid­injektionen und NSAR im er­sten Stadium, Physiotherapie in den Stadien zwei bis drei die besten Resultate. Von Beginn an ist eine gute Kommuni­ka­tion und Begleitung des Pati­enten essenziell.

Dr. med. David Windischbauer

Kantonsspital Baden
Im Ergel 1
5404 Baden
david.windischbauer@ksb.ch

Es bestehen keine Interessenskonflikte.

Historie:
Manuskript eingereicht: 02.10.2023
Nach Revision angenommen: 22.11.2023

Die Frozen Shoulder ist eine klinische Diagnose, apparative Untersuchungen sind additiv und nur zum Ausschluss anderer Ursachen einer Schultersteife nötig. Die eingeschränkte passive Aussenrotation bei adduziertem Arm ohne Hinweise auf eine andere Pathologie ist pathognomonisch. Die Erkrankung ist in den allermeisten Fällen selbstlimitierend nach 12-24 Monaten. Die konservative Therapie ist die Therapie der Wahl.

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Frozen Shoulder – Geduld bei der Rekonvaleszenz

Frozen Shoulder – Geduld bei der Rekonvaleszenz

Der beiliegende Artikel gibt eine sehr schöne Übersicht über das Krankheitsbild der Frozen Shoulder. Die klar strukturierte Gestaltung des Artikels hilft dem Leser sich in kurzer Zeit gut zurechtzufinden.

Es ist gerade auch in der Praxis wichtig zu wissen, dass die Frozen Shoulder ein sehr häufiges Krankheitsbild darstellt, welches aber in der Regel bereits klinisch sehr gut vom noch häufigeren Krankheitsbild des subakromialen Impingements abgegrenzt werden kann. Das Impingement macht beim Heben des Armes im Bereich der Horizontalen Schmerzen, die Frozen Shoulder als eines der wenigen Krankheitsbilder bereits bei adduziertem Arm, insbesondere beim Prüfen der passiven Aussenrotation. Diese bzw. die verminderte passive Aussenrotation ist dann auch das erste klinische Zeichen der Frozen Shoulder und typischerweise endgradig schmerzhaft. Dies wird im Artikel sehr klar und anschaulich beschrieben.

Wichtig für die Praxis ist auch zu wissen, dass die Bildgebung der Schulter nur von sekundärem Wert ist. In der Regel reicht das Standard Röntgenbild um grobe ossäre Pathologien auszuschliessen. Die Anamnese und die Untersuchung der Frozen Shoulder sind derart typisch, dass die Schultersonographie und die MRT-Untersuchung keinen entscheidenden diagnostischen Mehrwert darstellen.

Der Artikel zeigt ebenfalls sehr illustrativ, dass das Krankheitsbild der Frozen Shoulder typischerweise sehr langwierig ist, in der Regel 18 Monate dauert und dementsprechend viel Geduld von Seiten der Patient/-innen und Ärzt/-innen abverlangt. Dieses Wissen ist aber häufig auch bereits der erste Schritt zur Besserung.

Die verschiedenen Phasen und die dazugehörigen möglichen Therapien werden im Artikel sehr klar beschrieben. Für die initiale Schmerz-Phase ist das Ziel die Schmerzreduktion, für die Bewegungseinschränkungs-Phase das Wiederherstellen der Beweglichkeit.

Insgesamt ist wichtig und gut zu wissen, dass die Frozen Shoulder in der Regel, wenn auch oft nach langer Zeit, wieder und meist folgenlos abheilt und nur sehr selten eine operative Massnahme zur Verbesserung der Beweglichkeit notwendig ist. Die Lektüre lohnt sich!

Prof. Dr. Bernhard Jost

Schulter- und Ellbogenchirurgie
Klinik für Orthopädische Chirurgie und
Traumatologie des Bewegungsapparates
Kantonsspital St.Gallen
Rorschacherstrasse 95
St. Gallen

Dr. med. Matthijs Jacxsens, PhD

Schulter- und Ellbogenchirurgie
Klinik für Orthopädische Chirurgie und
Traumatologie des Bewegungsapparates
Kantonsspital St.Gallen
Rorschacherstrasse 95
St. Gallen