Chatbots wie ChatGPT sind nun seit drei Jahren auf unseren Computern, Tablets und Handys installiert. Sie helfen in vielen Lebenslagen mit klugen Antworten. Meine regelmässigen Anfragen haben mir gezeigt, welche Möglichkeiten und Grenzen Chatbots bieten. Literatur und Video-Tutorials auf YouTube haben meine Kenntnisse über KI in der Medizin vertieft.
Als 2022 ChatGPT auf den Markt kam, beeindruckte mich besonders die Abfrage einer Differentialdiagnostik mit Eingabe von verschiedenen Symptomen. Geben Sie die Symptome Atemnot, rezidivierender Pneumothorax, Lungenzysten und Nierentumor mit der Bitte nach einer Differentialdiagnose ein, erhalten Sie als eine mögliche Diagnose Lymphangioleiomyomatosis, eine äusserst seltene Diagnose, welche praktisch nur Frauen betrifft. Eine besondere Stärke der KI-Systeme stellt die Diagnose von seltenen Krankheiten dar. Und dies ist nur der Anfang.
Wissen Sie, dass es ein schweizerisches Chatbot-System gibt, welches Schweizer Dialekte verstehen und in geschriebene Sprache umsetzen kann? Das Unternehmen Alpine AI mit dem Chatbot SwissGPT Health hat sich auf das Schweizer Gesundheitswesen spezialisiert. Ein Pilotsystem kann versuchsweise in der Praxis eingesetzt werden. Der Chatbot kann bei Patientengesprächen im Hintergrund mitlaufen und ein digitales Protokoll sowie eine Zusammenfassung für die Ablage in der Krankengeschichte erstellen; eine gewaltige Zeitersparnis!
Es bleibt die Frage, wo KI uns hinführen wird und welche Aufgabe wir Mediziner/-innen in Zusammenarbeit mit KI haben werden. Ein Chatbot ist emotions- und schonungslos in der Vermittlung von schwierigen Diagnosen. Er hat kein ethisches Bewusstsein. Der Chatbot ist (noch?) nicht in der Lage, eine Diagnose patientengerecht und individuell zu vermitteln. Unsere Aufgabe ist es, die Chatbot-Sprache zu «übersetzen» und Inhalte kritisch zu reflektieren sowie empathisch im persönlichen Gespräch zu erklären. Wir werden wieder mehr Zeit dazu haben, denn KI wird auch unsere Administration verschlanken.
Die ärztliche Untersuchung, das persönliche Gespräch mit unseren Patient/-innen und die Aus- und Weiterbildung für unseren Nachwuchs sollen wieder zu unserem unkonkurrenzierten, weil von Administration entlasteten Kerngeschäft werden. Ist das nur ein hoffnungsloser Wunschtraum oder baldige Realität? Es sieht danach aus, als wäre der Chatbot erst der Anfang von dem, was uns KI bieten wird. Viele administrative Prozesse sind schon heute mit KI automatisierbar. Freuen wir uns darauf!
Ein neues nationales Programm sagt HIV, Hepatitis und anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STI) den Kampf an. Um die Ziele bis 2030 zu erreichen, werden klassische Präventionsmassnahmen wie Information und Beratung der sexuell aktiven Bevölkerung und das Kondom durch biomedizinische Massnahmen, sprich den Einsatz von Medikamenten und Impfungen, ergänzt. Aber auch die sekundäre Prävention, das Erkennen und Behandeln und damit Verhindern von weiteren Infektionen hat einen hohen Stellenwert zum Erreichen der Ziele. Neue Diagnosemethoden wie die Multiplex-PCR sowie Resistenzentwicklungen gegen Antibiotika erfordern ein regelmässiges Auffrischen des Wissens über STIs. In diesem Artikel geben wir eine Übersicht über Neuerungen, die entweder bereits jetzt relevant sind oder in Zukunft werden, und wollen Ihnen damit den Zugang zum Thema STIs in der Praxis vereinfachen.
A new national program is fighting HIV, hepatitis and other sexually transmitted infections (STI). In order to achieve the goals by 2030, traditional prevention measures such as information and advice for the sexually active population and condoms will be supplemented by biomedical measures, i.e. the use of medication and vaccinations. However, secondary prevention, the detection and treatment and thus prevention of further infections, is also very important for achieving the goals. New diagnostic methods such as multiplex PCR and the development of resistance to antibiotics mean that knowledge about STIs needs to be regularly refreshed. In this article, we provide an overview of innovations that are either already relevant or will become relevant in the future and aim to simplify your access to the topic of STIs in practice. Keywords: sexually transmitted infections (STI), prevention, HIV, hepatitis
Hintergrund
Im November 2023 verabschiedete der Bund das neue nationale Programm (NAPS): «Stopp HIV, Hepatitis B-, Hepatitis C-Virus und sexuell übertragene Infektionen» (1). Bis 2030 soll es keine weiteren Übertragungen von HIV und dem Hepatitis B- und C-Virus mehr geben. Damit schliesst sich die Schweiz dem internationalen Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und den vereinten Nationen (UNAIDS) an (2). Für HIV scheinen wir auf dem richtigen Weg zu sein. Die Zahl der Neudiagnosen sinkt. Bezüglich der drei meldepflichtigen bakteriellen sexuell übertragbaren Infektionen (STI) Syphilis, Neisseria gonorrhoea (NG) und Chlamydia trachomatis (CT) sieht es jedoch anders aus (3). Hier wäre schon ein Rückgang der Neudiagnosen ein Erfolg, denn die Meldezahlen steigen seit Jahren. Um die Ziele des NAPS zu erreichen, sind daher auch die Grundversorger gefragt. Der Umgang mit diesen Erkrankungen in der Praxis ist anspruchsvoll. Neben guten Kommunikationsfähigkeiten braucht es den Durchblick bei wechselnden Test- und Behandlungsstrategien.
Von den über 30 Krankheitserregern, welche ausschliesslich oder hauptsächlich durch Sexualkontakte übertragen werden, sind nicht alle gleich relevant (4). In diesem Artikel wollen wir Ihnen daher eine Übersicht über Neuerungen sowie ein Auffrischen von wichtigem Wissen zu denen für die Praxis relevanten Erregern geben.
Prävention
Sie erinnern sich vielleicht noch an die «Stop Aids»-Kampagne der 80er Jahre. Seitdem hat sich einiges getan in der Prävention. Beschränkte sich früher die Prävention auf Verhaltensänderungen mit dem Ziel der Monogamie, Abstinenz und vor allem der Anwendung von Kondomen, gab es in den letzten 15 Jahren entscheidende Entwicklungen. Heute akzeptieren wir, dass nicht alle Menschen sich immer in jeder Situation an unsere Empfehlungen halten können. Daher werden die oben genannten Präventionsziele heute individuell mit biomedizinischen Präventionsmassnahmen ergänzt. Gemeint sind hierbei präventiv eingesetzte Medikamente wie die HIV Prä- und Postexpositonsprophylaxe, das «Test-and-Treat»-Konzept oder Impfungen für manche STIs sowie individuelle Beratungen und Schutzkonzepte, zum Beispiel abrufbar unter dem Safer-Sex-Check (Abb. 1).
Kondome
Aufgrund ihrer sehr guten Schutzwirkung auf das HI-Virus standen Kondome 40 Jahre im Zentrum der Präventionskampagnen weltweit. Hierbei wurde oft die Tatsache ausgeblendet, dass der Schutz, insbesondere bei bakteriellen STIs, welche in der Regel Schmierinfektionen sind, weit unter dem für HIV liegt. Wie hoch die Wirkung der Kondome auf bakterielle STIs wirklich ist, ist schwer zu sagen; beinahe alle Studien hierzu weisen methodische Schwächen auf (5). Klar ist aber, dass das Kondom, um zu wirken, auch im entscheidenden Moment getragen werden muss. Gerade beim Oralverkehr, welcher zwar kein Risiko für HIV, jedoch aber für bakterielle STIs darstellt, ist das selten der Fall.
Test-and-Treat
In den letzten 15 Jahren wurde daher viel Hoffnung auf das sogenannte «Test-and-Treat»-Konzept gesetzt. Das Konzept beruht auf der Erkenntnis, dass die meisten bakteriellen STIs asymptomatisch verlaufen (6). Die Personen, die Sie mit Symptomen in der Praxis sehen, bilden also nur die Spitze des Eisberges. Würden nun alle Personen, die ein Risiko für eine STI haben, regelmässig getestet, würde man zwar zunächst einen Anstieg an Diagnosen erwarten, durch die Unterbrechung der Infektionsketten sollte es nach einer gewissen Zeit aber zu einer Abnahme der Diagnosen kommen (7). Bei HIV ist diese Strategie durchaus erfolgreich. Auch wenn HIV nicht heilbar ist, so kann doch das Virus unter einer gut behandelten antiretroviralen Therapie nicht mehr weitergegeben werden (8). Bei der Syphilis sehen wir ebenfalls zumindest ein Plateau der Neudiagnosen (3). Bei CT und NG hingegen konnte weltweit noch kein Rückgang beobachtet werden. Der Anstieg in den aktuellen Meldezahlen des Bundesamtes für Gesundheit ist in erster Linie auf die Bemühungen zurückzuführen, dieses Ziel zu erreichen, indem mehr Personen ohne Symptome getestet werden. Aktuell wird daher viel in der Wissenschaft diskutiert, in welcher Form dieses Prinzip bei CT und NG weitergeführt werden soll (9). Für den Einzelnen oder die Einzelne mag der Nutzen jedoch durchaus gegeben sein, um beispielsweise mit einer besseren Sicherheit in eine neue Beziehung zu gehen.
Unbestritten ist bisher der Nutzen der Partner-Notifikation und gegebenenfalls Behandlung, wenn eine STI diagnostiziert wurde. Hier kann auch in Absprache mit dem Patienten eine Blindtherapie indiziert sein. Wichtig ist, dass Sie Ihre Patient/-innen über die Vor- und Nachteile einer eventuell unnötigen Antibiotikagabe aufklären und – falls sie sich für einen Test entscheiden – auf das diagnostische Fenster achten (bei CT und NG 14 Tage).
Wichtig zu erwähnen ist zudem, dass das «Test-and-treat»-Konzept nur für die Infektionen mit HIV, Syphilis, CT und NG gilt. Bei anderen Erregern, wie beispielsweise Mycoplasma genitalium oder Ureaplasmen, ist das Screening von asymptomatischen Personen nicht empfohlen, da diese selten zu Symptomen und so gut wie nie zu Komplikationen führen, die Behandlung aber sehr belastend sein kann (10). Hier gilt der Grundsatz «Primum non nocere!» Wir raten daher auch von der Verwendung von Multiplex-PCR, welche fünf oder mehrere Erreger gleichzeitig suchen, insbesondere bei asymptomatischen Personen, ab.
Prophylaktische Gabe von Antiinfektiva und Impfungen
Aufgrund des ausbleibenden Effektes des «Test-and-treat»-Konzepts wurde nach neuen Präventionsstrategien gesucht. Impfungen gibt es bereits gegen HPV und Hepatitis B. Zu erwähnen ist zudem die Impfung mit dem Pocken-Impfstoff Jynneos®, welcher auch eine Wirkung auf das Mpox (ehemals Affenpocken) Virus zeigt und daher für Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) und trans Personen mit wechselnden Sexualpartnern empfohlen ist. Die Impfung wird für diese Gruppen von den Krankenkassen übernommen und erfolgt je nach Kanton an speziellen Impfstellen. Gegen Syphilis, Gonokokken und Chlamydien stehen leider noch keine Impfungen zur Verfügung, auch wenn Studien hierzu laufen. Retrospektive Studien von Personen, die eine Impfung gegen einen den NG verwandten Erreger, den Meningokokken Gruppe B (Bexsero), erhalten haben, zeigen eine 40 % Reduktion von NG (11). Neueste, prospektive Studien konnten diesen Effekt jedoch leider nicht bestätigen (12). Aktuell gibt es daher keine offizielle Empfehlung für Risikopersonen, diese Impfung off-label zum Schutz von NG anzubieten.
Neben Impfungen wurde auch das Prinzip der Chemo-prophylaxe untersucht. Bei HIV kennen wir dieses Prinzip schon eine Weile und seit dem 01. Juli 2024 kann die HIV-Präexpositonspophylaxe (PrEP) für bestimmte Risikogruppen durch die Krankenkassen vergütet werden. Voraussetzung ist, dass man zu den vom Bund vorgegebenen Gruppen gehört und die verschreibenden Ärzte und Ärztinnen Teil des SwissPrEPared Programms sind (13). Mehr zur PrEP und zur Teilnahme am Programm finden Sie unter www.swissprepared.ch.
Aber auch bei den bakteriellen STIs bekommt dieses Konzept immer mehr Bedeutung. Studien mit einmalig 200 mg Doxycyclin bis zu 72 Stunden nach einer sexuellen Risikosituation konnten bei MSM beachtliche Effekte von bis zu 70 % Reduktion von Chlamydien- und Syphilis-Infektionen zeigen (12, 14). Bei Gonokokken, die eine rasante Resistenzentwicklung in den letzten Jahrzehnten gezeigt haben, war der Effekt deutlich geringer oder nicht nachweisbar. Einige Länder haben daher die sogenannte Doxy-PEP bereits in ihre Empfehlungen für MSM und trans Personen aufgenommen, da hier aufgrund der engen sexuellen Netzwerke die Infektionen am meisten verbreitet sind. Die Eidgenössische Kommission für Fragen zu sexuell übertragbaren Infektionen (EKSI) arbeitet aktuell an einer Empfehlung für die Schweiz. Leider gibt es noch wenig Studien, die Daten zu dem Langzeitrisiko, insbesondere auf die Resistenzentwicklung und auf das Mikrobiom, untersucht haben (15).
Diagnostik
Immer wieder sehen wir in der klinischen Praxis verunsicherte Patienten und Patientinnen, bei denen Antikörper im Blut gegen CT oder NG bestimmt wurden. Diese Analysen haben ihre klinische Relevanz nur bei disseminierten Infektionen. Zur Ursache bei einer akuten Erkrankung wie einer Urethritis haben sie keinen Stellenwert. Zur Diagnostik einer genitalen Infektion eignet sich ein PCR-Test aus einem Abstrich oder eine Urinprobe. Zervikale und vaginale Abstriche sind gleichwertig. Der Abstrich aus der Harnröhre bei einem Penis muss nicht tief eingeführt werden, auch muss das Abstrichstäbchen nicht hin und hergedreht werden. Ein kurzes Einführen in die Harnröhre von < 1cm oder sogar ein Abstrich nur aus dem Meatus ohne Einführen ist ausreichend (16). Beim Abstrich aus dem Penis ist darauf zu achten, dass die Person 2 Stunden vorher nicht uriniert hat, damit die Erreger nicht ausgespült wurden. Bei einer Urinprobe sollte der Erststrahlurin aus dem gleichen Grund verwendet werden (17, 18).
Da diese Erreger aber auch auf anderen Schleimhäuten übertragen werden können, sollten vor allem bei asymptomatischen Personen ein Rachen- und je nach Sexualanamnese zusätzlich ein Rektalabstrich durchgeführt werden. Gerade bei MSM würde man bei einem reinen genitalen Screening bis zu 2/3 aller Infektionen verpassen. (19) Um Geld zu sparen, können die 3 Abstriche gepoolt werden, um nur eine PCR durchzuführen. Hierzu werden alle 3 Abstrichtupfer in ein Röhrchen mit Trägerlösung gegeben (19). Sprechen Sie aber vorher mit Ihrem Labor ab, ob Analysen an gepoolten Abstrichen angeboten werden. Bei MSM mit rektalen Beschwerden, insbesondere Schmerzen oder inguinaler Lymphknotenschwellung und positivem CT-Abstrich, sollte immer auch eine weitere Testung auf Lymphogranuloma venerum (LGV) (CT Serotypen L1-3) erfolgen, da diese eine längere Behandlung benötigen.
Bei der Syphilis erfolgt die Diagnose primär durch serologische Marker. Lediglich bei der frischen Syphilis, mit einem klassischen Ulcus, kann es Sinn machen, auch eine PCR aus einem Ulcus-Abstrich auf Treponema pallidum durchzuführen, da es aufgrund des diagnostischen Fensters zu falsch negativen Resultaten in der Serologie kommen kann. Bei Personen, welche noch nie eine Syphilis hatten, kann der Syphilis-Screening-Test oder Treponema-pallidum-Partikel-Agglutination-Test (TPPA) durchgeführt werden. Da dieser nach einer behandelten Syphilis lebenslang positiv bleibt, muss bei Verdacht eine Re-Infektion und zur Bestätigung eines positiven TPPA der Rapid Plasma Reagin (RPR) oder der Veneral Disease Research Laboratory (VDRL) Test gewählt werden (21). Die Interpretation, ob es sich um eine Sero-Narbe oder eine Re-Infektion handelt, kann schwierig sein. Insbesondere dann, wenn keine Vorwerte vorliegen. Bei der Anamnese sollte zudem immer nach neurologischen Symptomen, speziell nach Seh- und Hörstörungen, gefragt werden. Zudem soll bei Verdacht auch eine neurologische Untersuchung inklusive Lumbalpunktion mit der Frage nach intrathekaler Syphilis-Antikörperproduktion durchgeführt werden, um eine Neuro-Lues nicht zu verpassen. Bei Schwierigkeiten in der Interpretation sollte Rücksprache mit einem Facharzt oder einer Fachärztin für Infektiologie oder Dermatologie/Venerologie gehalten werden.
Behandlungen
In der Behandlung von CT/NG gab es in den letzten Jahren vor allem eine wesentliche Änderung. Auf den Einsatz von Makroliden (Azithromycin) soll aufgrund der raschen Resistenzentwicklung weitgehend verzichtet werden und nur noch bei Unverträglichkeiten auf die Erstlinientherapie ausgewichen werden. Die Erstlinientherapie besteht bei CT aus Doxycyclin 100 mg 2 x täglich für 7d (21d bei LGV) (18).
Bei NG wird keine duale Therapie aus Ceftriaxon und Azithromycin mehr empfohlen, sondern nur noch 1 g Ceftriaxon einmalig in Monotherapie (17). Diese kann intramuskulär (i.m.) oder intravenös (i.v.) erfolgen. Aufgrund der raschen Resistenzentwicklung empfiehlt es sich, immer auch eine kulturelle Testung der NG-Infektion anzustreben. Da diese aber oft nicht gelingt, soll sie die Therapie, vor allem bei symptomatischen Personen, nicht verzögern. Sie kann aber im Falle eines fraglichen Therapieversagens oder einer Ceftriaxon-Unverträglichkeit sehr hilfreich sein. Oft sind zudem die Kosten für die Resistenztestung ein Hindernis, gerade bei jungen Patient/-innen mit einer hohen Franchise.
Ein Test-of-Cure ist dann empfohlen, wenn von der Erstlinientherapie abgewichen worden ist oder die Symptome persistieren. Dieser sollte frühestens 14 Tage nach der Behandlung erfolgen, da die PCR in dieser Zeit noch falsch positiv sein kann.
In der Behandlung der Syphilis hat sich wenig geändert. Diese erfolgt weiterhin durch 2,4 Mio. IE Benzathin-Penicillin i.m. Da dieses in der Schweiz nicht verfügbar ist, muss es aus dem europäischen Ausland importiert werden (21). Dies sollte nicht zu einem Ausweichen auf die Zweitlinientherapie mit Doxycyclin führen, da hierunter öfters Therapieversagen beobachtet wurde. Falls Sie keinen Zugang zu Benzathin-Penicillin haben, überweisen Sie den Patienten/die Patientin lieber an ein infektiologisches oder dermatologisches Zentrum, welches das Medikament auf Lager hat. Für eine frische Syphilis (<12 Monate nach Infektion) reicht eine einmalige Gabe. Bei unklarem Infektionszeitpunkt oder >12 Monate seit der Infektion sollte diese insgesamt 3 x im Abstand von jeweils 7 Tagen durchgeführt werden. In der Praxis hat sich die Gabe von 50 mg Prednison vor der ersten Gabe zur Prophylaxe einer Jarisch-Herxheimer-Reaktion empfohlen, auch wenn die Evidenz hier nicht wissenschaftlich belegt ist. Ein Test-of-Cure ist bei der Syphilis spätestens nach 12 Monaten empfohlen, es empfiehlt sich, die Verlaufskontrolle bereits früher, nach 3 Monaten, zu machen. Auch wenn Therapieversagen selten sind, ist es sonst bei einer möglichen Re-Infektion oft sehr schwierig, die Werte zu interpretieren, wenn kein Nadir dokumentiert wurde. Eine Syphilis gilt als erfolgreich therapiert, wenn der RPR oder VDRL-Titer mindestens 4 log Stufen abgefallen oder negativ ist. Bei Menschen mit Immunschwäche, inklusive HIV und bei länger zurückliegender Infektion, kann diese Zeit gelegentlich auch länger dauern. Die Therapie einer Neuro-Syphilis erfolgt durch die intravenöse Gabe von 3–4 Mio. IE Penicillin G i.v. alle 4 Stunden für 14 Tage.
Andere bakterielle STIs
Andere bakterielle STIs spielen nur bei symptomatischen Patient/-innen eine Rolle und sollten nie als Screening abgenommen werden. Bei Patient/-innen mit Urethritis, Vaginitis oder Proktitis empfiehlt sich ein stufenweises Vorgehen. Zunächst sollte ein Abstrich auf CT/NG durchgeführt werden. Werden keine der beiden Erreger gefunden, kann weiter auf Mycoplasma genitalium und bei heterosexuellen cisgender Frauen Trichomonas vaginales getestet werden. Bei nicht spezifischen Symptomen wie Juckreiz darf auch mal abgewartet werden, ob die Symptome von selbst sistieren. Mycoplasma genitalium ist weitgehendst resistent auf die frühere Behandlungsempfehlung mit Azithromycin. Eine kulturelle Anzüchtung zur Resistenzbestimmung ist beinah unmöglich. Wenn also keine genetische Testung auf Makriolidresistenz vorliegt, sollte dieses nicht mehr eingesetzt werden. Auch bei einem auf Makrolide sensiblen Erreger sollte immer vorher 7d mit Doxycyclin behandelt werden, um den bakterial load zu reduzieren und dadurch Therapieversagen und weitere Resistenzentwicklung zu vermeiden (10).
Die Umsetzung des NAPS wird unsere praktische Arbeit in Hinblick auf die sexuelle Gesundheit unserer Patient/-innen in den nächsten Jahren verändern. Für das Ziel, der Beendigung der HIV-Epidemie bis zum Jahr 2030 und der Reduktion der anderen sexuell übertragbaren Infektionen müssen wir Ärzt/-innen, die Bevölkerung, aber auch der Bund, die Kantone und die Gemeinden gemeinsam arbeiten. Sie, liebe Leserinnen und Leser, spielen in der Praxis dazu eine wichtige Rolle. Bei jeder STI, die Sie diagnostizieren, sollten Sie vor allem bei MSM unbedingt auch an einen HIV-Test und ein Gespräch über Schutzmöglichkeiten wie die PrEP denken. MSM mit einer bakteriellen STI sind die Gruppe, mit dem statistisch höchsten Risiko sich in den nächsten Monaten mit dem HI-Virus zu infizieren (22). Setzen Sie nicht nur auf das Kondom in Ihrer Beratung, sondern passen Sie Ihre Empfehlungen individuell an Ihre Patienten/-innen an.
Copyright
Aerzteverlag medinfo AG
Zweitabdruck aus «der informierte arzt / die informierte ärztin» 01/25
Dr. med. Benjamin Hampel
– Department of Public and Global Health, Epidemiology, Biostatistics and Prevention Institute, University of Zurich, Hirschengraben 84, 8001 Zurich
– Eidgenössische Kommission für Fragen zu sexuell übertragbaren Infektionen (EKSI)
Dr. med. Barbara Jakopp
– Kantonsspital Aarau, Abteilung für Infektiologie und Infektionsprävention, Tellstrasse 25, 5001 Aarau
– Eidgenössische Kommission für Fragen zu sexuell übertragbaren Infektionen (EKSI)
Der Autor und die Autorin haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
Die Schweiz strebt an, bis 2030 keine neuen Übertragungen von HIV sowie Hepatitis B und C zu verzeichnen und unterstützt die globalen Ziele der WHO und UNAIDS.
Neben klassischen Präventionsmassnahmen wie Kondomen gewinnen biomedizinische Ansätze an Bedeutung. Dazu gehören HIV-Prä- und Postexpositionsprophylaxe (PrEP/PEP), Impfungen (z. B. gegen HPV und Hepatitis B) sowie angepasste Beratungskonzepte wie der «Safer-Sex-Check».
Das Konzept, durch regelmässige Tests asymptomatische Infektionen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, zeigt Erfolge bei HIV und Syphilis. Bei Gonorrhoe und Chlamydien konnte bisher jedoch kein Rückgang beobachtet werden, da viele Infektionen symptomfrei verlaufen und Resistenzen zunehmen.
Antikörpertests sollten bei der Diagnostik von CT und NG nicht verwendet werden. Stattdessen sollen PCR aus Urin oder Abstrichen aus der Genitalregion (urethral beim Mann, cervikal oder vaginal bei der Frau), sowie, je nach Sexualanamnese, auch aus dem Rachen und Rektum durchgeführt werden.
Der Einsatz von Azithromycin wird wegen Resistenzentwicklungen eingeschränkt. Stattdessen wird für Chlamydien Doxycyclin empfohlen, für Gonorrhoe Ceftriaxon in Monotherapie.
1. Bundesamt für Gesundheit. Nationales Programm (NAPS) Stopp HIV, Hepatitis B-, Hepatitis C-Virus und sexuell übertragene Infektionen [Internet]. 2023. Available from: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/strategie-und-politik/nationale-gesundheitsstrategien/nationales-programm-hiv-hep-sti-naps.html
2. Joint United Nations Programme on HIV/AIDS. The path that ends AIDS: UNAIDS Global AIDS Update 2023 [Internet]. 2023. Available from: https://www.unaids.org/en/resources/presscentre/pressreleaseandstatementarchive/2023/july/unaids-global-aids-update
3. Bundesamt für Gesundheit. Sexuell übertragene Infektionen und Hepatitis B/C in der Schweiz im Jahr 2022: eine epidemiologische Beurteilung. BAG-Bulletin. 2023 Nov 27;48.
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5. Koss CA, Dunne EF, Warner L. A systematic review of epidemiologic studies assessing condom use and risk of syphilis. Sex Transm Dis. 2009 Jul;36(7):401–5.
6. Braun DL, Marzel A, Steffens D, Schreiber PW, Grube C, Scherrer AU, et al. High Rates of Subsequent Asymptomatic Sexually Transmitted Infections and Risky Sexual Behavior in Patients Initially Presenting With Primary Human Immunodeficiency Virus-1 Infection. Clinical infectious diseases : an official publication of the Infectious Diseases Society of America. 2017/10/14 ed. 2018 Feb 10;66(5):735–42.
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19. De Baetselier I, Osbak KK, Smet H, Kenyon CR, Crucitti T. Take three, test one: a cross-sectional study to evaluate the molecular detection of Chlamydia trachomatis and Neisseria gonorrhoeae in pooled pharyngeal, anorectal and urine samples versus single-site testing among men who have sex with men in Belgium. Acta clinica Belgica. 2018/11/13 ed. 2018 Nov 12;1–5.
20. Sultan B, White JA, Fish R, Carrick G, Brima N, Copas A, et al. The “3 in 1” Study: Pooling Self-Taken Pharyngeal, Urethral, and Rectal Samples into a Single Sample for Analysis for Detection of Neisseria gonorrhoeae and Chlamydia trachomatis in Men Who Have Sex with Men. Journal of clinical microbiology. 2016/01/01 ed. 2016 Mar;54(3):650–6.
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22. Pathela P, Braunstein SL, Blank S, Shepard C, Schillinger JA. The high risk of an HIV diagnosis following a diagnosis of syphilis: a population-level analysis of New York City men. Clin Infect Dis. 2015 Jul 15;61(2):281–7.
Seit 2016 bieten wir am Stadtspital Zürich den One Stop MToP an. Damals berichteten wir hier über unsere ersten Erfahrungen. Nun ziehen wir erneut Bilanz, mit positiven Rückmeldungen in 93 % bei 258 befragten Frauen. Sicher und mit gleicher
Wirksamkeit bietet der One Stop MToP den Patientinnen mehr Flexibilität und Selbstbestimmung im Ablauf ihres Schwangerschaftsabbruchs.
We have been offering One Stop MToP at Zurich City Hospital since 2016. At that time, we reported on our initial experiences here. Now with more data we are taking stock again, with positive feedback from 93% of the 258 women surveyed. Safe and equally effective, One Stop MToP provides patients with greater flexibility and autonomy in managing their abortion process. Keywords: Medical Termination of Pregnancy, One Stop, Progesteron-Antagonist, Prostaglandin-Analogon
Beim sogenannten One Stop MToP (Medical Termination of Pregnancy) erfolgt die Nachkontrolle nach dem Schwangerschaftsabbruch zuhause durch die Patientin selbst und nicht, wie sonst üblich, in der Klinik. Bei einem ausgewählten Kollektiv von Patientinnen stellt dies eine sichere und gut etablierte Methode zur Beendigung einer ungewollten Schwangerschaft dar. Die Frauenklinik hat 2016 die One Stop Methode eingeführt, um die Überdiagnostizierung von Restmaterial nach einem MToP zu reduzieren, den Patientinnen mehr Selbstbestimmung über den Verlauf ihres Schwangerschaftsabbruchs zu ermöglichen und das Ambulatorium zu entlasten. Während sechs Jahren wurden die One Stop-Patientinnen des Stadtspitals zu ihren Erfahrungen und ihrer Zufriedenheit mit dieser Methode befragt. Die Rückmeldungen waren mehrheitlich positiv.
Schwangerschaftsabbrüche in der Schweiz
Die in der Schweiz seit 2002 geltende Fristenregelung besagt, dass eine Schwangerschaft in den ersten 12 Wochen auf Wunsch der Frau bei Bestehen einer Notlage abgebrochen werden kann. Gemäss dem Bundesamt für Statistik ist die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche seit 2004 zwischen 6.8 und 7.2 pro 1000 Frauen im Alter von 15 bis 44 Jahren relativ stabil und fällt im internationalen Vergleich sehr niedrig aus. Das Durchschnittsalter der Frauen beim Abbruch liegt bei 30 Jahren. Bei jungen Frauen bis 19 Jahre ist die Abbruchrate seit einiger Zeit auf niedrigem Niveau konstant, im Jahr 2023 waren es 3.3 von 1000 Frauen. Hinsichtlich der Methode des Schwangerschaftsabbruchs dominiert heute in der Schweiz eindeutig der medikamentöse Abbruch, der in 80 % der Fälle gewählt wird (1). Zur Häufigkeit von One Stop MToP in der Schweiz gibt es keine Zahlen des Bundesamts für Statistik. Eine Studie zeigt jedoch, dass die Methode nur selten angeboten wird (2). Dabei hat der One Stop MToP einige Vorteile zu bieten.
Ablauf des One Stop MToP
Der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch besteht aus der Einnahme von Mifepriston, einem Progesteron-Antagonisten, gefolgt von dem Prostaglandin-Analogon Misoprostol nach 36 bis 48 Stunden. Die Zulassung für einen MToP mittels Mifepriston und Misoprostol gilt in der Schweiz bis 49 Tage nach Beginn der letzten Menstruation. Danach gilt eine Verabreichung als «off-label use», und wird häufig durchgeführt (3). Zwei Wochen nach Einnahme der Medikamente erfolgt eine Nachkontrolle, die eine fortbestehende Schwangerschaft ausschliessen soll. Diese findet klassischerweise in der Klinik oder Praxis statt, mittels transvaginalem Ultraschall. Beim One Stop MToP hingegen führt die Patientin die Nachkontrolle selbstständig mit einem speziellen Schwangerschaftstest durch, der einen beta-hCG Schwellenwert von 1000 mIU/mL aufweist (CheckTop®) (Abb. 1). Der Ablauf eines One Stop MToP richtet sich am Stadtspital nach den Empfehlungen der SGGG (3). Es wird immer eine gynäkologische Untersuchung durchgeführt, mittels Ultraschalls eine ektope Gravidität ausgeschlossen sowie das Gestationsalter überprüft und über eine zukünftige Antikonzeption beraten. Bei Rhesus-negativen Patientinnen erfolgt eine Anti-D Prophylaxe mit Rhophylac®. Die Patientin kann das Mifepriston-Präparat (Mifegyne® 600 mg p.o) direkt unter Aufsicht einnehmen. Das zweite Medikament, Misoprostol (Cytotec® 400 μg) und der CheckTop® Schwangerschaftstest, sowie auch Analgetika und Antiemetika werden ihr für zuhause mitgegeben.
Zur Bestimmung des geeigneten Patientinnenkollektivs für einen One Stop Ablauf liegt im Stadtspital eine Checkliste vor. Zusätzlich zu den allgemeinen Ausschlusskriterien für einen medikamentösen Abbruch kommen als Kontraindikationen für einen One Stop MToP eine psychische Erkrankung und die Erstdiagnose der Schwangerschaft auf dem Notfall hinzu. In erster Linie ist der Wunsch der Patientin massgeblich, ob sie ein Vorgehen entsprechend One Stop oder die Variante mit mehreren Kontrollen bevorzugt.
Vorteile eines One Stop MToP
Gemäss den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollte die Möglichkeit eines One Stop MTop Frauen im ersten Schwangerschaftsdrittel mit negativem Desiderium angeboten werden (4). Obwohl in der Schweiz dafür keine rechtlichen Hürden vorliegen, wird die One Stop Methode nur selten angeboten. Im Rahmen einer Schweizer Studie gaben lediglich 8.3 % der Spitäler und 28.6 % der Praxen an, Schwangerschaftsabbrüche mit nur einem Termin anzubieten (2). Dabei gäbe es verschiedene Gründe, wieso Patientinnen den Ablauf als One Stop bevorzugen könnten: Eine Studie nennt die Vermeidung eines weiteren Krankenhausbesuchs, die Reduktion von Stress und praktische Erwägungen als Gründe für die Präferenz einer Nachkontrolle zuhause (5). Ein weiterer Vorteil des One Stop MToP sind geringere Kosten. Laut einer Studie am Universitätsspital in Genf kostet das Verfahren durchschnittlich 27 % weniger (6). Darüber hinaus kann das Risiko einer Überbehandlung bei einem One Stop MToP als geringer eingeschätzt werden. Bei einer Nachkontrolle mittels Ultraschall wird öfter die Diagnose von Restmaterial gestellt, was zu unnötigen chirurgischen Interventionen führen kann (6, 7, 8). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die korrekte Beurteilung des Ultraschallbefundes stark von der Erfahrung der durchführenden Fachperson abhängt.
Internationale Studien haben gezeigt, dass der One Stop MToP gleichermassen sicher und wirksam ist wie ein Verfahren mit mehreren Terminen. Die Nachkontrolle mittels Urintests und Symptombeurteilung zuhause ist ebenso zuverlässig wie die Ultraschalluntersuchung. Darüber hinaus unterscheiden sich die Erfolgs- und Komplikationsraten bei One Stop MToP nicht von denen eines Verfahrens mit mehreren Terminen (8, 9). Laut Befragungen, die einige Wochen nach dem Schwangerschaftsabbruch durchgeführt wurden, würden sich je nach Studie 76 bis 95 % der Patientinnen erneut für den Ablauf als One Stop entscheiden (6, 8, 10, 11).
Ergebnisse unserer Befragung
Um die Erfahrung der Patientinnen, die sich am Stadtspital für die One Stop Methode entschieden haben, zu erfassen, wurden ihnen 3 bis 4 Wochen nach dem Schwangerschaftsabbruch telefonisch die drei in der Abb. 2 aufgeführten Fragen gestellt.
Insgesamt wurden im untersuchten Zeitraum 1326 medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche im Stadtspital durchgeführt, davon 511 (38.5 %) als One Stop. Das mittlere Alter der Patientinnen betrug 28.5 Jahre und das durchschnittliche Gestationsalter lag bei 7 Wochen. Es konnten 258 Patientinnen telefonisch zu ihrer Erfahrung befragt werden. Dabei zeigte sich eine hohe Zufriedenheit der Patientinnen: 93 % gaben an, sie seien zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Verfahren. 85 % der Patientinnen fühlten sich währenddessen sicher oder sehr sicher. Etwa die Hälfte der Patientinnen (52 %) benötigte während des Schwangerschaftsabbruchs zu Hause nur wenig oder gar keine Unterstützung, während 34 % angaben, dass sie Unterstützung oder sehr viel Unterstützung benötigten.
Der Unterstützungsbedarf korrelierte sowohl mit dem Alter der Patientin als auch damit, wie sicher sie sich während des Verfahrens gefühlt hat. Der Unterstützungsbedarf ist tendenziell tiefer, je älter die Patientin ist und tendenziell höher, wenn sich die Patientin nicht sehr sicher fühlte. Die Unterstützung zuhause stellt also einen wichtigen Faktor für das Erlebnis der Patientin dar und sollte während des Beratungsgesprächs speziell angesprochen werden. Studien haben gezeigt, dass die Anwesenheit einer Vertrauensperson zuhause eine signifikante Korrelation mit der Zufriedenheit der Patientin nach dem Schwangerschaftsabbruch aufweist (12).
Schlussfolgerung und Ausblick
Die Ergebnisse unserer Befragung und der erwähnten Studien zeigen, dass ein One Stop MToP mehrheitlich zu zufriedenen Patientinnen führt. Am Stadtspital wurde seit der Einführung zudem beobachtet, dass es zu weniger Interventionen gekommen ist, auch wenn exakte Zahlen dafür fehlen. Weiterhin bleibt das sorgfältige Triagieren der geeigneten Patientinnen und die Empfehlung der Anwesenheit einer Bezugsperson wichtig. Mit gleicher Wirksamkeit bietet der One Stop MToP Patientinnen mehr Flexibilität und Selbstbestimmung im Ablauf ihres Schwangerschaftsabbruchs. Zudem schätzen die Patientinnen die Entlastung ihrer zeitlichen Ressourcen. Neben der zeitlichen Entlastung seitens der Patientinnen schont das Vorgehen ebenso die spitalinternen Prozesse in punkto Kapazität und ökonomischen Aspekten. Der One Stop MToP wird als bewährtes Verfahren weiter im Stadtspital durchgeführt und sollte allgemein in der Schweiz mehr angeboten werden, um den Zugang zum individuell besten Verfahren für jede Patientin zu gewährleisten.
Die Autorinnen erklären, keinen Interessenskonflikt in Zusammenhang mit diesem Beitrag zu haben.
Sicher und effektiv: Der One Stop MToP ist ebenso sicher und wirksam wie Verfahren mit mehreren Terminen.
Hohe Zufriedenheit: 93 % der Patientinnen bewerten die Methode positiv.
Kostensparend und praktisch: Der One Stop MToP reduziert Stress und generiert um ca. 27 % verminderte Kosten.
Weniger Eingriffe: Geringeres Risiko unnötiger Operationen oder Folgetherapien durch Überdiagnostik von Restmaterial im Ultraschall.
Unterstützung ist wichtig: Ein unterstützendes Umfeld zuhause verbessert das Erlebnis der Patientinnen.
1. Statistik Bf. Statistik des Schwangerschaftsabbruch [Internet]. Bundesamt für Statistik. verfügbar unter: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitszustand/reproduktive/schwangerschaftsabbrueche.html#par_text.
2. Eckstein SM, von Felten S, Perotto L, Brun R, Vorburger D. First trimester abortion protocols by facility type in Switzerland and potential barriers to accessing the service. Sci Rep. 2023;13(1):6814.
3. Renteria S-C, Orelli Sv, Huldi H, Bitzer J, Tschudin S, Spencer B, et al. Medikamentöser Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimester. Expertenbrief No 78. Komission Qualitätssicherung: Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe; 2022.
4. WHO. Abortion care guidelines [Internet]. Geneva: World Health Organization; 2022. verfügbar unter: https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/349316/9789240039483-eng.pdf?sequence=1.
5. Cameron ST, Glasier A, Dewart H, Johnstone A, Burnside A. Telephone follow-up and self-performed urine pregnancy testing after early medical abortion: a service evaluation. Contraception. 2012;86(1):67-73.
6. Vanetti A, Catarino R, Yaron M. Remote self-assessment follow-up for medical termination of pregnancy at Geneva University Hospitals: an insight into its acceptability, success rate and costs. Swiss Med Wkly. 2021;151:w20531.
7. Fiala C, Safar P, Bygdeman M, Gemzell-Danielsson K. Verifying the effectiveness of medical abortion; ultrasound versus hCG testing. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol. 2003;109(2):190-5.
8. Oppegaard KS, Qvigstad E, Fiala C, Heikinheimo O, Benson L, Gemzell-Danielsson K. Clinical follow-up compared with self-assessment of outcome after medical abortion: a multicentre, non-inferiority, randomised, controlled trial. Lancet. 2015;385(9969):698-704.
9. Baiju N, Acharya G, D‘Antonio F, Berg RC. Effectiveness, safety and acceptability of self-assessment of the outcome of first-trimester medical abortion: a systematic review and meta-analysis. BJOG. 2019;126(13):1536-44.
10. Ngoc NTN, Bracken H, Blum J, Nga NTB, Minh NH, van Nhang N, et al. Acceptability and feasibility of phone follow-up after early medical abortion in Vietnam: a randomized controlled trial. Obstet Gynecol. 2014;123(1):88-95.
11. Platais I, Tsereteli T, Comendant R, Kurbanbekova D, Winikoff B. Acceptability and feasibility of phone follow-up with a semiquantitative urine pregnancy test after medical abortion in Moldova and Uzbekistan. Contraception. 2015;91(2):178-83.
12. Kopp Kallner H, Fiala C, Gemzell-Danielsson K. Assessment of significant factors affecting acceptability of home administration of misoprostol for medical abortion. Contraception. 2012;85(4):394-7.
Bei Migräne reagiert das zentrale Nervensystem überempfindlich auf Reize, und der Botenstoff CGRP (Calcitonin-Gene-Related Peptide) spielt eine zentrale Rolle bei der Schmerzentstehung. Migräne tritt häufig familiär auf, eine exakte Gen-Lokalisierung gibt es indessen nicht. Bei Migränikerinnen und Migränikern werden Sinnesreize wie Licht, Lärm oder Gerüche verstärkt verarbeitet.
Deshalb ziehen sich die Befallenen in dunkle, ruhige Orte zurück. Die Auslöser für Migräne sind multifaktoriell, dabei spielen Lebensstil, Umwelt, Genetik und neurobiologische Empfindlichkeit eine Rolle. Trigger-Faktoren sind Stress und Schlafmangel, Dehydrierung und unregelmässige Mahlzeiten, Wetterveränderungen und Reizüberflutung, d.h. Licht, Geräusche, Gerüche.
Migräne – eine ernstzunehmende neurologische Erkrankung mit besonderer Relevanz für Frauen
Prof. Dr. med. Andreas Gantenbein, Facharzt für Neurologie FMH bei ZURZACH Care betont, dass es sich bei Migräne, obwohl sie gelegentlich als psychische Störung abgetan wird, nicht um eine solche handelt, sondern um eine der weltweit häufigsten und belastendsten neurologischen Erkrankungen. In der Schweiz sind rund eine Million Menschen betroffen, etwa 70-80 % davon sind Frauen.
Typische Symptome sind einseitiger oder beidseitiger Kopfschmerz, Übelkeit, Licht- und Geräuschempfindlichkeit sowie Rückzugsverhalten. Prof. Gantenbein unterscheidet verschiedene Migräneformen – episodisch, chronisch sowie mit und ohne Aura. Er betont, dass hormonelle Schwankungen bei Frauen einen wesentlichen Einfluss auf die Häufigkeit und Schwere der Attacken haben. Obschon Migräne meist auch genetisch veranlagt ist, kann sie sich im Verlaufe des Lebens verändern – etwa durch Schwangerschaft, hormonelle Umstellungen oder Alter. Für die Diagnostik ist ein detailliertes Kopfschmerztagebuch essentiell, insbesondere in der Abgrenzung zu anderen Kopfschmerzformen. Dieses Kopfschmerztagebuch spielt auch in der Therapie eine wichtige Rolle zur Erfolgskontrolle.
Prof. Gantenbein betont, dass trotz moderner Behandlungsoptionen immer noch viele Patientinnen nicht optimal versorgt sind – sei durch mangelnde ärztliche Abklärung, unzureichende Therapien oder fehlende Wahrnehmung der Erkrankung als schwere chronische Belastung. Die Herausforderung besteht darin, individuelle Trigger für Migräne zu erkennen, neue Therapien besser zugänglich zu machen und die Versorgung geschlechtersensible weiterzuentwickeln.
Hormone und Migräne: Zyklisch, komplex und oft unterschätzt
Frau Dr. med. Lea Köchli, Fachärztin für Gynäkologie FMH beim Frauengesundheitszentrum, Rämistrasse 35, Zürich, sieht in ihrer Praxis täglich, wie stark Migräne mit dem Menstruationszyklus, hormoneller Verhütung, Schwangerschaft oder der Menopause verbunden sein kann. Häufig tritt Migräne zum ersten Mal in der Pubertät auf und bleibt für viele Frauen über Jahre ein wiederkehrendes, hormonell getriggertes Leiden. Besonders häufig sind die menstruelle Migräne und die zyklusassoziierte Migräne. Hormonelle Verhütungsmittel können Migräne auslösen oder verstärken. Individuell angepasst, können Langzyklen, östrogenfreie Pillen oder lokale Optionen wie Hormonspiralen eine sinnvolle Alternative sein. In der Schwangerschaft kommt es meist zu einer Besserung, während die Stillzeit durch hormonelle Ruhe für viele Frauen ebenfalls entlastend wirkt. In der Perimenopause führen instabile Östrogenspiegel dagegen oft zu einem Wiederaufflammen oder auch einer Erstmanifestation der Migräne.
Für die Diagnose ist ein Migränetagebuch in Kombination mit Zyklus-Tracking zentrale Werkzeuge. So lassen sich hormonelle Trigger erkennen, Therapieverläufe dokumentieren und Muster sichtbar machen. In der Therapie gilt es, die hormonelle Dynamik zu verstehen und individuelle Strategien zu entwickeln – z.B. gezielte Hormonmodulation, Pille im Langzyklus oder Ergänzung durch Gestagene in der Menopause.
Dr. Köchli betont, dass hormonell bedingte Migräne noch immer zu wenig Beachtung findet – weder in der Hausarztpraxis noch in der Gynäkologie. Dabei wäre eine gezielte Anamnese genau der Schlüssel. Wer die Patientin fragt, kann die Erkrankung erkennen und gezielt behandeln. Dr. Köchlis Appell: Hormonelle Migräne sollte ein integraler Bestandteil jeder medizinischen Anamnese bei Frauen im reproduktiven Alter sein – für eine personalisierte und effektive Therapie.
Nach einem Pressebricht von HERHEALTH.ch c/o Iaculis GmbH, Zürich
Prof. Dr. Michael von Wolff von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital Bern, präsentierte eine umfassende Analyse zur Bedeutung von Endometriose und Adenomyose in Bezug auf den Kinderwunsch. Sein Vortrag umfasste aktuelle diagnostische und therapeutische Ansätze, Risiken im Zusammenhang mit der Schwangerschaft sowie die Rolle der Laparoskopie und medikamentöser Behandlungen. Prof. von Wolff stellte die neuesten Leitlinien und evidenzbasierten Maßnahmen vor, die die Auswirkungen dieser Erkrankungen auf die Chancen einer natürlichen Empfängnis und der IVF-Erfolgsrate beleuchten.
Diagnostische Einblicke in Endometriose und Adenomyose
Prof. Dr. Michael von Wolff
Endometriose und Adenomyose zählen zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen, die Frauen im reproduktiven Alter betreffen und die Fruchtbarkeit erheblich beeinträchtigen können. Aktuelle Studien belegen den Einfluss dieser Erkrankungen auf die Fortpflanzungsgesundheit: Bei asymptomatischer Adenomyose beträgt die Odds Ratio (OR) für Fehlgeburten 1,81 (95% KI 1,35–2,44), während die Lebendgeburtenrate auf eine OR von 0,66 (95% KI 0,53–0,77) gesenkt ist. Noch deutlicher fällt der Effekt bei symptomatischer Adenomyose aus, wo die Fehlgeburtsrate mit einer OR von 2,48 (95% KI 1,28–4,82) höher ist. Diese Resultate verdeutlichen, dass sowohl die Diagnose als auch das Management dieser Erkrankungen besondere Aufmerksamkeit erfordern, um die Chancen für eine Lebendgeburt zu optimieren.
Laparoskopie bei Kinderwunschpatientinnen mit Endometriose
Laparoskopische Eingriffe stellen einen zentralen diagnostischen und therapeutischen Ansatz dar. Laut ESHRE-Leitlinien kann eine operative Behandlung in frühen Endometriose-Stadien (I/II) die Wahrscheinlichkeit für eine Spontanschwangerschaft erhöhen, da die Tubenfunktion verbessert wird. Allerdings zeigt die Evidenz auch, dass die laparoskopische Entfernung der Endometriose keine signifikante Verbesserung der IVF-Erfolgsraten bringt. Hinsichtlich Endometriomen – einer häufigen Manifestation der Endometriose – bleibt unklar, ob deren Entfernung die Wahrscheinlichkeit einer natürlichen Konzeption erhöht. Die Datenlage weist darauf hin, dass sich die IVF-Erfolgsraten durch die Entfernung von Endometriomen eher verschlechtern, da die ovariellen Reserven und die Eierstockfunktion beeinträchtigt werden können. Prof. von Wolff betont, dass die komplette Entfernung der Zystenwand sinnvoller ist als lediglich eine Fenestrierung oder eine Vaporisierung mittels Laser, um eine erneute Zystenbildung zu vermeiden.
Neue diagnostische Ansätze: Der Endometriose-Speicheltest (Endotest®)
Ein vielversprechender, neuer Ansatz in der Endometriose-Diagnostik ist der Speicheltest Endotest®. Erste Studien zeigen eine hohe Sensitivität und Spezifität, doch bestehen noch Fragen zur Anwendbarkeit bei Frauen ohne Endometriose-Symptome oder bei Patientinnen mit Adenomyose. Die deutsche AGE und die SGGG empfehlen derzeit, den Test vorerst nicht routinemäßig einzusetzen, bis Validierungsstudien weitere Erkenntnisse zur Zuverlässigkeit des Tests liefern.
Endometriose Fertility Index (EFI) als Prognosetool
Der Endometriose Fertility Index (EFI) wird verwendet, um bei Patientinnen mit Endometriose die individuelle Empfängniswahrscheinlichkeit abzuschätzen. Prof. von Wolff sieht den EFI als nützlich an, um die Erfolgsaussichten einer natürlichen Empfängnis besser einschätzen zu können, weist jedoch darauf hin, dass der prognostische Mehrwert begrenzt ist, da ähnliche Schätzungen auch ohne den Score vorgenommen werden können. Zudem ist eine Laparoskopie zur Berechnung des EFI erforderlich, was den Einsatz des EFI auf Patientinnen beschränkt, die sich einer diagnostischen oder therapeutischen Laparoskopie unterziehen.
Schwangerschaftsrisiken bei Endometriose und Adenomyose
Endometriose erhöht nachweislich das Risiko für diverse Schwangerschaftskomplikationen. Die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt steigt um 70% (OR 1,70; 95% KI 1,40–2,06), und auch das Risiko für Gestationsdiabetes (OR 1,26; 95% KI 1,03–1,55) und Präeklampsie (OR 1,18; 95% KI 1,01–1,39) ist bei Frauen mit Endometriose erhöht. Zudem besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für Blasensprünge (OR 2,33; 95% KI 1,39–3,90) und plazentare Komplikationen wie abruptio placentae (OR 1,87; 95% KI 1,65–2,13). Bei Adenomyose zeigt sich ein ähnliches Risikoprofil, allerdings mit einem signifikant höheren Risiko für postpartale Blutungen, das bei Frauen mit Adenomyose dreifach erhöht ist (OR 2,90; 95% KI 1,39–6,05, Nirgiankais et al., 2021).
Optimierung der Therapieansätze bei Kinderwunsch
Die Therapie bei Endometriose sollte darauf abzielen, die Zyklusdauer und den Zeitraum bis zur Schwangerschaft zu minimieren. Eine intrauterine Insemination (IUI) in Kombination mit hormoneller Stimulation bietet eine höhere Erfolgsrate als ein abwartendes Vorgehen. Die Empfehlung lautet, maximal drei IUI-Zyklen durchzuführen, um die Belastung für die Patientin zu minimieren. Bei höheren Stadien der Endometriose zeigen sich die IVF-Erfolgsraten deutlich reduziert, was auf eine verringerte Oozytenanzahl und eine gestörte endometriale Funktion zurückzuführen ist. Prof. von Wolff weist darauf hin, dass bei Adenomyose-Patientinnen die temporäre Hypoöstrogenisierung durch GnRH-Analoga vor einer IVF möglicherweise vorteilhaft sein könnte, um die Adenomyoseaktivität zu verringern und so die Erfolgsrate der IVF zu erhöhen.
Dienogest, Ryeqo und Medical/Social Freezing als Präventionsstrategien
Für die langfristige Therapie von Endometriomen bietet sich Dienogest an, das sich als wirksam zur Reduktion des Endometriomvolumens erwiesen hat. Laut einer Studie (Sugimoto et al., 2015) kann durch die Einnahme von 2 mg Dienogest über zwei Jahre das Zystenvolumen auf durchschnittlich 30% des ursprünglichen Volumens reduziert werden. Der Referent erwähnte außerdem das neu zugelassene Medikament Ryeqo, das Relugolix, Estradiol und Norethisteronacetat kombiniert und zur Behandlung von Myomen und Endometriose zugelassen ist. Allerdings betonte er, dass es aktuell nur als «Second-Line»-Option betrachtet wird, da bisher noch begrenzte klinische Erfahrungen mit Ryeqo vorliegen. Frauen mit bilateralen Endometriomen und einem Kinderwunsch wird darüber hinaus empfohlen, die Möglichkeit eines Medical/Social Freezings zu erwägen, um ihre Fruchtbarkeit langfristig zu erhalten.
Take-Home Message:
Endometriose und Adenomyose sind mit erhöhten Fehlgeburts- und verringerten Lebendgeburtenraten verbunden. Eine laparoskopische Behandlung kann bei frühen Endometriose-Stadien die Chancen auf eine Spontanschwangerschaft verbessern, beeinflusst jedoch die IVF-Erfolgsrate nicht. Dienogest bietet einen bewährten Ansatz zur Endometriose-Progressionskontrolle. Die ESHRE-Guidelines und der EFI-Score bieten wichtige Anhaltspunkte zur Therapieplanung, während der neue Speicheltest Endotest® und das Medikament Ryeqo noch weiter validiert werden müssen.
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