Zielgerichtete Therapien

Die Personalisierte Onkologie hat dank der Entwicklung von modernsten diagnostischen Werkzeugen und dem dadurch ermöglichten, therapeutischen Einsatz zielgerichteter Therapien über die letzten Jahre stark an Bedeutung gewonnen. Gerade das nicht-squamöse, nicht-kleinzellige Bronchuskarzinom ist ein Paradebeispiel dafür.

L’oncologie personnalisée est devenue de plus en plus importante ces dernières années grâce au développement d’outils diagnostiques de pointe et à l’utilisation thérapeutique des thérapies ciblées qui en résultent. Le carcinome bronchique non squameux et à cellules non petites en est un bon exemple.

Zielgerichtete Therapien mit Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKIs) haben im Zeitalter der Personalisierten Onkologie (oder «Precision Oncology») über die letzten Jahre eine zunehmende Bedeutung erhalten. Nach ersten Erfolgen in der chronisch myeloischen Leukämie (CML) mit dem Einsatz von Imatinib (1) und im BRAF p.V600E-mutierten Melanom mit BRAF- und MEK-TKIs (2–4) hat sich das nicht-squamöse, nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (nsqNSCLC) als eigentliches Aushängeschild für den Einsatz zielgerichteter Therapien mit TKIs heraus kristallisiert. Das hängt einerseits mit der Vielfalt an entdeckten onkogenen Veränderungen zusammen, die einer zielgerichteten Therapie zugänglich sind (sogenannte «actionable aberrations»). Zusammen gezählt weisen rund 40% aller nsqNSCLC eine Aberration auf, für die eine in der Schweiz erhältliche zielgerichtete Therapie-Form existiert (Abb. 1) (5). Bei absolut rund 4’200 neu diagnostizierten Lungenkrebs-Fällen pro Jahr (rund 50% davon nsqNSCLC) betrifft das in der Schweiz theoretisch rund 800–900 Patienten (6). Andererseits hat die Weiterentwicklung der molekular-pathologischen Diagnostik mit Einführung der Tiefensequenzierung (NGS) im Rahmen von Panel-Testungen in der Routine dazu geführt, dass diese Aberrationen rasch und zuverlässig bestimmt werden können. Im Folgenden wollen wir die aktuell wichtigsten klinischen Daten zum Einsatz von TKIs im nsqNSCLC diskutieren.

EGFR-mutiertes NSCLC

Aktivierende Mutationen im EGFR-Gen stellen die häufigste onkogene genomische Aberration dar, für die eine zielgerichtete Therapie existiert. In über 90% der Fälle handelt es sich um eine sogenannte klassische EGFR-Mutation (EGFR p.L858R oder eine Deletion im Exon 19). Mehrere randomisierte Studien haben in dieser Situation die Überlegenheit einer zielgerichteten Therapie gegenüber einer Chemotherapie gezeigt und drei EGFR-TKIs der ersten und zweiten Generation sind seither Standard in first-line: Erlotinib (Erlo), Gefitinib (Gefi) und Afatinib (Afa) (7–12). Bei den nicht klassischen («uncommon») EGFR-Mutationen wird bevorzugt Afa eingesetzt, da es dort am besten dokumentierte Aktivität hat (13).
Über kurz oder lang werden die meisten Patienten eine Resistenz auf die EGFR-TKI-Behandlung entwickeln. Der häufigste Mechanismus ist das Auftreten einer EGFR p.T790M-Punktmutation, weitere Beispiele sind MET-Amplifikationen, HER2-Amplifikationen, epitheliale-zu-mesenchymale Transition, oder sogar Entwicklung einer kleinzelligen Histologie. EGFR-TKIs der dritten Generation sind gegen EGFR p.T790M wirksam, allen voran Osimertinib (Osi). Die randomisierte Phase-3 Studie AURA3 hat einen deutlichen PFS-Vorteil für Osi gegenüber einer Platin/Pemetrexed (Pem)-Kombination gezeigt (10.1 vs 4.4 Mt; HR 0.30 [95% CI 0.23–0.41]; P < 0.001) (14). Beim Auftreten von klinischer Resistenz gegenüber einer EGFR-TKI-Therapie soll daher immer aktiv nach EGFR p.T790M gesucht werden, sei es in einer liquid biopsy (Analyse an zirkulierender, freier Tumor-DNS) oder an einer Biopsie eines progredienten Herdes. Wir verfolgen im Allgemeinen die Strategie beides gleichzeitig zu testen, da die liquid biopsy nicht konklusiv sein kann (nämlich dann, wenn der Tumor zu wenig DNS in die Zirkulation abgibt), und da wegen intra- und intertumoraler Heterogenität eine Biopsie falsch negativ sein kann. Durch die doppelte Analyse kann man somit das Risiko minimieren, eine T790M zu verpassen.
Osi wurde in der Zwischenzeit in der Phase-3 Studie FLAURA auch in first-line untersucht, randomisiert gegen Erlo oder Gefi (15). Osi hat bei noch nicht reifen OS-Daten zu einer deutlichen PFS-Verlängerung geführt, so dass es inzwischen hierfür die Zulassung erhalten hat und zum neuen Standard werden dürfte (18.9 vs 10.2 Mt; HR 0.46 [95% CI 0.37–0.57]; P < 0.001). Vor allem im ZNS ist Osi aktiver als die TKIs der ersten Generation (16).
Es gibt verschiedene weitere Ansätze, wie die Therapie in first-line verbessert werden könnte. Einer ist die Hinzugabe des VEGF-gerichteten, monoklonalen Antikörpers Bevacizumab (Beva), infolge präklinischer Hinweise auf einen möglichen Synergismus (17). Die randomisierte japanische JO25567 Studie und die einarmige Phase-2 Studie ETOP 2-11 BELIEF haben beide eine eindrückliche Verlängerung des PFS auf rund 16 Mt gezeigt (18, 19). Der Enthusiasmus wurde allerdings am diesjährigen Jahreskongress der Amerikanischen Krebsgesellschaft ASCO gedämpft: etwas überraschend hat die PFS-Verlängerung in der finalen Analyse nicht zu einer OS-Verlängerung geführt (20).
Ein anderer interessanter Ansatz ist die Kombination eines EGFR-TKIs mit Chemotherapie. In der Vergangenheit waren solche Studien negativ geblieben, hatten diese Kombination allerdings in anderen Situationen untersucht: Im Rahmen der INTACT-2 Studie in einer unselektionierten NSCLC-Population (21) und im Rahmen der IMPRESS-Studie in second-line nach Gefi Versagen (22). Ebenfalls am ASCO meeting 2018 wurden jetzt aber erste Resultate der NEJ009-Studie präsentiert, welche randomisiert Gefi mono vs Gefi / Carboplatin (Carbo) / Pem in first-line bei EGFR-mutierten Patienten untersuchte. Die Hinzugabe der Chemotherapie hat das OS statistisch signifikant um mehr als ein Jahr verlängert (52.2 vs 38.8 Mt; (HR 0.70 [95% CI 0.52–0.93]; p = 0.013) (23). Es wäre nun spannend zu untersuchen, welche Wirksamkeit eine Kombination von Chemotherapie mit dem derzeit aktivsten EGFR-TKI Osi in first-line hat.

ALK-transloziertes NSCLC

Anders als beim EGFR-mutierten NSCLC ist der Mechanismus der onkogenen Aktivierung bei ALK getriebenen NSCLC: hier handelt es sich um Translokationen mit Bildung eines Fusions-Onkoproteins, in den allermeisten Fällen EML4-ALK als Folge einer Inversion inv(2)(p21p23) (24). Dies führt zu einer konstitutiven Aktivierung der ALK-Kinase mit Hyperaktivierung von nachgeschalteten intrazellulären Signalwegen (25). ALK-Inhibitoren können dies therapeutisch ausnützen und der Archetyp ist Crizotinib (Crizo). Im Vergleich zu Standard-Chemotherapie hat Crizo eine deutliche PFS-Verlängerung gezeigt, zuerst in second-line (PROFILE 1007 Studie), dann auch in first-line (PROFILE 1014; medianes PFS 10.9 vs 7.0 Mt; HR 0.45 [95% CI 0.35–0.60]; P < 0.001) (26, 27). Die abschliessende OS-Analyse wurde kürzlich publiziert und zeigt rund 46 Mt in beiden Armen (ns), allerdings haben 84.2% der Patienten aus dem Chemotherapie-Arm in späteren Therapielinien Crizo erhalten (28). Wird für diesen crossover korrigiert, zeigt sich ein deutlicher OS-Vorteil für Crizo (HR 0.35; 95% bootstrap CI 0.08–0.72). Überdies war das OS in derjenigen Subgruppe am längsten, die Crizo und weitere ALK TKIs erhalten hat. Diese Daten sprechen klar dafür, dass im ALK-translozierten NSCLC zunächst eine ALK-Tyrosinkinase-Inhibition eingesetzt werden soll.
Auch im ALK-translozierten NSCLC kommt es allerdings zu Resistenzentwicklungen. Ein häufiger Mechanismus sind Punktmutationen in ALK, wobei es im Unterschied zu EGFR keine einzelne Mutation gibt, die klar überwiegt. Mehrere TKIs der nächsten Generation haben gezeigt, dass sie eine Crizo-Resistenz überwinden können: Alectinib (Alec), Ceritinib (Ceri), Lorlatinib (Lorla) und Brigatinib (Briga), wovon die ersten beiden in der Schweiz zugelassen sind (29–33). Auch beim ALK-translozierten NSCLC wurde dann als nächstes untersucht, ob die effizienteren ALK-Inhibitoren in first-line eingesetzt das outcome weiter verbessern können. Eine Überlegung dahinter ist, dass so die Entwicklung von Hirnmetastasen aufgeschoben oder gar verhindert werden kann. Hirnmetastasen sind bei ALK-translozierten NSCLC häufig und Crizo hat eine nur ungenügende Aktivität im ZNS. Ein weiteres Argument für einen Einsatz des effizientesten Medikamentes in first-line ist die Tatsache, dass man von Therapie-Linie zu Therapie-Linie immer Patienten verliert und somit nicht alle die Chance auf den effizientesten TKI erhalten, wenn man ihn sich für spätere Linien «aufspart». So hat Ceri gezeigt, dass es in first-line effizient ist – allerdings im Vergleich mit Chemotherapie und nicht mit dem Goldstandard Crizo (34). Letzten Sommer wurden dann auch die Resultate der ALEX-Studie voll publiziert, welche Alec gegen Crizo in unbehandelten Patienten untersucht hat (35). Das mediane PFS für Alec war noch nicht erreicht, aber die 12-Monats-Event-freie Rate war mit Alec signifikant höher (68.4% [95% CI, 61.0–75.9%] vs 48.7% [95% CI, 40.4–56.9%]; HR 0.47 [95% CI, 0.34–0.65]; P < 0.001). Ein Hauptgrund dafür war wie erwartet die wesentlich bessere ZNS-Kontrolle durch Alec mit einer kumulativen 12-Monats-Inzidenz einer ZNS-Progression von nur 9.4% (95% CI 5.4–14.7%) gegenüber 41.4% unter Crizo (95% CI 33.2–49.4%). Diese überzeugenden Daten haben auch zur Zulassung von Alec in first-line in der Schweiz geführt. Vor kurzem wurden auch erste Daten der ALTA-1L-Studie publiziert, welche ähnliche Resultate für Briga versus Crizo in der first-line zeigen konnte (36).
In der Praxis stellt sich nun natürlich die Frage nach der optimalen Behandlungssequenz bei dieser grossen Anzahl zugelassener TKIs. Im allgemeinen wird man je nach Zulassungsstatus mit einem möglichst effizienten ALK-TKI beginnen (Stand heute in der Schweiz wäre das Alec). Beim Auftreten von klinischer Resistenz würden wir dann empfehlen, eine Re-Biopsie anzustreben. Es ist bekannt, dass gewisse Resistenzmutationen in vitro unterschiedlich sensitiv gegenüber anderen TKIs sind, und dieses Sensitivitäts-Muster könnte die Auswahl des nächsten TKIs leiten (37). Prospektive, klinische Daten zum Vorteil dieses Ansatzes fehlen allerdings.

Andere Aberrationen

Es sind eine Reihe weiterer Aberrationen bekannt, für die es ebenfalls zielgerichtete Therapie-Optionen gibt. So zum Beispiel die BRAF p.V600E-Mutation – wie eingangs erwähnt bestens bekannt im Melanom. Gleich wie beim Melanom wurde auch beim BRAF-mutierten NSCLC eine Kombination aus BRAF- und MEK-Inhibitor untersucht, da dies in den Melanom-Studien die Resistenzentwicklung verzögern konnte und überdies besser verträglich war als eine reine BRAF-Inhibition (2-4). Eine doppelte TKI-Therapie (Dabrafenib/Trametinib) ist auch im nsqNSCLC sehr aktiv und hat zur Zulassung geführt. Sie stellt heute die Standardtherapie in second-line dar, in der EU auch in first-line (38).
Translokationen des ROS1-Gens sind eine weitere beschriebene Aberration. Interessanterweise sind eine Reihe unterschiedlicher Fusionspartner beschrieben worden, aber der onkogene Mechanismus ist eine Hyperaktivierung der ROS1-Kinase durch die Translokation und der Fusionspartner scheint dies nicht zu beeinflussen (39). Ebenso scheint die Sensitivität gegenüber ROS1-TKIs (welche alle auch Aktivität gegenüber ALK aufweisen) nicht vom Translokationspartner abzuhängen (39). Einzig Patienten mit der CD74-ROS1-Fusion scheinen häufiger Hirnmetastasen zu entwickeln. Da der erste bekannte ROS1-TKI Crizo war, hatte diese Gruppe ein tendenziell schlechteres Outcome (40). Inzwischen wurde aber gezeigt, dass bei ROS1-Translokationen auch Ceri und Lorla wirksam sind, welche bessere ZNS-Aktivität aufweisen (32,41).
Ebenfalls durch eine Translokation zum Onkogen wird das Proto-Onkogen RET – eine weitere Tyrosinkinase. Allerdings haben die bekannten TKIs eher bescheidene Aktivität, wie eine retrospektive Registeranalyse zeigen konnte (42). Prospektiv untersucht werden nun zur Zeit Alec (in der ETOP 12–17 ALERT Studie), sowie das Molekül LOXO-292 (LIBRETTO-001 Studie).
Anders ist der Mechanismus bei Veränderungen im cMET Gen. Hier treten eine Reihe von Mutationen auf, die wegen ihrer Vielfalt erst durch NGS-Techniken entdeckt werden konnten. Alle Mutationen haben aber gemeinsam, dass das Exon 14 des cMET Gens durch die splicing Maschinerie während der Transkription entfernt wird. Das führt dazu, dass im fertig translatierten cMET-Protein eine Domäne mit einer regulatorischen Phospho-Site fehlt (MET p.Y1003), welche ein Signal für eine Ubiquitin-Ligase darstellt. Ohne dieses Signal kann das Protein nicht effizient genug abgebaut werden und es kommt zu überaktiviertem MET-Signalling. Dies kann isoliert, wie auch in Kombination mit einer Amplifikation des cMET-Gens auftreten. Solche MET-Veränderungen wirken sensibilisierend gegenüber TKIs, wie zum Beispiel Crizo (43). Weitere Moleküle befinden sich zur Zeit in klinischen Studien (Tepotinib, Glesatinib oder Capmatinib).

Systemtherapie nach Ausschöpfen der zielgerichteten Therapie-Möglichkeiten

Zu guter Letzt stellt sich die Frage, wie man diejenigen Patienten am besten behandeln soll, bei denen die Möglichkeiten der TKI-Therapie(n) ausgeschöpft sind. Standard-Therapie ist hier sicher eine platin-basierte Kombinationschemotherapie, mit zum Beispiel Pem, falls diese nicht bereits als first-line Therapie vor einer TKI-Behandlung stattgefunden hat (44). Für Patienten mit EGFR-Mutationen konnte in Studien in second- und späteren Linien gezeigt werden, dass eine reine Immun-Checkpoint-Inhibition keinen Vorteil bringt, ganz im Gegensatz zu wild-typ Patienten (45–47). Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine Chemo-/Immun-Therapie-Kombination einen Vorteil bringen könnte. In der dreiarmigen IMpower150 Studie waren Patienten mit EGFR- und ALK-Aberrationen explizit zugelassen (nach einer gehabten TKI-Linie). Die Studie hat die Hinzugabe von Atezolizumab (A) zum Chemotherapie-Backbone Carbo (C) / Paclitaxel (P) +/– Beva (B) in der first-line untersucht und der Vergleich ABCP versus BCP wurde dieses Jahr voll publiziert (48). Die Vierfachkombination hat dabei eine statistisch signifikante und klinisch bedeutsame Verlängerung des medianen PFS und OS gezeigt (PFS 8.3 vs. 6.8 Mt; HR 0.62; 95% CI 0.52–0.74; P < 0.001. OS 19.2 vs. 14.7 Mt; HR 0.78; 95% CI 0.64–0.96; P = 0.02). Dies nota bene auch in der EGFR- und ALK-positiven Subgruppe. Diese Therapie stellt somit sicherlich eine Alternative zur reinen Chemotherapie dar.

Schlussfolgerungen

Für Patienten mit onkogen aktivierenden Treibermutationen, welche therapeutisch angegangen werden können, gibt es sehr gute Therapie-Optionen, welche das Überleben um mehrere Monate verlängern können (49). Entscheidend ist allerdings, dass diese auch aktiv gesucht und zuverlässig diagnostiziert werden. Das bedingt eine stete, enge Diskussion zwischen medizinischen Onkologen und (Molekular)-Pathologen, idealerweise im Rahmen eines institutionalisierten, molekularen Tumorboards. Oftmals liegt nur wenig Gewebe für die Diagnostik vor und es ist daher essentiell, dass dieses auch ökonomisch eingesetzt wird. Hier können NGS-basierte Panel-Testungen einen wichtigen Beitrag leisten.

Dr. med. Dr. rer. nat. Christian Britschgi

UniversitätsSpital Zürich
Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie
Comprehensive Cancer Center Zurich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

christian.britschgi@usz.ch

Prof. Dr. med. Alessandra Curioni-Fontecedro

Klinikdirektorin
Klinik für Medizinische Onkologie
Freiburger Spital, HFR Kantonsspital Freiburg
1708 Fribourg

Prof. Dr. med. Rolf. A. Stahel

UniversitätsSpital Zürich
Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie
Comprehensive Cancer Center Zurich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

  • Angesichts der Vielzahl an sensibilisierenden genomischen Aberrationen im nsqNSCLC mit der Möglichkeit zielgerichteter Therapien, ist es zentral, dass eine gleichermassen effiziente wie komplette molekular-pathologische Testung stattfindet.
  • Gleichermassen wichtig ist eine Re-Biopsie bzw. liquid biopsy beim Auftreten von klinischer Resistenz auf eine TKI-Behandlung, da die Behandlung in second-line von der Art des Resistenzmechanismus abhängen kann.
  • Die klinische Studienlandschaft im Bereiche der TKIs beim nsqNSCLC ist sehr dynamisch und entwickelt sich aktuell rasch. Zuletzt hat sich tendentiell gezeigt, dass sich ein Einsatz des jeweils aktivsten Moleküls in möglichst frühen Therapie-Linien auszahlt.

Messages à retenir

  • Compte tenu de la multitude d’aberrations génomiques sensibilisantes dans le nsqNSCLC avec la possibilité de thérapies ciblées, il est essentiel que le test pathologique moléculaire soit aussi efficace que complet.
  • La rebiopsie respectivement la biopsie liquide est tout aussi importante en cas de résistance clinique au traitement par TKI, car le traitement en deuxième intention peut dépendre du type de mécanisme de résistance.
  • Le paysage des études cliniques dans le domaine des TKIs chez le nsqNSCLC est très dynamique et se développe actuellement rapidement. Les tendances récentes ont montré que l’utilisation de la molécule la plus active est rentable dans les lignes thérapeutiques les plus tôt possibles.

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Monoklonale Gammopathien

Monoklonale Gammopathien umfassen eine heterogene Gruppe von Neoplasien der terminalen B-Zelldifferenzierung, welche sich durch eine überschiessende Produktion monoklonaler (M) Immunglobuline und Immunglobulinleichtketten auszeichnen. Das Spektrum der Erkrankungen reicht dabei von «low-tumor-burden diseases» (Bsp.: AL-Amyloidose), über prämaligne Erkrankungen wie die monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz bis hin zu eindeutig malignen, hämatologischen Systemerkrankungen wie das asymptomatische («smouldering») Multiple Myelom, Multiple Myelom oder Morbus Waldenström.

Les gammopathies monoclonales comprennent un groupe ­hétérogène de néoplasies de différenciation des cellules B terminales caractérisées par une production excessive d’immunoglobulines monoclonales (M) et de chaînes légères d’immuno-
globulines. Le spectre des maladies va des « maladies à faible charge tumorale » (p. ex. l’amyloïdose à chaînes légères) aux maladies précancéreuses comme la gammopathie monoclonale, dont la signification n’est pas claire, aux maladies hématologiques systémiques clairement malignes, comme le myélome multiple asymptomatique (« smouldering »), le myélome multiple ou la maladie de Waldenstrom.

Eine antikörpersezernierende Plasmazelle (PZ) eines gegebenen Klons bildet ausschliesslich einheitliche Antikörpermoleküle mit schweren Ketten eines einzigen Isotyps (α, γ oder μ) und Leichtketten einer einzigen Art (κ oder λ). Bei einer proliferativen Entartung nur jenes B-Zell-Klons, kommt es zur massenhaften Bildung von Immunglobulinen oder deren Fragmente mit identischer Primärstruktur, Funktion und physiko-chemischen Eigenschaften. Folglich zeigen M-Proteine desselben Klons ein identisches elektrophoretisches Verhalten, was sich dann typischerweise als enger Peak mit schmaler Basis, auch als M-Gradient bezeichnet, manifestiert. Entsprechend der Grenzen, in denen die polyklonalen Immunglobuline normalerweise migrieren, besitzen M-Proteine meist eine Mobilität innerhalb der γ-Globulinfraktion – daher der Begriff «monoklonale Gammopathie».
Die monoklonale Antikörperbildung ist unnatürlich und beruht häufig auf einer prämalignen oder malignen Transformation. Gelegentlich kommt es auch im Rahmen einer Reaktion gegen ein Immunogen, z.B. bei akutem Virusinfekt, zu einer limitierten, klonalen PZ-Proliferation, was vorübergehend zu einer schwach ausgeprägten monoklonalen Gammopathie führen kann. Damit ist auch ausgesagt, dass der Terminus «monoklonale Gammopathie» per se keine maligne Situation definiert. In mehr als der Hälfte der Fälle geht es nur um ein Laborphänom, welches auf Veränderungen hinweist, deren Dignität nicht eindeutig ist und die daher als Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) bezeichnet werden.
Jedem Multiplen Myelom (MM) geht eine MGUS voraus (1). Ob eine Transformation mit nachfolgender, permanenter Expansion klonaler Plasmazellen stattfindet, hängt von weiteren genetischen («second hit») und epigenetischen Läsionen ab. Bei einer durchschnittlichen Rate von 1% pro Jahr besteht ein relativ geringes Progressionsrisiko. Betroffen von einem MGUS sind bis zu 3% aller Menschen zwischen 50–70 Jahren und > 5% aller über 70-Jährigen. Formal liegt ein MM vor bei Nachweis von ≥ 10 % klonaler PZ im Knochenmark oder Myelom assoziierter Endorganschäden (CRAB-Kriterien, siehe Tab. 1 und 2).
Beim «smoldering» MM (SMM) handelt es sich klinisch um ein zwischen MGUS und MM anzusiedelndes intermediäres Stadium mit einem gegenüber dem MGUS deutlich erhöhten Progressionsrisiko. Mit den revidierten IMWG-Kriterien (2) wurden drei Früherkennungsmarker («biomarkers of malignancy») zur akkuraten Identifizierung von solchen SMM-Patienten eingeführt, die kurz vor der Ausbildung von Endorganschäden stehen (Tab. 2). Ist mindestens eines dieser neuen, auch unter dem Akronym «SLiM» bekannten, Kriterien erfüllt, besteht eine Therapieindikation.

Labordiagnostik monoklonaler Immunglobuline

Der Nachweis von Synthese und Sekretion monoklonaler Zellproteine gehört zu den charakteristischen Befunden einer monoklonalen Gammopathie und trägt richtungsweisend zur Diagnose, sowie zur Ermittlung von Stadium, Risiko und Therapieansprechen bei. In den meisten Fällen handelt es sich bei diesen hochspezifischen Tumorprodukten um intakte Immunglobuline und freie Leichtketten (Bence Jones Proteine). In nur ca. 5% aller Gammopathien stellen freie Leichtketten die einzigen monoklonalen Komponenten dar.

Screening

Im Gegensatz zu anderen serologischen Tumormarkern handelt es sich bei M-Proteinen um strukturell sehr variable Moleküle, deren proteinchemische Analyse den Einsatz unterschiedlicher Methoden verlangt. Die International Myeloma Working Group (3) empfiehlt denn auch für das erste Screening den kombinierten Einsatz von Proteinelektrophorese (ELP), Immunfixationselektrophorese (IFE) und freie Leichtketten (FLC) aus Serum. Die diagnostische Sensitivität dieser Testkombination für alle einer monoklonalen Gammopathie zugrunde liegenden Diagnosen liegt bei durchschnittlich 97.4 % (4) (Tab. 3). Reduziert man das First-line Screening auf die Anwendung von ELP und FLC, so sinkt die Sensitivität auf klinisch immer noch akzeptable 94.3%. Der Miteinbezug von Urinanalysen wird insbesondere bei Verdacht auf eine AL Amyloidose empfohlen.
Die ELP ist ein kostengünstiger, automatisierbarer Erstlinienentest, welcher rasch einen Überblick über die quantitativ wichtigsten Proteinfraktionen in Form eines Densitogramms liefert. Typische, schmalbasige M-Gradienten wie eingangs beschrieben, sind mühelos erkennbar. Schwieriger ist die Interpretation, wenn die M-Komponente, niedrig konzentriert ist (< 10 g/l), bei Überlagerung durch eine starke polyklonale Reaktion oder bei Migration ausserhalb der γ-Fraktion. Mit einer diagnostischen Sensitivität von 79.0 % ist der alleinige Einsatz der ELP zur Erstdiagnose deshalb nicht zu empfehlen.
Mittels der IFE wird das Vorhandensein eins M-Proteins bestätigt und deren Schwer- und Leichtkettentyp charakterisiert. Die Methode ist zwar deutlich sensitiver als die ELP, jedoch stellt sich auch hier das Problem der Interpretation subtiler Abnormalitäten. Ein ausgeprägtes M-Protein kann an den scharf fokussierten und intensiv gefärbten Banden leicht ausgemacht werden. Nicht selten jedoch präsentieren sich in der IFE diskrete oder wenig fokussierte, inhomogene Zonen, deren isolierte Beurteilung die Unterscheidung zwischen einer potentiell malignen von einer immunreaktiven Situation nicht zulässt. Solche Zonierungen dürfen also einerseits nicht übergangen, anderseits auch nicht überbewertet werden.
Mittels stark aviden Antisera gegen die einzigartigen, «kryptischen» Epitope (Abb. 1) freier Immunglobulin-Leichtketten ist es möglich, diese getrennt nach κ- und λ-Isotyp und ohne Kreuzreaktivität mit gebundenen Leichtketten nephelometrisch oder turbidimetrisch zu erfassen. Klinische Kernindikationen dieses mittlerweile gut etabilierten, quantitativen Tests bestehen insbesondere in den Fällen, in denen die Leichtketten, die einzigen sezernierten monoklonalen Proteine darstellen (Bsp.: Leichtkettenmyelom). Die κ- und λ-FLC Konzentrationen sind einerseits abhängig von deren Produktion durch die Plasmazellen bzw. den Tumor und andererseits deren renalen Elimination. Das κ- /λ-Verhältnis bewegt sich normalerweise innerhalb enger Grenzen (0.26–1.65). Zu beachten ist, dass sich der Quotient bei Patienten mit geringer monoklonaler Produktion einerseits und Leichtkettenanstieg bei Niereninsuffizienz sowie bei entzündlichen Reaktionen andererseits überlappen können. Aus diesem Grund erscheint die Bestätigung der Monoklonalität bei der Erstdiagnose allein aufgrund eines wenig verschobenen κ/λ-Verhältnisses als problematisch. In der malignen Situation kann dagegen eine deutliche Konzentrationserhöhung der involvierten Leichtketten im Serum (> 100 mg/l) mit eindeutiger Verschiebung der Leichtkettenratio als Zeichen der Monoklonalität (> 100 oder < 0,01) erwartet werden (2).

Monitoring

Die Konzentration des M-Proteins wird klassischerweise mittels Integration des M-Proteinpeaks im Densitogramm der ELP ermittelt. Als Indikator für das Therapieansprechen sollte dies alle 3–6 Monate erfolgen (5). Bei niedriger Konzentration (< 10 g/L) oder unzuverlässiger Abgrenzbarkeit der M-Komponente ist die densitometrische Quantifizierung ungenau, wenn nicht gar irreführend. In solchen Fällen ist die wiederholte Messung der Serum-FLC zu empfehlen, vorausgesetzt die initiale Konzentration der involvierten FLC ist > 100 mg/L und der FLC-Quotient ist abnorm. Vorteil gegenüber der densitometrischen M-Proteinquantifizierung ist zudem die kurze Halbwertszeit freier Leichtketten von 2–6 h, welche eine engmaschigere Verlaufskontrolle während einer Therapie ermöglicht. Durch die modernen Therapiemöglichkeiten und das längere Patientenüberleben steigt auch die Möglichkeit von sog. «tumor escape mutants» im Rezidiv, was sich im Falle eines «light-chain escape» nur am isolierten Anstieg monoklonaler FLC erkennen lässt. Bei hoher renaler FLC-Ausscheidungsrate (> 200 mg/24h) wird offiziell die densitometrische Quantifizierung mittels der ELP im Urin empfohlen. Die FLC-Messung im Serum hat nach neueren Studien demgegenüber den Vorteil, deutlich sensitiver und zudem prognostisch aussagekräftiger zu sein (6).
Seit wenigen Jahren ist auch die Quantifizierung von M-Gradienten niedriger Konzentration in einer festen Schwer- und Leichtkettenkombination («Hevylite®») möglich geworden (Abb. 2). Das sensitive Monitoring bei monoklonalen IgA-Proteinen, welche häufig eine β-Mobilität aufweisen und densitometrisch schwer zu erfassen sind, ist bereits in offiziellen Empfehlungen aufgenommen worden (7). Analog zur FLC-Ratio liefert das Verhältnis des involierten zum nicht-involierten Immunglobulin-Isotyp auch prognostische Informationen (8).

Patientenmanagement

Wie sollen Patienten mit einem MGUS im weiteren Verlauf kontrolliert werden?

Risikofaktoren für eine Progression eines MGUS

Die Voraussage, wie sich ein MGUS verhalten wird, ist schwierig. Als Risikofaktoren gelten Höhe und Typ des M-Proteins, Anteil Plasmazellen im KM und FLC Ratio. Aus diesen Faktoren entwickelte Rajkumar ein MGUS- Risikostratifizierungsmodell (9) (Tab. 4).
Kontrollintervalle Niedrig-Risiko MGUS, 0 Punkte im Risikostratifizierungsmodell, ca 40% der Patienten: Sofern klinisch keine Hinweise auf einen Organschaden vorliegen, bedürfen diese Patienten keiner weiteren Abklärungen, auch keine Knochenmarkpunktion. Jedoch muss eine Nachkontrolle nach 6 Monaten erfolgen mit Bestimmung des Blutbildes, Serum-ELP, sFLC, Calcium und Kreatinin. Bei stabilem Verlauf sind danach alle 2-3 Jahre oder bei Symptomatik Verlaufskontrollen empfohlen.
Intermediäres und Hochrisiko-MGUS, 1-3 Punkte im Risikostratifizierungsmodell: Diese Patienten bedürfen einer Knochenmarkpunktion inklusive Flowzytometrie und Zytogenetik / FISH sowie Bildgebung mittels Osteoscan oder Ganzkörper-MRI. Gemäss aktuellen Daten ist keine der beiden Bildgebungsmodalitäten klar überlegen. Auch bei Verdacht auf eine AL-Amyloidose sollte eine Knochenmarkpunktion erfolgen. Liegt nach diesen Untersuchungen weiterhin ein MGUS vor, empfiehlt sich eine Verlaufskontrolle alle 3-6 Monate im ersten Jahr und bei stabilem Verlauf danach alle 6-12 Monate (Blutbild, Serum-ELP, sFLC, Calcium und Kreatinin).

Dr. med. Thomas Lehmann

Abteilung für Hämatologie und Onkologie / Pathologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacherstrasse 95
9007 St. Gallen

thomas.lehmann2@kssg.ch

Dr. phil. II Siegfried Stranders

Zentrum für Labormedizin
Frohbergstrasse 3
9001 St. Gallen

siegfried.stranders@zlmsg.ch

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

  • Terminus monoklonale Gammopathie definiert per se keine maligne Situation
  • Progressionsrate MGUS in ein Myelom ca 1% pro Jahr
  • Screening-Empfehlung Kombination von Proteinelektrophorese, Immunfixationselektrophorese und freie Leichtketten aus Serum, ­Sensitivität 97%.
  • Follow-up abhängig von klinischer Situation und MGUS-Risiko­stratifizierung

Messages à retenir

  • Le terme gammopathie monoclonale ne définit pas une situation maligne en soi.
  • Le taux de progression MGUS dans un myélome est d‘ environ 1% par an
  • La recommandation de dépistage est une combinaison de l’électrophorèse protéique, de l’électrophorèse d’immunofixation et des chaînes légères libres du sérum, la sensibilité est de 97%.
  • Le suivi dèpende de la situation clinique et de la stratification du risque de la gammopathie monoclonale de signification incertaine (MGUS)

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5. Durie BG et al. International uniform response criteria for multiple myeloma. Leukemia 2006;20(9):1467-73
6. Dejoie T et al. Serum free light chains, not urine specimens, should be used to evaluate response in light-chain multple myeloma. Blood 2016;128(25):2941-48
7. Kumar S et al. IMWG consensus criteria for response and minimal residual disease assessment in multiple myeloma. Lancet Oncol.2016;17(8):e328-e346
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9. Rajkumar SV et al. Serum free light chain ratio is an independent risk factor for progression in monoclonal gammopathy of undetermined significance. Blood 2005;106(3):812–7

Hereditäres Mamma- und Ovarialkarzinom

Screeninguntersuchungen in der Allgemeinbevölkerung zur Früherkennung von Ovarial- oder Mammakarzinomen sind von umstrittener Nützlichkeit respektive Kosteneffizienz. Die Identifizierung von Risikogruppen dagegen ist von grosser Bedeutung, um sie einer frühzeitigen adäquaten intensivierten Vorsorge zuzuführen. Dies geschieht aktuell abhängig von persönlicher Anamnese und Familienanamnese mittels Hochdurchsatzsequenzierung hoch-penetranter Gene. Neben BRCA1/2, den Hauptgenen für den hereditären Brust- und Eierstockkrebs, können auch weitere mit Mamma- oder Ovarialkarzinom assoziierte Gene analysiert werden.

La question de savoir si les tests de dépistage pour la détection précoce du cancer de l’ovaire ou du sein sont importants reste controversée. La situation est différente si un groupe à risque peut être soumis avec succès à un examen précoce. Cela se fait actuellement en fonction de l’ anamnèse personnelle et familiale par séquençage à haut débit de gènes hautement pénétrés. En plus de BRCA1/2, les principaux gènes du cancer héréditaire du sein et de l’ ovaire, d’ autres gènes associés au cancer du sein ou de l’ ovaire peuvent également être analysés.

Krebs ist die häufigste Todesursache bei Frauen zwischen 25 und 84 Jahren. Laut dem Bundesamt für Statistik ist das Mammakarzinom die häufigste Krebskrankheit der Frau. Das Ovarialkarzinom kommt nach dem Kolonkarzinom, Tumoren der Lunge/Bronchien/Luftröhre, Hautmelanom, Endometriumkarzinom, Non-Hodgkin-Lymphom und Pankreaskarzinom an 8. Stelle.

Screeninguntersuchungen

Es lässt sich ein Anstieg von jährlichen Brustkrebs-Neuerkrankungen feststellen. Aktuell liegt die Zahl bei ca. 8800/Jahr (BFS 2017). Reduziert hingegen haben sich die Brustkrebs-Sterbefälle, vermutlich die Folge von Krebsfrüherkennung und verbesserten Therapien. Wie die Krebsfrüherkennung geschehen soll ist schweizweit uneinheitlich und es stellt sich die Frage nach der Nützlichkeit eines Mammographie-Screenings der Allgemeinbevölkerung ab dem Alter von 50 Jahren (1). Zu beachten gilt auch, dass 20% der Brustkrebsfälle vor dem 50. Lebensjahr auftreten und somit durch ein Mammographie-Screening, das erst bei über 50-jährigen Frauen einsetzt, verpasst werden. Zudem ist wie Studien bei Hochrisikopatienten zeigen, die Sensitivität der Mammographie (ca. 40%) im Vergleich zum MRI (ca. 85%) gering (2). Die Kombination aus beiden bildgebenden Verfahren zeigte hier eine Sensitivität von ca. 93%, wobei die Spezifität der Mammographie mit ca. 94% im Vergleich zur Spezifität des MRIs mit ca. 85% und MRI plus Mammographie mit ca. 80% angegeben wird. Hierbei ist der Nutzen der intensivierten Vorsorgeuntersuchungen oder auch prophylaktischer Chirurgie im Sinne einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit bei Hochrisikopatientinnen mit BRCA-1/2 -Mutationen klar belegt (3).
Für das Ovarialkarzinom gibt es bisher keine als treffsicher erwiesene Vorsorgeuntersuchung. Eine starke Risikoreduktion kann bei BRCA-1/2-Mutationsträgerinnen mittels prophylaktischer Operationen erzielt werden. Deshalb ist die Identifizierung von genetisch bedingten Risikopersonen für intensivierte Vorsorgemassnahmen oder prophylaktische Chirurgie von grosser Wichtigkeit.

Genetik der Tumorentstehung

Karzinome entstehen immer durch eine Anhäufung von Genmutationen. Dadurch kommt es schliesslich zu vermehrtem Wachstum, Invasion und Metastasenbildung. Im Rahmen der «two hit hypothese» benötigt es zur Tumorinitiation je eine Mutation in den auf beiden Chromosomen (Allelen) vorhandenen Tumorsuppressor-Genen. Während beim sporadischen (nicht vererbten Krebs) diese Veränderungen im Verlauf des Lebens entstehen, ist beim hereditären Krebs eine Mutation (Keimbahnmutation) schon seit Geburt vorhanden. Es braucht im Verlauf des Lebens (vereinfacht dargestellt) dann nur noch eine Mutation zur Wegbereitung der Tumorentstehung, weshalb dann Tumoren häufiger und früher zu beobachten sind. Somit besteht im Falle des Vorliegens einer Keimbahnmutation z.B. im BRCA-1/2-Gen ein stark erhöhtes Krebserkrankungsrisiko. Die genetische Testung auf eine Keimbahnmutation wird aktuell abhängig von persönlicher Anamnese und Familienanamnese empfohlen. Richtlinien hierzu wurden in der Schweizerischen Ärztezeitung publiziert (4) und sind unter folgendem Link auf der SAKK-Homepage zu «Genetic counseling» jederzeit einzusehen: https://www.sakk.ch/sites/default/files/2018-11/Swiss_guidelines_for_counseling_and_testing_for_genetic_predisposition_to_breast_and_ovarian_cancer.pdf.

BRCA1- und BRCA2-assoziiertes hereditäres Mamma- und Ovarialkarzinom

BRCA-1/2-Mutationen führen zu einem erhöhten Erkrankungsrisiko für Mammakarzinome bei Frauen und Männern, Ovarialkarzinomen (inklusive Tuben- und primären peritonealen Karzinomen), Prostatakarzinomen, Pankreaskarzinomen und Melanomen. Die Prävalenz von BRCA-1/2-Mutationen wird generell bei ca. 1:400 bis 1:500 angenommen (5, 6, 7). Eine Zusammenfassung der wichtigsten Karzinomerkrankungsrisiken bei BRCA-1/2-Mutationen findet sich in (Tab. 1). Zusätzlich wird auch ein erhöhtes Risiko für weitere Krebserkrankungen diskutiert.
Aufgrund oben genannter Erkrankungsrisiken werden bei Mutationsträgerinnen aktuell folgende Vorsorgeuntersuchungen empfohlen (ESMO/ NCCN guidelines (17, 18)):
• Monatliche Selbstuntersuchung der Brust ab dem Alter von 18 Jahren
• Halbjährliche klinische Brustuntersuchung ab dem Alter von 25 Jahren
• Jährliches MRI der Brust im Alter von 25-29 Jahren
• Jährliches MRI der Brust und zusätzlich Mammographie im Alter von 30-75 Jahren
• Option der prophylaktischen Mastektomie (mit Risikoreduktion um ca. 90-95%)
• Adnexektomie nach abgeschlossener Familienplanung typischerweise im Alter von 35-40 Jahren oder im Alter von 40-45 Jahren für BRCA2-Mutationsträgerinnen (mit Risikoreduktion um ca. 95%)
• Allenfalls transvaginaler Ultraschall mit CA-125-Bestimmung auch bei unklarem Benefit falls keine Adnexektomie durchgeführt werden sollte
• optional Chemoprävention mit Tamoxifen für 5 Jahre

Bei männlichen Mutationsträgern werden folgende Vorsorgeuntersuchungen empfohlen:
• Brustselbstuntersuchung ab dem
Alter von 35 Jahren mit allenfalls
Basismammographie
• Jährliche klinische Untersuchung der
Brust ab dem Alter von 30-35 Jahren
• Prostatakrebs-Screening ab dem
Alter von 40-45 Jahren bei BRCA2-
Mutationsträgern, allenfalls auch bei
BRCA1-Mutationsträgern

Für beide Geschlechter sind ab dem Alter von 30 bis 35 Jahren auch jährliche Haut- und Augenhintergrundsuntersuchungen bezüglich des erhöhten Melanomrisikos bei BRCA2-Mutationsträgern empfohlen.
Im klinischen Alltag berücksichtigen wir in der Schweiz grösstenteils die oben genannten Richtlinien in der Betreuung unserer Patientinnen und Patienten. Ein Unterschied besteht aber im Einsatz der bildgebenden Verfahren in der Überwachung hinsichtlich Mammakarzinomrisikos, siehe (Tab. 2). Hier sind die in der jeweiligen Risiko- und Alterskategorie von den Krankenkassen aktuell obligat rückvergüteten Vorsorgeuntersuchungen zusammengefasst. Eine MRI-Untersuchung wird bei BRCA1/2-Mutationsträgerinnen und ihren Töchtern oder Schwestern ab dem Alter von 30 Jahren bis 50 Jahren, gegebenenfalls bis 60 Jahren vergütet. Bei Frauen mit einer TP53-Mutation, also einem SBLA-Syndrom (siehe auch Tab. 3) mit häufig sehr frühem Erkrankungsalter und ihren Töchtern oder Schwestern werden MRIs aber bereits ab dem Alter von 20 Jahren routinemässig rückerstattet. In einer besonderen Situation kann jeweils eine spezifische Kostengutsprache im Einzelfall angefragt werden. In der Regel fängt man mit der Bildgebung 5 bis 10 Jahre vor der Diagnosestellung bei der jüngsten Erkrankten an.
Aufgrund des oben beschriebe-nen Tumorentstehungsmechanis-
mus, hängt das Risiko für die Krebserkrankung nicht nur von der genetischen Prädisposition ab, sondern auch Umwelt- und Lebensstilfaktoren können einen Einfluss haben. Es zeigt sich insbesondere eine Reduktion des Brustkrebserkrankungsrisikos bei Mutationsträgerinnen durch körperliche Aktivität und gesundes Körpergewicht, ähnlich wie in der Allgemeinbevölkerung. Einen Übersichtsartikel auf Deutsch über die Auswirkungen des Lebensstils bei BRCA-Mutationsträgerinnen wurde mit entsprechenden Literaturangaben im Leading Opinions Gynäkologie und Geburtshilfe 3/2017 publiziert (19).
Zu beachten gilt auch ein Risiko für autosomal-rezessive Erkrankungen bei Nachkommen, wenn der Partner ebenfalls Träger einer Mutation in demselben Gen sein sollte. Biallelische Mutationen im BRCA2-Gen führen zur Fanconi-Anämie und biallelische BRCA1-Mutationen können zu einer Fanconi-Anämie ähnlichen Erkrankung mit Mikrozephalie, Kleinwuchs, Entwicklungsrückstand und Krebsprädisposition führen (20).
Bei nachgewiesener Mutation kann sich zudem die Therapie bei einem Karzinom ändern (z. B. Chemotherapie mit Cisplatin oder Therapie mit PARP-Inhibitoren bei BRCA1- oder -2-Mutationen; Zurückhaltung mit Bestrahlung bei TP53 und biallelischen ATM-Mutationen).

Hochdurchsatzsequenzierung bei Verdacht auf hereditäres Ovarial- und Mammakarzinom

Neben den Genen BRCA1 und BRCA2 sind aktuell weitere hochpenetrante Gene bekannt, welche mit einem stark erhöhten Erkrankungsrisiko für Brust- oder Eierstockkrebs assoziiert werden. Da Mutationen in diesen Genen auch mit klaren klinischen Konsequenzen im Sinne von Vorsorgeuntersuchungen oder chirurgischen Massnahmen für damit assoziierte spezifische Krebserkrankungen verbunden sind, wird in der gängigen Praxis zunehmend eine Testung einer Gruppe von Genen durchgeführt, anstelle von lediglich einer BRCA1/2-Testung. Die genaue Anzahl der Gene, die in Frage kommen, richtet sich nach der individuellen persönlichen Anamnese und der Familienanamnese. Generell wird aktuell empfohlen eine Gruppe von Genen mit gut bekannten Erkrankungsrisiken und entsprechend vorgeschlagenen Vorsorgeuntersuchungen/ Massnahmen (nach ESMO/NCCN guidelines) im Falle einer detektierten Mutation zu testen (Empfehlung SAKK) und NICHT ein möglichst breites Panel von Genen mit wenig klinischer Relevanz. Unter folgendem Link finden Sie auf der SAKK-Homepage weitere Informationen: https://www.sakk.ch/sites/default/files/2018-11/CPTC_Network_statement_on_panels_combined.pdf

Bei hereditärem Brustkrebs sind dabei folgende Gene zu nennen: BRCA1/2, ATM, CHEK2, PALB2, PTEN, TP53, STK11, CDH1 (bei lobulärem Brustkrebs), beim hereditären Ovarialkarzinom sind es die Gene BRCA1/2, BRIP1, Lynch-Syndrom-Gene (MLH1, MSH2, MSH6), RAD51C und RAD51D. Laut aktueller Analysenliste kostet die Analyse von 1-10 Genen mittels Hochdurchsatzsequenzierung im Grundpreis 2900.- CHF, für 11-100 Gene 3300.- CHF. Zur Überprüfung einer detektierten Sequenzvariante oder Exon-Deletion- oder Duplikation können zusätzliche Analyseschritte mittels Sanger-Sequenzierung der entsprechenden Stelle bzw. mittels MLPA notwendig werden mit entsprechend höheren Kosten, so dass die Gesamtkosten einer Abklärung auf bis zu ca. CHF 4000.- zu stehen kommen. Je nach Anamnese bzw. Familienanamnese (4) sollte nach Artikel 12d KLV eine genetische Testung bei Patienten und Angehörigen ersten Grades von der Krankenkasse übernommen werden, wenn die Indikation dazu durch einen Facharzt medizinische Genetik oder ein Mitglied des «Network for Cancer Predisposition Testing and Counseling» der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) gestellt wird. Bei Unklarheiten hinsichtlich Indikation oder Erfüllung der WZW-Kriterien wird das Einholen einer Kostengutsprache empfohlen.
Eine genetische Beratung vor der genetischen Testung mit Besprechung der möglichen Konsequenzen eines pathologischen Befundes in allen im Panel vorgeschlagenen Genen und der Möglichkeit eines eventuellen unklaren Befundes ist von grosser Wichtigkeit. Bei BRCA1 und 2 ergeben sich in ca. 5% unklare Resultate, bei grösseren Genpanels bis zu 30%. Je nach Situation und Wunsch des Patienten kann es auch sinnvoll sein, nur die Gene BRCA1/2 zu testen oder auch stufenweise vorzugehen. Dabei gilt v.a. auch zu beachten, dass Mutationen in den oben aufgeführten Genen nicht nur zu einem erhöhten Mamma- und Ovarialkarzinomrisiko führen, sondern auch mit anderen Krebserkrankungen, je nach Mutation bereits im Kindesalter, assoziiert werden (Tab. 3). Das Wissen bezüglich spezifischer Erkrankungsrisiken je nach Mutation wird jedoch mit grosser Wahrscheinlichkeit zunehmen/bzw. sich ändern und vor der genetischen Beratung v.a. im Falle eines pathologischen Befundes muss die aktuelle Literatur jeweils konsultiert werden.
Wie oben erwähnt, sollte auch im vornherein darauf hingewiesen werden, dass ein unklarer Befund folgen kann. Je mehr Gene untersucht werden, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine seltene Genvariante unklarer Krankheitsrelevanz identifiziert wird. Nach aktuellem Wissensstand kann der Befund dann noch nicht klassifiziert werden, ob es sich um eine pathogene oder benigne Genvariante handelt, so dass eine «variant of un-known significance = VUS» befundet wird. Aufgrund einer unklaren Variante sollen keine Konsequenzen, wie z.B. prophylaktische Operationen oder die Testung von gesunden Angehörigen, gezogen werden. Auch muss dem Patienten mitgeteilt werden, dass im Falle eines unauffälligen Resultates eine genetische Prädisposition dennoch nicht ausgeschlossen werden kann.

Dr. med. Silvia Azzarello-Burri

Institut für Medizinische Genetik der Universität Zürich
Schlieren

azzarello-burri@medgen.uzh.ch

PD Dr. med. Nicole Bürki

Universitätsspital Basel, Frauenklinik
Spitalstrasse 21, 4031 Basel

nicole.buerki@usb.ch

Prof. Dr. med. Anita Rauch

Institut für Medizinische Genetik der Universität Zürich
Schlieren

Die Autoren haben deklariert, keine Interessenskonflikte in ­Zusammenhang mit diesem Beitrag zu haben.

  • Zur bestmöglichen Betreuung und Überwachung ist die Identifizierung von Familien mit hereditärem Mamma- und Ovarialkarzinom von grosser Wichtigkeit. Es soll deshalb grosszügig an die genetische Beratung und Testung gedacht werden.
  • Eine genetische Testung erfolgt aktuell je nach persönlicher Anamnese und Familienanamnese in der Regel mittels Hochdurchsatzsequenzierung einer kleineren Gruppe von hochpenetranten Genen mit bekannten klinischen Konsequenzen im Falle einer detektierten Mutation und zunehmend nicht nur einer Testung auf BRCA1- und 2-Mutationen.
  • Aufgrund der unterschiedlichen Erkrankungsspektren je nach Mutation und möglichen Genvarianten unklarer Signifikanz ist eine ausführliche genetische Beratung vor und nach der genetischen Testung von grosser Wichtigkeit.

Message à retenir

  • L’ identification des familles atteintes d’ un cancer héréditaire du sein et de l’ ovaire est d’ une grande importance pour les meilleurs soins et le meilleur suivi possible. Une réflexion généreuse devrait donc être menée sur le conseil et le dépistage génétique.
  • Selon l’ anamnèse personnelle et familiale, les tests génétiques sont généralement effectués par séquençage à haut débit d’ un plus petit groupe de gènes hautement pénétrants, avec des conséquences cliniques connues en cas de mutation détectée, et de plus en plus non seulement pour les mutations BRCA1 et 2.
  • En raison des différents spectres de la maladie en fonction de la mutation et des variantes génétiques possibles dont la signification n’ est pas claire, un conseil génétique approfondi avant et après les tests génétiques est d’ une grande importance.

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3. Kurian A W et al. Survival Analysis of Cancer Risk Reduction Strategies for BRCA1/2 Mutation Carriers. J Clin Oncol 2010 ;28(2) :222-231
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Ein umfassender Überblick über die neuesten Forschungsentwicklungen

Bereits zum dritten Mal fand in Zürich der Anlass «Meet the Myeloma Experts» unter der Leitung von Prof. Dr. med. Christoph Renner, Prof. Dr. med. Ulrich Mey, Dr. med. Christian Taverna und Dr. med. Thilo Zander statt. Dabei stellten die vier Schweizer Myelom-Experten Patienten-Fälle vor, die zunächst diskutiert und anschliessend durch die Darstellung der neuesten Erkenntnisse durch einen internationalen Experten ergänzt wurden.

Die Themen des Meetings waren die First line-Behandlung des transplantierbaren Multiplen Myeloms (MM), die First line-Behandlung des nicht transplantierbaren Myeloms, sowie die Behandlung des rezidivierten/refraktären Myeloms.

1st Line Behandlung bei für eine Transplantation geeigneten Myelom-Patienten

Der Fall eines 1950 geborenen Mannes, der für die operative Entfernung eines Horns am Schädel vorgesehen war, wurde von

Dr. med. Thilo Zander, Luzern, vorgestellt. In der Radiologie wurden verschiedene Osteolyseherde festgestellt. Die Biopsie zeigte ein Plasmozytom des Typs IgA/Kappa, diffuse interstitielle Variante, Ki-67 70%. Die Labordaten ergaben IgA/Kappa Paraprotein 13.2g/l, β2-Mikroglobulin 4.43g/l (n < 2.5g/l), Albumin 32g/l, LDH normal. Zytogenetik: High Risk Del 17p, R-ISS II.
Der Referent fragte zunächst nach der von der Zuhörerschaft verwendeten Standardbehandlung als Induktionstherapie und stellte die Behandlungsmöglichkeiten VCD, VRD, VTD, oder KRD zur Diskussion:
Die Zuhörer äusserten sich mit überwiegender Mehrheit (86.1%) für VRD.
Die Behandlung erfolgte mit VRD x 4, VGPR, HD-Melphalan und ASCT. Danach komplette Remission. Was ist für den nächsten Schritt empfohlen? Als Auswahl nannte der Referent zweite HD-Mel, Konsolidierungs-VRD, Erhaltungstherapie, Follow-up. Die Antwort war mehrheitlich für Erhaltungstherapie (41%), aber Konsolidierungs-VRD (30.8%) und zweite HD-Mel (28.2%) wurden auch häufig genannt. Welches ist die Empfehlung für die Erhaltungstherapie? Lenalidomid bis PD? Lenalidomid während 2 Jahren, Lenalidomid + Bortezomib, Ixazomib? Die Publikumsmeinung war Lenalidomid bis PD (50%), Lenalidomid während 2 Jahren (39.5%), Lenalidomid + Bortezomib (10.5%), Ixazomib (0%). Eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid Monotherapie wurde im vorliegenden Fall durchgeführt.

Expertenmeinung aufgrund neuester Erkenntnisse :

Stellungnahme und Präsentation der entsprechenden neuesten Erkenntnisse erfolgte durch

Prof. Dr. med. Jospeh R. Mikhael, International Myeloma Foundation, North Hollywood. Der Experte wäre gleich vorgegangen, keine zweite Transplantation, Erhaltungstherapie mit Lenalidomid. Aber ist dies genügend?
Wir haben die Überlebenszeit verdoppelt, ja beinahe verdreifacht, aber es gibt noch keine Heilung, so der Referent. Die Transplantation spielt immer noch eine wichtige Rolle. Die optimalen Behandlungsziele beim Myelom sind Erreichen eines tiefen Ansprechens, bei beeinflussbarer Krankheit, Erreichen eines Langzeit-Überlebens (>10-20 Jahre), gute Lebensqualität und Verzögerung der Krankheitsprogression.
Der wahre Wert von CR ergibt sich aus dem MRD-Status. Der MRD-negative Status übertrifft die prognostische Bedeutung des CR-Werts für PFS und OS im gesamten Krankheitsspektrum, unabhängig von der Art der Behandlung oder der Risikogruppe des Patienten, wie aus einer gepoolten Analyse aus 3 PETHEMA/GEM Clinical Trials hervorgeht (Lahuerta JL et al. J Clin Oncol. 2017;35:2900-2910). Die MRD-Negativität sollte als einer der relevantesten Endpunkte für transplantierbare und ältere Patienten mit Multiplem Myelom (MM) angesehen werden. Nur wenige Patienten mit MM erreichen spätere Therapielinien. Bei jeder neuen Linie gehen 15-35% der Patienten verloren, wie der Referent zeigte. Die Komponenten der Therapie des MM sind Induktion, ASCT + Konsolidierung, Erhaltung, Behandlung der rezidivierten Krankheit. Bei der Induktion werden die besten Ansprechraten mit RVd und KRd erzielt (≥VGPR ca.75-80%, OR ca. 100%). Die Tiefe des Ansprechens nimmt mit den neueren Medikamenten zu (Carfilzomib, Lenalidomid, Dexamethason (KRD) >80% vs. Dexamethason allein 10%).

Wie behandeln?

Initialtherapie bei für ASCT geeigneten Patienten: Bortezomib-Lenalidomid-Dexamethason bei den meisten. Cyclophosphamid-Bortezomib-Dexamethasom bei einigen, Carfilzomib-Lenalidomid-Dexamethason bei einigen.
Initialtherapie bei für ASCT nicht qualifizierten Patienten: Lenalidomid-Dexamethason mindestens, zusätzlich Bortezomib bei Erkrankung mit hohem Risiko und wenn machbar, neuerdings Zusatz von Daratumumab.
In einer Phase I/II Studie bei neu diagnostiziertem Myelom zeigte die Kombination Lenalidomid-Bortezomib-Dexamethason eine günstige Verträglichkeit und war hocheffektiv bei einem medianen Follow-up von 21 Monaten mit einer geschätzten PFS und OS mit oder ohne Transplantation von 75% bzw. 97% (Richardson PG et al. Blood. 2010;116:679-86). Die IFM/DFCI Studie 2009 zeigte die isolierte Wirkung der Transplantation. IFM 2009 ergab ein signifikant längeres medianes PFS in der MEL-200+HSCT Gruppe gegenüber der RVd Gruppe allein (50 Monate vs. 35 Monate, p<0.001). In der MEL-200 +HSCT Gruppe hatte ein signifikant höherer Prozentsatz der Patienten ein komplettes Ansprechen im Vergleich zur Gruppe mit alleinigem RVd (69% vs. 46%, p=0.03). MRD wurde bei 65% der Patienten in der RVD Gruppe vs. 79% der Patienten in der MEL-200 +HSCT Gruppe gesehen (p<0.001). Der Mangel an OS Vorteil in der IFM Studie kann für die Möglichkeit einer Verzögerung der ASCT bis zum Rezidiv sprechen (79% der Non-ASCT Patienten hatten eine ASCT beim ersten Rezidiv. 17% der ASCT Patienten hatten eine zweite ASCT nach dem ersten Rezidiv.

Alter und Fitness

Die Transplantation ist der Pflegestandard. Alte Patienten sind dabei unterrepräsentiert. Die Transplantat-bezogene Mortalität ist gering. Es gibt keine obere Altersgrenze für die ASCT. Die Fitness ist dynamisch und sollte durchwegs analysiert werden. Dazu dient der Gebrechlichkeitsscore, der sich aus funktionellem Status und Komorbiditäten zusammensetzt. Er gibt Angaben zur Überlebenszeit und Toxizitätsinzidenz.

Komorbiditäten

Komorbiditäten können die Behandlungsentscheidung beeinflussen, dazu gehören kardiovaskuläre/kardiopulmonale Krankheiten, Niereninsuffizienz, periphere vaskuläre Erkrankungen, vorexistierende periphere Neuropathie, vorbestehende Infektion/eingeschränkte Immunantwort, eingeschränkte Glukosetoleranz/Diabetes, Knochenmarkinsuffizienz, hepatische Dysfunktion, Gastrointestinalerkrankungen, Malignität.

Drei-Medikamentenregime als initiale Induktion: Daten von SWOG SO777

Lenalidomid plus Dexamethason ist eine Referenzbehandlung für Patienten mit neu diagnostiziertem Myelom. Der SWOG S0777 Trial ist die erste Phase-III-Studie, die zeigte, dass die Integration eines Proteasominhibitors (Bortezomib) und eines immunmodulierenden Medikaments das Gesamtüberleben im Vergleich zum konventionellen Regime verbessert. Die Medikamentenkombination hatte ein akzeptables Risiko-Nutzen Profil.
Im prospektiven IFM 2013-04 Trial war VTD VCD vor ASCT bei Patienten mit de novo MM überlegen. Das komplette Ansprechen betrug unter VTD 13.0% vs. 8.9% unter VCD, das VGPR betrug 68.3% vs. 56.2% (p=0.05), und das partielle Ansprechen 92.3% vs. 83.4%. Laufende Studien werden den Stellenwert von RVD als Standard für neu diagnostizierte Patienten herausfordern.
Eine Phase-II-Studie der nächsten Proteasominhibitoren-Generation, Carfilzomib ergab in Kombination mit Lenalidomid eine eindrückliche tiefe Ansprechrate. Der hochaktive anti-CD38 monoklonale Antikörper Daratumumab wird ebenfalls bei neu diagnostizierten Fällen getestet.

Zusammenfassung 1st Line Therapie

Die Tiefe des Ansprechens ist bei der Frontline-Therapie wichtig. Die Induktion sollte idealerweise einen Proteasominhibitor und ein immunmodulierendes Medikament einschliessen. Triplett-Therapien haben bei der Frontlinien-Therapie gegenüber Dubletten einen Nutzen gezeigt. Schlüsselregimes schliessen KRD, VRD, VTD und VCD ein. Stammzelltransplantationen nehmen immer noch eine Schlüsselposition in der Behandlung des Myeloms ein. Die Transplantation kann aber bei gewissen Patienten mit niedrigem Risiko verzögert werden.

Erhaltungstherapie

Drei Studien mit insgesamt 1208 Patienten wurden mit Lenalidomid als Erhaltungstherapie durchgeführt und in einer Metaanalyse zusammengefasst (Mc Carthy PI J Clin Oncol. 2017;35:3279-3289). 1208 Patienten wurden in die Meta-Analyse einbezogen (605 Patienten in der Lenalidomid-Erhaltungsgruppe und 603 in der Placebo- oder Beobachtungsgruppe). Das mediane PFS betrug 52,8 Monate für die Lenalidomidgruppe und 23,5 Monate für die Placebo- oder die Beobachtungsgruppe (Hazard Ratio, 0,48; 0,41 bis 0,55). Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 79,5 Monaten für alle überlebenden Patienten war das mediane OS für die Lenalidomid-Erhaltungsgruppe nicht erreicht worden, während es für die Placebo- oder Beobachtungsgruppe 86,0 Monate betrug (Hazard Ratio, 0,75; 0,63 bis 0,90; P = .001). Die kumulative Inzidenzrate von Zweittumoren vor dem Fortschreiten der Erkrankung war mit Lenalidomid-Erhaltung im Vergleich zu Placebo oder Beobachtung höher, während die kumulative Inzidenzrate von Progression, Tod oder Tod als Folge des Myeloms mit Placebo oder Beobachtung im Vergleich zur Erhaltung mit Lenalidomid höher. Die Abbruchrate unter Lenalidomid betrug 29 %. Diese Meta-Analyse zeigt einen signifikanten OS-Nutzen und bestätigt den PFS-Nutzen mit Lenalidomid-Erhaltung nach ASCT bei Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom im Vergleich zu Placebo oder Beobachtung.

FAZIT

Der Referent zog das folgende Fazit:

• Triplettinduktionstherapie für die meisten Patienten.

• ASCT für transplantable Patienten. Bei gebrechlichen Patienten sind Therapiemodifikationen in Betracht zu ziehen (Rvd-Lite oder Dublett).

• Erhaltungstherapie sollte für jeden Patienten optimiert und individualisiert werden.

• Aggressive Behandlung und sorgfältige Überwachung bei Patienten mit Hochrisiko-Krankheit, eine Proteasominhibitor basierte Erhaltungstherapie erwägen.

• Eine grosse Anzahl von Behandlungen ist im rezidivierten Fall verfügbar und wird im Upfront Setting untersucht.

1st Line Behandlung bei für eine Transplantation nicht wählbaren Myelom-Patienten

Der Fall eines 77jährigen männlichen Patienten, wurde von

Prof. Dr. med. Ulrich Mey, Chur, vorgestellt. Früherer Raucher (40 py), arterielle Hypertonie, adäquat behandelt, koronare Herzkrankheit, letzte Koronarangiographie 2009, periphere arterielle Verschlusskrankheit, sonst aktiv und fit. Rechtsseitige lumbosakrale Schmerzen seit 01/2017, keine Besserung nach Physiotherapie und Akkupunktur. Hämoglobin 87g/l, ESR 100mm/h, Kreatinin 65µmol/l, Hyperkalzämie 2.88mmol/l, Gesamtprotein 98g/l, Immunfixation positiv für IgM Lambda. Die Elektrophorese ergibt einen M-Gradienten (29.1g/l), IgM im Serum 56g/l, β2-MG 4.0mg/l, Serumalbumin 36.6g/l. Es wurde eine CT-gesteuerte Biopsie der grossen Beckenläsionen und eine Knochenmarks-Biopsie durchgeführt, die eine Plasmazell-Neoplasie mit Lambda-Leichtkettenrestriktion zeigte: CD 138+, CD 79a+, CD 20 negativ, MYD88 L265P negativ. Die zytogenetische Analyse (FISH & aCGH) ergab einen near triploid Karyotyp, del (17p) Subklon. Welches ist die wahrscheinlichste Diagnose? 97.5% der Zuhörer sind für die Diagnose MM vom IgM Typ.
Der Referent erkundigte sich bei der Zuhörerschaft nach den Behandlungsregimes, welche für diesen Patienten bevorzugt eingesetzt werden. Die vorgeschlagenen Alternativen sind RD, VD, VMP, MPT, VCD, RVD. Die Zuhörer entschieden sich für RVD (60.0%). 15% stimmten für VMP und je 7.5% für RD bzw. VD.

Expertenmeinung aufgrund neuester Erkenntnisse:

Anstelle von Prof. Philippe Moreau, Nantes, der verhindert war, besprach

Prof. Dr. med. Paul Richardson, Boston, die neuesten Erkenntnisse bei der Behandlung von für ASCT nicht in Frage kommende Patienten in der Frontline-Therapie.
Alter ist ein wichtiger Faktor. Das mittlere Alter beträgt 70 Jahre, mehr als ein Drittel der Patienten ist mehr als 75jährig. Das Alter ist wichtig wegen der Komorbiditäten (Hypertonie, ischämische Herzkrankheit, Diabetes, Niereninsuffizienz, Osteoporose, psychologische Probleme), Gebrechlichkeit, veränderter Medikamentenmetabolismus, eingeschränkte soziale Unterstützung, finanzielle Gegebenheiten, eingeschränkte Unabhängigkeit/Mobilität.
ASCT möglich:

Neue Daten und die Zukunft
• Ja, Induktion mit 3 Medikamentenregime, VTD, VCD, RVD, PAD →200mg/m2 Melphalan gefolgt von ASCT→Erhaltungstherapie mit Lenalidomid
• Nein, Erste Option VMP, RD, VRD. Zweite Option VCD, MPT. Weitere Optionen BP, CTD, MP.
Überlebensvorteil: MP plus Thalidomid.
IFM 99-06, Thalidomid plus Melphalan: neu diagnostizierte Myelompatienten im Alter zwischen 65 und 75 Jahren wurden randomisiert mit Melphalan und Prednison oder Melphalan, Prednison und Thalidomid behandelt. Die Daten ergaben eine starke Evidenz, dass die Kombination von Thalidomid mit Melphalan und Prednison der alleinigen Therapie mit Melphalan und Prednison überlegen war.
Melphalan plus Bortezomib: Eine Multizenter Phase 1/2 Studie zeigte, dass bei älteren, für eine ASCT nicht in Frage kommenden Patienten die Kombination von Bortezomib plus MP signifikant besser war als MP allein, mit sehr hohen Raten für komplette Remission, inklusive kompletter Remissionen, sogar bei Patienten mit schlechter Prognose. Auch in der VISTA Studie (Mateos MV JCO 2010;26;2259-66) bestätigte sich, dass VMP das OS gegenüber MP signifikant verlängert. Im Hinblick auf Nebenwirkungen zeigte sich vor allem eine Zunahme peripherer Neuropathie vom Grad 3/4 unter VMP.
Der Referent gab die folgende Definition des klinischen Nutzens: TTP: Zeit bis zur Progression, TNT, Zeit bis zur nächsten Therapie, TFI Behandlungsfreies Intervall. Erreichen eines kompletten Ansprechens ist mit einem verlängerten behandlungsfreien Intervall assoziiert.
Lenalidomd/niedrig dosiertes Dexamethason bei älteren Patienten: In der ECOG-E4A03-Studie wurde Lenalidomid plus Dexamethason in Standarddosis oder plus niedrig dosiertem Dexamethason bei frisch diagnostiziertem MM untersucht. Die 2-Jahresüberlebenswahrscheinlichkeit betrug unter Len + high dose Dex 0.67 (0.56-0.77) gegenüber 0.82 (0.74-0.91) unter Len plus low dose Dex. In der FIRST/MM020/IFM 2007-01 Studie zeigte sich, dass im Vergleich zu MPT die kontinuierliche Verabreichung von Lenalidomid-Dexamethason bis zur Krankheitsprogression mit einer signifikanten Verbesserung des PFS und einem Gesamtüberlebensvorteil einherging.

Neue Daten und die Zukunft

• VMP/Rd sequentiell oder alternierend (Mateos MV m Blood 2016;127;420-5): Beide Schemata ergaben einen bemerkenswerten Nutzen. Zudem war das komplette Ansprechen mit besserem Outcome und akzeptablem Toxizitätsprofil assoziiert. Zwischen sequentieller und alternierender Therapie wurde kein Unterschied festgestellt. Das chronologische Alter erwies sich aber als Prädiktor für PFS und OS
• MP basiert: VMP +/- Daratumumab: ALCYLONE: Daratumumab ergab gegenüber der Kontrolle ein signifikant längeres PFS (Nicht erreicht vs. 18.1 Monate). Die HR für Krankheitsprogression oder Tod betrug 0.50 (0.38-0.65), P<0.001. Das mediane Überleben wurde in keinem der beiden Behandlungsarme erreicht.
• RVD Lite: Modifiziertes Lenalidomid, Bortezomib und Dexamethason wurde als Regime, welches neue Medikamente bei nicht transplantierbaren Patienten bezüglich Wirksamkeit und Toxizität optimal ausgleicht, untersucht (O’Donnell W et al Br J Hematol 2018;18:222-230). Das ORR betrug 86% und 66% der Patienten erreichten ein sehr gutes partielles Ansprechen. Das mediane PFS betrug 35.2 Monate, das mediane OS wurde nach einem 30 monatigen Follow-up nicht erreicht
• RD basiert: MLN-RD vs RD: TOURMALINE 1 untersuchte orales Ixazomib plus Lenalidomid-Dexamethason vs. Placebo plus Lenalidomid-Dexamethason. Die Zugabe von Ixazomib war mit einem signifikant längeren PFS assoziiert (20.6 vs 14.7 Monate). Die zusätzlichen toxischen Effekte mit diesem gesamtoralen Regime waren begrenzt
• Elozutumab-RD vs RD, ELOQUENT 2: Elotuzumab plus Lenalidomid und Dexamethason wurde gegenüber Lenalidomid plus Dexamethason bei rezidiviertem/refraktärem multiplem Myelom untersucht. (Dinopoulos Ma et al, Cancer 2018; Sep 11. doi:10.10002/cncr.31680 (Epub ahead of print)). ELd reduzierte das Risiko für Krankheitsprogression um 29% vs. Ld (HR 0.71). Die Daten sprechen für Elotuxumab als wertvolle therapeutische Option für die Langzeitbehandlung von Patienten mit RRMM.
• Daratumumab-RD vs RD: MAIA: Die MAIA Studie zeigte, dass Daratumumab in Kombination mit Lenalidomid und Dexamethason einen grösseren Nutzen hat als Lenalidomid und Dexamethason allein bei Patienten mit neu diagnostiziertem MM, welche für eine ASCT nicht in Frage kommen.

Rezidiviertes Multiples Myelom

Die entsprechende Fallvignette stellte

Dr. med. Christian Taverna, Münsterlingen, vor. Es handelte sich um einen 1972 geborenen Mann mit M. Bechterew, behandelt mit dem TNFα Inhibitor Etanercept. 2013 schwere bilaterale Retinopathie unbekannter Ätiologie, zerebrovaskulärer Infarkt parietal linksseitig, Bakteriämie mit Strep. salivarius. MM IgG Kappa, ISS Stadium II, gain 1q, del 13, Trisomie 9 und 15.
Die Therapie besteht aus Induktion mit 4 Zyklen VCD mit PR. 1/2013 Beginn mit Zoledronsäure, 5/2013 Stammzellmobilisierung mit Vinorelbine, erfolgreiche Stammzellgewinnung, 6/2013 Single Hochdosis Chemotherapie mit Melphalan 200 mg/m2
Ansprechen: Immunfixation negativ, Knochenmark nicht durchgeführt, 11/13-011/15 Lenalidomid Erhaltungstherapie 10mg/d.

Welche Zweitlinientherapie?

• Re-Induktion und zweite ASCT
• Carfilzomib, Lenalidomid, Dexamethason
• Ixazomib, Lenalidomid, Dexamethason
• Daratumumab, Lenalidomid, Dexamethason
• Daratumumab, Bortezomib, Dexamethason
• Elotuzumab, Lenalidomid, Dexamethason
• Die Zuhörer stimmen für Re-Induktion und zweite ASCT (64.9%), je 16.2% für Carfilzomib,

Lokale Therapie für Th9?

Radiotherapie, Kypho- oder Vertebroplastie, Chirurgie oder keine lokale Therapie.
45.2% der Zuhörer stimmen für Radiotherapie, 41.9% für Kypho- oder Vertebroplastie

Welche Drittlinientherapie?

• Re-Induktion und ASCT
• CAR-T-Zelltherapie
• Carfilzomib, Lenalidomid, Dexamethason
• Ixazomib, Lenalidomid, Dexamethason
• Daratumumab, Lenalidomid, Dexamethason
• Daratumomab Bortezomib, Dexamethason
• Elotuzumab, Lenalidomid, Dexamethason
Die Zuhörerschaft teilte sich im Wesentlichen in Daratumumab, Lenalidomid, Dexamethason (34.2%), Daratumumab, Bortezomib Dexamethason (26.3%) und Carfilzomib, Lenalidomid, Dexamethason (23.7%) auf.

Expertenmeinung aufgrund neuer Entwicklungen auf dem Gebiet des rezidivierten und refraktären multiplen Myeloms (RRMM)

Die aktuelle Expertenmeinung und die neuesten Erkenntnisse wurden wiederum durch Prof. Paul Richardson, Boston, vorgetragen. Das MM ist beim Rezidiv sehr komplex in Hinblick auf genetische Veränderungen und der klonalen Evolution, so der Referent. Die Prognose für Patienten, die auf die derzeitig verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten refraktär sind, bleibt schlecht, wie eine Studie an Myelompatienten, die mindestens drei vorherige Therapielinien erhalten hatten und sowohl für Imide (Lenalidomid oder Pomalidomid) als auch für Proteasominhibitoren (Bortezomib oder Carfilzomib) refraktär waren und eine alkylierende Therapie erhalten hatten (Kumar SK et al. Leukemia 2017;31:2443-2448). Mittlerweile sind multiple Optionen zur Behandlung von Patienten mit neu diagnostiziertem RRMM vorhanden. Wie führen wir die Sequenz der Therapien durch, um das beste Outcome für den Patienten zu erreichen? Die Hauptziele im Jahre 2019 sind im Hinblick auf genetische Abnormalitäten die Überwindung von Mutationen, die kritische Rolle von Kombinationen und die fortlaufende Therapie, der Stellenwert und das Timing der ASCT, im Hinblick auf die überschüssige Proteinproduktion der Proteinabbau als Ziel und im Hinblick auf die Immunsuppression die Wiederherstellung der anti-Myelom Immunität.
Der Entscheid für die nächste Therapie bei einem Myelompatienten hängt von multiplen Faktoren ab, diese umfassen Patienten-bezogene Faktoren und Krankheits-bezogene Faktoren. Der Referent wies auf die Optionen bei RRMM entsprechend der NCCN Guidelines 2018 (USA) hin. Er präsentierte die zahlreichen Studien auf diesem Gebiet hin, so ASPIRE (KRd vs. Rd), TOURMALINE-MM1 (IRD vs. RD), POLLUX (DRD vs. RD), ELOQUENT-2(ERD vs. RD), ENDEAVOR (KD vs. VD), CASTOR (DVD vs. VD), PANORAMA (Pano-VD vs. VD), die Vorteile für Carfilzomib+Lenalidomid+Dexamethason vs. Lenalidomid+Dexamethason und die entsprechenden Kombinationen mit Ixazomib, Daratumumab, Elotuzumab und Panobinostat vs. Lenalidomid+Dexamethason ergaben. Lenalidomid wird jetzt vermehrt im Frontline Setting verwendet und die Patienten werden während einer längeren Periode behandelt.
Pomalidomid bei RRMM: Pomalidomid ist ein orales IMID mit direkter tumorizider und immunmodulatorischer Wirkung. In präklinischen Studien inhibierte es Lenalidomid-resistente Zellen. Pomalidomid zeigt einen OS-Vorteil bei Lenalidomid-refraktären Patienten. Die Triplettkombination Pomalidomid, Bortezomib und Dexamethason zeigt eine vielversprechende Wirksamkeit bei Lenalidomid-refraktären Patienten in der frühen Phase. Die Phase-III-Studie OPTIMISMM ergab signifikant bessere PFS und ORR mit PVD bei RRMM (100% Lenalidomid exponiert und 70% Lenalidomid refraktär, eine zunehmende Patientenpopulation, für welche Lenalidomid keine Therapieoption mehr darstellt). PVD reduzierte das Risiko für Krankheitsprogression signifikant um 39% vs. VD.

Weitere Studien und Therapielinien:

IKEMA (Isatuxumab+Carfilzomib+Dexamethason vs. Carfilzomib+Dexamethason)
OCEAN (Melflufen+Dexamethason vs. Pomalidomid + Dexamethason)
DREAMM-1 ( GSK2857016)
Der Referent wandte sich abschliessend einem weiteren Hauptziel beim MM zu, der überschiessenden Proteinproduktion und dem Proteasom. Marizomib ist ein strukturell und pharmakologisch einzigartiger irreversibler Proteasominhibitor, der für die Blut-Hirnschranke durchlässig ist und eine synergistische Wirkung mit Immunmodulatoren zeigt. Marizomib hat möglicherweise eine Wirkung auf ausgewählte ZNS Malignitäten.
Abschliessend wandte sich der Referent der ELOQUENT-3 Studie zu. ELOQUENT-3 ist die erste randomisierte Studie, die Pomalidomid mit oder ohne monoklonalen Antikörper vergleicht. EPD zeigte eine klinisch bedeutsame 46% Reduktion des Risikos für Progression oder Tod (HR 0.54 mit einem gegenüber PD verdoppelten PFS (10.2 vs. 4.7 Monate). Das ORR war mit Elotuzumab+Pomalidomid (EPD) doppelt so hoch wie mit Pomalidomid allein (53% vs. 26%). EPD zeigte ein günstiges Sicherheitsprofil mit niedrigeren Neutropenieraten als erwartet und wenigen Infusionsreaktionen (5%). EPD stellt eine neue Therapieoption bei Patienten mit RRMM dar, bei denen eine Therapie mit Lenalidomid und einem Proteasominhibitor nicht mehr wirksam ist.

Die neuen Moleküle Isatuximab und Selinexor beim multiplen Myelom

Neue Moleküle in der Therapie des MM wurden von Prof. Dr. Joseph Mikhael, North Hollywood, besprochen. Isatuximab ist ein monoklonaler anti-CD-38 Antikörper. Präklinische Studien deuten darauf hin, dass ADCC (Antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität) der wichtigste Faktor für die Wirksamkeit dieses speziellen monoklonalen Antikörpers ist. So könnten Medikamente, die NK-Zellen stimulieren können, optimale Kandidaten für rationale Kombinationen mit Isatuximab sein. Die ICARIA MM Studie ist eine multinationale klinische Studie zur Untersuchung von Isatuximab, Pomalidomid und Dexamethason im Vergleich zu Pomalidomid und Dexamethason allein bei Patienten mit RRMM. Die möglichen Vorteile von Isatuximab sind: Kürzere Infusionszeit, in vitro Überlegenheit, aber unklar ob klinisch signifikant, günstiges Nebenwirkungsprofil?
Selinexor ist der erste SINE (selective inhibitor of nuclear export), welcher spezifisch XPO1 (hauptsächliches nukleäres Export Protein) blockiert. XPO1 ist beim MM überexprimiert. Die Schlüsselpunkte für Selinexor sind:
Selinexor erfüllt eine klinische Notwendigkeit bei Refraktärität gegenüber sämtlichen 5 verfügbaren Standardoptionen. Seine Applikation ist einfach durch die orale Verabreichung. Selinexor erfordert eine aufmerksame unterstützende Behandlung vor allem im ersten Monat.

Ausgewählte neue Agentien beim multiplen Myelom: Focus auf Melflufen, Immuntherapie

Melflufen weist eine stärkere Anti-Tumoraktivität auf als das verwandte Melphalan, trotz der identischen Alkylierungskapazität. Studien an Modellen mit soliden Tumoren zeigen, dass die Behandlung mit Melflufen eine 10-fach höhere Melphalan-Beladung bewirkt, was die höhere Tumorzytotoxizität erklärt.
In einer Phase-II-Studie (Richardson PG et al. ASH 2017) bei RRMM Patienten nach ≥2 vorhergängigen Therapielinien, einschliesslich Lenalidomid und Bortezomib zeigte Meflufen ein schnelles und dauerhaftes Ansprechen. Das ORR betrug 41% und das CBR 65% mit medianem PFS von 5.7 Monaten und medianem OS von 20.7 Monaten. Die Verträglichkeit war günstig, hämatologische Toxizität häufig aber klinisch beherrschbar, nicht-hämatologische unerwünschte Wirkungen waren selten.

BCMA, APRIL und Antikörperkonjugate

BCMA (B-cell maturation antigen) und APRIL(a proliferation induced ligand) sind beim MM erhöht. Sie fördern Wachstum des MM und Immunsuppression im Knochenmark. Anti-Medikament-Konjugate (ADCs) können Ziele selektiv ansteuern und Medikamente an Myelomzellen liefern. Der Referent besprach die Resultate mit dem Antikörper-Medikament-Konjugat GSK2857916 einem Antikörperkonjugat gegen BCMA. Die DREAMM-1-Studie ist eine open label Dosiseskalationsstudie zur Untersuchung der Sicherheit, Pharmakokinetik und Pharmakodynamik, Immunogentität und klinischen Wirksamkeit von GSK2847916 bei Patienten mit RRMM und bei anderen hämatologischen Malignitäten, die BCMA exprimieren. Die Studie ist noch am Laufen. GSK2857916 resultierte in einem ORR von 60% bei stark vorbehandelten Patienten mit MM. Das mediane PFS war 7.9 Monate und DOR nicht messbar, da nur 4 ansprechende Patienten bis zum Zeitpunkt des Dateneinschlusses progredient waren.

Neue Medikamente: CART Zellen, Venetoclax

Die anti-BCMA CAR T Zelltherapien besprach Prof. Dr. med. Christoph Renner, Zürich. bb2121 ist eine chimäre Antigenrezeptor (CAR) T-Zelltherapie der zweiten Generation, die auf das B-Zell-Maturationsantigen (BCMA) abzielt, um T-Zellen umzuleiten, damit maligne Myelomzellen erkannt und abgetötet werden. Die tiefen und dauerhaften Remissionen einer Phase 1-Studie mit der anti-BCMA chimären Antigenrezeptor (CAR) T-Zelltherapie bb2121 bei Patienten mit rezidiviertem/refraktärem, stark vorbehandeltem MM haben zu einer Phase-II-Studie geführt, die derzeit noch läuft. In dieser Studie betrug das ORR 95.5% bei der höchsten Dosierung, das mDOR 10.9 Monate. Das Tumoransprechen nach BCMA Expression zeigte ein ORR von 100% bei niedriger BCMA Expression und 91% bei hoher BCMA Expression. Das mediane PFS betrug bei aktiven Dosen (≥150 x 106 CAR-T Zellen).
Venetoclax beim rezidivierten MM: Venetoclax ist ein selektiver Bcl-2 Hemmer, der ein Absterben bei MM Zellen bewirkt, insbesondere bei solchen mit der t(11;14) Translokation, die hohe BCL-2 Werte exprimieren. In einer Phase-Ib-Studie (Moreau P et al. Blood. 2017;130:2392-2400) ergab Venetoclax in Kombination mit Bortezomib und Dexamethason ein ORR von 67%; 42% erreichten ein sehr gutes partielles Ansprechen oder besser (≥VGPR). Die mediane Zeit bis zur Progression und die Dauer des Ansprechens betrugen 9.5 bzw. 9.7 Monate. Ein ORR von 97% und ≥VGPR von 73% wurden bei Patienten gesehen, die auf Bortezomib nicht refraktär waren. Patienten mit hoher BCL2 Expression wiesen ein höheres ORR auf (94%) als Patienten mit niedriger BCL2 Expression (59%). Die neuartige Kombination von Venetoclax mit Bortezomib und Dexamethason weist ein akzeptables Sicherheitsprofil und eine vielversprechende Wirksamkeit bei Patienten mit RRMM auf. Venetoclax scheint auch eine Hoffnung für Patienten mit Plasmazell-Leukämie und für solche mit AL-Amyloidose zu sein.
Venetoclax ist die erste zielgerichtete Therapie beim MM. Es eignet sich für die Kombination mit Proteasominhibitoren.

Quelle: Meet the Myeloma Experts, Zürich, 8.11.2018

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

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